Bundesfinanzhof, Urteil vom 15.12.2021, Az. XI R 3/20

11. Senat | REWIS RS 2021, 9917

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Gegenstand

(Zur Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 21 UStG und Art. 132 Abs. 1 Buchst. i und j MwStSystRL)


Leitsatz

Die Tätigkeit eines Präventions- und Persönlichkeitstrainers ist kein Schul- oder Hochschulunterricht i.S. des Art. 132 Abs. 1 Buchst. i und j MwStSystRL.

Tenor

Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des [X.] vom [X.] - 7 K 7342/16 wegen Umsatzsteuer 2010 sowie im Kostenpunkt aufgehoben.

Die Sache wird insoweit an das [X.] zurückverwiesen.

Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des gesamten Verfahrens übertragen.

Tatbestand

I.

1

Streitig ist, ob der Kläger und Revisionskläger (Kläger) im Rahmen seiner Tätigkeit als Präventions- und Persönlichkeitstrainer im Streitjahr (2010) steuerfreie Umsätze ausgeführt hat.

2

Der Kläger ist Präventions- und Persönlichkeitstrainer und Mitglied des [X.] Der Kläger beschrieb seine Tätigkeit auf seiner Homepage wie folgt: "..." Zum Organisationsablauf der Kurse an Schulen hieß es auf der Homepage: "..."

3

Außerdem lässt ein Ausdruck der Homepage erkennen, dass der Kläger als "Teamleiter" auftrat, und es wurden neun weitere, in seinem Team tätige Kursleiter für verschiedene Kursarten (Kinderbewegungsprogramm neben weiteren Sport- und Bewegungsangeboten eines Kooperationspartners, Präventionstrainings im Kindergarten, in der Grundschule und in weiterführenden Schulen, Persönlichkeitstrainings für Frauen und für ältere Leute, [X.] für Eltern) vorgestellt. Die Kursgebühren wurden mit ... € pro Teilnehmer für die verschiedenen jeweils insgesamt sechs Stunden umfassenden Kursangebote angegeben. Der Steuerberater des [X.] erklärte gegenüber dem Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --[X.]--), der Kläger werde wohl von den jeweiligen interessierten Eltern beauftragt. Die Rechnungen erstelle der Kläger dann wohl gegenüber den jeweiligen Eltern, die ihn dann bezahlen würden. Er selbst erklärte gegenüber dem [X.], dass die Abrechnung ggf. direkt mit den Eltern erfolge, ansonsten über die Schule. Sofern die Eltern die "Gebühr" beglichen, erfolge dies gegen einen Zahlungsbeleg bzw. per Überweisung.

4

Der Kläger reichte für das Streitjahr am 04.01.2011 eine Umsatzsteuererklärung ein. Darin erklärte er Leistungen zu 19 % in Höhe von ... € und zu 7 % in Höhe von ... € sowie Vorsteuern in Höhe von ... €, so dass ... € an Umsatzsteuer 2010 erklärt wurden.

5

Am 09.12.2014 beantragte der Kläger u.a., die Umsatzsteuerfestsetzung für das [X.] zu ändern. Seine Umsätze für Konfliktpräventionskurse an Schulen seien nach § 4 Nr. 21 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) steuerfrei. Das [X.] lehnte den Antrag mit Bescheid vom 29.03.2016 ab.

6

Dagegen legte der Kläger zunächst Einspruch ein. Am 24.12.2016 erhob er Klage. Im Klageverfahren erließ das [X.] am 26.07.2017 die Einspruchsentscheidung gegen den Ablehnungsbescheid. Das Finanzgericht ([X.]) Berlin-Brandenburg wies die Klage durch Urteil vom [X.] (Entscheidungen der Finanzgerichte --E[X.]-- 2020, 1101) ab. Die Klage sei zwar als sog. Untätigkeitsklage gemäß § 46 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) zulässig, aber unbegründet. Das Gericht könne nicht feststellen, dass die vom Kläger erklärten Umsätze steuerfrei seien.

7

Die Leistungen des [X.] seien nicht nach § 4 Nr. 21 Buchst. a UStG steuerfrei, denn es sei weder vorgetragen noch ersichtlich, dass der Kläger selbst i.S. des § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. [X.] UStG als Ersatzschule genehmigt oder erlaubt oder ihm eine Bescheinigung der zuständigen Landesbehörde i.S. von § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. [X.] UStG erteilt worden wäre. § 4 Nr. 21 Buchst. b UStG sei nicht erfüllt, da die [X.] nur für erbrachte Unterrichtsleistungen von selbständigen Lehrern und nicht durch von diesen beauftragten selbständigen Dozenten gelte. Ebenso könne sich der Kläger nicht auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. i der Richtlinie 2006/112/[X.] über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) berufen. Es fehle bereits an der Qualifizierung als Schul- und Hochschulunterricht im Sinne dieser Vorschrift. Dies gelte auch für die [X.] nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL.

8

Außerdem schulde der Kläger die Umsatzsteuer für den weit überwiegenden Teil seiner Umsätze gemäß § 14c Abs. 1 UStG.

9

Mit Beschluss vom 05.02.2020 - XI B 94/19, der neben dem Streitjahr auch die hier nicht streitgegenständlichen [X.] 2011 bis 2013 betraf, hat der Senat die Beschwerde des [X.] wegen Nichtzulassung der Revision betreffend Umsatzsteuer 2011 bis 2013 als unbegründet zurückgewiesen. Er hat dabei u.a. ausgeführt, der Kläger könne die Zulassung der Revision nicht erreichen, soweit nach den Feststellungen des [X.] die Steuerforderungen auf Rechnungen i.S. des § 14c UStG beruhen.

Mit seiner --durch o.g. Beschluss zugelassenen-- Revision betreffend das [X.] wendet sich der Kläger (nur) gegen die Besteuerung der verbleibenden Umsätze in Höhe von ... €. Er rügt die Verletzung von § 4 Nr. 21 Buchst. b Doppelbuchst. [X.] UStG. Überdies ergebe sich die Steuerbefreiung aus Art. 132 Abs. 1 Buchst. i und j MwStSystRL.

Er trägt im Wesentlichen vor, die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 21 Buchst. b Doppelbuchst. [X.] UStG lägen vor, da er, der Kläger, als selbständiger Privatlehrer Unterricht in Zusammenarbeit mit dem jeweiligen Bildungsträger in den Räumlichkeiten der Schule oder Vorschule durchführe. Das Klassentraining erfolge in Grund- und Förderschulen während der regulären Unterrichtszeit in den Räumen der Schule unter Einbeziehung der Klassenlehrer/innen oder Fachlehrer/innen, sowie in [X.] durch Einzelanmeldung über die Eltern. Es bestehe auch ein hohes Gemeinwohlinteresse an der Lehrtätigkeit des [X.]. Dies ergebe sich auch aus den Schulprogrammen und Lehrplänen. Die Vergütung erfolge zum Teil durch die beauftragenden Schulen.

Der Kläger beantragt sinngemäß,
unter Aufhebung der Vorentscheidung wegen Umsatzsteuer 2010 sowie der Einspruchsentscheidung vom 26.07.2017 wegen Umsatzsteuer 2010 das [X.] zu verpflichten, den Umsatzsteuerbescheid für das [X.] vom 04.01.2011 dahingehend zu ändern, dass die Umsatzsteuer für 2010 um ... € herabgesetzt wird.

Das [X.] beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision des [X.] ist begründet. Sie führt gemäß § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 [X.]O zur Aufhebung des angefochtenen Urteils wegen Umsatzsteuer 2010 und insoweit zur Zurückverweisung der Sache an das [X.] zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung.

1. Zu Recht hat das [X.] entschieden, dass die Klage (als Verpflichtungsklage, vgl. allgemein Beschluss des [X.] --[X.]-- vom 19.05.2008 - V B 29/07, [X.], 1501, Rz 36; [X.]-Urteil vom 15.05.2012 - XI R 28/10, [X.], 537, [X.], 966) zulässig ist. Dies steht zwischen den Beteiligten nicht in Streit.

2. Ebenfalls zutreffend hat das [X.] angenommen, dass die Umsätze des [X.] nicht nach § 4 Nr. 21 Buchst. a oder b UStG steuerfrei sind.

a) Die Umsätze sind nicht nach § 4 Nr. 21 Buchst. a UStG steuerfrei, weil der Kläger selbst weder als Ersatzschule genehmigt oder nach Landesrecht erlaubt wurde noch eine gemäß § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. [X.] UStG entsprechende Bescheinigung vorgelegt hat.

b) Eine Befreiung nach § 4 Nr. 21 Buchst. b Doppelbuchst. [X.] UStG kommt nicht in Betracht, da die streitigen Leistungen nicht unmittelbar dem Schul- und [X.] dienen.

[X.]) Nach § 4 Nr. 21 Buchst. b Doppelbuchst. [X.] UStG sind die unmittelbar dem Schul- und [X.] dienenden Unterrichtsleistungen selbständiger Lehrer u.a. an öffentlichen allgemeinbildenden Schulen steuerfrei. Das Tatbestandsmerkmal "unmittelbar" bezieht sich nicht auf den Inhalt der Leistungen, sondern beschreibt die Art und Weise, in der die Leistungen bei der Erfüllung des Schul- und [X.]s der Einrichtung eingesetzt werden müssen, d.h. es dienen solche Leistungen unmittelbar dem Schul- und [X.], die ihn nicht nur ermöglichen, sondern ihn selbst bewirken (vgl. [X.]-Urteile vom [X.] - V R 83/84, [X.], 458, [X.] 1989, 815, unter [X.]; vom 21.03.2007 - V R 28/04, [X.], 59, [X.] 2010, 999, unter [X.]; vom 23.08.2007 - V R 10/05, [X.], 332, unter [X.][X.]; [X.]/Heidner, UStG, 20. Aufl., § 4 Nr. 21 Rz 23). Daher werden von § 4 Nr. 21 Buchst. b Doppelbuchst. [X.] UStG nur die von selbständigen Lehrern persönlich --und nicht durch von diesen beauftragte selbständige [X.] erbrachten Unterrichtsleistungen an öffentlichen allgemeinbildenden Schulen von dieser Vorschrift erfasst (vgl. [X.]-Urteil in [X.], 332, unter [X.][X.]).

[X.]) Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt, da der Kläger im Streitfall --wie das [X.] festgestellt hat-- für die hier noch im Streit befindlichen Leistungen Subunternehmer mit der Unterrichtsleistung beauftragt hat.

3. Das [X.] hat außerdem zutreffend entschieden, dass der Kläger keinen Schul- oder Hochschulunterricht i.S. des Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL erteilt hat.

a) Steuerfrei ist nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL (zuvor Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i der [X.]/[X.] des Rates vom 17.05.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedst[X.]ten über die Umsatzsteuern [X.] 77/388/[X.]--) u.a. der Schul- und Hochschulunterricht. Ein Steuerpflichtiger kann sich auf diese Vorschrift unmittelbar berufen (vgl. [X.]-Urteile in [X.], 59, [X.] 2010, 999, unter II.2.c, und vom 28.05.2013 - XI R 35/11, [X.], 250, [X.] 2013, 879, Rz 33, m.w.N. zu Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i der Richtlinie 77/388/[X.]; [X.]/Heidner, a.a.[X.], § 4 Nr. 21 Rz 24; Alvermann/[X.] in Wäger, UStG, 2. Aufl., § 4 Nr. 21 Rz 13).

b) Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] ([X.]) stellen die in der Regelung enthaltenen Begriffe autonome unionsrechtliche Begriffe dar, da eine von Mitgliedst[X.]t zu Mitgliedst[X.]t unterschiedliche Anwendung der Mehrwertsteuerregelung verhindert werden soll (vgl. [X.]-Urteile The English Bridge Union vom 26.10.2017 - [X.]/16, [X.]:C:2017:814, Rz 17 und die dort angeführte Rechtsprechung; A & G Fahrschul-Akademie vom 14.03.2019 - [X.]/17, [X.]:C:2019:202, Rz 18; [X.] vom 21.10.2021 - [X.]/19, [X.]:C:2021:873, Rz 21; [X.]-Beschluss Finanzamt [X.] vom 07.10.2019 - [X.]/19, [X.]:[X.], Rz 22). Die Begriffe, mit denen die Steuerbefreiungen des Art. 132 MwStSystRL umschrieben sind, sind eng auszulegen, da sie Ausnahmen von dem allgemeinen, sich aus Art. 2 MwStSystRL ergebenden Grundsatz darstellen, dass jede Leistung, die ein Steuerpflichtiger gegen Entgelt erbringt, der Mehrwertsteuer unterliegt. Dabei dürfen die zur Definition der Steuerbefreiungen des Art. 132 MwStSystRL verwendeten Begriffe allerdings nicht in einer Weise ausgelegt werden, die den Befreiungen ihre Wirkung nähme (vgl. in diesem Sinne [X.]-Urteile Brockenhurst College vom 04.05.2017 - [X.]/15, [X.]:[X.], Rz 23 und die dort angeführte Rechtsprechung; A & G Fahrschul-Akademie, [X.]:C:2019:202, Rz 19; [X.], [X.]:C:2021:873, Rz 22; [X.]-Beschluss Finanzamt [X.], [X.]:[X.], Rz 23).

c) Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL enthält keine Definition des Begriffs "Schul- und Hochschulunterricht" (vgl. [X.]-Urteile A & G Fahrschul-Akademie, [X.]:C:2019:202, Rz 20; [X.], [X.]:C:2021:873, Rz 23; [X.]-Beschluss Finanzamt [X.], [X.]:[X.], Rz 24).

[X.]) Der [X.] hat insoweit klargestellt, dass die Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten vom Unterrichtenden an die Studierenden ein besonders wichtiger Bestandteil der Unterrichtstätigkeit ist (vgl. [X.]-Urteile Horizon College vom 14.06.2007 - C-434/05, [X.]:[X.], Rz 18; A & G Fahrschul-Akademie, [X.]:C:2019:202, Rz 21; [X.], [X.]:C:2021:873, Rz 24; [X.]-Beschluss Finanzamt [X.], [X.]:[X.], Rz 25), und dass sich der Begriff nicht auf Unterricht beschränkt, der zu einer Abschlussprüfung zur Erlangung einer Qualifikation führt oder eine Ausbildung im Hinblick auf die Ausübung einer Berufstätigkeit vermittelt, sondern andere Tätigkeiten einschließt, bei denen die Unterweisung in Schulen und Hochschulen erteilt wird, um die Kenntnisse und Fähigkeiten der Schüler oder Studenten zu entwickeln, sofern diese Tätigkeiten nicht den Charakter bloßer Freizeitgestaltung haben (vgl. [X.]-Urteile [X.] vom 28.01.2010 - [X.]3/08, [X.]:[X.], Rz 29 und die dort angeführte Rechtsprechung; A & G Fahrschul-Akademie, [X.]:C:2019:202, Rz 22; [X.], [X.]:C:2021:873, Rz 24; [X.]-Beschluss Finanzamt [X.], [X.]:[X.], Rz 26). Der [X.] wollte auf einen bestimmten Typus von Unterrichtssystem abstellen, der allen Mitgliedst[X.]ten --unabhängig von den jeweiligen Besonderheiten der nationalen Bildungssysteme-- gemeinsam ist (vgl. in diesem Sinne [X.]-Urteile A & G Fahrschul-Akademie, [X.]:C:2019:202, Rz 25; [X.], [X.]:C:2021:873, Rz 26; [X.]-Beschluss Finanzamt [X.], [X.]:[X.], Rz 29).

[X.]) Der Begriff "Schul- und Hochschulunterricht" verweist daher allgemein auf ein integriertes System der Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten in Bezug auf ein breites und vielfältiges Spektrum von Stoffen sowie auf die Vertiefung und Entwicklung dieser Kenntnisse und Fähigkeiten durch die Schüler und Studenten je nach ihrem Fortschritt und ihrer Spezialisierung auf den verschiedenen dieses System bildenden Stufen (vgl. [X.]-Urteile A & G Fahrschul-Akademie, [X.]:C:2019:202, Rz 26; [X.], [X.]:C:2021:873, Rz 28; [X.]-Beschluss Finanzamt [X.], [X.]:[X.], Rz 30). Ein spezialisierter, punktuell erteilter Unterricht, der für sich allein nicht der für den Schul- und Hochschulunterricht kennzeichnenden Vermittlung, Vertiefung und Entwicklung von Kenntnissen und Fähigkeiten in Bezug auf ein breites und vielfältiges Spektrum von Stoffen gleichkommt, ist nicht angesprochen (vgl. [X.]-Urteile A & G Fahrschul-Akademie, [X.]:C:2019:202, Rz 29; [X.], [X.]:C:2021:873, Rz 31; [X.]-Beschluss Finanzamt [X.], [X.]:[X.], Rz 33; vgl. auch Beschluss des [X.] vom 22.09.2021 - 9 B 8/21, [X.] 2021, 1218).

d) Nach diesen Grundsätzen sind die hier streitigen Präventionskurse als spezialisierter und punktuell erteilter Unterricht kein Schul- oder Hochschulunterricht i.S. des Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL.

4. Das [X.] hat es jedoch unterlassen zu prüfen, ob sich eine Steuerbefreiung der Leistungen des [X.] aus anderen Gründen ergeben könnte.

a) Das [X.] ist nicht der Frage nachgegangen, ob eine Steuerbefreiung nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL (zuvor Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i Richtlinie 77/388/[X.]) in Betracht kommt, weil die Präventionskurse des [X.] als "Erziehung von Kindern und Jugendlichen" im Sinne dieser Bestimmung anzusehen sind.

[X.]) Nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL sind auch die Erziehung von Kindern und Jugendlichen und damit eng verbundene Dienstleistungen steuerbefreit, wenn sie durch Einrichtungen des öffentlichen Rechts, die mit solchen Aufgaben betraut sind, oder andere Einrichtungen mit von dem betreffenden Mitgliedst[X.]t anerkannter vergleichbarer Zielsetzung erbracht werden. Die Mitgliedst[X.]ten stellen dabei die Regeln auf, nach denen den betreffenden Einrichtungen eine solche Anerkennung gewährt werden kann (vgl. [X.]-Urteil [X.] vom 28.11.2013 - [X.]/12, [X.]:[X.], Rz 37).

[X.]) Zwar enthält Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL keine Definition, was unter dem autonomen unionsrechtlichen Begriff "Erziehung von Kindern und Jugendlichen" zu verstehen ist; auch ist die Regelung nach den o.a. Grundsätzen (vgl. dazu die Ausführungen unter [X.]) eng auszulegen. Immerhin könnte einzubeziehen sein, dass nach der das nationale Recht betreffenden Begründung des Gesetzentwurfs zu § 4 Nr. 23 UStG i.d.F. des Jahressteuergesetzes 2020 vom [X.] ([X.], 3096) der Begriff der Erziehung von Kindern und Jugendlichen die gesamte geistige, sittliche und körperliche Erziehung umfasst; dazu gehören insbesondere eine altersgerechte Sprach- und Wissensvermittlung sowie die Vermittlung von [X.] Kompetenzen und Werten (BTDrucks 19/13436, S. 148; s. zur Auffassung der Finanzverwaltung auch Abschn. 4.23.1 Abs. 4 des [X.]). Nach der früheren Rechtsprechung des [X.] (zu § 4 Nr. 13 UStG a.F. vor der unionsrechtlichen Harmonisierung des Umsatzsteuerrechts) gehörte nicht nur die Wissensvermittlung, sondern auch die Willens- und die Charakterbildung dazu (vgl. [X.]-Urteil vom 07.07.1960 - V 282/57 U, [X.]E 71, 393, [X.]I 1960, 396).

cc) Sollte das [X.] ohne unionsrechtliche Zweifel den Anwendungsbereich als erfüllt ansehen, wären weitere Feststellungen dazu zu treffen, ob der Kläger die personellen Voraussetzungen des Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL erfüllt, was bislang offen geblieben ist (vgl. unter [X.][X.] der Vorentscheidung).

b) Das [X.] hat auch nicht geprüft, ob die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. [X.] (zuvor Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. j der Richtlinie 77/388/[X.]) erfüllt sind.

[X.]) Nach der [X.] Sprachfassung der Regelung ist zwar (nur) "von Privatlehrern erteilter Schul- und Hochschulunterricht" umsatzsteuerfrei. Dies scheint nahe zu legen, dass der Privatlehrer Schul- und Hochschulunterricht erteilen muss, und eine Steuerbefreiung ausscheidet, wenn sein Unterricht spezialisiert ist.

[X.]) Es ist jedoch zu beachten, dass sich die [X.] Sprachfassung des Art. 132 Abs. 1 Buchst. [X.] vom Wortlaut aller anderen Sprachfassungen insoweit unterscheidet, als in den anderen Sprachfassungen die in dieser Bestimmung genannte Befreiung nicht unmittelbar auf den "Schul- und Hochschulunterricht", sondern auf einen damit zusammenhängenden Begriff abstellt, der z.B. im [X.] mit den Worten "leçons ... portant sur" (Unterrichtseinheiten, die sich auf ... beziehen) ausgedrückt ist (vgl. [X.]-Urteil [X.], [X.]:[X.], Rz 21).

cc) Die Bestimmung ist daher unionsrechtskonform dahingehend auszulegen, dass steuerfrei die Unterrichtseinheiten sind, die sich auf Schul- und Hochschulunterricht beziehen ([X.]-Urteil [X.], [X.]:[X.], Rz 21 ff.). Die Steuerbefreiung umfasst Tätigkeiten, bei denen die Unterweisung in Schulen und Hochschulen erteilt wird, um die Kenntnisse und Fähigkeiten der Schüler oder Studierenden zu entwickeln, sofern diese Tätigkeiten nicht den Charakter bloßer Freizeitgestaltung haben ([X.]-Urteil [X.], [X.]:[X.], Rz 29, unter Bezugnahme auf das [X.]-Urteil [X.] vom 14.06.2007 - [X.]/05, [X.]:[X.], Rz 26). Dass die einzelne Unterrichtseinheit des jeweiligen Privatlehrers der für den Schul- und Hochschulunterricht kennzeichnenden Vermittlung, Vertiefung und Entwicklung von Kenntnissen und Fähigkeiten in Bezug auf ein breites und vielfältiges Spektrum von Stoffen im Sinne der Ausführungen unter [X.] [X.] gleichkommen müsste, scheint deshalb nicht erforderlich zu sein; es dürfte deshalb vielmehr ausreichen, dass sich seine Unterrichtseinheit auf einen Schul- oder Hochschulunterricht im Sinne der Ausführungen unter [X.] [X.] "bezieht".

Davon könnte im Streitfall möglicherweise auszugehen sein, da die Leistungen des [X.] nicht mit Bezug zu seinem spezialisierten Unterricht (in einer Fahr-, Segel- oder Schwimmschule o.ä.) erbracht werden, sondern sich u.a. auf den Unterricht in Grundschulen und an weiterführenden Schulen beziehen. Zumindest der Unterricht an Grundschulen und weiterführenden Schulen ist Teil eines integrierten Systems der Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten in Bezug auf ein breites und vielfältiges Spektrum von Stoffen; er dient auch der Vertiefung und Entwicklung dieser Kenntnisse und Fähigkeiten durch die Schüler (je nach ihrem Fortschritt und ihrer Spezialisierung auf der jeweiligen Stufe).

dd) Der Kläger könnte außerdem nach den bisherigen tatsächlichen Feststellungen des [X.] ein Privatlehrer im Sinne der Vorschrift sein.

Der Unterricht wird von einem Privatlehrer erteilt, wenn er "privat" erteilt wird (vgl. dazu [X.]-Beschluss vom 18.11.2015 - XI B 61/15, [X.]/NV 2016, 435, Rz 21 f., m.w.N.), dabei durchaus auch gegenüber einer Einzelperson. Erforderlich ist aber, dass der Unternehmer Träger der Bildungseinrichtung ist, an der die Bildungsmaßnahmen erbracht werden (vgl. [X.]-Urteil [X.], [X.]:[X.], Rz 52 ff.). Der Unternehmer muss auf eigene Rechnung und in eigener Verantwortung handeln (vgl. [X.]-Urteil [X.], [X.]:[X.], Rz 30). Ob dies voraussetzt, dass der Unternehmer eigene Vertragsbeziehungen zu dem [X.] unterhalten muss, ist streitig. [X.] ist aber eine Zwischenschaltung eines Dritten auf der Seite des Leistenden (vgl. [X.]-Urteil vom 29.03.2017 - XI R 6/16, [X.]E 257, 471, m.w.N.). Dies kann nach den bisherigen tatsächlichen Feststellungen des [X.] nicht beurteilt werden.

5. Die Sache ist nicht spruchreif. Ausgehend von den bisherigen tatsächlichen Feststellungen des [X.] kann nicht abschließend beurteilt werden, ob aufgrund der zu [X.] oder [X.] genannten Erwägungen die Umsätze des [X.] steuerfrei sein könnten. Die dazu erforderlichen Feststellungen hat das [X.] nachzuholen. Es ist u.a. festzustellen, welchen genauen Inhalt die Präventionskurse des [X.] hatten. [X.]. hat das [X.] auch festzustellen, in welchem Umfang die Umsätze des [X.] auf einer Einschaltung Dritter beruhen. Verbleibende Zweifel gehen zu Lasten des [X.], der sich auf das Vorliegen einer Steuerbefreiung beruft.

6. Die Übertragung der Kostenentscheidung auf das [X.] beruht auf § 143 Abs. 2 [X.]O.

Meta

XI R 3/20

15.12.2021

Bundesfinanzhof 11. Senat

Urteil

vorgehend Finanzgericht Berlin-Brandenburg, 14. August 2019, Az: 7 K 7342/16, Urteil

§ 4 Nr 21 UStG 2005, Art 132 Abs 1 Buchst i EGRL 112/2006, Art 132 Abs 1 Buchst j EGRL 112/2006, UStG VZ 2010, § 4 Nr 21 Buchst b DBuchst aa UStG 2005

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 15.12.2021, Az. XI R 3/20 (REWIS RS 2021, 9917)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 9917

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