Bundesfinanzhof, Urteil vom 29.03.2012, Az. VI R 70/10

6. Senat | REWIS RS 2012, 7591

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Gegenstand

Aufwendungen für die Sanierung eines mit Echtem Hausschwamm befallenen Gebäudes als außergewöhnliche Belastung


Leitsatz

Aufwendungen zur Sanierung eines mit Echtem Hausschwamm befallenen Gebäudes können im Einzelfall ein unabwendbares Ereignis sein, wenn der Befall unentdeckt bleibt, die konkrete Gefahr der Unbewohnbarkeit eines Gebäudes droht und daraus eine aufwendige Sanierung folgt.

Tatbestand

1

I. Die Beteiligten streiten darüber, ob Aufwendungen zur Beseitigung Echten Hausschwamms außergewöhnliche Belastungen sind.

2

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) bewohnt eine von ihr im Jahr 2002 erworbene Eigentumswohnung. Diese befindet sich in einem in dem [X.] erbauten Haus.

3

Die Eigentumswohnung der Klägerin ist --wie eine andere Eigentumswohnung in dem Gebäude auch-- mit Echtem Hausschwamm befallen. Der Echte Hausschwamm wuchs bereits mehrere Jahre im Fußbodenaufbau dieser Wohnung. Da die Deckenbalkenköpfe des Gebäudes wegen des Befalls bereits abgesackt waren, empfahl ein von der Wohnungseigentümerversammlung eingesetzter Sachverständiger für Holz- und Bautenschutz eine umfassende Sanierung des Gebäudes zur Bekämpfung des Echten Hausschwamms. Der auf die Klägerin entfallende Anteil der [X.] betrug für das Streitjahr 2007  10.490,22 €. Versicherungsleistungen oder Schadensersatzleistungen erhielt die Klägerin nicht.

4

Die Klägerin machte diese Aufwendungen in ihrer Einkommensteuererklärung für 2007 erfolglos als außergewöhnliche Belastungen geltend. In der Einspruchsentscheidung berücksichtigte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --[X.]--) die Aufwendungen als haushaltsnahe Dienstleistungen durch Ermäßigung der tariflichen Einkommensteuer um 452 €.

5

Der daraufhin erhobenen Klage gab das [X.] ([X.]) mit den in Entscheidungen der [X.]e 2011, 134 veröffentlichten Gründen überwiegend statt.

6

Mit seiner Revision rügt das [X.] die Verletzung materiellen Rechts.

7

Das [X.] beantragt,

das angefochtene Urteil des [X.] vom 17. August 2010  12 K 10270/09 aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid 2007 dahingehend zu bestätigen, dass die festgesetzte Einkommensteuer 2007  11.389 € beträgt.

8

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

9

II. Die Revision des [X.] ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Das [X.] hat zu Recht die auf die Klägerin entfallenden Aufwendungen zur Beseitigung des Echten Hausschwamms als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt.

1. Nach § 33 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) wird die Einkommensteuer auf Antrag ermäßigt, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung) erwachsen. Zwangsläufig erwachsen dem Steuerpflichtigen Aufwendungen dann, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG). Ziel des § 33 EStG ist es, zwangsläufige Mehraufwendungen für den existenznotwendigen Grundbedarf zu berücksichtigen, die sich wegen ihrer Außergewöhnlichkeit einer pauschalen Erfassung in allgemeinen Freibeträgen entziehen. Aus dem Anwendungsbereich des § 33 EStG ausgeschlossen sind dagegen die üblichen Aufwendungen der Lebensführung, die in Höhe des Existenzminimums durch den Grundfreibetrag abgegolten sind (Urteil des [X.] --[X.]-- vom 11. November 2010 [X.], [X.], 40, [X.] 2011, 969, m.w.N.).

a) Nach der Rechtsprechung des [X.] können auch Kosten zur Wiederherstellung der Bewohnbarkeit eines selbstgenutzten Gebäudes, das durch ein von dem Steuerpflichtigen nicht beeinflussbares außergewöhnliches Ereignis beschädigt wurde, Aufwendungen [X.] von § 33 EStG sein ([X.]-Urteil vom 6. Mai 1994 [X.], [X.]E 175, 332, [X.] 1995, 104, Wasserschaden durch Rückstau in einer Drainage). Voraussetzung hierfür ist, dass der Vermögensgegenstand für den Steuerpflichtigen eine existentiell wichtige Bedeutung hat, keine Anhaltspunkte für ein Verschulden des Steuerpflichtigen erkennbar, realisierbare Ersatzansprüche gegen Dritte nicht gegeben sind und die zerstörten oder beschädigten Vermögensgegenstände in Größe und Ausstattung nicht erheblich über das Notwendige und Übliche hinausgehen ([X.]-Urteil vom 26. Juni 2003 [X.], [X.]E 203, 295, [X.] 2004, 47, m.w.N.). Ein Verschulden des Steuerpflichtigen an dem eingetretenen Vermögensschaden ist jedenfalls nach bisheriger Rechtsprechung des [X.] auch bei dem Unterlassen des Abschlusses einer allgemein zugänglichen und üblichen Versicherung anzunehmen ([X.]-Urteile vom 21. April 2010 [X.]/08, [X.]E 230, 1, [X.] 2010, 965; vom 3. März 2005 [X.], [X.]/NV 2005, 1287, m.w.N).

b) Indessen kann es an der Außergewöhnlichkeit fehlen, wenn die [X.] infolge von Baumängeln notwendig werden, denn Schadensbeseitigungskosten, die durch Baumängel verursacht worden sind, sind nicht unüblich, da es sich hierbei erfahrungsgemäß nicht um ein ungewöhnliches Ereignis handelt, das etwa mit einem Hochwasserschaden vergleichbar ist ([X.]-Urteil vom 9. August 2001 III R 6/01, [X.]E 196, 492, [X.] 2002, 240; [X.]-Beschlüsse vom 19. Juni 2006 [X.], [X.]/NV 2006, 2057; vom 11. Februar 2009 [X.]/08, [X.]/NV 2009, 762).

c) Tauscht der Steuerpflichtige gesundheitsgefährdende Gegenstände des existenznotwendigen Bedarfs aus, so steht die Gegenwertlehre dem Abzug der Aufwendungen nicht entgegen. Der sich aus der Erneuerung ergebende Vorteil ist jedoch anzurechnen ("[X.]"). Dabei obliegt die Ermittlung des Vorteilsausgleichs dem [X.] als Tatsacheninstanz ([X.]-Urteil vom 11. November 2010 [X.], [X.], 34, [X.] 2011, 966, m.w.N.).

2. Nach diesen Grundsätzen ist die vorinstanzliche Entscheidung zutreffend.

a) Nach den tatsächlichen und das Revisionsgericht bindenden (vgl. § 118 Abs. 2 [X.]O) Feststellungen des [X.] ist der Befall mit Echtem Hausschwamm unentdeckt geblieben, hat die Statik des Gebäudes gefährdet und eine aufwendige Sanierung zur Folge gehabt. Die daraus folgende Würdigung des [X.], nicht der Befall des Gebäudes mit Echtem Hausschwamm als solcher, sondern die aus der konkreten und unmittelbar bevorstehenden Unbewohnbarkeit des Gebäudes folgende aufwendige Sanierung sei ein unabwendbares Ereignis, verstößt weder gegen Denkgesetze noch gegen allgemeine Erfahrungssätze, so dass sie für das Revisionsgericht nach § 118 Abs. 2 [X.]O bindend ist.

Von einem die Außergewöhnlichkeit der Aufwendungen ausschließenden Baumangel ist nicht auszugehen. Denn der Befall mit Echtem Hausschwamm war nach den nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffenen und den Senat daher auch insoweit gemäß § 118 Abs. 2 [X.]O bindenden Feststellungen des [X.] nicht davon abhängig, ob das jeweilige Bauwerk entsprechend den allgemein anerkannten Regeln des Bauhandwerks errichtet worden ist.

b) Soweit das [X.] im Übrigen davon ausgegangen ist, dass der Wohnung der Klägerin eine existentiell wichtige Bedeutung beizumessen ist, dass keine Anhaltspunkte für ein Verschulden der Klägerin erkennbar sind, realisierbare Ersatzansprüche gegen Dritte nicht gegeben sind, insbesondere dass eine allgemein zugängliche und übliche Versicherungsmöglichkeit nicht bestanden hat und dass der schadhafte Vermögensgegenstand in Größe und Ausstattung nicht erheblich über das Notwendige und Übliche hinausgeht, ist dies zwischen den Beteiligten zu Recht nicht streitig. Gleiches gilt für die dem [X.] als Tatsacheninstanz obliegende Ermittlung des Vorteilsausgleichs.

c) Der erkennende Senat sieht deshalb von weiteren Ausführungen ab. Namentlich kann er dahinstehen lassen, ob für die Abzugsfähigkeit von Aufwendungen für Gegenstände des existenznotwendigen [X.] an dem Erfordernis einer allgemein zugänglichen und üblichen Versicherungsmöglichkeit stets festzuhalten ist.

Meta

VI R 70/10

29.03.2012

Bundesfinanzhof 6. Senat

Urteil

vorgehend Niedersächsisches Finanzgericht, 17. August 2010, Az: 12 K 10270/09, Urteil

§ 33 Abs 1 EStG 2002, § 33 Abs 2 S 1 EStG 2002, § 118 Abs 2 FGO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 29.03.2012, Az. VI R 70/10 (REWIS RS 2012, 7591)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 7591

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