Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 29.09.2011, Az. IX ZR 170/10

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 2785

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

IX ZR 170/10

Verkündet am:

29. September 2011

Kluckow

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
[X.] §§ 627, 628 Abs. 1 Satz
2; [X.] § 13; RVG § 15
a) Kündigt der Rechtsanwalt das Mandatsverhältnis, ohne durch vertragswidriges Verhalten des anderen Teils dazu veranlasst zu sein, steht ihm ein Anspruch auf Vergütung insoweit nicht zu, als der Mandant einen anderen [X.] neu bestellen muss, mit dessen Vergütung auch die Tätigkeit des kündigenden Anwalts abgegolten wäre.
b) Von einem Interessenwegfall ist auch auszugehen, soweit die aufgrund der Kündigung neu beauftragten Rechtsanwälte fristgebundene Verfahrenshand-lungen nicht mehr vornehmen, fristgebundene Erklärungen nicht mehr abgeben und an vergangenen Terminen nicht mehr teilnehmen können, wenn mit der ihnen geschuldeten gesetzlichen Vergütung auch diese Handlungen abgegolten gewesen wären.

[X.], Urteil vom 29. September 2011 -
IX ZR 170/10 -
OLG Frankfurt am Main

LG Frankfurt am Main

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2
-
Der IX.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom
29. September 2011
durch die Richter [X.], [X.], Dr.
Pape, [X.] und die Richterin Möhring

für Recht erkannt:

Die Revision
gegen
das Urteil des 18. Zivilsenats des Oberlan-desgerichts Frankfurt am Main vom 21.
September 2010 wird auf Kosten der [X.]n zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin, eine Prozessfinanziererin, verlangt von der beklagten [X.] aus abgetretenem Recht die Rückzahlung von Rechtsanwaltsge-bühren. Seit Anfang
der 1990er Jahre vertrat die [X.] den V.

e.V. (im Folgenden: [X.]) bei
der Durchsetzung von Ansprüchen wegen einer in M.

gele-genen Immobilie. [X.] war, dass die Vertretung der [X.] durch die [X.] in einem Rechtsstreit gegen die T.

mbH mit den gesetzlichen Gebühren nach der damals noch geltenden [X.] vergütet werden sollte. In diesem Rechtsstreit erging am 13.
März 2001 ein Urteil des [X.], das der Bundesge-richtshof auf
die Revision der [X.] mit Urteil vom 20.
September 2002 unter Zurückverweisung an das [X.] aufhob. In dem zurückverwiesenen Verfahren, das sich aufgrund einer umfangreichen Beweisaufnahme sehr [X.]
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wändig gestaltete, vertrat die [X.] die [X.] zunächst weiter. Hieran änderte sich vorerst auch nichts, nachdem die [X.] die [X.] mit Schreiben vom 29.
Juni 2005 vergeblich zum Abschluss einer Honorarvereinba-rung auf Stundenbasis aufgefordert hatte.
Für die Vertretung in dem Verfahren hatte die [X.]
insgesamt 42.230,36

Mit Schreiben vom 26.
Februar 2008 verlangte die [X.] erneut den Abschluss einer schriftlichen Honorarvereinbarung, nach der die [X.] ihre weitere Tätigkeit nach Zeit vergüten sollte. Von der Unterzeichnung dieser [X.] machte sie ihre weitere Tätigkeit abhängig. Nachdem
die [X.] sich weigerte, die von der [X.]n dem Schreiben beigefügte [X.] zu unterschreiben,
kündigte die [X.] mit Schreiben vom 19.
März 2008 das Mandatsverhältnis. Die
[X.] bestellte neue [X.] für das Berufungsverfahren, die ihr eine 1,6-fache Verfahrensgebühr und eine 1,2-fache Terminsgebühr zuzüglich Post-
und Telekommunikationsdienst-leistungspauschale
und Umsatzsteuer
in Höhe von insgesamt 17.503,47

Rechnung stellten.

Die Klägerin verlangt aus abgetretenem Recht die von der [X.] auf-grund der Weigerung der [X.]n, das Mandat fortzuführen, doppelt entrich-teten Gebühren. Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das [X.] die [X.] in der Hauptsache an-tragsgemäß verurteilt. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die [X.] ihren Klagabweisungsantrag weiter.

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Entscheidungsgründe:

Die Revision ist unbegründet.

I.

Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, die [X.] habe ihren Anwaltsdienstvertrag mit der [X.] (§§
611, 675 [X.]) gemäß §
627 Abs.
1 [X.] wirksam gekündigt. Gemäß dieser Vorschrift durfte die [X.] den Vertrag jederzeit kündigen. Insoweit rügt die Revision das angefochtene Urteil nicht.

1. Das Berufungsgericht, dessen Entscheidung in [X.] 2011, 267 veröf-fentlicht ist,
führt aus, die Klage sei aus §
812 Abs.
1 Satz
2 Alt.
1 [X.] in Ver-bindung mit §
398 Satz
2 [X.] begründet. Die [X.] sei verpflichtet, den Teil der Gebühren, den die Klägerin infolge der Kündigung der [X.]n doppelt habe aufwenden müssen, zurückzuzahlen, weil ihr insoweit ein Anspruch auf die Vergütung nicht mehr zustehe. Ihre bisherigen Leistungen hätten infolge der Kündigung für die [X.] als Dienstberechtigte kein Interesse mehr (§
628 Abs.
1 Satz
2 [X.]). Die [X.] sei nicht zur Kündigung des Vertrages durch die [X.] veranlasst worden. Zwar sei die [X.] nicht gehindert gewesen, von der [X.] den Abschluss einer Honorarvereinbarung zu verlangen. Die Weigerung der [X.], sich auf eine solche Vereinbarung einzulassen, stelle aber keine Pflichtwidrigkeit dar. Ob die [X.] nach §
313 [X.] einen An-spruch auf Anpassung des Vertrages gehabt habe,
könne dahinstehen.
Die [X.]
habe sich
nicht geweigert, in Verhandlungen über eine Anpassung des Vertrages einzutreten, solche habe die [X.] gar nicht verlangt. Die
Zeden-tin
habe nur die konkret vorgeschlagene Honorarvereinbarung abgelehnt. Hie-4
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rauf
habe die [X.] entsprechend ihrer Ankündigung den Vertrag gekündigt, ohne den Versuch einer Vertragsanpassung zu machen. Die bis dahin [X.] Leistungen der [X.]n seien für die [X.] wirtschaftlich nicht mehr verwertbar gewesen und deshalb nutzlos geworden, weil sie aufgrund der Kün-digung einen neuen Prozessbevollmächtigten habe bestellen müssen, für den die gleichen Gebühren entstanden seien, wie für die bisherigen [X.]. Dies führe nach ständiger Rechtsprechung des [X.] wegen [X.] zum Untergang der Gebührenforderung. Da die [X.] die Gebühren der [X.]n bereits gezahlt gehabt habe, müsse diese
den Teil zurückzahlen, der aufgrund der Beauftragung eines neuen [X.] doppelt angefallen sei. Soweit in der Rechtsprechung
mehrerer [X.]e
die Auffassung vertreten werde, dass von einem Interes-senwegfall dann nicht ausgegangen werden könne, wenn die von dem [X.] erbrachten Leistungen zum Teil nicht mehr nachholbar seien, weil die Berufung bereits eingelegt worden sei und mehrere Verhandlungs-
und Ortstermine stattgefunden hätten, könne dem nicht gefolgt werden. Die Zeden-tin hätte nur dann ein Interesse
an den
von der [X.]n für sie in dem [X.] bereits erbrachten Leistungen gehabt, wenn diese das Verfahren zu Ende gebracht hätte. Ohne die Beauftragung eines anderen Rechtsanwalts im nächs-ten Termin wäre ein Versäumnisurteil gegen sie ergangen, wodurch sämtliche vorangegangenen Tätigkeiten der [X.]n
wertlos geworden wären.

2. Diese Ausführungen halten den Angriffen der Revision stand. Die [X.] hat keinen Anspruch auf die Gebühren,
mit denen Tätigkeiten abgegolten worden sind, an denen die [X.] infolge der Kündigung kein Interesse mehr hat.

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a) Die Revision ist unbegründet, soweit sich die [X.] darauf beruft, §
628 Abs.
1 Satz
2 [X.] sei im Verhältnis zwischen der [X.] und ihr nicht anzuwenden, weil die Vorschrift stillschweigend dadurch abbedungen sei, dass sie die [X.] noch
in anderen gerichtlichen Verfahren vertreten habe, in [X.] stets eine Abrechnung auf Stundenbasis vereinbart worden sei. Zwar habe sie sich vorliegend bereit erklärt, das ihr angetragene Mandat zu den gesetzli-chen Gebühren zu bearbeiten. Aufgrund der Honorarvereinbarungen in anderen Sachen habe aber auf der Hand gelegen, dass die bereits abgerechneten Dienstleistungen in der vorliegenden Sache bei einer vorzeitigen Beendigung des Mandats nicht der Rückzahlung unterliegen sollten. Aufgrund des Risikos, das
Verfahren nicht kostendeckend bearbeiten zu können, habe sie [X.] erwarten dürfen, dass jedenfalls die einmal angefallenen Gebühren bei ihr verbleiben sollten.

Ein Ausschluss des §
628 Abs.
1 Satz
2 [X.], der von der [X.]n in den Vorinstanzen nicht einmal geltend gemacht worden ist, ergibt sich aus die-sen Ausführungen nicht. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts haben die [X.] und die [X.] vorliegend [X.] vereinbart, dass die Abrechnung auf der Basis der gesetzlichen Gebühren erfolgen sollte. [X.] dafür, dass die Sache im Rahmen eines Dauermandats unter be-stimmten einschränkenden Voraussetzungen bearbeitet werden sollte, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt.

b) Das Berufungsgericht ist mit Recht davon ausgegangen, dass die [X.] die Kündigung der [X.]n nicht durch pflichtwidriges Verhalten [X.] hat. Die Auffassung der Revision, die [X.] habe die Kündigung des Mandats zu vertreten, weil sie sich nicht auf Verhandlungen über eine zusätzli-che
Vergütung eingelassen habe, geht fehl.
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aa) Entsprechend den Ausführungen im Urteil des Berufungsgerichts kann offen bleiben, ob im Fall der Vereinbarung der Abrechnung der Anwalts-gebühren des Rechtsstreits auf Grundlage der gesetzlichen Honorarvorschriften überhaupt eine Anwendung des §
313 [X.], die etwa dazu führen würde, dass die mit den gesetzlichen Gebühren verbundene Mischkalkulation außer [X.] gesetzt werden
könnte,
in Betracht kommt. Auch wenn wenig dafür spricht, dass es möglich sein soll, in jedem Fall, in dem
die
aufwändige
Bearbeitung eines Rechtsstreits mit einem vergleichsweise niedrigen Streitwert
dazu führt, dass die gesetzlichen Gebühren diese Tätigkeit nicht abdecken, einen
An-spruch des Rechtsanwalts anzunehmen, Verhandlungen über die Anpassung der Gebühren zu verlangen, braucht diese Frage letztlich hier nicht entschieden zu werden.

bb) Nach
den Feststellungen des Berufungsgerichts haben die [X.]n die [X.] vor die Wahl gestellt, entweder die von ihnen diktierten Stunden-sätze für die weitere Fortführung des Mandats zu akzeptieren oder die [X.] entgegenzunehmen. Ein Verlangen der Beklag-ten, in Verhandlungen über eine Anpassung der Gebühren einzutreten hat es nicht gegeben. Selbst wenn dies anders gewesen wäre, hätte die [X.] das Anpassungsverfahren betreiben müssen.

c) Das Berufungsgericht ist mit Recht von der Anwendbarkeit des §
628 Abs.
1 Satz
2 [X.] ausgegangen. Nach dieser Vorschrift, die durch die [X.]
und damit auch das Rechtsanwaltsvergütungs-gesetz
nicht ausgeschlossen wird (vgl. [X.], Urteil vom 7.
Oktober 1976 -
III
ZR 110/74, [X.], 369, 371; vom 8.
Oktober 1981 -
IX
ZR 190/79, NJW 1982, 437, 438), steht dem [X.],
der den Dienstvertrag kündigt, ohne 11
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durch vertragswidriges Verhalten des anderen Teils dazu veranlasst zu sein, ein Anspruch auf die Vergütung insoweit nicht zu, als seine bisherigen Leistun-gen infolge der Kündigung für den anderen Teil kein Interesse haben. Von ei-nem entsprechenden Interessenwegfall für den Dienstberechtigten ist nach ständiger Rechtsprechung des [X.] dann auszugehen, wenn dieser die Leistung nicht mehr wirtschaftlich verwerten kann, sie also für ihn nutzlos geworden ist. Einer entsprechenden Lage sieht sich der Auftraggeber eines Rechtsanwalts gegenüber, wenn er wegen einer von seinem bisherigen Prozessbevollmächtigten grundlos ausgesprochenen Kündigung einen anderen Prozessbevollmächtigten neu bestellen muss, für den die gleichen Gebühren nochmals entstehen. Die Aufwendungen für den zuerst bestellten [X.] sind dann für den Auftraggeber nutzlos geworden, der [X.] geht unter ([X.], Urteil vom 7.
Oktober 1976 aaO; vom 8.
Ok-tober 1981 aaO; vom 7.
Juni 1984 -
III
ZR 37/83, NJW 1985, 41; vom 17.
Ok-tober 1996 -
IX ZR 37/96, NJW 1997, 188, 189; vom 8.
November 2007 -
IX
ZR 5/06, [X.]Z 174, 186 Rn.
17).
Die [X.] war aufgrund der Kündigung [X.], einen neuen Prozessbevollmächtigten zu bestellen,
um ihre pro-zessualen Rechte zu wahren. Bei diesem sind die gesetzlichen Gebühren noch einmal angefallen. Dies führt zu einem begründeten Rückforderungsanspruch der Klägerin aus abgetretenem Recht.

aa) Von einem Wegfall des Interesses ist auch auszugehen, soweit die von der [X.] neu beauftragten Rechtsanwälte die Berufung nicht mehr ein-legen konnten und eine Wahrnehmung von Gerichts-
und [X.] durch diese Rechtsanwälte nicht mehr in Betracht kam. Die Einschränkung, die bis zur Mandatsniederlegung erbrachten Leistungen würden für den Auftraggeber jedenfalls insoweit nicht nutzlos, als die Tätigkeiten des ersten Anwalts für den Mandanten einen bleibenden Wert hätten, wie z.B. die Klageerhebung zur 14
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Hemmung der Verjährung oder Einlegung eines fristgebundenen Rechtsmittels, das der zweite Anwalt infolge des Fristablaufs nicht mehr einlegen könne (vgl. [X.], NJW-RR 1994, 1084, 1085;
KG, NJW-RR 2002, 708, 709
f; [X.], [X.] 2008, 232, 234; [X.], [X.],
13.
Aufl.,
§
628 Rn.
12; [X.]/[X.], [X.], 70.
Aufl.,
§
628 Rn.
4; [X.], [X.]. 2000, 19, 21), ist
jedenfalls insoweit nicht gerechtfertigt, als der [X.] einen neuen Anwalt bestellen muss, um den Rechtsstreit fortführen zu können ([X.]/Deckenbrock, NJW 2005, 1, 4; MünchKomm-[X.]/
[X.], 5.
Aufl. §
628
Rn.
28). Die Tätigkeit des ersten Anwalts, der das Mandatsverhältnis ohne Veranlassung durch den Auftraggeber kündigt, bleibt für den Mandanten auch dann nutzlos, wenn dieser ein fristgebundenes Rechtsmittel eingelegt und einzelne Prozesshandlungen vorgenommen hat.

bb) Soweit aufgrund der Beauftragung eines neuen Anwalts die gleichen Gebühren noch einmal entstehen, kommt eine Kürzung der Gebühren des [X.] aufgrund der Regelungen des Gebührenrechts nicht in Betracht. Eine Anrechnung findet nicht statt.
Wirtschaftlich gesehen hat der Mandant kei-nen Vorteil
davon, dass der zuerst tätige Anwalt schon fristwahrende Handlun-gen vorgenommen oder an früheren Verhandlungs-
und [X.] teilge-nommen hat. Darauf, dass eine fristgebundene Handlung und frühere Termine durch den später beauftragten Rechtsanwalt nicht mehr wahrgenommen wer-den können, kommt es
deshalb
nicht an. Entscheidend ist, dass dem Mandan-ten keine andere Wahl bleibt, als einen neuen Anwalt, der noch einmal die glei-chen Gebühren bekommt, zu beauftragen, will er nicht den Rechtsstreit allein deshalb verlieren, weil er nicht mehr anwaltlich vertreten ist. Die fristwahrende Handlung des ersten Anwalts stellt keinen bleibenden Wert dar,
weil ihr Nutzen ohne die Beauftragung eines neuen Anwalts verloren geht.
Ob dies im Einzelfall anders ist, wenn der Mandant aufgrund des Rechtsgutachtens des Anwalts eine 15
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bleibende Entscheidungsgrundlage behält, die er trotz der Kündigung [X.] kann (vgl. [X.], aaO; [X.], aaO), braucht [X.] nicht entschieden zu werden.

[X.]) Würde man dem Rechtsanwalt die Möglichkeit geben, durch die nach §
627 Abs.
1 [X.] ohne das Vorliegen eines wichtigen Grundes zulässige Kün-digung des Mandatsverhältnisses
den Auftraggeber
dem Risiko auszusetzen, dass er die gleichen Gebühren noch einmal entrichten muss, hätte der Anwalt ein Instrument, jederzeit höhere als die gesetzlichen Gebühren durchzusetzen. Er könnte den Mandanten vor die Wahl stellen, entweder den Abschluss einer nachträglichen Gebührenvereinbarung zu akzeptieren oder einen
neuen Anwalt
beauftragen zu müssen, der die gleichen Gebühren noch einmal bekommt.

Ob und inwieweit der kündigende Anwalt bereits Tätigkeiten erbracht hat, die durch einen neu zu beauftragenden Rechtsanwalt nicht mehr nachgeholt werden können, ist deshalb ohne Bedeutung. Der neu zu bestellende Anwalt muss aufgrund des Gesetzes gebührenrechtlich so behandelt werden, als hätte er die Angelegenheit vom Anfang bis zum Ende erledigt.
Der Einwand, er habe nur einen Teil der im Verfahren zu erbringenden Leistungen tatsächlich er-bracht,
ist ihm gegenüber ausgeschlossen.
Hieraus folgt zwangsläufig für den zuerst tätigen Anwalt, dass seine Tätigkeit für den Auftraggeber nutzlos gewor-den ist. Dies gilt etwa auch dann, wenn er mit der Klageerhebung die Verjäh-rung eines Anspruchs unterbrochen, durch Einlegung der Berufung oder einer Revision deren Fristen gewahrt oder innerhalb der Fristen die Berufung oder Revision begründet hat. Auch wenn die Wahrung der entsprechenden Fristen für den Auftraggeber erhalten bleibt, wird sie doch wirtschaftlich für ihn nutzlos, weil er den notwendigerweise zu bestellenden zweiten Anwalt genauso zu ent-16
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lohnen hat, als hätte dieser die entsprechenden fristwahrenden Schriftsätze gefertigt und Prozesshandlungen vorgenommen.

dd) Hieran ändert vorliegend auch nichts, dass die [X.]n sowohl in dem ersten als auch in dem zweiten Berufungsverfahren tätig waren. Soweit die gesetzlichen Gebühren für die jeweilige Tätigkeit einheitlich entstehen
und
die infolge der Mandatsniederlegung notwendige Beauftragung eines zweiten [X.] zur nochmaligen Entstehung der gleichen Gebühren führt, ist unter den Voraussetzungen einer nicht vom Auftraggeber veranlassten Kündigung stets von wirtschaftlicher Nutzlosigkeit
der bisherigen Leistungen
auszugehen.
Dass diese tatsächlich nicht nutzlos sind, weil das Verfahren ohne sie gar nicht so weit gediehen wäre, hat für die Anwendung des §
628 Abs.
1 Satz
2 [X.] keine Bedeutung. Die gesetzlichen Gebührentatbestände sind darauf angelegt, dass der Auftragnehmer das Mandat zu Ende bringt.

II.

Die Revision
hat auch zur Höhe keinen Erfolg.
Sie
macht vergeblich
gel-tend,
der Anspruch der
Klägerin
sei der Höhe nach auf die Rückerstattung einer 13/10 Verhandlungsgebühr
gemäß §
31 Abs.
1 Nr.
2, §
11 Abs.
1 Satz
4
[X.]
begrenzt.

1.
Die Auffassung der Revision, die von der [X.] gezahlte [X.] nach §
31 Abs.
1 Nr.
1 [X.] sei nicht zu berücksichtigen, weil diese Gebühr nach Aufhebung und Zurückverweisung der Sache gemäß §
15 Abs.
1 Satz
1 [X.] nicht noch einmal angefallen sei, geht fehl. Der [X.] ist unter Einbeziehung der im ersten Rechtszug gezahl-18
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ten [X.] zu berechnen. Zwar ist diese Gebühr nach Aufhebung und Zurückverweisung durch den [X.] wegen §
15 Abs.
1 Satz
1 [X.] nicht noch einmal angefallen. Die [X.] musste sich aber infolge der Kündigung der [X.]n bei Abrechnung des neuen Mandatsverhältnisses so
behandeln lassen, als habe noch kein Berufungsverfahren stattgefunden. Die Anrechnung einer schon vor Aufhebung und Zurückverweisung an ihre Ver-fahrensbevollmächtigten gezahlten [X.] konnte sie gegenüber ihrem neuen Prozessbevollmächtigten nicht geltend machen.

2.
Die Abrechnung der neuen Anwälte musste
nach den Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes
erfolgen,
weil die
[X.] das
neue Mandat erst nach Inkrafttreten dieses Gesetzes erteilt hat (§§
60, 61 RVG).
Dessen Gebühren sind mit denen der Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung nicht mehr unmittelbar vergleichbar. Die gesamte Tätigkeit der [X.]n im zweiten

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Rechtszug wäre auch durch die Gebühren abgegolten worden, die die [X.] an den Nachfolgeanwalt zu entrichten hatte.

[X.]
[X.]
Pape

[X.]
Möhring

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 04.03.2010 -
2-23 O 258/09 -

OLG [X.], Entscheidung vom 21.09.2010 -
18 U 18/10 -

Meta

IX ZR 170/10

29.09.2011

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 29.09.2011, Az. IX ZR 170/10 (REWIS RS 2011, 2785)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 2785

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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IX ZR 170/10

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