Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.07.2009, Az. VIII ZR 165/08

VIII. Zivilsenat | REWIS RS 2009, 2522

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.]/08 Verkündet am: 14. Juli 2009 [X.], Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: [X.] § 535, § 573 Abs. 2 Nr. 1 Geschäftliche Aktivitäten des Mieters in der Wohnung, die nach außen in Erschei-nung treten, muss der Vermieter grundsätzlich nicht ohne entsprechende Vereinba-rung dulden. Er kann jedoch nach [X.] und Glauben verpflichtet sein, die Erlaubnis zur teilgewerblichen Nutzung zu erteilen, wenn es sich um eine Tätigkeit ohne Mitar-beiter und ohne ins Gewicht fallenden Kundenverkehr handelt; hierfür trägt der [X.] die Darlegungs- und Beweislast. [X.], Urteil vom 14. Juli 2009 - [X.]/08 - [X.] - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 20. Mai 2009 durch den Vorsitzenden [X.], [X.] Frellesen, die Richterinnen [X.] und [X.] sowie [X.] [X.] für Recht erkannt: Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil der 17. Zivilkammer des [X.] vom 20. Mai 2008 aufgeho-ben. Der Rechtsstreit wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das [X.] zurückverwiesen. Von Rechts wegen Tatbestand: Die Beklagten haben von der Klägerin mit Vertrag vom 5. Januar 2004 eine 2-Zimmer-Wohnung in [X.]

gemietet, die sie zusammen mit ihrem Kind bewohnen. Gemäß § 1 des Mietvertrages erfolgte die Anmietung "zu Wohnzwecken". Ferner ist in § 11 des Mietvertrags zur Benutzung der Miet-räume bestimmt: 1 "1. Der Mieter darf die Mietsache zu anderen als den in § 1 bestimmten Zwecken nur mit Einwilligung des Vermieters benutzen. –" - 3 - Der Beklagte zu 1 ist als selbständiger Immobilienmakler tätig; da er nicht über eigene Geschäftsräume verfügt, übt er sein Gewerbe in der Miet-wohnung aus. Mit Schreiben vom 7. März 2007 forderte die Klägerin den [X.] unter Androhung der Kündigung des Mietverhältnisses auf, die gewerb-liche Nutzung zu unterlassen. Mit anwaltlichem Schreiben vom 4. Juni 2007 erklärte die Klägerin wegen der fortgesetzten gewerblichen Nutzung die [X.], hilfsweise die ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses und forderte die Beklagten vergeblich zur Räumung und Herausgabe der Wohnung auf. Hierfür entstanden der Klägerin Anwaltskosten in Höhe von 489,45 •. 2 Die Klägerin hat Räumung und Herausgabe der Wohnung sowie Ersatz der vorgerichtlichen Anwaltskosten begehrt. Das Amtsgericht hat die Beklagten entsprechend den Anträgen der Klägerin verurteilt. Auf die Berufung der [X.] hat das [X.] das Urteil des Amtsgerichts abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision [X.] die Klägerin die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. 3 Entscheidungsgründe: Die Revision hat Erfolg. [X.] Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausge-führt: 5 Der Räumungsanspruch sei unbegründet, weil die Kündigung der Kläge-rin vom 4. Juni 2007 das Mietverhältnis nicht beendet habe. Dass der Beklagte zu 1 in der Wohnung ein Gewerbe betreibe, reiche nicht einmal als Grund für 6 - 4 - eine Kündigung wegen vertragswidrigen Gebrauchs nach § 573 Abs. 2 Nr. 1 [X.] aus. Weder dem Gesetzeswortlaut noch dem Gesetzeszweck sei zu [X.], dass jegliche gewerbliche Nutzung bereits an sich Grund einer Kündi-gung sein könne. Dem stehe schon entgegen, dass sonst eine überwältigende Anzahl von Existenzgründern um den Bestand ihrer Wohnverhältnisse fürchten müsste. Auch könne eine Existenzgründung nicht von einer vorher eingeholten Erlaubnis des Vermieters zur gewerblichen Nutzung abhängig gemacht werden. Vielmehr sei eine gewerbliche Nutzung nur dann vertragswidrig, wenn sie ent-weder die vertragsgemäße Wohnnutzung überwiege oder wenn von ihr weiter-gehende Einwirkungen auf die Mietsache oder die Mitmieter als durch eine übli-che Wohnnutzung ausgingen. Ausreichende Anhaltspunkte für eine in diesem Sinne vertragswidrige Wohnnutzung bestünden hier nicht. Der durchschnittliche Kunde eines Immobi-lienmaklers knüpfe den Kontakt zu einem Makler nicht, indem er dessen Büro aufsuche, sondern telefonisch oder per [X.]; weitere Kontakte erfolgten ty-pischerweise durch Übersendung von Unterlagen oder Wahrnehmung eines Ortstermins an dem zur Vermittlung stehenden Immobilienobjekt. 7 Dass - wie die Klägerin behauptet habe - Mitarbeiter des Beklagten in der Wohnung verkehrten, dieser auf der homepage seiner Firma sein "Team" an-preise und ca. zwei- bis dreimal in sechs Monaten Kundenbesuche stattfänden, sei unerheblich. Daraus lasse sich nicht herleiten, dass mehr als ein Schreib-tischarbeitsplatz in der Wohnung benutzt werde und mehr Besucher die [X.] aufsuchten als bei gewöhnlicher Wohnnutzung üblich. 8 II. Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht in jeder Hinsicht stand. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann ein [X.] - 5 - mungsanspruch der Klägerin (§ 546 Abs. 1 [X.]) infolge einer gemäß § 573 Abs. 2 Nr. 1 [X.] begründeten Kündigung wegen vertragswidrigen Gebrauchs der Mietsache nicht verneint werden. Entgegen der Auffassung des Berufungs-gerichts kann die Grenze vertragsgemäßer Nutzung einer Wohnung schon dann überschritten sein, wenn der Mieter die Wohnung auch zu geschäftlichen Zwecken nutzt und damit - wie hier - nach außen hin in Erscheinung tritt. 1. In welchem Umfang der Mieter einer Wohnung in den Mieträumen [X.] geschäftlichen Tätigkeit nachgehen darf, ist in Rechtsprechung und Litera-tur umstritten. 10 a) Nach einer verbreiteten Meinung, der auch das Berufungsgericht folgt, wird von dem bei Anmietung einer Wohnung zumindest stillschweigend verein-barten Vertragszweck "Wohnen" auch eine berufliche oder gewerbliche Tätig-keit des Mieters umfasst, sofern es sich nur um eine gewerbliche Mitbenutzung handelt, die die Wohnnutzung nicht überwiegt, und von der teilgewerblichen Nutzung keine wesentlich anderen Einwirkungen auf die Mietsache oder die Mitmieter ausgehen als bei einer ausschließlichen Wohnnutzung ([X.], [X.], 263 sowie [X.], 188; [X.] 1986, 94; [X.], Mietrecht Aktuell, 4. Aufl., [X.]. 213; vgl. auch [X.]/[X.], [X.] (2006), § 535 Rdnr. 36 f.). Teilweise wird auch darauf abgestellt, ob andere Mieter die gewerbliche Tätigkeit in vergleichbaren Fällen ebenfalls in der [X.] ausüben oder ob dafür üblicherweise Geschäftsraum angemietet wird ([X.], Mietrecht, 9. Aufl., § 535 [X.] Rdnr. 266 ff.) 11 b) Das [X.] (NJW-RR 1993, 907, 908 und [X.], 1029, 1030) stellt hingegen darauf ab, ob bei wertender Betrachtung von einer "regelmäßi-gen kommerziellen Tätigkeit" des Mieters auszugehen ist. [X.] (in: Bub/[X.], Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete 3. Aufl., [X.] - 6 - Rdnr. 1003) hält schriftstellerische oder wissenschaftliche Tätigkeiten und gele-gentliche Büroarbeiten für zulässig, sieht aber die Grenze überschritten, wenn die gewerbliche Tätigkeit Außenwirkung entfaltet und Laufkundschaft anzieht oder wenn Angestellte zu gewerblichen Zwecken beschäftigt werden. 13 2. Nach Auffassung des Senats kommt es darauf an, ob der Mieter mit einer geschäftlichen Tätigkeit nach außen in Erscheinung tritt, etwa indem er die Wohnung als seine Geschäftsadresse angibt, ob er in der Wohnung Kunden empfängt oder dort Mitarbeiter beschäftigt. a) Berufliche Tätigkeiten, die der Mieter - etwa im häuslichen Arbeits-zimmer - ausübt, ohne dass sie nach außen in Erscheinung treten, fallen nach der Verkehrsanschauung von vornherein unter den Begriff des "Wohnens"; hierzu gehört die Unterrichtsvorbereitung eines Lehrers ebenso wie die Telear-beit eines Angestellten, die schriftstellerische Tätigkeit eines Autors oder der Empfang oder die Bewirtung eines Geschäftsfreundes des Mieters in der [X.]. 14 b) Bei geschäftlichen Aktivitäten freiberuflicher oder gewerblicher Art, die nach außen in Erscheinung treten, liegt hingegen eine Nutzung vor, die der Vermieter einer Wohnung ohne entsprechende Vereinbarung grundsätzlich nicht dulden muss. Der Vermieter kann jedoch im Einzelfall nach [X.] und Glauben verpflichtet sein, eine Erlaubnis zur teilgewerblichen Nutzung zu ertei-len. Sie wird insbesondere dann in Betracht kommen, wenn es sich nur um eine Tätigkeit ohne Mitarbeiter und ohne ins Gewicht fallenden Kundenverkehr handelt. Auch eine selbständige berufliche Tätigkeit kann im Einzelfall so orga-nisiert sein oder einen so geringen Umfang haben, dass sie - wie [X.] bei einem Rechtsanwalt oder Makler - im Wesentlichen am Schreibtisch er-ledigt wird, in der Wohnung keine Mitarbeiter beschäftigt werden und von [X.] - 7 - waigem Publikumsverkehr keine weitergehenden Einwirkungen auf die Mietsa-che oder Mitmieter ausgehen als bei einer üblichen Wohnnutzung; dies wird etwa - worauf auch das Berufungsgericht hinweist - in der [X.] einer selbständigen Tätigkeit der Fall sein können. 16 c) Ein Anspruch auf Gestattung kommt dagegen regelmäßig nicht in [X.], wenn für die geschäftliche Tätigkeit Mitarbeiter des Mieters in der [X.] beschäftigt werden, wie es nach dem von den Beklagten bestrittenen Vortrag der Klägerin hier der Fall ist. Das Berufungsgericht, das dieses Vorbrin-gen als richtig unterstellt hat, durfte die Klage daher nicht abweisen, ohne die-sen Punkt zu klären. III. Nach alledem kann das Urteil des Berufungsgerichts keinen Bestand ha-ben; es ist daher aufzuheben. Der Rechtsstreit ist nicht zur Endentscheidung reif, da das Berufungsgericht - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - keine Feststellungen dazu getroffen hat, ob der Beklagte Mitarbeiter seines [X.] in der Wohnung beschäftigt. Bei der weiteren Sachaufklärung wird das Be-rufungsgericht zu berücksichtigen haben, dass es entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung Sache des Mieters ist darzulegen und zu beweisen, dass für eine nach außen in Erscheinung tretende geschäftliche Tätigkeit keine Mit-arbeiter in der Wohnung beschäftigt werden und die Tätigkeit auch im Übrigen 17 - 8 - so ausgestaltet ist, dass von ihr im Vergleich zu einer reinen Wohnnutzung [X.] ins Gewicht fallenden (störenden) Einwirkungen ausgehen. Ball [X.] [X.]
[X.] Dr. [X.] Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 18.12.2007 - 33 C 2808/07-29 - [X.], Entscheidung vom 20.05.2008 - 2/17 S 19/08 -

Meta

VIII ZR 165/08

14.07.2009

Bundesgerichtshof VIII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.07.2009, Az. VIII ZR 165/08 (REWIS RS 2009, 2522)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2009, 2522

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