Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.12.2014, Az. 2 StR 239/14

2. Strafsenat | REWIS RS 2014, 636

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2
StR 239/14

vom
9. Dezember
2014
in der Strafsache
gegen

wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.

-
2
-
Der 2.
Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und des Beschwerdeführers am 9.
Dezember 2014 gemäß §
349 Abs.
4 StPO beschlossen:

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 19.
Februar 2014 mit den Feststellungen auf-gehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten
des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverlet-zung in Tateinheit mit unerlaubtem Führen einer halbautomatischen Selbstlade-kurzwaffe zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich die auf Verfahrensrügen und die Sachbeschwerde ge-stützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat Erfolg.
I.
Nach den Feststellungen des [X.] suchte der Angeklagte, der eine geladene Pistole mitführte, am 21.
Juni 2012 kurz vor 02.00
Uhr die Gast-1
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stätte Ha.

in A.

auf und unterhielt sich mit dem Geschä-digten. Aus unbekannten Gründen kam es zu einem Streit, bei dem der [X.] sie und lud sie durch; dann richtete er die Waffe drohend auf den Geschädigten. Anschließend schlug er diesem mit dem Pistolengriff

so die Einlassung

oder mit einem Aschenbecher

so die Aussage des Geschädig-ten
bei der Polizei

auf den Kopf. Danach richtete er die Pistole wieder auf dessen Oberkörper. Der Geschädigte versuchte, dem Angeklagten die Waffe abzunehmen. Unmittelbar danach gab der Angeklagte einen Schuss ab, der den Geschädigten in den Brustkorb traf und Zwerchfell, Herzbeutel und Leber verletzte. Das Leben des Geschädigten wurde durch einen sogleich herbeigeru-fenen Notarzt gerettet.
Das [X.] hat angenommen, der Angeklagte habe den Schuss mit bedingtem Tötungsvorsatz abgegeben, sei aber vom Totschlagsversuch zu-rückgetreten, so dass ein Vergehen nach §
224 Abs.
1 Nr.
2 und Nr.
5 StGB in Tateinheit mit §
52 Abs.
1 Nr.
2 lit.
b StGB vorliege.
II.
Die Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge Erfolg, so dass es auf die Verfahrensrügen nicht ankommt. Die Beweiswürdigung des Landge-richts ist rechtsfehlerhaft.
1.
Der Angeklagte hat sich dahin eingelassen, dass der Geschädigte versucht habe, die Waffe an sich zu ziehen, so dass sich der Schuss ungewollt gelöst habe. Der Geschädigte, der in der Hauptverhandlung als Zeuge uner-3
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e-

aus, dass der Täter nicht mit Absicht der Geschädigte die Pistole nicht zu sich herangezogen habe. Vielmehr sei

diese Umstand, dass der Angeklagte die Waffe nach dem [X.] nicht gesichert l-nde erkennbar, weshalb sich aus der von dem [X.] geführten, auf das Brustbein des Geschädigten gerichteten, gelade-nen und entsicherten Schusswaffe ein Schuss unabsichtlich gelöst haben soll-

2.
Gegen diese Beweiswürdigung bestehen durchgreifende rechtliche Bedenken.
Entgegen der Ansicht des [X.] gibt es keinen Erfahrungssatz des Inhalts, dass ein Mensch eine auf ihn gerichtete Pistole bei dem Versuch, diese wegzunehmen, nicht an sich heranzieht.
Für die Annahme der Strafkammer, ein -
und [X.] hat das Gegenteil behauptet. Der Geschädigte hat von einem Versuch berichtet, dem Angeklagten die Waffe wegzunehmen. Die Zeugin K.

hat die Szene zur
Zeit der Schussabgabe nicht gesehen, weil sie die Polizei anrief. Die letzten Besucher der Gaststätte sind unbekannt geblieben.

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5
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Die Tatsache, dass der Angeklagte den Geschädigten mit der [X.] und entsicherten Pistole bedroht und diese
dabei aus nächster Nähe auf seinen Oberkörper gerichtet hat, besagt noch nichts für die vom [X.] angenommene Absicht zur Schussabgabe. Vielmehr spricht die Tatsache, dass er den Geschädigten zuerst nur geschlagen hatte, eher gegen direkten Vorsatz zur Schussabgabe. Im Übrigen hat der Schuss den Geschädigten auch nicht in das Brustbein getroffen, sondern hat den Körper von schräg links oben nach links unten durchschlagen. Auch das kann für eine Schussabgabe während
eines Kampfes um die Waffe sprechen.
Bei dem Versuch des Geschädigten, dem Angeklagten die Waffe abzu-nehmen, kann es demnach dazu gekommen sein, dass sich der Schuss vom Angeklagten ungewollt gelöst hat. Dann wäre hinsichtlich der Schussabgabe nur von fahrlässiger Körperverletzung
(vgl.
§§
229, 230 Abs.
1 StGB), aber nicht von einer Vorsatztat nach §
224 Abs.
1 Nr.
2 und Nr.
5 StGB auszugehen. Das wird der neue Tatrichter genauer zu prüfen haben.
3.
Die rechtliche Beanstandung führt zur [X.] und [X.] an das [X.]; eine Sachentscheidung des Senats ist nicht veranlasst. Es kommt ein Vergehen nach §
224 Abs.
1 Nr.
2 StGB durch den Schlag auf den Kopf des Geschädigten in Betracht. Dies hat das [X.] nicht gesondert geprüft. Das [X.] bleibt von dem genann-ten Rechtsfehler unberührt. Es steht aber in Tateinheit mit dem Vergehen
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gemäß §
224 Abs.
1 Nr.
2 und Nr.
5 StGB, so dass der Senat das Urteil auch insoweit aufheben muss.
Fischer
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Eschelbach

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2 StR 239/14

09.12.2014

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.12.2014, Az. 2 StR 239/14 (REWIS RS 2014, 636)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 636

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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