Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.02.2017, Az. IX ZR 165/16

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 15472

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:160217UIXZR165.16.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

IM NAMEN [X.]S VOLKES

VERSÄUMNISURTEIL
IX [X.]/16

Verkündet am:

16. Februar 2017

Preuß

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
[X.] § 628 Abs. 1 Satz
2 Fall 2, § 675 Abs. 1
Kündigt der Revisionsanwalt nach Einlegung einer Nichtzulassungsbeschwerde das Mandat, weil er dem Rechtsmittel aufgrund einer inhaltlich zutreffenden Be-gutachtung keine Erfolgsaussichten beimisst und darum die von dem Mandanten gewünschte Begründung und Durchführung der [X.], verliert er seinen Vergütungsanspruch gegen den Mandanten nicht.

[X.], Versäumnisurteil vom 16. Februar 2017 -
IX [X.]/16 -
LG [X.]

AG [X.]

-
2
-
Der IX.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 16. Februar
2017
durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kayser, die
Richter
Prof. [X.], Prof. [X.], [X.] und die Richterin Möhring
für Recht erkannt:

Auf die Revision der [X.] wird
das [X.]eil der [X.] des [X.] vom 10. Juni 2016 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsge-richt zurückverwiesen.

Das [X.]eil ist vorläufig vollstreckbar.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Eine von der Klägerin wegen des Verlusts einer Vermögensanlage
erho-bene
Schadensersatzklage wurde durch [X.]eil des [X.] abgewiesen und die Revision nicht zugelassen. Die Klägerin beauf-tragte die [X.], bei dem [X.] zugelassene Rechtsanwälte, mit der Einlegung und Durchführung einer Nichtzulassungsbeschwerde gegen dieses [X.]eil. Nach Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde entrichtete die 1
-
3
-
Rechtsschutzversicherung der Klägerin entsprechend deren
Kostenrechnung den Betrag von 1.868,30

Auf der Grundlage eines 36 Seiten umfassenden Gutachtens empfahlen die [X.] durch Schreiben vom 16.
März 2011 der Klägerin die Rücknahme des Rechtsmittels, weil der Nichtzulassungsbeschwerde nach dem Ergebnis ihrer Prüfung keine Erfolgsaussichten beizumessen seien. Da die Klägerin mit der Rücknahme des Rechtsmittels nicht einverstanden war, legten die [X.] am 30.
März 2011 das Mandat nieder. Entsprechend einer von den [X.] vor der Mandatsniederlegung erwirkten Fristverlängerung begründete ein anderer bei dem [X.] zugelassener
Rechtsanwalt die Nichtzulas-sungsbeschwerde
fristgerecht im Auftrag der Klägerin. Durch Beschluss des [X.] vom 19.
Juli 2011 (VI
ZR 200/10)
wurde die Beschwerde der Klägerin kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Klägerin nimmt kraft
abgetretenen Rechts ihrer Rechtsschutzversi-cherung die [X.] -
soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung
-
auf Erstattung des an sie gezahlten Honorars von 1.868,30

-instanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der von dem Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgen die [X.] ihr Klageabweisungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision hat Erfolg. Über das Rechtsmittel ist antragsgemäß durch Versäumnisurteil zu entscheiden, da die
Klägerin in der mündlichen Verhand-lung trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht anwaltlich vertreten war. Inhaltlich 2
3
4
-
4
-
beruht das [X.]eil indessen nicht auf der Säumnis, sondern einer Sachprüfung ([X.], [X.]eil vom 4.
April 1962 -
V
ZR 110/60, [X.]Z 37, 79, 81 ff).

I.

Das [X.]gericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt: Ein Anspruch der [X.] auf Vergütung der erbrachten Leistun-gen bestehe nicht. Werde ein Dienstverhältnis nach §
626 [X.] oder §
627 [X.] gekündigt, könne der Dienstverpflichtete grundsätzlich gemäß §
628 Abs.
1 Satz
1 [X.] einen seinen bisherigen Leistungen entsprechenden Teil der Vergütung verlangen. Dieser Anspruch bestehe nach der Regelung des §
628 Abs.
1 Satz 2 [X.] dann nicht, wenn der Dienstverpflichtete kündige, ohne durch ein vertragswidriges Verhalten des Dienstberechtigten dazu veranlasst worden zu sein, und seine bisherigen Leistungen infolge der Kündigung für den anderen Teil kein Interesse hätten. So verhalte es sich im Streitfall.

Den [X.] sei nicht ein auf die Einlegung einer Nichtzulassungsbe-schwerde und die Prüfung ihrer Erfolgsaussichten beschränktes Mandat erteilt worden. Die von den [X.] ausgesprochene fristlose Kündigung sei nach §
627 Abs.
1 [X.] wirksam, weil es sich um Dienste höherer Art handele, die aufgrund besonderen Vertrauens übertragen würden. Die Klägerin habe sich nicht vertragswidrig verhalten, indem sie auf der Fortführung des [X.] bestanden habe. Dies gelte selbst dann, wenn die Durchführung eines aussichtslosen Rechtsmittels unvernünftig sei.

Auf Seiten der Klägerin
sei von einem Interessewegfall (§
628 Abs.
1 Satz
2 [X.]) auszugehen, weil sie nach der Kündigung durch die [X.] einen weiteren Rechtsanwalt mit der Fortführung des Verfahrens habe betrauen 5
6
7
-
5
-
müssen. Bestelle der Mandant einen neuen Prozessbevollmächtigten, für den die gleichen Gebühren nochmals entstünden, seien die Aufwendungen für den zuerst betrauten Prozessbevollmächtigten nutzlos geworden. Könnte ein Rechtsanwalt durch die Mandatskündigung den Auftraggeber dem Risiko aus-setzen, die gleichen Gebühren noch einmal entrichten zu müssen, hätte er es in der Hand, jederzeit höhere als die gesetzlichen Gebühren durchzusetzen. [X.] sei ohne Bedeutung, ob der kündigende Anwalt bereits Leistungen vorge-nommen habe, die durch einen neu zu beauftragenden Anwalt nicht mehr nachgeholt werden könnten.

Gegenüber dem neu bestellten Anwalt sei der Einwand, er habe nur ei-nen Teil der im Verfahren zu erbringenden Leistungen tatsächlich erbracht, ausgeschlossen. Hieraus folge zwangsläufig für den zuerst tätigen Anwalt, dass seine Tätigkeit für den Auftraggeber nutzlos geworden sei. Die Klägerin habe nach Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde durch die [X.] zur Fort-führung des Verfahrens einen weiteren beim [X.] zugelassenen Rechtsanwalt beauftragen und entlohnen müssen. Ein Interesse an den von den [X.] erbrachten Leistungen
fehle, weil sich der neu
bestellte [X.] in die Problematik des Falles eigenständig habe einarbeiten müssen. Das von den [X.] verfasste Gutachten habe für den neu bestellten Anwalt keinen Nutzen gehabt, weil es zur Erfolglosigkeit der Nichtzulassungsbe-schwerde gelangt
sei, hingegen der neu bestellte Rechtsanwalt seinerseits die für den Erfolg der Beschwerde sprechenden Aspekte habe herausarbeiten müssen.

II.

Diese Ausführungen halten rechtlicher Prüfung nicht stand.
8
9
-
6
-

1. Nicht zu beanstanden ist der Ausgangspunkt des [X.], wonach die hier von der Klägerin geltend gemachte Bereicherungsforderung nur
aus abgetretenem Recht ihrer Rechtsschutzversicherung hergeleitet wer-den kann.

Ein etwaiger gegen die [X.] gerichteter Bereicherungsanspruch
aus
§
812 Abs.
1 Satz 1 Fall 1 [X.]
(Leistungskondiktion) kann nicht in der Per-son der Klägerin, sondern lediglich
in der ihrer Rechtsschutzversicherung ent-standen sein. Diese hat als Dritte (§
267 [X.]) auf eine fremde Verbindlichkeit in Erfüllung ihrer Freistellungspflicht gegenüber der Klägerin an die [X.] geleistet. Im Falle einer derartigen Drittzahlung durch einen Versicherer erwirbt, wenn die zu tilgende Schuld nicht bestand, dieser und nicht sein Versiche-rungsnehmer den Anspruch auf [X.] gegen den Zahlungs-empfänger (vgl. [X.], [X.]eil vom 28.
November 1990 -
XII
ZR 130/89, [X.]Z 113, 62, 68
f; vom 29.
Februar 2000 -
VI
ZR 47/99, [X.], 1718, 1719).

2. Ebenso zutreffend und von der Revision unangegriffen hat das [X.] angenommen, dass im Streitfall kein beschränktes, mit der [X.] der Nichtzulassungsbeschwerde und der Prüfung ihrer Erfolgsaussichten erledigtes
Mandat vorlag. Die Pflichten der [X.] waren nicht in diesem Sinne begrenzt. Vielmehr gingen sie selbst, wie ihre Empfehlung, die [X.] zurückzunehmen, belegt, auch nach Erstellung des [X.] vom Fortbestand ihres Mandats aus (vgl. [X.], [X.]eil vom 26.
Septem-ber 2013 -
IX
ZR 51/13, [X.], 89 Rn.
8).

3. Allerdings
kann der
Klägerin entgegen der Würdigung des Berufungs-gerichts nach Maßgabe
des dem Revisionsverfahren
zugrunde zu
legenden 10
11
12
13
-
7
-
Sachverhalts, demzufolge die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin nach objektiver Rechtslage keine Erfolgschancen hatte,
die Klageforderung nicht zu-erkannt
werden.

a) Die Klägerin macht mit ihrer Klage einen Bereicherungsanspruch aus §
812 Abs.
1 Satz 1
Fall 1 [X.] geltend, weil sie meint, dass ihre [X.] auf eine nicht bestehende Vergütungsforderung der [X.] gezahlt habe. Für die Voraussetzungen dieses Anspruchs trifft die Klägerin die Beweislast, somit auch für das Nichtbestehen eines Rechtsgrundes der er-brachten Leistung ([X.], [X.]eil vom 5.
Februar 2003 -
VIII
ZR 111/02, [X.]Z 154, 5, 9; vom 4.
Februar 2010 -
IX
ZR 18/09, [X.]Z 184, 209 Rn. 81). Im Streitfall kann der Vergütungsanspruch der [X.] und damit ein Rechts-grund für die an sie bewirkte Zahlung fortbestehen, sofern sie zur Kündigung des Mandats durch ein vertragswidriges Verhalten der Klägerin veranlasst wur-den

628 Abs.
1 Satz 2 Fall 1 [X.]). Ein vertragswidriges Verhalten wäre an-zunehmen, wenn die Klägerin dem zutreffenden Rat der [X.] nicht gefolgt wäre, von der Durchführung der
objektiv
aussichtslosen
Nichtzulassungsbe-schwerde Abstand zu nehmen.

b) Zwischen den [X.]en bestand ein Anwaltsvertrag. Das Vertragsver-hältnis zwischen einem Rechtsanwalt und seinem Auftraggeber bildet regelmä-ßig einen Dienstvertrag

611 [X.]), der eine Geschäftsbesorgung (§
675 [X.]) zum Gegenstand
hat ([X.], [X.]eil vom 20.
Oktober 1964 -
VI
ZR 101/63, NJW
1965, 106). Nach der Vorschrift des §
628 Abs.
1 Satz 2 [X.], die durch das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz nicht ausgeschlossen wird, kann der dienstverpflichtete
Rechtsanwalt, der den Dienstvertrag kündigt, ohne durch vertragswidriges Verhalten des Mandanten dazu veranlasst zu sein, die Vergü-tung insoweit nicht beanspruchen, als seine bisherigen Leistungen infolge der 14
15
-
8
-
Kündigung für den Mandanten kein Interesse haben ([X.], [X.]eil vom 30.
März 1995
-
IX
ZR 182/94, NJW 1995,
1954; vom 17.
Oktober 1996
-
IX
ZR 37/96, NJW 1997, 188, 189; vom 29.
September 2011 -
IX
ZR 170/10, [X.], 2110 Rn.
13). Nach dem Inhalt
dieser Regelung
ist
der Vergütungsanspruch der [X.] nicht entfallen, wenn sie durch ein vertragswidriges Verhalten der Klä-gerin zur Kündigung des Mandats bewogen
wurden
oder ihre Leistung für die Klägerin weiterhin von Interesse ist.

c) Die [X.] können
durch ein vertragswidriges Verhalten der Kläge-rin zur Kündigung des [X.] veranlasst
worden sein (§
628 Abs. 1 Satz 2 Fall 1 [X.]). Ein vertragswidriges, die Kündigung des [X.] Verhalten im Sinne des §
628 Abs.
1 Satz
2 [X.] setzt eine schuldhafte Verletzung einer Vertragspflicht voraus ([X.], [X.]eil vom 30.
März 1995, aaO S. 1955; vom 26.
September 2013 -
IX
ZR 51/13, [X.], 89 Rn.
10 mwN). Eine derartige Pflichtverletzung wäre
der Klägerin anzu-lasten, falls sie gegenüber den [X.] auf der
Fortsetzung der objektiv nicht gewinnbaren Nichtzulassungsbeschwerde bestanden
hat.

Nach den Feststellungen des [X.] kann nicht davon aus-gegangen werden, dass den [X.] das Mandat mit der Maßgabe erteilt wurde, unabhängig vom Ausgang einer Rechtsprüfung das Rechtsmittel auf jeden Fall einzulegen und zu begründen. Regelmäßig
können Rechtsanwälte davon ausgehen, der Mandant werde bei inhaltlich zutreffender Rechtsprüfung den sich hieraus ergebenden Empfehlungen auch folgen. Deswegen muss der Anwalt einer der objektiven Rechtslage zuwiderlaufenden Weisung des Man-danten
zur Fortsetzung eines objektiv aussichtslosen Rechtsstreits nicht nach-kommen. Anderes kann
nach dem Grundsatz einer beiderseits interessenge-rechten Vertragsauslegung (vgl. [X.], [X.]eil vom 5.
März 2015 -
IX
ZR 133/14, 16
17
-
9
-
[X.]Z 204, 231 Rn. 21) nur dann gelten, wenn der Mandant bereits die
Ertei-lung des Mandats davon abhängig macht, dass die begehrte Rechtsverfolgung -
gleich ob es sich um die Abgabe einer Willenserklärung, die Erhebung einer Klage oder
die Einlegung eines Rechtsmittels handelt
-
ungeachtet des Ergeb-nisses einer Rechtsprüfung des Anwalts in jedem Fall durchgeführt werden soll. Übernimmt ein Rechtsanwalt ein ihm unter diesem Vorbehalt angetragenes Mandat, hat er es ungeachtet der objektiven Rechtslage -
soweit das ihm aufer-legte
Vorgehen
als solches
in Einklang mit der Rechtsordnung steht
-
im Sinne des Mandanten wahrzunehmen.

d) War -
wovon im Streitfall auszugehen ist
-
eine dahingehende Abspra-che bei Mandatserteilung nicht getroffen worden, mussten sich die [X.] nicht
damit abfinden, entgegen ihrer Überzeugung eine sinnlose Nichtzulas-sungsbeschwerde zu begründen.

aa) Lehnt der Rechtsanwalt aufgrund einer von ihm auftragsgemäß vor-zunehmenden, inhaltlich zutreffenden Rechtsprüfung die Begründung einer Be-rufung ab, hat er -
wie der [X.] bereits entschieden hat
-
die dadurch hervor-gerufene Kündigung des [X.] seitens des Mandanten nicht durch ein vertragswidriges Verhalten veranlasst. Der inhaltlich nicht zu bean-standende Hinweis auf die fehlenden Erfolgsaussichten eines Rechtsmittels und die daran anknüpfende Empfehlung, das Rechtsmittel zurückzunehmen, steht mit den anwaltlichen Pflichten in Einklang. Ein
solcher Rat
dient im Inte-resse des Mandanten
der Kostenminderung. Darum hat der Anwalt von der Durchführung eines erfolglosen Rechtsmittels ebenso abzuraten wie von der Führung eines von vornherein aussichtslosen Rechtsstreits ([X.], [X.]eil vom 26.
September 2013 -
IX
ZR 51/13, [X.], 89
Rn.
11; [X.], [X.] 18
19
-
10
-
1985, 261). Der Vergütungsanspruch des Rechtsanwalts bleibt folglich durch die
Kündigung seines Mandanten unberührt.

bb) Die vorstehend
entwickelten Maßstäbe, ob die Kündigung des Dienstverhältnisses seitens des dienstberechtigten Mandanten durch ein ver-tragswidriges Verhalten des dienstverpflichteten Anwalts ausgelöst wurde, [X.] für die Beurteilung nutzbar gemacht werden, ob der dienstverpflichtete Rechtsanwalt durch ein vertragswidriges Verhalten des Mandanten zur [X.] veranlasst wurde (vgl. [X.]
[X.], 7.
Aufl., §
628 Rn.
22).
Demgemäß ist der Rechtsanwalt wegen eines vertragswidrigen Verhaltens des Mandanten zur Kündigung berechtigt, wenn dieser sich nach einer rechtlich zutreffenden Begutachtung des Sachverhalts der daraus folgenden Empfehlung
verschließt, von der Erhebung einer Klage oder -
wie hier
-
von der Durchführung eines Rechtsmittels abzusehen.

(1) Gewinnt der Prozessbevollmächtigte nach gründlicher Prüfung die der Sach-
und Rechtslage entsprechende
Überzeugung der Aussichtslosigkeit eines Rechtsmittels, bringt ihn das Beharren des Mandanten auf Durchführung des Verfahrens in einen unauflöslichen Konflikt, weil die Befolgung der Weisung mit seiner Stellung als Organ der Rechtspflege (vgl. §§
1, 3 Abs.
1 [X.]) [X.] ist. Der Anwalt ist nicht gehalten,
einer Weisung des Mandanten zu folgen, die seinem wohl durchdachten Rat widerspricht und mit wirtschaftlichen
Nachteilen
für die vertretene [X.] verbunden ist. Um die
verfehlte Weisung des Mandanten, einen aussichtslosen Rechtsstreit fortzusetzen,
zu erfüllen, müsste der Rechtsanwalt
eine Klage oder ein Rechtsmittel mit Erwägungen begründen, die verfahrensrechtlich unerheblich sind
oder materiell-rechtlich er-kennbar nicht durchgreifen. Dies wäre
weder mit seiner
Stellung als unabhängi-ges Organ der Rechtspflege vereinbar noch ihm
mit Rücksicht auf sein
Anse-20
21
-
11
-
hen zumutbar. Schließlich ist
das unvernünftige Hinwegsetzen über den be-gründeten Vorschlag
des Anwalts
geeignet, die Vertrauensgrundlage
des Man-datsverhältnisses nachhaltig zu erschüttern ([X.], [X.]eil vom 26.
September 2013 -
IX
ZR 51/13, [X.], 89
Rn.
13; [X.], NJW-RR 1994, 1084, 1085; vgl. [X.]/Preis, [X.], 2016, §
628 Rn. 26; Rinkler
in G.
Fischer/[X.]/[X.]/Rinkler/[X.], Handbuch der Anwaltshaftung,
4. Aufl., § 1 Rn. 113; [X.], [X.], 14.
Aufl., §
628 Rn. 12; [X.], [X.] 1978, 449, 451; a. A. [X.][X.], 7.
Aufl., § 628 Rn. 26).

(2) In welcher Weise der Rechtsanwalt dem Mandanten die ihm ungüns-tige Rechtslage verdeutlicht, hängt von dem konkreten Einzelfall ab. In einfa-chen Gestaltungen, in denen das Begehren etwa bereits an einem Formmangel scheitert, mag ein mündlicher
unmissverständlicher
Hinweis genügen. Handelt es sich um komplexere
Rechtsfragen, die einer mündlichen Erörterung nicht ohne weiteres zugänglich sind, ist die Empfehlung mit einer näheren schriftli-chen Begründung zu versehen, welcher der Mandant die wesentlichen
seinem Begehren entgegenstehenden rechtlichen Erwägungen entnehmen kann.
[X.] ist vorliegend jedenfalls genügt, falls das umfassende [X.] der [X.] der tatsächlichen Rechtslage entspricht.

(3) Stand der
Rat der [X.], von der Durchführung der Nichtzulas-sungsbeschwerde mangels jeglicher Erfolgsaussichten abzusehen, mit der
ob-jektiven Rechtslage in Übereinstimmung, wurde die Kündigung des [X.] seitens der
[X.] durch ein vertragswidriges Verhalten der Klägerin, nämlich das Verlangen nach Durchführung der objektiv nicht gewinn-baren
Nichtzulassungsbeschwerde,
hervorgerufen. Den [X.] konnte
nicht zugemutet
werden,
ein Mandat auszufechten, das sie wider bessere
Erkenntnis
dazu zwingt, ein
fruchtloses
Rechtsmittel durchzuführen. Auch konnte von den 22
23
-
12
-
[X.] nicht verlangt werden, sich auf die Nichtbefolgung der sachwidrigen Weisung der Klägerin zu beschränken und dadurch
die Klägerin dazu anzuhal-ten, zur Durchsetzung ihres prozessualen
Willens ihrerseits das Mandat zu kündigen. Innerhalb der laufenden Rechtsmittelbegründungsfrist entsprach die Kündigung vielmehr der Interessenlage der Klägerin, möglichst frühzeitig frei darüber zu entscheiden, entgegen dem Rat der [X.]
einen anderen An-walt mit der fristgemäßen Durchführung
des Rechtsmittels zu betrauen.

III.

Das angefochtene [X.]eil ist, weil sich die Revision als begründet erweist, gemäß §
562 Abs.
1 ZPO aufzuheben. Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§
563 Abs. 1 Satz 1 [X.]), um in die Prüfung einzutreten, ob der Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin entgegen der Einschätzung der [X.] Erfolgsaussichten beizumessen waren. Insoweit obliegt es der für ihren Bereicherungsanspruch darlegungs-
und beweispflichtigen Klägerin, unter Hinweis auf tatsächlich durchgreifende Zulassungsgründe durch eine substantiierte Darlegung Mängel der Rechtsansicht
der [X.] aufzuzeigen.

1.
Ergänzend weist der [X.] darauf hin, dass ein weiteres Interesse an der bisherigen Leistung im Sinne des §
628 Abs.
1 Satz 2 Fall 2 [X.] eingreifen kann, wenn ein anwaltliches Gutachten die objektive Rechtslage nach Inhalt und Ergebnis zutreffend darstellt
und davon ausgehend dem Mandanten geeig-nete, keine zusätzliche Kosten verursachende
Handlungsoptionen aufzeigt (vgl. [X.], NJW-RR 1994, 1084, 1085; Soergel/[X.], [X.], 12. Aufl., §
628 Rn.
8; [X.], [X.], 14.
Aufl., §
628 Rn. 12).

24
25
-
13
-

a) Auf der Grundlage einer rechtlich fehlerfreien
Begutachtung kann der Mandant seine Interessen sachgerecht wahrnehmen, indem er abhängig von dem inhaltlichen Ergebnis entweder erfolgversprechende Maßnahmen ergreift oder aus Gründen des Selbstschutzes von fruchtlosen Schritten Abstand nimmt. Erweist sich ein Gutachten als richtig, ist es ohne Bedeutung, ob es den
mit der Rechtsordnung unvereinbaren und damit als Leitlinie anwaltlichen Han-delns
ungeeigneten Wunsch-
und Begehrensvorstellungen des Mandanten wi-derspricht. Es liegt in der Natur der Sache, dass ein
Gutachten -
je nach Blick-winkel der Interessenlage
-
günstig oder nachteilig ausfallen kann. Allein ent-scheidend für seinen
Nutzen
ist, ob das Gutachten die Erfolgschancen des von dem Mandanten begehrten Prozessverhaltens
zutreffend abbildet. Auch ein ihm objektiv nachteiliges Gutachten entspricht unter dem
Gesichtspunkt des bera-tungsgerechten Verhaltens den
wohlverstandenen Interessen des Mandanten, der von ihm nachteiligen, kostenträchtigen Schritten einer objektiv aussichtslo-sen Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung abgehalten wird. Aus objektiver Warte hat ein inhaltlich beanstandungsfreies Gutachten für den Mandanten auch dann Interesse, wenn er sich über den darin zum Ausdruck kommenden Rat hinwegsetzt (vgl. [X.], [X.]. vom 29.
März 2011 -
VI
ZR 133/10, NJW 2011, 1674 Rn. 18; [X.]/Preis, [X.], 2016, §
628 Rn. 27).

b) Stand das von der Durchführung der Nichtzulassungsbeschwerde ab-ratende Gutachten
der [X.]
unbedingt
in Einklang mit der Rechtsordnung, kann ihm ein Nutzen nicht deshalb abgesprochen werden, weil es -
denknot-wendig
-
keine Hilfestellung für die von einem anderen Rechtsanwalt in [X.] der Rechtslage begründete Nichtzulassungsbeschwerde enthielt. Der bleibende Wert des Gutachtens äußert sich darin, dass es in Übereinstimmung mit der Rechtsordnung und dem objektiven Interesse des Mandanten von einer Fortsetzung des Verfahrens abriet. Objektiv unerreichbare Ziele können nicht 26
27
-
14
-
Maßstab pflichtgemäßen anwaltlichen Handelns sein.
War die Begutachtung
der [X.] zutreffend, hätte die Klägerin durch ihre
Befolgung die Kosten der Beauftragung des weiteren Rechtsanwalts, dessen Einschaltung objektiv entbehrlich war, erspart.

2.
Ein Interessewegfall tritt
dagegen
in der Konstellation einer unzutref-fenden Begutachtung ein, die für den Mandanten keinen Nutzen hat (vgl. [X.], [X.]eil vom 7.
Juni 1984 -
III
ZR 37/83, NJW 1985, 41). Unter dieser Vorausset-zung wäre
wegen der
durch das fehlerhafte Gutachten verursachten Vermö-gensnachteile ein
Schadensersatzanspruch des Mandanten
gegen seinen Rechtsanwalt
begründet ([X.], [X.]eil vom 24.
Mai 2007 -
IX
ZR 142/05, [X.], 1425 Rn. 17), der auch auf Befreiung von der [X.] ist
([X.], [X.]eil vom 4.
Februar 2010 -
IX
ZR 18/09, [X.]Z 184, 209 Rn. 56). Eine solche Konstellation
läge
bei einer
rechtlich zutreffenden Begutach-tung durch
die [X.] nicht vor. Vielmehr handelt der Mandant auf eigenes Risiko, wenn er entgegen dem ihm erteilten zutreffenden Rat einen anderen Rechtsanwalt mit der Fortsetzung eines aussichtslosen Verfahrens betraut.

28
-
15
-
Rechtsbehelfsbelehrung
Gegen dieses Versäumnisurteil steht der säumigen [X.] der Einspruch zu. Dieser ist von einem bei dem [X.] zugelassenen Rechtsanwalt binnen einer Notfrist von zwei Wochen ab der Zustellung des Versäumnisurteils bei dem [X.], [X.], durch Einreichung einer Einspruchs-schrift einzulegen.

Kayser
Gehrlein
Pape

[X.]
Möhring

Vorinstanzen:
AG [X.], Entscheidung vom 03.08.2015 -
5 C 529/14 -

LG [X.], Entscheidung vom 10.06.2016 -
9 [X.]/15 -

Meta

IX ZR 165/16

16.02.2017

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.02.2017, Az. IX ZR 165/16 (REWIS RS 2017, 15472)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 15472

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