Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.02.2018, Az. XII ZR 94/17

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2018, 13176

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

[X.]:[X.]:[X.]:2018:280218UXIIZR94.17.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

IM NAMEN [X.]S VOLKES

URTEIL
XII ZR 94/17
Verkündet am:

28. Februar 2018

Küpferle,

Justizamtsinspektorin

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
ja
[X.]R:
ja
BGB § 1357
Der Abschluss einer Vollkaskoversicherung für ein Familienfahrzeug der [X.] kann ein Geschäft zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs der Familie i.S.v. §
1357 Abs. 1 BGB sein. Gleiches gilt für die Kündigung eines solchen Vertrags.

[X.], Urteil vom 28. Februar 2018 -
XII ZR 94/17 -
OLG Stuttgart

LG [X.] ([X.])

-
2
-
Der XII.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 28.
Februar 2018
durch den
Vorsitzenden
Richter Dose und [X.], Dr.
Nedden-Boeger, Dr.
Botur und Guhling
für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 7.
Zivilsenats des [X.] vom 12.
Januar 2017 wird auf Kosten der Kläge-rin zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:
Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Leistung aus einem Vertrag über ei-ne Vollkaskoversicherung in Anspruch.
Die Klägerin unterhielt bei der Beklagten eine Haftpflicht-
und [X.] für ein auf ihren Ehemann zugelassenes Fahrzeug der Marke [X.]. Mit einem vom Ehemann unterzeichneten
Schreiben vom 22.
Dezember 2014 wurde die Vollkaskoversicherung zum 1.
Januar 2015 ge-kündigt. Hierauf fertigte die Beklagte einen

die Vollkaskoversicherung nicht mehr enthaltenden

Versicherungsschein
vom 22. Dezember 2014 aus, der eine Widerrufsbelehrung enthielt, und erstattete überschießend geleistete Bei-träge.
1
2
-
3
-
Das versicherte Fahrzeug wurde am 5.
Oktober 2015 bei einem selbst verschuldeten Unfall beschädigt. Die Reparaturkosten belaufen sich auf insge-samt 12.601,28

zuzüglich Umsatzsteuer.
Mit Schreiben vom 14.
Januar 2016 widerrief die Klägerin die Kündigung
der Vollkaskoversicherung.
Das [X.] hat die Klage
auf Zahlung der kalkulatorischen Repara-turkosten abzüglich der vereinbarten Selbstbeteiligung in Höhe von 300

, ins-gesamt also auf
12.301,28

,
sowie auf außergerichtliche Anwaltskosten von 958,18

,
jeweils nebst Zinsen,
abgewiesen. Das [X.] hat ihre
Berufung zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der vom [X.] zugelassenen Revision.

Entscheidungsgründe:
Die Revision hat keinen Erfolg.
A.
Das [X.] hat seine Entscheidung damit begründet, dass der Ehemann der Klägerin die Vollkaskoversicherung wirksam zum 1.
Januar 2015 gekündigt habe. Für den am 5.
Oktober 2015 eingetretenen [X.] habe daher kein Versicherungsschutz mehr bestanden.
Der Ehemann der Klägerin sei gemäß §
1357 Abs.
1 BGB berechtigt
ge-wesen, den von der Klägerin geschlossenen Versicherungsvertrag

auch mit Wirkung für die Klägerin

zu kündigen.
§
1357 BGB erlaube jedem Ehegatten allein nicht nur die Begründung von Rechten und Pflichten mit Wir-kung für und gegen den Partner, sondern auch deren Abänderung mit Wirkung
für beide Ehegatten. Hieraus folge, dass der Ehemann der Klägerin den von ihr 3
4
5
6
7
-
4
-
geschlossenen Vertrag über die Vollkaskoversicherung auch mit Wirkung für die Klägerin habe kündigen können. Ihrer Mitwirkung habe es hierzu nicht
be-durft.
Sowohl der Abschluss als auch die Kündigung des [X.] stellten nach den gesamten Umständen des Falles ein Geschäft zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs der Ehegatten dar. Was zum Lebensbedarf eines Ehepaares oder einer Familie gehöre, bestimm-ten zunächst die jeweiligen Verhältnisse der Ehegatten, die jedoch nicht mit deren Einkommensverhältnissen identisch zu sein bräuchten. Im Interesse des Rechtsverkehrs
komme
es entscheidend auf den Lebenszuschnitt der Eheleute oder der Familie an,
wie er nach außen in Erscheinung trete. In den durch die Verhältnisse der Ehegatten gezogenen Grenzen sei
der nach den §§
1360, 1360
a BGB bemessene Lebensbedarf umfassend zu verstehen. Die Berechti-gung solle
sich nach dem Willen des Gesetzgebers allerdings nicht auf Ge-schäfte größeren Umfangs erstrecken, die ohne Schwierigkeiten zurückgestellt werden könnten bzw. bei denen grundsätzlich eine vorherige Verständigung der Ehegatten erforderlich erscheine
und in der Regel auch stattfinde.
Bei dem versicherten Fahrzeug handele es sich um das Familienfahr-zeug, das auf den Ehemann der Klägerin zugelassen gewesen sei und für das sie den Versicherungsvertrag abgeschlossen habe. Die
Prämie für die Vollkas-koversicherung habe sich auf monatlich 144,90

belaufen. Der Abschluss oder
die Kündigung einer Vollkaskoversicherung mit einer [X.] in die-ser Höhe stelle
nach dem vorliegend nach außen in Erscheinung getretenen Lebenszuschnitt der Familie der Klägerin kein Rechtsgeschäft dar, bei dem in der Regel eine vorherige Verständigung der Ehegatten geboten sei und auch stattfinde. Nachdem der Ehemann der Klägerin Eigentümer des [X.] sei, könne
nicht angenommen werden, dass der damit zusammenhän-8
9
-
5
-
gende Versicherungsschutz seinem Handlungsbereich im konkreten Fall entzo-gen sein sollte.
Die Klägerin habe die Kündigung auch nicht wirksam widerrufen können.
Ein Widerrufsrecht der Klägerin gemäß §
8 [X.] bestehe nicht. Sinn und Zweck der Einräumung eines Widerrufsrechts bestehe darin, die Eingehung einer Ver-pflichtung einem Reuerecht zu unterwerfen. Die Kündigung entfalte [X.] als einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung im Zeitpunkt ihres [X.] beim Versicherer endgültig ihre Gestaltungswirkung, ohne dass dem Versicherungsnehmer ein Reuerecht eingeräumt werde. In der dem geänderten Versicherungsschein
beigefügten Widerrufsbelehrung könne
auch nicht die ver-tragliche Vereinbarung eines Widerrufsrechts bezüglich der erfolgten Kündi-gung erblickt werden.

B.
Das hält rechtlicher Überprüfung stand.

I.
Das [X.] ist zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass die von
ihrem Ehemann erklärte Kündigung nicht nach den Regeln der Stellvertretung gemäß §§
164
ff. BGB der Klägerin zuzurechnen ist.
Zwar hat der Ehemann offensichtlich im Namen der Klägerin gehandelt, weil das von ihm unterzeichnete Kündigungsschreiben im Briefkopf (ausschließ-lich) den Namen der Klägerin aufweist. Jedoch hat weder das Oberlandesge-richt feststellen können noch die hierfür darlegungs-
und beweisbelastete
Be-10
11
12
13
-
6
-
klagte (vgl. [X.]/Ellenberger BGB 77.
Aufl. §
164 Rn.
18 mwN) dargelegt, dass die Klägerin ihren Ehemann hierzu bevollmächtigt habe.
Auch zu den
Voraussetzungen einer Duldungs-
oder Anscheinsvollmacht sind keine Feststel-lungen getroffen. Eine gesetzliche Vertretungsmacht unter Ehegatten kennt das Bürgerliche
Gesetzbuch indes nicht (vgl. BT-Drucks. 15/2494 S.
16).

II.
Das [X.] hat zudem in revisionsrechtlich nicht zu bean-standender Weise erkannt, dass der
Ehemann die Vollkaskoversicherung ge-mäß §
1357 Abs.
1 BGB auch mit Wirkung für die Klägerin wirksam gekündigt hat.
1. Entgegen der Auffassung der Revision steht es der Anwendung des §
1357 Abs.
1 BGB nicht entgegen, dass der Ehemann die Kündigung nach den äußeren Umständen ersichtlich im Namen der Klägerin ausgesprochen hat. Bei ausdrücklichem Handeln im Namen des Ehegatten kommt es regelmäßig über §
1357 Abs. 1 BGB auch zu einer Mitverpflichtung des handelnden Ehegatten, es sei denn, der Ausschluss der eigenen Mitverpflichtung ist eindeutig offenge-legt (Senatsurteil [X.]Z 94, 1 =
[X.], 576). Solches hat das Oberlan-desgericht nicht festgestellt.
2. Freilich kann die Kündigung der Vollkaskoversicherung nur in den An-wendungsbereich des §
1357 BGB
fallen, wenn das mit ihr korrespondierende
Grundgeschäft, also der Abschluss der Vollkaskoversicherung selbst,
ein Ge-schäft
zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs der Familie im Sinne von
§
1357 Abs.
1 Satz
1 BGB wäre. Hiervon ist das [X.] auf der Grundlage der von ihm getroffenen Feststellungen zu Recht ausgegangen.
14
15
16
-
7
-
a) Gemäß §
1357 Abs.
1 Satz
1 BGB ist jeder Ehegatte berechtigt, Ge-schäfte zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs der Familie mit Wir-kung auch für den anderen Ehegatten zu besorgen. Nach §
1357 Abs.
1 Satz
2 BGB werden durch solche Geschäfte beide Ehegatten berechtigt und verpflich-tet, es sei denn, dass sich aus den Umständen etwas anderes ergibt.
aa) Die auf dem [X.] Ehe-
und Familienrechts vom 14.
Juni 1976 ([X.]
I S.
1421, 1422) beruhende Fassung der Vorschrift knüpft nicht mehr an die nach früherem Recht bestehende Pflicht der Frau an, den Haushalt in eigener Verantwortung zu führen (§
1356 Abs.
1 Satz
1 BGB a.F.) und ihr dementsprechend die Berechtigung zu geben, Geschäfte innerhalb ihres häuslichen Wirkungskreises mit Wirkung für [X.] zu besorgen
("Schlüsselgewalt"

grundlegend dazu Senatsurteil [X.]Z 94, 1 =
[X.], 576, 577; s. auch [X.] Urteil vom 11.
März 2004

III
ZR
213/03

FamRZ 2004, 778 mwN).
Denn §
1356 BGB überlässt die Aufgabenverteilung in der ehelichen [X.] den Partnern selbst.
Die Rechtsmacht zur Verpflichtung auch des Partners, die §
1357 BGB
nunmehr jedem der Ehegatten einräumt, dient also nicht mehr dem Zweck, dem Handelnden die Erfüllung von bestimmten, ihm zugewiesenen Aufgaben zu er-möglichen.
Daher kann die (jetzt beiderseitige)
Rechtsmacht nicht mehr funkti-onal

nach dem zur Erfüllung vorgegebener Aufgaben Erforderlichen

be-stimmt und begrenzt werden. Nach wie vor sind
die Ehegatten jedoch einander verpflichtet, durch ihre Arbeit und mit ihrem Vermögen die Familie angemessen zu unterhalten (§
1360 Satz
1 BGB). Deshalb orientiert sich das Gesetz in §
1357 BGB nunmehr an der "angemessenen Deckung des Lebensbedarfs der Familie", also an einem unterhaltsrechtlichen Begriff, bei dessen Auslegung die §§
1360, 1360
a BGB herangezogen werden können (Senatsurteil [X.]Z 94, 1 =
[X.], 576, 577 mwN).
17
18
19
-
8
-
Wie weit der Lebensbedarf der Familie reicht, bestimmt sich [X.] nach den Verhältnissen der Ehegatten (s. §
1360
a Abs.
1 BGB). Ihre Einkünfte und ihr Vermögen, die diese Verhältnisse in erster Linie prägen, wer-den dem Vertragspartner allerdings häufig verborgen bleiben. Deshalb kommt es bei der Anwendung des §
1357 BGB

wie schon bei der Schlüsselgewalt des früheren Rechts

entscheidend auf den Lebenszuschnitt der Familie an, wie er nach außen in Erscheinung tritt. Übersteigt dieses Erscheinungsbild nach spezifischen und konkreten Anhaltspunkten den aufgrund der tatsächlichen wirtschaftlichen Verhältnisse der Ehegatten zu erwartenden Lebenszuschnitt, so erhöht das
im Grundsatz den Umfang der nach §
1357 BGB möglichen Mit-verpflichtung (Senatsurteil [X.]Z 94, 1 =
[X.], 576, 577 mwN).
Die Vorschrift des §
1357 Abs.
1 BGB verlangt weiterhin, dass
die [X.] des Lebensbedarfs der Familie "angemessen"
sein muss.
Dem liegt die im Gesetzgebungsverfahren geäußerte Vorstellung zugrunde, dass
"Geschäfte größeren Umfangs, die ohne Schwierigkeiten zurückgestellt werden könnten", nicht unter §
1357 BGB fallen sollen (Begründung des
Regierungsentwurfs
BTDrucks. 7/650 S.
99;
vgl. auch
Rechtsausschuss
BT-Drucks. 7/4361 S.
26). Die beabsichtigte Restriktion schützt den an dem Rechtsgeschäft nicht beteilig-ten Ehegatten somit vor einer ihn überraschenden Inanspruchnahme aus [X.] größeren Umfangs, die der andere Ehegatte abgeschlossen hat
(Senatsurteil [X.]Z 94, 1 =
[X.], 576, 577).
bb) Die Anwendung des §
1357 BGB hat der [X.] für die Änderung einer vertraglichen Vereinbarung über die Abrechnung von Neben-kosten in einem bestehenden Mietverhältnis ([X.] Urteil vom 16. März 2016 VIII ZR 326/14 -
WuM 2016, 353 Rn. 25) und für den Abschluss eines [X.] über ein Wohnhaus ([X.] Urteil vom 29. September 1988 -
VII ZR 186/87 -
FamRZ 1989, 35) verneint. [X.] hat er demgegenüber die Anwendung des 20
21
22
-
9
-
§
1357 BGB für den Abschluss eines [X.] (Senatsbeschluss vom 24. April 2013 -
XII ZR 159/12 -
FamRZ 2013, 1199 Rn. 5), den Abschluss eines Telefondienstvertrags für einen in der Familienwohnung befindlichen Festnetzanschluss ([X.] Urteil vom 11. März 2004 -
III ZR 213/03 -
FamRZ 2004, 778 f.), eine medizinisch indizierte, unaufschiebbare ärztliche Behandlung eines Ehegatten ohne Rücksicht auf die Höhe der mit ihr verbundenen Kosten (Senatsurteil [X.]Z 116, 184 = FamRZ 1992, 291, 292) und für
Honoraransprü-che aus privatärztlicher Behandlung (Senatsurteil [X.]Z 94, 1 = [X.], 576 f.).
cc) Die in der Instanzrechtsprechung und im Schrifttum uneinheitlich be-antwortete Frage, ob auch der Abschluss
von Versicherungsverträgen als Ge-schäft zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs im Sinne von
§
1357 Abs.
1 Satz
1 BGB anzusehen ist, hat dem [X.] noch nicht zur Entscheidung vorgelegen.
(1) Nach einer Auffassung soll der Abschluss üblicher Versicherungsver-träge ([X.]/Kroll-Ludwigs BGB 15.
Aufl. §
1357 Rn.
12),
jedenfalls aber der Abschluss einer Hausratversicherung unter §
1357 Abs.
1 BGB fallen (AG Eschwege
VersR 1959, 1038
und AG [X.], 871

jeweils zum früheren Recht;
MünchKomm-BGB/[X.] 7.
Aufl. §
1357 Rn.
23; [X.]/[X.] 3.
Aufl. §
1357 Rn.
15; [X.]/[X.] BGB [2012]
§
1357 Rn.
64;
[X.]/Brudermüller BGB 77.
Aufl. §
1357 Rn.
13; [X.]/
[X.]/[X.] 3.
Aufl. §
1357 Rn.
17).
(2) Andere sehen den Abschluss von Versicherungsverträgen grundsätz-lich als nicht von §
1357 Abs. 1 BGB umfasst an
(Soergel/[X.] BGB 13.
Aufl. §
1357 Rn.
25;
[X.]/Coester-Waltjen Familienrecht 6.
Aufl. §
19
IV Rn.
47).
23
24
25
-
10
-
(3) Im Ansatz zutreffend ist die erstgenannte Auffassung. Entgegen der zuletzt genannten Auffassung verbietet es sich, Versicherungsverträge [X.] aus dem Anwendungsbereich des §
1357 BGB herauszunehmen. [X.] ist vielmehr der Bezug des in Rede stehenden Geschäfts zum [X.], weshalb es jeweils auf den individuellen Zuschnitt der Familie ankommt. Ob es sich danach um ein Geschäft zur angemessenen [X.] des Lebensbedarfs der Familie
handelt, hat der Tatrichter für
den [X.] Einzelfall festzustellen.
Dabei kann auch der Abschluss einer Vollkaskover-sicherung in den Anwendungsbereich des §
1357 Abs.
1 BGB fallen, sofern ein ausreichender Bezug zum Familienunterhalt nach §§
1360, 1360
a [X.] ist.
In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist etwa anerkannt, dass nach §
1360
a BGB je nach den Vermögens-
und Einkommensverhältnissen der Ehegatten auch Aufwendungen zur Anschaffung und zum Betrieb eines Pkw ([X.] Urteil vom 24.
Februar 1983

IX
ZR
42/82

FamRZ 1983, 351, 352 mwN)
oder für die Kfz-Haftpflichtversicherung zum angemessenen Familienun-terhalt gehören können ([X.], 79 =
BStBl.
[X.], 413
Rn.
11; [X.] 1971, 579, 581).
In der Instanzrechtsprechung und Literatur wird die [X.] vertreten, dass die Reparatur des von der ganzen Familie genutzten Pkw unter §
1357 Abs.
1 BGB
fällt ([X.] FamRZ 1988, 1052
f.;
[X.]/[X.] BGB [2012]
§
1357 Rn.
45). Entsprechendes wird für sonsti-ge Verträge
angenommen, die ein von der Familie genutztes Fahrzeug betref-fen
(vgl. [X.]/[X.] 3.
Aufl. §
1357 Rn.
13), jedenfalls soweit sie,
wie etwa die [X.],
die Unterhaltung des Fahrzeugs anbelangen
([X.] Beschluss vom 27.
März 2006

2
C
636/05

juris Rn.
3; [X.]/[X.] 3.
Aufl. §
1357 Rn.
15). Schließlich wird sogar vertreten, dass der Erwerb eines [X.] selbst unter den Anwendungsbereich des §
1357 Abs.
1 BGB fällt ([X.], 285, 290;
[X.]/[X.] 26
27
-
11
-
7.
Aufl. §
1357 Rn.
23; [X.]/Kroll-Ludwigs BGB 14.
Aufl. §
1357 Rn.
15; aA
[X.]/[X.] 3.
Aufl. §
1357 Rn.
16; [X.]/[X.] BGB [2012]
§
1357 Rn.
45).
b) Gemessen hieran ist die Entscheidung des [X.]s, wo-nach der Abschluss der Vollkaskoversicherung vorliegend ein Geschäft zur an-gemessenen Deckung des Lebensbedarfs der Familie im Sinne von
§
1357 Abs.
1 BGB darstellt, auf der Grundlage der von ihm getroffenen Feststellungen revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
Bei dem versicherten Pkw handelt es sich danach um das einzige Fahr-zeug der fünfköpfigen Familie.
Vor dem Hintergrund, dass der Pkw auf den Ehemann zugelassen war und sich der monatliche Anteil der Vollkaskoversi-cherung
von 144,90

bezogen auf die Bedarfsdeckung der Familie bewegte, hält sich die Annahme des Oberlandes-gerichts, eine vorherige Verständigung der Ehegatten über den Abschluss einer Vollkaskoversicherung erscheine nicht erforderlich, im
Rahmen einer zulässi-gen tatrichterlichen Würdigung.
Daran ändert auch der Einwand der Revision nichts, wonach eine Vollkaskoversicherung weniger der konkreten Unterhaltung des Fahrzeugs als vielmehr der Vermögenssicherung
diene. Denn wenn es sich

wie hier

um das einzige Fahrzeug der Familie handelt, der Abschluss der Vollkaskoversicherung mithin den
Erhalt eines Fahrzeugs für die Familie si-chern soll, wird damit auch der Bedarf der Familie,
immer ein Fahrzeug zur [X.] zu haben,
im Sinne von §
1357
Abs.
1 Satz
1 BGB gedeckt.
Entgegen der Auffassung der Revision ist dieses Interesse nicht mit dem Wert des versi-cherten Fahrzeugs identisch.
Schließlich ist nach den getroffenen Feststellungen, wonach die Klägerin den Versicherungsvertrag für das auf ihren Ehemann zugelassene Fahrzeug 28
29
30
-
12
-
abgeschlossen hat, auch davon auszugehen, dass die Klägerin die [X.] während der Ehe abgeschlossen hat und ihr Ehemann durch den Versicherungsvertrag mitberechtigt und -verpflichtet worden ist.
3. Aus Rechtsgründen ist nichts dagegen zu erinnern, dass das Oberlan-desgericht auch die Kündigung der Vollkaskoversicherung als von §
1357 Abs.
1 BGB umfasst angesehen hat.
a) Allerdings ist im Schrifttum umstritten, ob auch die Ausübung von Ge-staltungsrechten, wie namentlich die Kündigung, unter §
1357 Abs.
1 BGB fal-len kann.
aa) Die wohl überwiegende Auffassung bejaht diese Frage ([X.]/[X.] BGB [2017] §
429 Rn.
41;
[X.]/[X.] 7.
Aufl. §
1357 Rn.
41; [X.]/Brudermüller BGB 77.
Aufl. §
1357 Rn.
22; [X.] 2.
Aufl. Rn.
282; [X.]/[X.] 5.
Aufl. §
1357 Rn.
17; [X.]/[X.]/[X.] 3.
Aufl. §
1357 Rn.
30; [X.]/[X.] 3.
Aufl. §
1357 Rn.
24; vgl. auch [X.], 1221, 1222).
bb) Nach der Gegenmeinung können Gestaltungsrechte nicht durch nur einen Ehegatten ausgeübt
werden, insbesondere nicht durch denjenigen, der selbst nicht der ursprünglich kontrahierende Ehegatte war (vgl. Berger FamRZ
2005, 1129, 1131
f.
und
1133
f.; [X.]/Coester-Waltjen Familienrecht 6.
Aufl. §
19
IV Rn.
53).
cc) Die erstgenannte Auffassung ist zutreffend.
§
1357 Abs.
1 BGB
führt zu einer Mitverpflichtung
und zu einer Mitberechtigung des jeweils anderen Ehegatten. Erstere zieht eine gesamtschuldnerische Haftung der Eheleute
nach sich. Die Mitberechtigung begründet für beide Ehegatten die Stellung von Ge-samtgläubigern ([X.]/[X.] BGB [2017]
§
428 Rn.
63
f.; NK-31
32
33
34
35
-
13
-
BGB/[X.] 3.
Aufl. §
1357 Rn.
23 f.; [X.]/[X.] 7.
Aufl. §
1357 Rn.
41 mwN).
Zwar entfalten Gestaltungsrechte wie etwa
die Kündigung in der Regel nur dann Wirkung, wenn die Gesamtgläubiger sie gemeinsam ausüben
([X.]/[X.] BGB [2017] §
429 Rn.
34 mwN). Etwas anderes gilt jedoch, soweit es sich um Gestaltungsrechte handelt, die Geschäfte zur ange-messenen Deckung des Lebensbedarfs der Familie im Sinne von §
1357 Abs.
1 Satz
1 BGB betreffen. So wie es den Eheleuten ermöglicht wird, für und gegen ihre jeweiligen Partner
Rechte und Pflichten zu begründen, muss es ihnen spiegelbildlich erlaubt sein, sich hiervon auch mit Wirkung für und gegen den anderen wieder zu lösen
(vgl. [X.]/[X.] 7.
Aufl. §
1357 Rn.
34, 41). Dies gilt schließlich unabhängig davon, ob der das Gestaltungsrecht aus-übende Ehegatte auch derjenige gewesen ist, der die eingegangene Verpflich-tung über §
1357 Abs.
1 BGB ursprünglich begründet hat.
b)
Damit ist das [X.] nach den getroffenen Feststellungen zu Recht von einer wirksamen Kündigung der Vollkaskoversicherung zum Ab-lauf des Versicherungsjahres mit Wirkung auch für
die Klägerin ausgegangen.

III.
Das [X.] ist zudem mit Recht davon
ausgegangen, dass die Klägerin die durch ihren Ehemann ausgesprochene Kündigung nicht wirk-sam widerrufen konnte.
Die Kündigung hat als rechtsgestaltende empfangsbe-dürftige Willenserklärung die Beendigung des Versicherungsverhältnisses zum vertraglich vereinbarten Zeitpunkt zur Folge. Eine Kündigung kann daher nicht 36
37
38
-
14
-
einseitig zurückgenommen oder widerrufen werden ([X.] Urteil vom 8.
Juni 2016

IV
ZR
346/15

NJW-RR 2017, 222 Rn.
14 mwN).
Dose
Schilling
Nedden-Boeger

Botur
Guhling
Vorinstanzen:
LG [X.]
([X.]), Entscheidung vom 29.07.2016 -
3 O 78/16 -

OLG Stuttgart, Entscheidung vom 12.01.2017 -
7 [X.] -

Meta

XII ZR 94/17

28.02.2018

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.02.2018, Az. XII ZR 94/17 (REWIS RS 2018, 13176)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 13176

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

XII ZR 94/17 (Bundesgerichtshof)

Geschäfte eines Ehegatten zur Deckung des Lebensbedarfs: Abschluss oder Beendigung einer Vollkaskoversicherung für ein Familienfahrzeug


III ZR 213/03 (Bundesgerichtshof)


6 U 107/21 (Oberlandesgericht Hamm)


III ZR 351/04 (Bundesgerichtshof)


8 Sa 852/09 (Landesarbeitsgericht Hamm)


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

XII ZR 94/17

VIII ZR 326/14

XII ZR 159/12

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.