Bundespatentgericht, Urteil vom 02.10.2012, Az. 5 Ni 41/10 (EP)

5. Senat | REWIS RS 2012, 2631

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Gegenstand

Patentnichtigkeitsklageverfahren – "Delta-Sigma Analog-/Digital-Wandler (europäisches Patent)" – zur unzulässigen Erweiterung


Tenor

In der Patentnichtigkeitssache

betreffend das europäische Patent 1 300 951

([X.] 502 10 968)

hat der 5. Senat (Nichtigkeitssenat) des [X.] auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 2. Oktober 2012 durch [X.], die Richterin [X.] sowie [X.], [X.] und Dipl.-Ing. Musiol

für Recht erkannt:

[X.] Das [X.] Patent 1 300 951 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der [X.] für nichtig erklärt.

I[X.] Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

II[X.] [X.] ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des am 29. September 2002 angemeldeten [X.] Patents 1 300 951 (Streitpatent), das auch mit Wirkung für die [X.] erteilt wurde und beim [X.] unter der Nummer 502 10 968 geführt wird. Das Streitpatent, das einen „[X.]“ betrifft und 6 Patentansprüche umfasst, nimmt die Prioritäten der [X.] Gebrauchsmusteranmeldung 201 16 222.9 sowie der [X.] Patentanmeldung 101 48 799.1, jeweils vom 2. Oktober 2001, in Anspruch.

2

Patentanspruch 1 der erteilten Fassung des Streitpatents hat in der [X.] folgenden Wortlaut:

3

dadurch gekennzeichnet, dass ein vor dem D-Eingang des [X.] [4] befindlicher erster Buffer [5][7] und/oder ein hinter dem Ausgang des [X.] [4] befindlicher zweiter Buffer [6][8] betriebsspannungsmäßig getrennt von digitalen [X.]n, die sich auf dem [X.] befinden, versorgt [X.] damit eine Entkopplung zwischen [X.] und analogem Frontend eintritt.“

4

Wegen der auf Patentanspruch 1 zurückbezogenen Ansprüche 2 bis 6 wird auf die [X.] 951 B1 Bezug genommen.

5

Mit ihrer Nichtigkeitsklage macht die Klägerin geltend, der Gegenstand des Streitpatents sei nach den Artikeln 52 bis 56 EPÜ nicht patentfähig (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 [X.]) und gehe über den Inhalt der Anmeldung in der Fassung hinaus, in der sie ursprünglich eingereicht wurde (Art. Il § 6 Abs. 1 Nr. 3 [X.]). Zudem offenbare das Patent die Erfindung nicht so deutlich, dass ein Fachmann sie ausführen könne (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 2 [X.]).

6

Zur Stützung ihres Vorbringens verweist die [X.] auf folgende Unterlagen:

7

D1: [X.] 18 508 A1

8

D2: „[X.] in Software", Design & Elektronik 10/98

9

D3: [X.] 4,926,178

D4: [X.]: “Layout and Design Rules for Data Converters and other Mixed Signal Devices”, February 1998, Application Note [X.], herausgegeben von der [X.], Inc. ([X.], [X.], [X.]A)

D5: [X.] 4,746,899

D6: [X.] 2734731 B2

D6a: maschinell erstellte Übersetzung von D6

D7: [X.]/24077 A1

D8: [X.] 16 222 [X.] und

D9: [X.] 101 48 799 A1.

Die Klägerin beantragt,

das [X.] Patent 1 300 951 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der [X.] für nichtig zu erklären.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Hilfsweise verteidigt die Beklagte das Streitpatent in einer Fassung, in der Anspruch 1 im Oberbegriff (Spalte 3, Zeile 43 ff. der [X.]) wie folgt gefasst ist:

„[X.], dessen analoges Frontend aus einem Eingangswiderstand [1], einem Rückkopplungswiderstand [2], einer [X.] [3] und einem [X.] [4] besteht, bei dem sich das [X.] auf einem [X.] befindet ...“

und in Spalte 3, Zeile 52 bis 54 der [X.] es wie folgt heißen soll:

„… betriebsspannungsmäßig getrennt von dem die digitalen [X.] beinhaltenden [X.] versorgt [X.]…“.

Die Beklagte tritt den Ausführungen der Klägerin in allen Punkten entgegen und hält das Streitpatent in den verteidigten Fassungen für patentfähig, insbesondere ergebe sich sein Gegenstand nicht in naheliegender Weise aus dem von der Klägerin angeführten Stand der Technik. Die Erfindung sei so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen könne. Der Gegenstand des Streitpatents gehe auch nicht über den Inhalt der Anmeldung in ihrer ursprünglich eingereichten Fassung hinaus.

Zur Stützung ihres Vorbringens legt die Beklagte folgende Unterlagen vor:

[X.]: [X.], [X.], [X.], [X.], [X.] in [X.] CMOS, [X.] OF [X.] [X.], VOL. 40, NO. 1, [X.] 2005, Seiten 132 bis 143

[X.]: [X.], Gerriet Müller, [X.] Delta-Sigma [X.], Konferenzbeitrag IP/SOC 2006 – [X.], 2006, [X.], Frankreich

NB-3: [X.] 2006, [X.], Conference & Exhibition, [X.], [X.], [X.] (Liste der Commiteemitglieder).

Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf den Hinweis des Senats nach § 83 Abs. 1 [X.] vom 19. Juli 2012 Bezug genommen, weiter auf das Sitzungsprotokoll und die gewechselten Schriftsätze samt allen Anlagen.

Entscheidungsgründe

Die Klage, die sich u. a. auf den in Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 3 [X.] [X.] Art. 138 Abs. 1 c) EPÜ genannten [X.] der unzulässigen Erweiterung stützt, ist zulässig und auch bezüglich aller verteidigter Fassungen des Streitpatents begründet.

[X.]

1. Das Streitpatent bezieht sich auf einen [X.]nalog/[X.]. Ein [X.]/D-Wandler besteht in einer Grundschaltung aus einem [X.], der den sogenannten [X.] erzeugt, und einem nachgeschalteten Tiefpassfilter. Der [X.] selbst setzt sich in seiner einfachsten Schaltungsvariante aus einem Integrator, einem Komparator und einem getakteten 1-Bit-Speicher ([X.]) zusammen. Im Modulator wird das Eingangssignal einer bestimmten Bandbreite mit einer hohen Überabtastrate abgetastet und das so generierte digitale Signal nach einer Digital-Analog-Wandlung am Eingang gegengekoppelt. Eine typische Eigenschaft dieses Modulationsprinzips ist, dass die spektrale Leistungsdichte des unerwünschten Wandlungsrauschens bei niedrigen Frequenzen verkleinert und bei hohen Frequenzen, die außerhalb des zu erfassenden Frequenzbandes liegen, erhöht wird, wodurch eine Erfassung der niederfrequenten Signalanteile mit hohem Rauschabstand ermöglicht wird. Die höheren Frequenzen, die aufgrund des ungünstigen Signal-Rauschverhältnisses nicht genutzt werden, werden durch ein Filter (Tiefpass) entfernt.

D1) und [X.]-2734731 [X.] angegeben (vgl. Absatz [0004]). Bezüglich der Trennung der analogen von den digitalen [X.]n seien in der Druckschrift „Practical Analog Design Techniques“, [X.], 1995, auf den Seiten 4-51 bis 4-56 diverse Techniken beschrieben, die eine Vielzahl aufwändiger Maßnahmen enthielten (vgl. Absatz [0005]).

Demgegenüber würde sich die vorliegende Erfindung dadurch auszeichnen, dass hier nur ein Bruchteil der Maßnahmen zur Anwendung gelange.

Auch für die in der [X.] 6,232,902 [X.] aus Gründen der Stromaufnahme für die Begrenzung der Frequenz des Ausgangssignals des [X.] beschriebene aufwändige Schaltung mit [X.] werde eine einfachere Lösung vorgeschlagen (vgl. Absatz [0016]).

Ausgehend vom vorstehenden Stand der Technik hat es sich das Patent die zur Aufgabe gemacht, den analogen Teil eines [X.]/D-Wandlers (analoges Frontend) soweit zu verbessern, dass bei Beibehaltung des einfachen Aufbaus eine erhebliche Steigerung der Auflösung möglich werde, wobei die für gängige Audio-Codecs benötigte Auflösung von mindestens 13 Bit angestrebt werde (vgl. Absatz [0008]).

Zur Lösung der vorstehenden Aufgabe schlägt das Patent einen [X.]nalog-/[X.] vor, der sich in folgende Merkmale gliedern lässt (Änderungen gegenüber der ursprünglichen Fassung fett):

a) Delta-Sigma Analog-/[X.],

und einem Flip-Flop besteht,

der ein [X.] auf einem [X.] enthält, dadurch gekennzeichnet,

D-[X.] befindlicher erster Buffer und/oder

D-[X.] im Rückkopplungspfad befindlicher zweiter Buffer

dem die digitalen [X.] beinhaltenden [X.] digitalen [X.]n, die sich auf dem [X.] befinden, versorgt wird, damit eine Entkopplung zwischen [X.] und analogem Frontend eintritt.

2. Das Streitpatent wendet sich an einen Diplomingenieur (FH) der Elektrotechnik, der mit dem Entwurf von Schaltungen für die Analog-Digital-Wandlung für die Übertragungstechnik befasst ist. Diesem Fachmann sind die in den Ansprüchen enthaltenen Begriffe, die dem Fachjargon entlehnt sind, hinsichtlich ihrer funktionellen Bedeutung geläufig.

3. Der Senat folgt der Auffassung der Klägerin, dass das Streitpatent unzulässig erweitert sei, da das analoge Frontend, entgegen dem ursprünglich Offenbarten, anspruchsgemäß nur noch aus einem Eingangswiderstand, einem Rückkopplungswiderstand und einer Integrator-Kapazität besteht. Das Flip-Flop ist mithin nicht mehr Bestandteil des analogen Frontends, sondern nunmehr Komponente eines [X.]s.

Soweit die Beklagte diese konkrete Zuordnung des [X.] zu einer Teilschaltung mit der Begründung für unerheblich hält, sowohl mit dem ursprünglich eingereichten als auch mit dem erteilten Patentanspruch 1 sei jeweils eine in ihren [X.]n gleiche Anordnung beansprucht, die sich nur durch eine andersartige Lokalisierung des [X.] im [X.] unterscheide, wodurch die Arbeitsweise des [X.] nicht betroffen sei, führt dies nicht zu einer rechtsbeständigen Anspruchsfassung. Die Ansicht der Beklagten, wonach es egal sei, ob das Flip-Flop dem analogen Frontend oder dem [X.] zugeschlagen werde, mag zwar hinsichtlich der grundlegenden Arbeitsweise des [X.] sogar zutreffen, allerdings macht es bereits beim Schaltungsentwurf und der anschließenden technologischen Umsetzung erhebliche Unterschiede, ob das Flip-Flop als möglicherweise diskreter Bestandteil einer im Wesentlichen analogen Teilschaltung zu realisieren ist (wie ursprünglich offenbart) oder als digitales Schaltungsteil in einen Halbleiter-Chip zu integrieren ist (erteiltes Patent). Aus der unterschiedlichen Lokalisierung des [X.] ergeben sich für den Fachmann konsequenterweise auch Unterschiede hinsichtlich einer beabsichtigten, wie auch immer gearteten Entkopplung zwischen den digitalen [X.]n des [X.]s und dem analogen Frontend.

Flip-Flop vom analogen Frontend entkoppelt wird. Nach der ursprünglichen Lehre des Streitpatents, in der das Flip-Flop ausdrücklich in den [X.] des analogen Frontends eingebunden ist, wird dagegen das Flip-Flop vom [X.] entkoppelt.

dem die digitalen [X.] beinhaltenden [X.], also einem digitalen [X.], offenbart war, nunmehr dagegen von einer betriebsspannungsmäßigen Trennung zwischen den Buffern und digitalen [X.]n, die sich auf dem [X.] befinden, mithin auch von einem analog-digital aufgebauten [X.] die Rede ist.

Mit dem erteilten Patentanspruch 1 ist zur Überzeugung des Senats im Ergebnis eine Schaltungsanordnung beansprucht, die sich bezüglich ihrer Teilschaltungen und den damit verbundenen Auswirkungen im Einzelnen in den ursprünglich eingereichten Unterlagen nicht wiederfindet und mit der das Streitpatent folglich keinen Bestand haben kann.

4. Der Patentanspruch 1 in seiner hilfsweise verteidigten Fassung lautet (Änderungen gegenüber erteilter Fassung fett):

Delta-Sigma Analog-/[X.],

und einem [X.] besteht,

der ein [X.] auf einem [X.] enthält , bei dem sich das [X.] auf einem [X.] befindet,

dadurch gekennzeichnet,

dass ein vor dem D-Eingang des [X.]s befindlicher erster Buffer und/oder

D-[X.] befindlicher zweiter Buffer betriebsspannungsmäßig getrennt von dem die digitalen [X.] beinhaltenden [X.], digitalen [X.]n, die sich auf dem [X.] befinden versorgt wird, damit eine Entkopplung zwischen [X.] und analogem Frontend eintritt.

Das im Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag nunmehr definierte analoge Frontend entspricht dem analogen Frontend in der ursprünglich eingereichten Fassung des Patentanspruchs 1, da das [X.] nun wieder ausdrücklich Bestandteil des analogen Frontends ist.

Die Beklagte hält diese Fassung des Patentanspruchs 1 daher für ursprünglich offenbart und somit für zulässig. Der hilfsweise verteidigte Patentanspruch 1 mag zwar in diesem Merkmal mit dem ursprünglich eingereichten Patentanspruch 1 übereinstimmen, allerdings verteidigt die Beklagte damit hilfsweise eine Anspruchsfassung, die, im Umkehrschluss zu den Ausführungen zum Hauptantrag, wiederum auf eine in ihrem Schutzbereich vollkommen anders zu beurteilende Anordnung des als analoges Frontend definierten [X.]s, mithin auf ein Aliud gegenüber der erteilten Fassung, gerichtet ist.

Mit dem Patentanspruch 1 in der mit dem Hilfsantrag verteidigten Fassung kann das Patent somit ebenfalls keinen Bestand haben.

II[X.]

Als Unterlegene hat die Beklagte die Kosten des Rechtsstreits gemäß § 84 Abs. 2 [X.] [X.] § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO zu tragen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 99 Abs. 1 [X.], § 709 ZPO.

Meta

5 Ni 41/10 (EP)

02.10.2012

Bundespatentgericht 5. Senat

Urteil

Sachgebiet: Ni

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Urteil vom 02.10.2012, Az. 5 Ni 41/10 (EP) (REWIS RS 2012, 2631)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 2631

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