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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
1
StR 340/14
vom
5. August
2014
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes
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Der 1.
Strafsenat des [X.] hat am 5.
August 2014 gemäß §
349 Abs.
2 und 4 [X.] und entsprechend §
354 Abs.
1 [X.] beschlossen:
1.
Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Land-gerichts [X.] vom 1.
April 2014
a)
im Schuldspruch dahingehend abgeändert, dass die An-geklagte des Totschlags schuldig ist,
b)
im Strafausspruch aufgehoben.
2.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechts-mittels, an eine andere [X.] des Land-gerichts zurückverwiesen.
3.
Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe:
1.
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen Mordes aus dem nach §§
21, 49 Abs.
1 StGB verschobenen Strafrahmen zu einer Freiheitsstrafe von elf Jahren verurteilt. Die mit der näher ausgeführten Sachrüge begründete Re-vision der Angeklagten erzielt den aus dem Tenor ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von §
349 Abs.
2 [X.].
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2.
Die Annahme des [X.] der Heimtücke hält sachlich-recht-licher Überprüfung nicht stand.
a)
Nach den Urteilsfeststellungen tötete die Angeklagte ihre sechs Mona-te alte Tochter, während ihr Ehemann, der Kindesvater, aus eigenem Antrieb auf dem Weg zu einer zwei Kilometer von der ehelichen Wohnung entfernten Arztpraxis war, um sich dort unter Vortäuschung eines [X.] für die nächsten Tage krankschreiben zu lassen. Zweck der
Krankschreibung war, dass sich der Kindesvater in den kommenden Tagen
wie schon an diesem Tag und den Tagen
zuvor
vermehrt um das gemeinsame Kind kümmern [X.], weil die Angeklagte mit dessen Versorgung aufgrund einer mittelgradig de-pressiven Episode
überfordert war.
b)
Die [X.] hat das Merkmal der Heimtücke insbe-sondere aus folgenden
Gründen als erfüllt angesehen:
Der Vater sei zur Abwehr von Gefahren gegenüber dem selbst nicht zum
Argwohn fähigen Kleinkind bereit gewesen und habe
schon den ganzen Tag über die Versorgung und den Schutz des Kindes in besonderem Maße [X.] und beides im Vertrauen auf die Angeklagte nur wenige Minuten vor der Tat vorübergehend an diese abgegeben. Die Zeit seiner Abwesenheit sei aufgrund der räumlichen Nähe der Arztpraxis zur Wohnung der Familie von vorneherein absehbar kurz gewesen. Insbesondere habe er die Wohnung nur verlassen, um seiner schon bislang ausgeübten Schutzfunktion nach seiner Krankschreibung noch besser nachkommen zu können. Beim Verlassen der
Wohnung und während des ca. 30
Minuten dauernden [X.] habe er sich keines Angriffs gegen sein Kind versehen; anderenfalls hätte er die [X.] nicht verlassen, das Kind mitgenommen oder andere Maßnahmen zum 2
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Schutz der Tochter ergriffen. Weil er der Angeklagten vertraut und nicht im Ge-ringsten geglaubt habe, sie könne in seiner Abwesenheit das gemeinsame Kind töten, habe er der Angeklagten vorübergehend die Obhut über das Kind über-lassen. Diese Situation habe die Angeklagte bewusst zur Tötung des Kindes ausgenutzt.
c)
[X.] belegen das Mordmerkmal der Heimtücke nicht.
aa)
In der Rechtsprechung des [X.] ist anerkannt,
dass es bei der Tötung eines wenige Wochen oder Monate alten Kleinkindes für die Frage der Heimtücke nicht auf dessen Arg-
und Wehrlosigkeit ankommt,
da es aufgrund seines Alters noch zu keinerlei Argwohn oder Gegenwehr fähig ist, sondern auf die Arg-
und Wehrlosigkeit eines im Hinblick auf das Kind
schutzbereiten Dritten (vgl. zuletzt [X.], Urteil vom 21.
November
2012
2
StR
309/12, [X.], 158 mwN). [X.] Dritter ist jede Person, die den Schutz eines Kleinkindes vor Leib-
und Lebensgefahr dauernd oder vorübergehend übernommen hat und diesen im Augenblick der Tat entweder tatsächlich ausübt oder dies deshalb nicht tut, weil sie dem Täter vertraut ([X.],
aaO) oder vom Täter ausgeschaltet wurde (vgl. [X.], Beschluss vom 13.
Okto-ber 2005
5
StR
401/05, [X.], 43). Zwar ist es nicht erforderlich, dass der potentiell schumuss auf Grund der Umstände des Einzelfalls den Schutz allerdings auch wirk-sam erbringen können, wofür eine gewisse räumliche Nähe erforderlich ist (vgl. [X.], Urteile vom 21.
November 2012
2
StR
309/12, [X.], 158, und vom 18.
Oktober 2007
3
StR
226/07, [X.], 93, 94).
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bb)
An letzterem fehlt es vorliegend. Wer
wie hier der Kindesvater
den räumlichen Bereich des Kleinkindes für eine nicht nur unerhebliche Dauer verlässt und sich über
einen Kilometer davon entfernt, ist mangels tatsächlicher Einwirkungsmöglichkeit auf das Geschehen nicht mehr in der Lage, seinen
. Eine gleichsam stellver-tretende Zurechnung der Arg-
und Wehrlosigkeit eines schutzbereiten Dritten zu Gunsten eines strukturell zu Argwohn und Gegenwehr unfähigen Menschen ist nur gerechtfertigt, wenn beide derart räumlich verbunden sind, dass der Dritte
dem Täter bei dem tödlichen Angriff grundsätzlich etwas entgegensetzen könn-te. Dies ist nicht der Fall, wenn aufgrund der räumlichen Entfernung des [X.] schon überhaupt nicht wahrgenommen werden kann und eine Gegenwehr auch deshalb
zu spät käme, weil hierfür erst eine erhebliche räumliche Distanz überwunden werden muss.
Ursache für die Abwesenheit des [X.] war auch nicht etwa eine Aufforderung oder Täuschung durch die Angeklagte mit dem Ziel, während [X.] einen ungehinderten Angriff auf das gemeinsame Kind [X.]. Vielmehr hat sich der Vater aus freien Stücken aus der Wohnung zum Arzt begeben und damit den zuvor ausgeübten Schutz des gemeinsamen Kin-des ohne Einwirkung durch die Angeklagte aufgegeben.
d)
Weil nach den [X.] Feststellungen der Schwurgerichts-kammer ein anderes Mordmerkmal ausscheidet und angesichts der gründlichen und erschöpfenden Beweiserhebung aus Sicht des Senats auszuschließen ist, dass noch weitergehende Feststellungen getroffen werden könnten, die nach den oben genannten Maßstäben eine heimtückische Tötung belegen, hat der Senat den Schuldspruch entsprechend §
354 Abs.
1 [X.] geändert. Dass sich 8
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die Angeklagte gegen den Vorwurf des Totschlags anders hätte verteidigen können, schließt der Senat aus.
3.
Die Änderung des Schuldspruchs führt zur Aufhebung des Straf-ausspruchs. Die hierzu rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen können [X.] bleiben und allenfalls durch solche ergänzt werden, die zu den [X.] nicht in Widerspruch stehen. Der neue Tatrichter wird bei der von ihm
vorzunehmenden Strafzumessung Formulierungen zu vermeiden haben, die
worauf die Revision im Ansatz zutreffend hinweist
einen Verstoß gegen das [X.] aus §
46 Abs.
3 StGB nahelegen könnten (vgl. [X.], Beschluss vom 19.
März 2009
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StR
53/09, [X.], 564).
Raum
Graf
Jäger
Mosbacher
Fischer
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Meta
05.08.2014
Bundesgerichtshof 1. Strafsenat
Sachgebiet: StR
Zitiervorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.08.2014, Az. 1 StR 340/14 (REWIS RS 2014, 3598)
Papierfundstellen: REWIS RS 2014, 3598
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
1 StR 340/14 (Bundesgerichtshof)
Heimtückemord an einem Kleinkind: Schutzbereitschaft eines Dritten
6 StR 231/23 (Bundesgerichtshof)
Mord: Heimtücke bei Tötung eines Kleinkindes; räumliche Nähe des schutzbereiten Dritten
2 StR 309/12 (Bundesgerichtshof)
Heimtückemord an einem Kleinkind: Schutzbereitschaft eines Dritten
2 StR 309/12 (Bundesgerichtshof)
3 StR 226/07 (Bundesgerichtshof)
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