Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.10.2013, Az. II ZR 272/12

II. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 2224

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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
II ZR 272/12
Verkündet am:
8. Oktober 2013
Vondrasek
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

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Der I[X.] Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 8. Oktober 2013 durch [X.] am [X.] Prof. Dr.
Strohn als Vorsitzenden, die Richterin Dr.
Reichart sowie die Richter Dr.
Drescher, [X.] und Sunder

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des [X.] des
Oberlandesgerichts [X.] vom 8. August 2012 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsge-richt zurückverwiesen.

Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Rechtsvorgängerin der Klägerin war Initiatorin und Gründungsgesell-.

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[X.]

einer Publikumsgesellschaft, deren Zweck die Vermietung einer von ihr erwor-benen Immobilie ist. Die Beklagte ist an der [X.] seit 1993 als Kommanditistin beteiligt. Nach Gründung des Fonds erhielten die Kommanditisten zunächst Verlustzuweisungen und in den Jahren 1995 bis 2000 gewinnunabhängige Ausschüttungen. Die Klägerin nimmt in einer Vielzahl von Verfahren Komman-1
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ditisten in Höhe der jeweils erhaltenen Ausschüttungen wegen [X.] der [X.] in Anspruch.
Der Gesellschaftsvertrag (im Folgenden: GV) enthält in §
3 Nr.
7 folgen-de Regelung:

[X.], Haftungen oder irgendwelche Nach-schussverpflichtungen, die über die Verpflichtung zur Leistung der in der [X.] gezeichneten Kommanditbeteiligung zuzüglich Agio hinausgehen. Dies gilt auch für den Fall der Liquidation. Der vertragliche Ausschluss einer Nachschusspflicht lässt die gesetzliche Regelung über die Haftung der Kommanditisten gegenüber Gesell-sc

Auf Seite 24 des Emissionsprospekts finden sich unter der Rubrik

[X.] für die Fremdfinanzierung gilt.
Die geplanten Auszahlungen übersteigen die im selben Zeitraum erwirtschafteten Ge-winne und führen gemäß § 172 Abs. 4 HGB zu einem Wiederaufleben der beschränk-

Die Rechtsvorgängerin der Klägerin gewährte der [X.] ursprünglich für den Erwerb der Gewerbeimmobilie ein Darlehen in Höhe von 200 Mio. DM. Da die Immobilie sich ab September 2003 nicht mehr in der gewünschten Weise vermieten ließ, geriet die [X.] in wirtschaftliche Schwierigkeiten und konnte das Darlehen nicht länger bedienen. Die Klägerin gewährte der [X.] zur Vermeidung der Insolvenz mit Vertrag vom 22. März/15. Juni 2004 ein Folgedarlehen in Hö-e-hen abgelöst wurde. Die fälligen Tilgungs-
und Zinsraten stundete die Klägerin immer wieder zu großen Teilen. Parallel dazu forderte die [X.] ihre Kommandi-tisten auf, die erhaltenen Ausschüttungen zurückzuzahlen, um die [X.] Situation zu verbessern. Die Klägerin erstattete ihre als Kommanditistin erhaltenen Auszahlungen. Die Beklagte kam der Aufforderung nicht nach.
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Nach der Behauptung der Klägerin besteht eine Verbindlichkeit der [X.] in [X.] habe die Erfüllung verweigert. Von anderen Kommanditisten geleistete [X.] seien verrechnet.
Die auf Zahlung von 8.883,70

den Instan-zen erfolglos. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.
Entscheidungsgründe:
Die Revision der Klägerin hat Erfolg.
[X.] Das Berufungsgericht hat im Wesentlichen ausgeführt:
Einem Anspruch der Klägerin gegenüber der Beklagten stehe
die Rege-lung in §
3 Nr. 7 des Gesellschaftsvertrags entgegen. Die Klausel enthalte ei-nen umfassenden Haftungsausschluss, der auch Ansprüche von Gesellschaf-tern, die aus einem Drittgeschäft Forderungen gegen die
Gesellschaft hätten, gegen ihre Mitgesellschafter aus § 171
Abs. 1, § 172 Abs. 4 Satz 1
HGB um-fasse. Der potentielle Anleger habe durch ein überschaubares Haftungsrisiko zum Beitritt zur [X.] bewegt werden sollen.
I[X.] [X.] hält der revisionsrechtlichen Nach-prüfung nicht stand.
Der Anspruch der Klägerin aus § 171 Abs. 1, § 172 Abs. 4 Satz 1 HGB ist nicht durch die Regelung in § 3 Nr. 7 Satz 1 GV ausgeschlos-sen.
1. Diese Feststellung kann der Senat selbst treffen, weil Gesellschafts-verträge von [X.] objektiv auszulegen sind (st. Rspr.; vgl. [X.], Urteil vom 19. März 2007 -
II ZR 73/06, [X.], 812 Rn. 18; Urteil vom 1. März 2011 -
II ZR 16/10, [X.], 957 Rn.
8; Urteil vom 19. Juli 2011 -
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153/09, [X.], 1906 Rn. 11; Urteil vom 12. März 2013 -
II ZR 73/11, [X.], 1222 Rn.
13 mwN). Dabei unterliegen die Regelungen in [X.] von [X.] unabhängig davon, ob die [X.] des § 310 Abs. 4 BGB eingreift, einer
ähnlichen Auslegung und Inhaltskontrolle wie [X.] ([X.], Urteil vom 27. November 2000 -
II ZR 218/00, [X.], 243, 244; Urteil vom 12. März 2013 -
II ZR 73/11, [X.], 1222 Rn.
14 mwN). Hieraus folgt in Anlehnung an § 305c Abs. 2 BGB, dass Zweifel bei der Auslegung zu Lasten des Verwenders gehen ([X.], Urteil vom 13. September 2004 -
II ZR 276/02, [X.], 2095, 2097
f.; Urteil vom 12. März 2013 -
II ZR 73/11, [X.], 1222 Rn.
14).
2. Danach ist § 3 Nr. 7 Satz 1 GV (nur)
im Sinne einer Klarstellung aus-zulegen, dass die Kommanditisten lediglich in Höhe ihrer Einlagen haften und keine von §
161 Abs. 2, §
105 Abs. 3 HGB, § 707 BGB abweichende Vereinba-rung einer Nachschusspflicht getroffen wurde. Ansprüche eines Gesellschafter-Gläubigers gegen seine Mitgesellschafter aus § 171 Abs. 1, §
172 Abs.
4 HGB sind durch die Regelung dagegen nicht ausgeschlossen, ohne dass insoweit Zweifel im Sinne des § 305c Abs. 2 BGB bestehen würden.
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sprechen nicht dafür, dass die Haftung der Kommanditisten soweit wie möglich eingeschränkt werden sollte und damit jegliche Ansprüche der Gesellschafter untereinander ausgeschlossen sein sollten, auch wenn es sich um die Haftung für eine Verbindlichkeit der Gesellschaft gegenüber einem Gesellschafter han-delt, die von der Gesellschafterstellung des Gläubigers an sich unabhängig ist und ebenso gegenüber einem Dritten hätte bestehen können.
Ein solcher möglichst weitreichender Haftungsausschluss der Komman-ditisten lässt sich schon deshalb der Klausel nicht entnehmen, weil § 3 Nr. 7 Satz 1 GV Zahlungsverpflichtungen und Haftungen nur insoweit ausschließt, als e-14
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Die Bestimmung könn-te deshalb selbst bei dem vom Berufungsgericht vertretenen Verständnis nur dann zu dem gewünschten Erfolg führen, wenn man zugleich annimmt, dass die anfängliche Leistung der Einlage zum Ausschluss sämtlicher Ansprüche ausreiche und eine spätere Rückgewähr der Einlage oder Ausschüttungen, die nicht durch Gewinne gedeckt sind, unschädlich seien. Anderenfalls würde die Privilegierung erheblich relativiert und könnte den Anlegern des fraglichen [X.] gerade nicht nützen, da es von vornherein geplant war, dass sie Verlustzuweisungen und gewinnunabhängige Ausschüttungen erhalten. Eine solche Auslegung würde aber der gesetzlichen Systematik in § 172 Abs. 4 HGB widersprechen, welche die anfängliche Nichtleistung und die nachträgliche Rückzahlung gleichstellt. Es spricht deshalb einiges dafür, dass auch in der ge-
inlage gemeint ist.
Außerdem wäre es wenig zweckmäßig im Interesse einer möglichst um-fassenden Privilegierung der Kommanditisten, die Haftung gegenüber jeglichen Dritten im Gesellschaftsvertrag zu verneinen, da ein solcher Ausschluss ohne Billigung des
Dritten im Außenverhältnis unwirksam ist. Der Ausschluss hätte daher alleinige Bedeutung gegenüber einem Gesellschafter-Gläubiger und [X.] dann sogleich auf diesen, namentlich die Rechtsvorgängerin der Klägerin als von Anfang an bekannte Hauptgläubigerin, zugeschnitten formuliert werden können.

Dies spricht schon vom Wortlaut her dafür, dass es nicht darum geht, Ansprü-che auszuschließen, die ohne eine entsprechende Vereinbarung kraft Gesetzes bestehen, sondern lediglich klarzustellen, dass über die gesetzlichen [X.] hinaus keine zusätzlichen Ansprüche begründet werden. Dies passt 17
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wiederum dazu, dass die Nachschusspflicht gegenüber der [X.] genannt wird, die nur gilt, wenn sie in Abweichung zu §
161 Abs. 2, §
105 Abs. 3 HGB, § 707 BGB vereinbart wird.
Der Hinweis auf die weiterhin geltende gesetzliche Haftung nach §§
171
ff. HGB gegenüber [X.] in Satz 3 würde bei der vom Berufungsgericht vertretenen Auslegung nur für dritte Gläubiger Bedeutung ha-ben, nicht aber für Gesellschafter-Gläubiger. Dem Wortlaut lässt sich das [X.] nicht entnehmen. Eine Unterscheidung der beiden Gruppen von Gläubi-gern wäre naheliegend gewesen, zumal in Satz 1 Gesellschafter und Dritte ge-sondert genannt werden.
Nimmt man bei der Auslegung des Gesellschaftsvertrags ergänzend die Ausführungen im Emissionsprospekt in den Blick, wird deutlich, dass mit Satz 1 der Bestimmung lediglich bestätigt wird, dass die Kommanditisten nur in Höhe ihrer Einlagen haften und keine von § 161 Abs. 2, §
105 Abs. 3 HGB, §
707 BGB abweichende Nachschusspflicht vereinbart wurde. Wäre stattdessen eine so weitgehende Privilegierung der Kommanditisten beabsichtigt gewesen, wie sie das Berufungsgericht annimmt, wäre es naheliegend gewesen, dies im Prospekt zu erwähnen. Das Berufungsgericht sieht den Grund für die [X.] Privilegierung darin, Anleger für den Fonds zu interessieren. Diese sollten durch möglichst günstige Bedingungen für eine Beteiligung gewonnen werden. Dann aber wären diese Vorzüge im Prospekt hervorgehoben worden. Der Prospekt weist dagegen auf Seite 24 lediglich darauf hin, dass keine Nach-schusspflicht besteht, soweit die Haftung beschränkt ist. Dies soll insbesondere auch für die Fremdfinanzierung gelten. Die Ausführungen stehen im [X.] mit vorherigen Hinweisen zur unbeschränkten Haftung vor Eintragung im Handelsregister. Im nächsten
Absatz wird darauf hingewiesen, dass die Auszahlungen die Gewinne übersteigen werden und die beschränkte Komman-ditistenhaftung deshalb gemäß § 172 Abs. 4 HGB wieder auflebt. Dass dies 19
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gerade im Verhältnis zur Rechtsvorgängerin der Klägerin als größter Gläubige-rin der [X.], die auch von Anfang an feststand, nicht gelten und die Haftung hier nicht wieder aufleben sollte, wird im Prospekt an keiner Stelle erwähnt, obwohl dies für die Anleger eine erhebliche Verbesserung ihrer Stellung bedeutet hätte.
II[X.] Eine abschließende Sachentscheidung des Senats nach § 563 Abs. 3 ZPO ist nicht möglich, da das Berufungsgericht -
von seinem Standpunkt aus folgerichtig
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keine Feststellungen dazu getroffen hat, ob und in welcher Höhe eine fällige Forderung der Klägerin gegen die [X.] besteht, für die die Beklagte in Höhe der erhaltenen Ausschüttungen einstehen muss. Ferner fehlen Fest-stellungen zu dem von der Beklagten zur Aufrechnung gestellten Gegenan-spruch auf Schadensersatz aus Prospekthaftung im weiteren Sinn. Die Sache ist daher zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht 21
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zurückzuverweisen. Der Senat weist ergänzend auf seine Ausführungen in dem in einem Parallelverfahren am heutigen Tag ergangenen Urteil ([X.]/12, juris) hin.
Strohn Reichart Drescher

[X.]

Sunder
Vorinstanzen:
LG [X.], Entscheidung vom 12.03.2012 -
1 O 24/11 -

OLG [X.], Entscheidung vom 08.08.2012 -
3 U 78/12 -

Meta

II ZR 272/12

08.10.2013

Bundesgerichtshof II. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.10.2013, Az. II ZR 272/12 (REWIS RS 2013, 2224)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 2224

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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