Bundesgerichtshof, Beschluss vom 28.03.2023, Az. 4 StR 61/23

4. Strafsenat | REWIS RS 2023, 1908

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Gegenstand

Qualifikationstatbestand des schweren Raubes bei einer Bedrohung mit einer Luftpumpe nach Art eines Gewehres


Tenor

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 23. November 2022 wird verworfen.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen schweren Raubes zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten ist unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

2

1. Die Verurteilung des Angeklagten wegen schweren Raubes gemäß § 249 Abs. 1, § 250 Abs. 1 Nr. 1 [X.] hält rechtlicher Überprüfung stand.

3

a) Nach den Feststellungen wollte der Angeklagte am Abend des 26. April 2022 der Geschädigten ihre Handtasche wegnehmen, um sich Wertgegenstände und Bargeld zu verschaffen. Ihre Tasche hatte die Geschädigte, die sich in Gesellschaft von zwei Freunden rauchend vor dem Eingangsbereich einer Gaststätte befand, neben sich auf einem Tisch abgestellt. Um an die Handtasche zu gelangen, fasste der Angeklagte den Entschluss, die Geschädigte und ihre Begleiter zu bedrohen, indem er ihnen eine [X.] nach Art eines Gewehres (Langwaffe) vorhielt. Er wollte dadurch erreichen, dass sie in der Annahme, es handele sich um eine Schusswaffe, aus Angst um ihre Gesundheit keinen Widerstand leisten und seinen Forderungen nachkommen würden. In Umsetzung seines Tatplans hielt er die [X.] mit ausgezogenem Kolben und mit auf Brusthöhe angehobenen Armen vor sich und trat so auf die Geschädigte zu. Er hielt ihr die [X.] im Abstand von 20 bis 30 Zentimetern vor das Gesicht und forderte sie auf hineinzugehen. Wie vom Angeklagten beabsichtigt, erkannten weder die Geschädigte noch ihre Begleiter die [X.] als eine solche. Vielmehr besorgten sie den Einsatz einer Schusswaffe und liefen daher in das Lokal. Der Angeklagte nahm die zurückgelassene Handtasche an sich und verließ die Örtlichkeit. Bevor er sich der Tasche entledigte, entnahm er ihr das Portemonnaie der Geschädigten, um es nebst Inhalt wie u. a. Bargeld zu behalten.

4

b) Damit ist ein schwerer Raub festgestellt. Insbesondere begegnet die Annahme des [X.]s, der Angeklagte habe den [X.] des § 250 Abs. 1 Nr. 1 [X.] verwirklicht, keinen rechtlichen Bedenken.

5

aa) Die Vorschrift erfasst grundsätzlich alle bewusst gebrauchsbereit mitgeführten Gegenstände, die als Mittel zur Überwindung des Widerstands des [X.] mittels Gewalt oder Drohung geeignet sind, also auch sogenannte Scheinwaffen, d. h. Gegenstände, die objektiv ungefährlich sind und deren Verletzungstauglichkeit nur vorgetäuscht wird (vgl. BT-Drucks. 13/9064, S. 18; [X.], Urteil vom 18. Januar 2007 – 4 [X.] Rn. 6; [X.], StGB, 70. Aufl., § 250 Rn. 10, § 244 Rn. 26). Nach der Rechtsprechung des [X.] sind allerdings vom Anwendungsbereich des § 250 Abs. 1 Nr. 1 [X.] aufgrund einer einschränkenden Auslegung solche Gegenstände auszunehmen, die für einen objektiven Beobachter schon nach ihrem äußeren Erscheinungsbild offensichtlich ungefährlich und deshalb nicht geeignet sind, mit ihnen – etwa durch Schlagen, Stoßen, Stechen oder in ähnlicher Weise – auf den Körper eines anderen in erheblicher Weise einzuwirken (vgl. [X.], Urteil vom 12. Juli 2017 – 2 [X.] Rn. 7; Urteil vom 18. Januar 2007 – 4 [X.] Rn. 7 f.; jeweils mwN; s. zu § 250 Abs. 1 Nr. 2 StGB aF [X.], Beschluss vom 9. September 1997 – 4 [X.] Rn. 6; Beschluss vom 20. Juni 1996 – 4 StR 147/96 Rn. 5; Urteil vom 12. November 1991 – 5 [X.], [X.]St 38, 116 ff.).

6

bb) Ein derartiger Fall liegt hier jedoch nicht vor. Die vom Angeklagten verwendete [X.] war auch für einen objektiven Beobachter nicht offenkundig ungefährlich. Insbesondere durch ihren Einsatz als Schlagwerkzeug gegen empfindliche Körperstellen hätte mit ihr erheblich auf den Körper eines anderen eingewirkt werden können (vgl. auch [X.], Urteil vom 12. Juli 2017 – 2 [X.] Rn. 8, zu einem Schlüssel). Der Gegenstand war „seiner Art nach“ (vgl. [X.], Urteil vom 4. Mai 1972 – 4 [X.], [X.]St 24, 339, 341) dazu geeignet, von dem Opfer als Bedrohung wahrgenommen zu werden. Damit steht die vom Täter zugleich beabsichtigte Täuschung des [X.] hinsichtlich der von dem mitgeführten Gegenstand ausgehenden Drohwirkung – hier: als vermeintliche Schusswaffe – nicht derart im Vordergrund, dass die Anwendung von § 250 Abs. 1 Nr. 1 [X.] den (Wort-)Sinn des Gesetzes verfehlen würde (vgl. [X.], Urteil vom 12. November 1991 – 5 [X.], [X.]St 38, 116, 119). Denn eine Täuschung des Opfers wird bei dem Gebrauch jeder „Scheinwaffe“ im Hinblick auf deren objektive Ungefährlichkeit angestrebt.

7

2. Auch die Nachprüfung des Strafausspruchs hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.

Quentin     

  

Rommel     

  

Maatsch

  

Scheuß     

  

Momsen-Pflanz     

  

Meta

4 StR 61/23

28.03.2023

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Essen, 23. November 2022, Az: 32 KLs 17/22

§ 249 Abs 1 StGB, § 250 Abs 1 Nr 1 Buchst b StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 28.03.2023, Az. 4 StR 61/23 (REWIS RS 2023, 1908)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 1908

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