Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.02.2017, Az. VI ZR 434/15

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 15673

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:140217UVIZR434.15.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

IM NAMEN [X.]S VOLKES

URTEIL
VI [X.]/15
Verkündet am:

14. Februar 2017

Böhringer-Mangold

Justizamtsinspektorin

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
[X.] § 833 Satz 2; ZPO § 529 Abs. 1 Nr. 1
a)
§ 833 Satz 2 [X.] räumt dem Tierhalter die Möglichkeit, sich von der Ge-fährdungshaftung des §
833 Satz 1 [X.] zu entlasten, nur dann ein, wenn der Schaden durch ein Haustier verursacht worden ist, das dem Beruf, der Erwerbstätigkeit oder dem Unterhalt des Tierhalters -
d.h. einem wirtschaftli-chen Zweck
-
zu dienen bestimmt ist.
b)
Unter Erwerbstätigkeit im Sinne des §
833 Satz 2 [X.] ist jede Tätigkeit zu verstehen, die auf Gewinnerzielung gerichtet ist. Diese Voraussetzung ist er-füllt, wenn die Tätigkeit objektiv darauf angelegt ist und subjektiv von der [X.] getragen wird, Gewinn zu erzielen. Die bloße Gewinnerzielungsabsicht als solche, die in den objektiven Umständen keinen Niederschlag findet, ge-nügt dagegen nicht.
-

2

-

c)
Einwendungen einer [X.] gegen die erstinstanzliche Überzeugungsbildung können in der Berufungsinstanz nicht mit der Begründung als unbeachtlich angesehen werden, die [X.] trage lediglich ihre eigenen, von den Beurtei-lungen des gerichtlichen Sachverständigen
abweichenden Einschätzungen vor, ohne Rechtsfehler des Erstgerichts aufzuzeigen.

[X.], Urteil vom 14. Februar 2017 -
VI [X.]/15 -
OLG [X.] in [X.]

[X.]

-

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Der VI.
Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom
14.
Februar 2017
durch den Vorsitzenden [X.], [X.], die Richterin von [X.], [X.] und die Richterin Müller
für Recht erkannt:
Auf die Revision des
[X.]
wird der Beschluss des 24.
Zivilsenats des [X.]s [X.] vom 17.
April 2015 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des [X.], an das Berufungsge-richt zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:
Der Kläger nimmt den Beklagten als Tierhalter auf Schadensersatz in Anspruch.
Am 15.
September 2011 gegen 5.50
Uhr befuhr der Angestellte des [X.] M. mit einem Kleinbus des [X.] die St[X.]tsstraße 217. [X.] befand sich als Beifahrer in dem Fahrzeug. Auf der Gegenfahrbahn standen zwei Fahrzeuge mit eingeschaltetem Licht. Eines dieser Fahrzeuge betätigte die Lichthupe, um den Fahrer des Kleinbusses
zu warnen. Als M. an den Fahr-1
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zeugen vorbeifuhr, sah er auf seiner Fahrbahn zwei Pferde stehen, deren Ei-gentümer und Halter der
Beklagte war. Trotz einer Vollbremsung kam es zur Kollision mit einem der Pferde, einer trächtigen Stute. Bei der Kollision wurde das Fahrzeug erheblich beschädigt, die Insassen wurden verletzt. Das Pferd verendete.
Die Pferde waren vor dem Unfallereignis auf [X.] untergebracht, die mit an Holzpfosten befestigten Elektrobändern eingezäunt war. [X.] befindet sich in einer Entfernung von ca. 250 bis 300
m von der St[X.]tsstraße 217 und ca. 3 bis 5 km vom Wohnhaus des Beklagten. Der Beklagte arbeitet hauptberuflich bei einer Molkerei. Zum Unfallzeitpunkt hielt er zwei trächtige Stuten, einen Hengst und einen Wallach.
Mit der Klage macht der Kläger Schadensersatz wegen Beschädigung des Fahrzeugs, Nutzungsausfall, Abschlepp-
und Sachverständigenkosten so-wie Lohnfortzahlungskosten für seine bei dem Unfall verletzten Arbeitnehmer
geltend. Der Beklagte hat sich darauf berufen, dass er eine Pferdezucht im Ne-bengewerbe betreibe.
Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Das [X.] hat die Berufung durch Beschluss gemäß §
522 Abs.
2 ZPO zurückgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger
sein
Klagebegehren weiter.
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5

-

Entscheidungsgründe:
I.
Nach Auffassung des Berufungsgerichts ist die Ersatzpflicht des [X.] gemäß §
833 Satz
2 [X.] ausgeschlossen. Bei der getöteten Stute habe es sich um ein Haustier gehandelt, das der Erwerbstätigkeit
des Beklagten, näm-lich der von ihm als Nebenerwerbslandwirt betriebenen Pferdezucht,
zu dienen bestimmt gewesen sei (Nutztier). Maßgeblich für die Qualifizierung eines Tiers als Nutztier oder Luxustier sei die allgemeine Zweckbestimmung, die dem Tier von seinem Halter gegeben worden sei. Der Beklagte habe bei seiner Anhörung plausibel angegeben, dass die getötete Stute der Zucht habe
dienen sollen und dass er die Fohlen der beiden zum Unfallzeitpunkt trächtigen Stuten im Rah-men seines landwirtschaftlichen (Nebenerwerbs-)Betriebs habe verkaufen [X.]. Der vom Beklagten vorgelegte Bescheid
vom 8.
August 2007, mit dem ihm eine Betriebsnummer erteilt worden
sei,
sei als Beleg dafür zu werten, dass er tatsächlich einen landwirtschaftlichen Betrieb "zur Haltung von Pferden" gehabt habe. Ein weiteres Indiz hierfür sei die
am 13.
September 2012 erteilte
Bauge-nehmigung
für die Errichtung einer
neuen [X.] mit Pferdeboxen in B.
Schließlich spreche allein der Umstand, dass die beiden vom Beklagten zum Unfallzeitpunkt gehaltenen Stuten trächtig gewesen seien, dafür, dass die [X.] zu gewerblichen Zwecken genutzt worden seien und dass der Beklagte be-absichtigt habe, mit der Pferdehaltung in Zukunft Gewinn zu erzielen.
Es sei auch nachvollziehbar, dass das [X.] den
dem Beklagten obliegenden [X.] als erbracht angesehen habe. Der Kläger trage lediglich seine eigenen, von den Beurteilungen des gerichtlichen [X.] abweichenden Einschätzungen vor, ohne Rechtsfehler des [X.]s aufzuzeigen. Der gerichtliche Sachverständige und das [X.] hätten sich 6
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mit den Umständen des Einzelfalls ausführlich befasst und seien zu dem Er-gebnis gekommen, dass die Art der Einzäunung der Pferde unter Berücksichti-gung der maßgeblichen Umstände des Einzelfalls als übliche und [X.] Sicherungsmaßnahme anzusehen sei, falls die Einzäunung entsprechend kontrolliert worden und die Stromführung intakt gewesen sei. Letzteres habe
das [X.] nachvollziehbar für nachgewiesen erachtet. Der Kläger
ver-kenne die Feststellung des Sachverständigen, dass im Streitfall die wesentliche Sicherung gegen ein Ausbrechen der Pferde in der grundsätzlich als sehr effek-tiv anzusehenden Abschreckung durch das stromführende [X.] zu se-hen sei. Soweit der Kläger fordere, die Pferde hätten nachts in einen Stall ver-bracht werden oder mit einem Miniatursender versehen werden müssen, stehe dies nicht im Einklang mit den Feststellungen des Sachverständigen.

II.
Diese Erwägungen halten der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.

1. Für das Revisionsverfahren ist davon auszugehen, dass der Beklagte gemäß §
833 Satz 1 [X.] grundsätzlich dem Grunde nach für den Schaden einstehen muss, der dem Kläger bzw. seinen Angestellten aufgrund des streit-gegenständlichen Verkehrsunfalls entstanden ist. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts war der Beklagte Halter der den Unfall verursachenden Stu-te. Mangels abweichender Feststellungen ist für die Nachprüfung in der [X.] zu unterstellen, dass sich bei dem Unfall eine typische Tiergefahr verwirklicht hat.
Eine typische Tiergefahr äußert sich in einem der tierischen Natur entsprechenden unberechenbaren und selbständigen Verhalten des [X.] (vgl. Senatsurteile
vom 20.
Dezember 2005 -
VI
ZR 225/04, [X.], 8
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416 Rn. 7; vom 25.
März 2014 -
VI
ZR 372/13, [X.], 640 Rn. 5). Diese Voraussetzung ist insbesondere dann erfüllt, wenn ein Pferd -
wie im Streitfall
-
von einer Weide entkommt und sich auf die Fahrbahn einer Landstraße begibt (vgl. Senatsurteile vom 11.
Januar 1956 -
VI
ZR 296/54, LM Nr.
3 zu §
833 [X.]; vom 6.
März 1990 -
VI
ZR 246/89, NJW-RR 1990, 789, 791).

2. Die Revision wendet sich mit Erfolg gegen die Beurteilung des [X.], bei der den Unfall verursachenden Stute handle es sich um ein Nutztier im Sinne des §
833 Satz
2 [X.], weshalb dem Beklagten der in dieser Bestimmung geregelte [X.] eröffnet sei.
a) § 833 Satz 2 [X.] räumt dem Tierhalter die Möglichkeit, sich von der Gefährdungshaftung des §
833 Satz 1 [X.] zu entlasten, nur dann ein, wenn der Schaden durch ein Haustier verursacht worden ist, das dem Beruf, der [X.] oder dem Unterhalt des Tierhalters
-
d.h. einem wirtschaftlichen Zweck
-
zu dienen bestimmt ist.
Tiere,
die aus Liebhaberei oder zu sonstigen ideellen Zwecken wie zum Beispiel zur Ausübung des Reitsports
gehalten wer-den, ohne dass
der Halter aus ihrer Nutzung -
der Vermietung, Erteilung von Reitunterricht, Zucht oder dergleichen
-
seinen Erwerb bezieht,
werden von der Vorschrift nicht erfasst
(vgl.
Senatsurteile vom 12.
Januar 1982 -
VI
ZR 188/80, [X.], 366, 367; vom 27.
Mai 1986 -
VI
ZR 275/85, [X.], 1077, 1079; vom 28.
April 1992 -
VI
ZR 314/91, [X.], 844; vom 30.
Juni 2009 -
VI
ZR 266/08, [X.], 1275 Rn. 7;
[X.]/Wagner, 6.
Aufl., §
833 Rn. 40).
So hat der Senat Pferde eines aus Liebhaberei betriebenen Rennstalls nicht als privilegierte Nutztiere angesehen
(Urteil vom 24.
November 1954 -
VI
ZR 255/53, [X.], 116; vgl. auch [X.], [X.] 1996, 247, 248
zur hobbymäßigen Pferdezucht).

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b) Die Revision rügt mit Erfolg, dass die Beurteilung des Berufungsge-richts, die getötete Stute habe der Erwerbstätigkeit des Beklagten, nämlich der von ihm im Nebengewerbe betriebenen Pferdezucht gedient, von den getroffe-nen Feststellungen nicht getragen wird.
[X.]) Unter Erwerbstätigkeit im Sinne des §
833 Satz 2 [X.] ist jede [X.] zu verstehen, die auf Gewinnerzielung gerichtet ist. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn die Tätigkeit objektiv darauf angelegt ist und subjektiv von der Absicht getragen wird, Gewinn zu erzielen. Die bloße Gewinnerzielungsabsicht als solche, die in den objektiven
Umständen keinen
Niederschlag findet, genügt dagegen nicht. Vielmehr muss zumindest im Ansatz die realistische Möglichkeit
bestehen, dass der Tierhalter
-
ggf. nach einer gewissen Anlaufzeit -
auf Dauer gesehen aus seiner Tätigkeit Gewinne erwirtschaftet
(vgl. Senatsurteile vom 27.
Mai 1986 -
VI
ZR 275/85, [X.], 1077, 1079; vom 30.
Juni 2009 -
VI
ZR 266/08, [X.], 1275 Rn.
8; vom 21.
Dezember 2010 -
VI
ZR 312/09, [X.], 407 Rn. 8; s. auch [X.]/Wagner, [X.]O
Rn.
40
ff.; [X.]/[X.], [X.], Neubearbeitung 2012, §
833 Rn.
129; NK-[X.]/[X.], 3.
Aufl., §
833 Rn. 21).
Entgegen der [X.] der Revision ist es für die Annahme einer Erwerbstätigkeit im Sinne des §
833 Satz
2 [X.] demgegenüber
nicht erforderlich, dass der Tierhalter seinen Lebensunterhalt zu einem erheblichen Anteil aus der Tierhaltung erwirtschaftet und diese eine wesentliche Grundlage seines Erwerbs bildet ([X.], NJW-RR 2000, 1194; [X.]/Wagner, [X.]O, Rn.
40 ff.; [X.], [X.], 342; [X.], [X.], 186; [X.]/[X.], [X.]O; NK-[X.]/[X.], [X.]O).
Für eine derartige Einschränkung des [X.] des § 833 Satz 2 [X.] finden sich weder im Wortlaut noch in den Gesetzesmaterialien Anhaltspunkte
(vgl. Senatsurteil vom 27.
Mai 1986 -
VI
ZR 275/85, [X.], 1077, 1078 f.).

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bb)
Die Revision rügt zu Recht, dass die getroffenen Feststellungen die Beurteilung nicht tragen, der Beklagte habe eine Erwerbstätigkeit in diesem Sinne ausgeübt. Soweit das Berufungsgericht darauf abgestellt hat, dass der Beklagte mit
Gewinnerzielungsabsicht eine Pferdezucht betrieben habe, fehlt es an jeglichen Feststellungen dazu, ob der Zuchtbetrieb auch in objektiver Hin-sicht darauf angelegt war, Gewinn zu erwirtschaften. Den Feststellungen ist insbesondere nicht zu entnehmen, dass eine zumindest im Ansatz realistische Chance bestand, durch den zukünftigen Verkauf von Fohlen Erlöse zu erzielen, die die Kosten der Anschaffung und des laufenden Unterhalts des Wallachs, des Hengstes und der zwei Stuten übersteigen. Wie die Revision zu Recht gel-tend macht, hat der Beklagte ausweislich der von ihm vorgelegten Unterlagen mit der Haltung der Pferde bisher nur Verluste gemacht.
Soweit das Berufungsgericht zur Begründung der
Erwerbstätigkeit
des Beklagten darauf abgestellt hat, dass diesem
eine Baugenehmigung für die Er-richtung einer [X.] mit zwölf
Pferdeboxen im Außenbereich
erteilt wor-den sei, hat es übersehen, dass die
Genehmigung erst ein Jahr nach dem streitgegenständlichen Unfall
erteilt worden ist und ausweislich der Angaben des Beklagten
in der mündlichen Verhandlung vom 16.
Januar 2013 den [X.] einer Pferdepension ermöglichen sollte. Zwar mag der auf Erwerbszwecke gerichtete
Betrieb einer Pferdepension als
Erwerbstätigkeit im Sinne des §
833 Satz 2 [X.] zu qualifizieren sein. Es
fehlt aber
an der weiteren Voraussetzung der Entlastungsmöglichkeit, dass das in Rede stehende Haustier
dieser [X.]
zu dienen bestimmt war. Weshalb die ein Jahr vor der Erteilung der Baugenehmigung getötete Stute des Beklagten dem Betrieb einer Pferde-pension dienen konnte und sollte, ist
nicht erkennbar.
Entsprechendes gilt für die Erwägung des Berufungsgerichts, der Be-klagte
habe einen landwirtschaftlichen Betrieb angemeldet und
eine Betriebs-14
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nummer erhalten. Dieser Umstand lässt für sich genommen keinen Rück-schluss darauf zu, dass der Beklagte
eine auf Erwerbszwecke gerichtete [X.]zucht betrieb.

3. Die Revision wendet sich auch mit Erfolg gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, der Beklagte habe die ihm als Tierhalter bei der [X.] im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet. Sollte sich die Nutztiereigenschaft der Pferde nicht bestätigen, ist dem Beklagten zwar der [X.] gemäß
§
833 Satz 2 [X.]
nicht eröffnet, so dass es insoweit nicht darauf ankommt, ob er die an ihn zu stellenden Sorgfaltsanforderungen beachtet hat. Diese Frage kann allerdings Bedeutung bei der Abwägung der beiderseitigen Verursachungsbeiträge nach §§
17, 7 Abs. 1 StVG, §
833 Satz 1, §
823 Abs. 1 [X.]
erlangen (vgl. Senatsurteile vom 6.
März 1990 -
VI
ZR 246/89, NJW-RR
1990, 789, 791; vom 3.
Mai 2005
-
VI
ZR 238/04, [X.], 1254, 1255).

a) Als Tierhalter ist der Beklagte für die sichere Unterbringung seiner Pferde verantwortlich. Er ist insbesondere verpflichtet, für eine ausreichend si-chere Einzäunung der Anlagen zu sorgen, in denen sich seine Pferde aufhalten, wenn von ihnen Gefahren für Dritte ausgehen können.
Die Erfüllung dieser Pflicht soll dazu dienen, ein Entweichen der Tiere, etwa von [X.] oder Weide,
auf Dritten zugängliches Gelände oder
Straßen zu verhindern, da [X.] in einem solchen Fall mit schweren Unfällen zu rechnen ist (vgl. Senatsurteile
vom 14.
Juni 1976 -
VI
ZR 212/75 -
[X.], 1086, 1087; vom 6.
März 1990 -
VI
ZR 246/89, NJW-RR 1990, 789, 791; vom 28.
April 1992 -
VI
ZR 314/91, [X.], 844, 845; vom 30.
Juni 2009 -
VI
ZR 266/08, [X.], 1275 Rn. 10
f.).
Insoweit müssen zur Sicherung der unbeaufsich-tigten Tiere auf der Weide im freien Gelände wegen der großen Gefahr schwe-rer Unfälle hohe Anforderungen gestellt werden (vgl. Senatsurteile vom 17
18
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11.
Januar 1956 -
VI
ZR 296/54,
VersR 1956, 127, 128;
vom 30.
November 1965 -
VI
ZR 3/64, [X.], 186, 187; vom 6.
März 1990 -
VI
ZR 246/89, NJW-RR 1990, 789, 790).

Allerdings muss nicht jeder abstrakten Gefahr durch vorbeugende [X.] begegnet werden; Sicherungen von absoluter Wirksamkeit sind kaum möglich. Dementsprechend ist auch der Tierhalter nicht verpflichtet, alle theore-tisch denkbaren, von dem Tier ausgehenden Gefahren von Dritten durch geeig-nete Sicherungsmaßnahmen abzuwenden; vielmehr muss er nur die allgemein üblichen und im Verkehr als ausreichend erachteten Sicherungsmaßnahmen einhalten (vgl. Senatsurteile vom 14.
Juni 1976 -
VI
ZR 212/75, [X.], 1086; vom 28.
April 1992 -
VI
ZR 314/91, [X.], 844, 845).
b) Die Beurteilung des Berufungsgerichts, der Beklagte habe die ihm als Tierhalter bei der Beaufsichtigung der Pferde im Verkehr erforderliche Sorgfalt beachtet, ist bereits deshalb fehlerhaft, weil es übersehen hat, dass es sich bei der Berufungsinstanz auch nach Inkrafttreten des [X.] um eine zweite -
wenn auch eingeschränkte
-
Tatsacheninstanz handelt, deren Aufgabe in der Gewinnung
einer "fehlerfreien und überzeugenden" und damit "richtigen" Entscheidung des Einzelfalles, besteht ([X.], Urteile vom 9.
März 2005 -
VIII
ZR 266/03, [X.]Z 162, 313, 315
f.; vom 18.
November 2004 -
IX
ZR 229/03, [X.]Z 161, 138, Rn.
1 ff.; vom 14.
Juli 2004 -
VIII
ZR 164/03, [X.]Z 160, 83 Rn.
18
ff.; Begründung des [X.] eines Gesetzes zur Reform des Zivilprozesses, BT-Drucks. 14/4722 S.
59
f.; Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 14/6036, S.
118, 124). Die Prüfungskompetenz des Berufungsgerichts hinsichtlich der erstinstanzlichen Tatsachenfeststellung ist insbesondere nicht auf Verfahrensfehler und damit auf den Umfang beschränkt, in dem eine zweitinstanzliche Tatsachenfeststellung der Kontrolle durch das Revisionsgericht unterliegt
(vgl. [X.], Urteil vom 19
20
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12

-

9.
März 2005 -
VIII
ZR 266/03, [X.]Z 162, 313, 315 f.; Senatsbeschluss vom 22.
Dezember 2015 -
VI
ZR 67/15, [X.], 463 Rn. 7).
Auch verfahrens-fehlerfrei getroffene Tatsachenfeststellungen sind für das Berufungsgericht nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO nicht bindend, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Feststellungen unvollständig oder unrichtig sind. Dabei [X.] sich Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheb-lichen Feststellungen
auch aus der Möglichkeit unterschiedlicher Wertung er-geben, insbesondere daraus, dass das Berufungsgericht das Ergebnis einer erstinstanzlichen Beweisaufnahme anders würdigt als das Gericht der [X.]. Besteht aus der für das Berufungsgericht gebotenen Sicht eine [X.] -
nicht notwendig überwiegende -
Wahrscheinlichkeit dafür, dass im Fall der Beweiserhebung die erstinstanzliche Feststellung keinen Bestand haben wird, ist es zu einer erneuten Tatsachenfeststellung verpflichtet (vgl. Senatsurteil vom 21. Juni 2016 -
VI [X.], [X.], 1194 Rn. 11; [X.], Urteil vom 9.
März 2005 -
VIII
ZR 266/03, [X.]Z 162, 313, 315 ff.).

Das Berufungsgericht durfte
deshalb die Einwendungen des [X.] ge-gen die erstinstanzliche Überzeugungsbildung nicht mit der
Begründung als unbeachtlich ansehen, er
trage lediglich "seine
eigenen, von den Beurteilungen des gerichtlichen Sachverständigen abweichenden Einschätzungen vor, ohne damit jedoch Rechtsfehler des Erstgerichts aufzeigen zu können",
bzw. stehe
"nicht in Einklang mit den Beurteilungen des gerichtlichen Sachverständigen"
(vgl. Senatsbeschluss vom 22.
Dezember 2015 -
VI
ZR 67/15, [X.], 463 Rn. 7).
c) Die Revision rügt darüber hinaus zu Recht, dass
sich das Berufungs-gericht nicht
mit den vom Kläger
mit
Schriftsatz vom 22.
Oktober 2012 als Anla-ge [X.] vorgelegten Empfehlungen des Bayerischen St[X.]tsministeriums für Er-nährung, Landwirtschaft und Forsten ("Der sichere Weidezaun") auseinander-21
22
-

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-

gesetzt hat, wonach sich die in Rede stehende Koppel im Risikobereich 2 ([X.] an mäßig befahrenen, entfernten Straßen, die nicht unter ständiger Kontrolle sind) befand, für den eine "Einzäunung mit fester Umzäunung und [X.]-Unterstützung" empfohlen wird

286 ZPO). Diese Empfehlung ist geeignet, die Angaben
des gerichtlichen Sachverständigen in Frage zu stellen, wonach
die im Streitfall
verwendete, nicht nur unterstützende
[X.]-Einzäunung
ausreichend gewesen sei. Dies gilt umso mehr vor dem Hinter-grund, dass die Stärke und Länge der für die Einzäunung
verwendeten Zaun-pfähle nach den Feststellungen der Vorinstanzen deutlich unter den geforderten Werten lag
und ein Zaunpfahl nach dem Unfall aus nicht geklärten Gründen umgeknickt war.

III.
Die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückzuverweisen (§
563 Abs.
1 Satz 1 ZPO), da sie nicht zur Endentscheidung reif ist (§
563 Abs. 3 ZPO).
Das Berufungsgericht wird dabei

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-

14

-

Gelegenheit haben, sich auch mit den weiteren Ausführungen der [X.]en zu seiner Beurteilung zu befassen, der Beklagte habe die ihm obliegende Sorgfalt gewahrt.
Galke
[X.]
von [X.]

[X.]
Müller

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 15.10.2014 -
32 O 712/12 -

OLG [X.] in [X.], Entscheidung vom 17.04.2015 -
24 U 4348/14 -

Meta

VI ZR 434/15

14.02.2017

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.02.2017, Az. VI ZR 434/15 (REWIS RS 2017, 15673)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 15673

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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