Bundesfinanzhof, Urteil vom 21.04.2010, Az. VI R 26/09

6. Senat | REWIS RS 2010, 7394

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Unterhalten eines eigenen Hausstands bei doppelter Haushaltsführung


Leitsatz

Die Frage, ob ein alleinstehender Arbeitnehmer einen eigenen Hausstand i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 2 EStG unterhält, entscheidet sich unter Einbeziehung und Gewichtung aller tatsächlichen Verhältnisse im Rahmen einer den Finanzgerichten als Tatsacheninstanz obliegenden Gesamtwürdigung. Dabei ist der Umstand, ob der Arbeitnehmer für die Kosten des Haushalts aufkommt, zwar ein besonders gewichtiges Indiz, aber keine zwingende Voraussetzung im Sinne einer conditio sine qua non .

Tatbestand

1

I. [X.]treitig ist die Berücksichtigung von Aufwendungen für doppelte Haushaltsführung bei einem ledigen [X.]teuerpflichtigen, der geltend macht, seinen [X.] am Wohnsitz seiner Eltern zu unterhalten.

2

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist ledig und in O bei [X.] tätig. Er machte mit seinen Einkommensteuererklärungen für die [X.]treitjahre (2003 bis 2005) geltend, in [X.] eine Dreizimmerwohnung mit einer Wohnfläche von 64 qm als Wohnung am Beschäftigungsort zu nutzen und seinen [X.] in dem in seinem Eigentum stehenden Gebäude in [X.], an dem seinen Eltern ein dinglich gesichertes Nießbrauchsrecht zusteht, zu unterhalten. Nach den Feststellungen des Finanzgerichts ([X.]) hatte der Kläger in [X.] im Dachgeschoss einen [X.]chlafraum und einen Wohnraum mit einer Fläche von insgesamt 45 qm für sich allein zur Verfügung und benutzte Küche, Bad und WC gemeinsam mit seinen Eltern.

3

[X.]oweit der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) im Rahmen der Einkommensteuerveranlagungen der [X.]treitjahre 2003 bis 2005 die geltend gemachten Kosten unberücksichtigt ließ, blieb die dagegen erhobene Klage erfolglos. Das [X.] ließ die Kosten der doppelten Haushaltsführung unberücksichtigt, weil nach seiner Überzeugung der Kläger in [X.] keinen eigenen Hausstand unterhalten habe. Der Kläger habe keine Beweismittel dafür benannt, dass er sich auch finanziell an der Führung eines Hausstands in [X.] beteiligt habe. Der insoweit feststellungsbelastete Kläger habe damit nicht nachweisen können, dass er sich finanziell an dem Unterhalt eines Hausstands in [X.] beteiligt habe, was jedoch Voraussetzung für die Annahme eines eigenen Hausstands sei.

4

[X.]it der Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts. Entgegen der Auffassung des [X.] komme es nach der Rechtsprechung des [X.] ([X.]) hinsichtlich der Frage des Unterhaltens eines eigenen Hausstands nicht darauf an, ob der Hausstand entgeltlich oder unentgeltlich zur Verfügung stehe.

5

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des [X.] [X.]ünchen vom 4. [X.]eptember 2008 und die Einspruchsentscheidung des [X.] vom 4. Januar 2008 aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid 2003 vom 6. April 2004, den Einkommensteuerbescheid 2004 vom 11. [X.]ai 2005 sowie den Einkommensteuerbescheid 2005 vom 19. [X.]ai 2006 dahingehend abzuändern, dass über die bereits anerkannten Aufwendungen hinaus weitere Aufwendungen für die Unterkunft am Arbeitsort in Höhe von 10.458 € im Jahr 2003, in Höhe von 10.120 [X.] sowie in Höhe von 9.885 € im Jahr 2005 als Werbungskosten bei den Einkünften des [X.] aus nichtselbständiger Arbeit berücksichtigt werden.

6

Das [X.] beantragt,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

7

II. Die Revision ist begründet. [X.]ie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der [X.]ache an das [X.] zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 [X.]atz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--).

8

1. Gemäß § 9 Abs. 1 [X.]atz 3 Nr. 5 des Einkommensteuergesetzes (E[X.]tG) sind notwendige Mehraufwendungen, die einem Arbeitnehmer wegen einer aus beruflichem Anlass begründeten doppelten Haushaltsführung entstehen, Werbungskosten. Eine doppelte Haushaltsführung liegt nach § 9 Abs. 1 [X.]atz 3 Nr. 5 [X.]atz 2 E[X.]tG vor, wenn der Arbeitnehmer außerhalb des Ortes, in dem er einen eigenen Hausstand unterhält, beschäftigt ist und auch am Beschäftigungsort wohnt. Dies gilt grundsätzlich auch für einen alleinstehenden Arbeitnehmer; auch er kann einen doppelten Haushalt führen (ständige Rechtsprechung des [X.]enats, zuletzt BFH-Urteile vom 14. Juni 2007 [X.], [X.], 229, [X.], 890; vom 9. August 2007 VI R 10/06, [X.], 380, [X.], 820; vom 5. März 2009 [X.], [X.], 420, [X.], 1016).

9

a) Hausstand i.[X.]. des § 9 Abs. 1 [X.]atz 3 Nr. 5 [X.]atz 2 E[X.]tG ist der Haushalt, den der Arbeitnehmer am Lebensmittelpunkt führt, also sein Erst- oder Haupthaushalt. Bei einem alleinstehenden Arbeitnehmer ist entscheidend, dass er sich in dem Haushalt, im Wesentlichen nur unterbrochen durch die arbeits- und urlaubsbedingte Abwesenheit, aufhält; denn allein das Vorhalten einer Wohnung für gelegentliche Besuche oder für Ferienaufenthalte ist noch nicht als Unterhalten eines Hausstands zu bewerten. Ebenfalls wird ein eigener Hausstand nicht unterhalten, wenn der Arbeitnehmer die Haushaltsführung nicht zumindest mitbestimmt, sondern in einen fremden Haushalt --etwa in den der Eltern oder als [X.] eingegliedert ist. Dann liegt keine eigene Haushaltsführung vor (BFH-Urteil in 218, 229, [X.], 890).

b) Insbesondere dann, wenn dem Arbeitnehmer die Wohnung unentgeltlich überlassen wird, stellt sich die Frage, ob er einen eigenen Hausstand unterhält oder in einen fremden eingegliedert ist. Die entgeltliche Einräumung einer Rechtsposition ist zwar nicht Voraussetzung einer doppelten Haushaltsführung bei Alleinstehenden. Nutzt aber der Arbeitnehmer eine Wohnung unentgeltlich, ist stets sorgfältig zu prüfen, ob die Wohnung eine eigene oder die des [X.], z.B. der Eltern, darstellt. Dabei ist das Merkmal der Entgeltlichkeit ein Indiz, das im Zusammenhang mit einer Gesamtwürdigung aller Umstände zu einer zutreffenden Beurteilung führen kann, nicht jedoch eine unerlässliche Voraussetzung (conditio sine qua non). Dies gilt nach Auffassung des [X.]enats auch hinsichtlich der Frage, ob der [X.]teuerpflichtige im Übrigen für die Kosten des Haushalts aufkommt. Denn ungeachtet der Frage, ob die Wohnung entgeltlich oder unentgeltlich überlassen wird, ist der Umstand, ob der Arbeitnehmer für die Kosten des Haushalts im Übrigen aufkommt, zwar ein besonders gewichtiges Indiz für das Unterhalten eines eigenen Haushalts i.[X.]. des § 9 Abs. 1 [X.]atz 3 Nr. 5 [X.]atz 2 E[X.]tG, aber keine zwingende Voraussetzung im [X.]inne einer conditio sine qua non. Damit wird es weiterhin auf die finanzielle Beteiligung des auswärts Beschäftigten an der Haushaltsführung als gewichtiges Indiz einer eigenen Haushaltsführung regelmäßig ankommen. Lässt sich indessen diese finanzielle Beteiligung nicht feststellen, ist damit eine eigene Haushaltsführung des auswärts Beschäftigten nicht zwingend ausgeschlossen, wie auch umgekehrt aus einem finanziellen Beitrag allein nicht zwingend auf das Unterhalten eines eigenen Haushalts zu schließen ist. Insoweit gilt der Grundsatz fort, dass allein das Vorhalten einer Wohnung für gelegentliche Besuche oder für Ferienaufenthalte noch nicht als Unterhalten eines Hausstands zu werten ist. Entsprechendes gilt für die finanzielle Beteiligung des auswärts Beschäftigten bei einem Familienhaushalt. Auch hier kommt es auf die finanzielle Beteiligung an der "Haushaltsführung" im [X.]inne eines gewichtigen Indizmerkmals an.

2. Gemessen daran hält die Entscheidung der Vorinstanz revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand.

a) Die Frage, ob der alleinstehende Arbeitnehmer einen eigenen Hausstand unterhält oder aber nur in einen fremden eingegliedert ist, entscheidet sich unter Einbeziehung und Gewichtung aller tatsächlichen Verhältnisse im Rahmen einer den Finanzgerichten als Tatsacheninstanz obliegenden Gesamtwürdigung. Innerhalb derer ist das Merkmal der finanziellen Beteiligung an der Haushaltsführung zwar ein besonders gewichtiges Indiz, aber nicht unerlässliche Voraussetzung dafür, dass der Arbeitnehmer einen eigenen Hausstand als [X.] unterhält. Wenn daher die Vorentscheidung ausführt, dass der die [X.] tragende Kläger nicht hatte nachweisen können, dass er sich finanziell an dem Unterhalt eines Hausstands in [X.] beteiligte, dies jedoch Voraussetzung für die Annahme eines eigenen Hausstands sei, erscheint es nicht ausgeschlossen, dass das [X.] bei Beachtung der vorgenannten Rechtsgrundsätze zu einer anderen Würdigung gekommen wäre.

b) Das [X.] wird daher im zweiten Rechtsgang unter Beachtung der vorgenannten Rechtsgrundsätze den [X.]achverhalt erneut zu würdigen haben. Dabei wird auch zu berücksichtigen sein, dass bei alleinstehenden Arbeitnehmern mit zunehmender Dauer der Auswärtstätigkeit grundsätzlich immer mehr dafür spricht, dass die eigentliche Haushaltsführung und auch der Mittelpunkt der Lebensinteressen am Beschäftigungsort liegen oder dorthin verlegt wurden. Indizien dafür, wo der Lebensmittelpunkt liegt, können sein, wie oft und wie lange sich der Arbeitnehmer in der einen und der anderen Wohnung aufhält, wie beide Wohnungen ausgestattet und wie groß sie sind. Von Bedeutung sind auch die Dauer des Aufenthalts am Beschäftigungsort, die Entfernung beider Wohnungen, die Zahl der Heimfahrten sowie insbesondere auch der Umstand, zu welchem Wohnort die engeren persönlichen Beziehungen bestehen (BFH-Urteil in [X.], 380, [X.], 820,).

3. [X.]ollte das [X.] im zweiten Rechtsgang zu der Würdigung gelangen, dass der Kläger in [X.] doch den eigenen [X.] unterhalten hatte und dass auch die übrigen Voraussetzungen einer doppelten Haushaltsführung gegeben waren, wäre der Mietaufwand allerdings auf das Notwendige zu begrenzen. Denn angesichts des Umstands, dass der Kläger Mietaufwendungen für eine 64 qm große Wohnung als Werbungskosten geltend gemacht hat, wird zu beachten sein, dass Unterkunftskosten am Beschäftigungsort nur insoweit notwendig i.[X.]. von § 9 Abs. 1 [X.]atz 3 Nr. 5 [X.]atz 1 E[X.]tG sind, wie sie den durchschnittlichen Mietzins einer 60 qm-Wohnung am Beschäftigungsort nicht überschreiten (BFH-Urteile in [X.], 380, [X.], 820, m.w.N.; vom 9. August 2007 VI R 23/05, [X.], 376, [X.], 722).

Meta

VI R 26/09

21.04.2010

Bundesfinanzhof 6. Senat

Urteil

vorgehend FG München, 4. September 2008, Az: 15 K 456/08, Urteil

§ 9 Abs 1 S 3 Nr 5 EStG 2002

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 21.04.2010, Az. VI R 26/09 (REWIS RS 2010, 7394)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 7394

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

VI R 76/13 (Bundesfinanzhof)

(Doppelte Haushaltsführung - Mehrgenerationenhaushalt - Entscheidung nach § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO)


VI R 10/12 (Bundesfinanzhof)

Doppelte Haushaltsführung - Mehrgenerationenhaushalt


VI R 46/12 (Bundesfinanzhof)

Doppelte Haushaltsführung - gemeinsamer Haushalt von Eltern und erwachsenen, wirtschaftlich eigenständigen Kindern


VI R 10/13 (Bundesfinanzhof)

Doppelte Haushaltsführung - gemeinsamer Haushalt von Eltern und erwachsenen, wirtschaftlich eigenständigen Kindern


VI R 87/10 (Bundesfinanzhof)

Eigener Hausstand bei doppelter Haushaltsführung - Bindung des BFH an die Gesamtwürdigung durch das FG


Referenzen
Wird zitiert von

VI B 120/10

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.