Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 03.04.2008, Az. 1 StR 51/08

1. Strafsenat | REWIS RS 2008, 4685

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[X.]/08 vom 3. April 2008 in der Strafsache gegen wegen Vergewaltigung u.a. - 2 - Der 1. Strafsenat des [X.] hat am 3. April 2008 beschlossen: 1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 31. Juli 2007 wird verworfen. 2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen. Gründe: Dem Angeklagten liegt zur Last, gemeinsam mit dem anderweitig abge-urteilten [X.]die zur Tatzeit 15 Jahre alte [X.] Staatsangehörige Sö. mit dem Auto auf ein Betriebsgelände an den Stadtrand von [X.]verbracht zu haben, um dort im Auto nacheinander gegen ihren Willen den Geschlechtsverkehr durchzuführen. Der Angeklagte, der die Tat bestreitet, hat in der Hauptverhandlung vortragen lassen, die Geschädigte habe ihn gezielt falsch belastet. Sie sei nicht nur mit dem Geschlechtsverkehr mit den Angeklag-ten und dem anderweitig Abgeurteilten einverstanden gewesen, sondern habe ihn vor dem traditionellen [X.]n kulturellen Hintergrund mit Überlegung selbst herbeigeführt, um später im deflorierten Zustand mit ihrem neuen türki-schen Freund den vaginalen Geschlechtsverkehr ausüben zu können. Das [X.] hat den Angeklagten aufgrund der Aussage der Geschädigten und des schon im abgetrennten Verfahren geständigen Mittäters als überführt ange-sehen und ihn wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit Körperverletzung unter Einbeziehung zweier früherer Verurteilungen zur Jugendstrafe von fünf Jahren 1 - 3 - und sechs Monaten verurteilt. Die auf Verfahrensrügen und die Sachrüge ge-stützte Revision des Angeklagten hat keinen Erfolg. [X.] Die Verfahrensrügen sind nicht begründet. 2 1. Die Rüge, den erziehungsberechtigten Eltern des noch jugendlichen Angeklagten sei am Ende der Hauptverhandlung entgegen § 67 Abs. 1 JGG in Verbindung mit § 258 Abs. 2 und 3 StPO nicht das letzte Wort erteilt worden, bleibt ohne Erfolg. Allerdings trägt die Revision zutreffend vor, das [X.]sprotokoll enthalte nur den Eintrag, —die gesetzlichen Vertreter stellten keine Anträgefi. Einen ausdrücklichen Eintrag zum —letzten [X.] enthält das Protokoll nicht. Jedoch hat der Vorsitzende der [X.] nach Erhebung der entsprechenden Verfahrensrüge in einer dienstlichen Erklärung mitgeteilt, er habe die Eltern des Angeklagten mit Hilfe einer Dolmetscherin in einfachen Worten darauf hingewiesen, dass sie —jetzt Gelegenheit hätten, zu den gestellten Anträgen Stellung zu nehmen und selbst noch Ausführungen zu machen, bevor ihr [X.] zu Wort kommefi. [X.] und die Dolmetscherin hätten sich erhoben und der Vater des [X.] habe eine aus mehreren Sätzen bestehende und von der Dolmet-scherin übersetzte Erklärung abgegeben. Diese Erklärung habe er als abschlie-ßende Stellungnahme verstanden, auch wenn ihm - dem Vorsitzenden - deren Wortlaut und Einzelheiten nicht mehr erinnerlich sei. Aus Nachlässigkeit enthal-te das Protokoll nur die Formulierung, es seien keine Anträge gestellt worden. 3 Der Protokollführer hat in seiner dienstlichen Stellungnahme ausgeführt, ihm sei in Erinnerung, den gesetzlichen Vertretern des Angeklagten sei die Möglichkeit gegeben worden, Anträge zu stellen und Ausführungen zu machen, bevor dem Angeklagten das letzte Wort erteilt worden sei. Ihm sei zum [X.] - 4 - punkt der Erstellung des [X.] nicht bewusst gewesen, dass das letzte Wort der gesetzlichen Vertreter des Angeklagten in das Proto-koll aufzunehmen gewesen sei. Wäre ihm dies bewusst gewesen, hätte er es so ins Protokoll aufgenommen. Die Formulierungen im Hauptverhandlungspro-tokoll seien maßgeblich aus dem [X.] ([X.] Hauptverhand-lung vor dem [X.]) übernommen worden. Die [X.] hat den Verfahrensbeteiligten mitgeteilt, sie beab-sichtige, das [X.] zu berichtigen. Der Verteidiger hat der Berichtigung widersprochen. Er hat vorgetragen, —entsprechend dem bishe-rigen Protokoll der [X.] habe sich der Vorsitzende —nach dem Plädoyer und dem Schlussantrag des unterzeichnenden Verteidigers an die Eltern des Angeklagten gewandtfi. Den vollständigen Wortlaut könne er zwar nicht mehr wiedergeben. Er habe aber die Erklärung des Vorsitzenden nicht so verstehen können, dass den Eltern klar zur Kenntnis gebracht worden wäre, —dass sie sich als quasi letzte Verfahrensbeteiligte unmittelbar vor dem letzten Wort des Angeklagten abschließend zur Sache äußern könntenfi. Der [X.] habe sich aufgrund offensichtlicher Verständnisprobleme der Eltern - trotz Eingreifens der Dolmetscherin - veranlasst gesehen, seine erste Erklärung zu verdeutlichen. Richtig sei in Übereinstimmung mit den Angaben des [X.]n, dass der Vater des Angeklagten und die Dolmetscherin sich erhoben und der Vater des Angeklagten Sätze - von der Dolmetscherin übersetzt - ge-sagt habe, die allerdings offensichtlich ein Nachfragen zum Inhalt gehabt [X.]. Aus seiner Sicht hätten die Eltern vor Erteilung des letzten Wortes an ihren [X.] nicht das (vor)letzte Wort gehabt. 5 - 5 - Der Senat sieht zwischen den dienstlichen Äußerungen des [X.] und des Protokollführers und dem Vorbringen des Verteidigers keinen we-sentlichen inhaltlichen Dissens und hält das Protokoll nach den Maßstäben des [X.] in NStZ 2007, 661, 663 für berichtigungsfähig. Fehlerhaft war das Protokoll nur deshalb, weil in dem Vordruck für [X.]en vor dem [X.] der Begriff —letztes [X.] für die Erziehungs-berechtigten nicht enthalten war und der Protokollführer den Vordruck nicht er-gänzt hat. Das nach § 67 Abs. 1 JGG i.V.m. § 258 Abs. 2 StPO den [X.] zustehende —(vor)letzte [X.] ist mit dem höchstpersönli-chen Recht des Angeklagten ohnehin nicht vollständig vergleichbar und ist hier den Eltern in dem vom Vorsitzenden geführten Gespräch inhaltlich gewährt worden. Es liegt hier deshalb ein formaler Protokollierungsfehler vor, dessen Entstehen vom Protokollführer nachvollziehbar erklärt worden ist. 6 Die [X.] hat auch das vom [X.] eingehalten. Sie hat mit Beschluss vom 16. Januar 2008 das Protokoll berichtigt: —Die gesetzlichen Vertreter des Ange-klagten wurden befragt, ob sie noch selbst etwas zur Verteidigung auszuführen hätten und wurden darauf hingewiesen, dass sie zudem Gelegenheit zu weite-ren Ausführungen hätten, bevor ihrem [X.] das Wort erteilt werde. [X.] stellte keinen Antrag und hatte das letzte [X.]. Diese Gründe tragen die vorgenommene Berichtigung, so dass die Verfahrensrüge auf der Grundlage des berichtigten Protokolls keinen Erfolg hat. 7 2. Die an einen —Hilfsbeweisantragfi anknüpfende Verfahrensrüge ver-sagt. Mit diesem Antrag begehrte der Angeklagte ohne nähere Erläuterung des Inhalts der noch zu stellenden Fragen, die bereits vernommene Nebenklägerin —weiter zu vernehmen und durch einen zur Glaubwürdigkeitsuntersuchung ge-8 - 6 - eigneten Sachverständigen beobachten und befragen zu lassenfi. Der Antrag war zum einen an die Bedingung der Verurteilung des Angeklagten geknüpft und war zum anderen —für den Fall der fehlenden Zustimmung zur [X.] der Nebenklägerin gestellt worden. Es ist nicht zu bean-standen, dass die [X.] diesen Antrag in den Urteilsgründen nach [X.] als unbegründet zurückgewiesen hat. Dabei kann der Senat offen lassen, ob es sich hierbei überhaupt um einen förmlichen Be-weisantrag gehandelt hat, nachdem die Geschädigte nach ihrer Vernehmung als Zeugin die Exploration - verständlicherweise - verweigert hatte ([X.], 1519). 3. Auch die [X.] ist erfolglos. Die Verweigerung der Exploration hatte die Vertreterin der Nebenklägerin noch vor Schluss der Beweisaufnahme unter Bezug auf ein von ihr zuvor mit der Nebenklägerin geführtes [X.] unmissverständlich mitgeteilt. Das - freibeweislich zu würdigende - [X.] gleich lautende vom Büro der Vertreterin der Nebenklägerin versandte Fax der Nebenklägerin ging zwar erst nach Schluss der Beweisaufnahme bei Gericht ein, es war aber in Bezug auf die eindeutige Explorationsverweigerung identisch mit der Erklärung der Vertreterin der Nebenklägerin. Im Übrigen ging der Angeklagte in seinem Antrag selbst davon aus, dass die Nebenklägerin die Exploration verweigern würde, und hat mit dem hilfsweise gestellten Antrag auf das Gehör und die Bescheidung in der Hauptverhandlung verzichtet. 9 4. Die weitere Verfahrensrüge, die [X.] habe das vor der Hauptverhandlung vom Vorsitzenden (vorsorglich) in Auftrag gegebene —[X.] Gutachtenfi - nicht aussagepsychologische Gutachten - von Herrn Prof. S. aus [X.]

im Urteil verwertet, obwohl der Sachver-ständige nicht angehört worden ist, bleibt ebenfalls ohne Erfolg. Der dem [X.] - von der Revision mitgeteilte Vermerk des Vorsitzenden über ein die [X.] vorbereitendes Telefongespräch mit dem Sachverständigen, der auf-grund von Terminsschwierigkeiten des Sachverständigen in der Hauptverhand-lung nicht angehört worden ist, ist unergiebig und ersichtlich nicht in die Urteils-gründe eingeflossen. 5. Schließlich war das [X.] aus Gründen der Aufklärungspflicht nicht gehalten, einen —forensischen Ethnologenfi zu hören. Die diesem Begeh-ren zugrunde liegende Tatsachenbehauptung, die Nebenklägerin könne vor dem [X.] Hintergrund —unbewusst bereitfi gewesen sein, —sich durch eine (nach ihrem Verständnis) zusätzliche Erniedrigung - einem vollzoge-nen Geschlechtsverkehr - zu bestrafenfi, da sei —der Angeklagte gerade rechtfi gekommen, vermag der Senat nicht nachzuvollziehen. Jedenfalls hätte sich die [X.] dazu, zumal ein solches Gutachten nicht einmal in der [X.] verlangt worden ist, nach dem Maßstab einer Aufklärungsrüge nach § 244 Abs. 2 StPO nicht gedrängt sehen müssen. 11 - 8 - I[X.] Die aufgrund der Sachrüge vorgenommene Überprüfung des Urteils hat weder im Schuldspruch noch in der Strafzumessung einen den Angeklagten belastenden Rechtsfehler aufgedeckt. Auch der von der [X.] ange-sichts des desolaten Entwicklungsstands des Angeklagten festgestellte hohe erzieherische Bedarf, der nur im Wege der Vollstreckung der hier zugemesse-nen Jugendstrafe ausgeglichen werden kann, hält revisionsrechtlicher [X.] stand. 12 [X.] Dr. Wahl befindet sich in Urlaub und ist deshalb an der Unterschrift gehindert. Nack Nack Boetticher Kolz Hebenstreit

Meta

1 StR 51/08

03.04.2008

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 03.04.2008, Az. 1 StR 51/08 (REWIS RS 2008, 4685)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2008, 4685

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