Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.04.2013, Az. VIII ZR 213/12

VIII. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 6804

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
VIII ZR 213/12
Verkündet am:

10. April 2013

Ring,

Justizhauptsekretärin

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
BGB § 535 Abs. 1, § 563 Abs. 4
a)
Unter den nach der Verkehrsanschauung zu bestimmenden Begriff des "[X.]" fallen nur solche berufliche Tätigkeiten des Mieters, die in einer nicht nach außen in Erscheinung tretenden Weise ausgeübt werden. Geschäftliche Aktivitä-ten des Mieters, die der Mieter in ausschließlich zu Wohnzwecken vermieteten Räumen ausübt und die nach außen in Erscheinung treten, muss der Vermieter nicht ohne vorherige Vereinbarung dulden.
b)
Eine Verpflichtung des Vermieters, eine vertragswidrige Nutzung der Mieträume zu gestatten, kommt nur dann in Betracht, wenn von der beabsichtigten Tätigkeit
-
was der Mieter darzulegen und zu beweisen hat -
keine weitergehenden Einwir-kungen auf die Mietsache oder Mitmieter ausgehen als bei einer üblichen Wohn-nutzung (Bestätigung von [X.],
Urteil vom 14.
Juli 2009 -
VIII ZR 165/08, [X.], 3157).

[X.], Urteil vom 10. April 2013 -
VIII ZR 213/12 -
LG [X.]

AG Charlottenburg

-
2
-
Der VIII.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 10. April 2013
durch den Vorsitzenden [X.], [X.]
Frellesen, die Richterin Dr.
Milger sowie [X.]
[X.] und Dr.
Schneider
für Recht erkannt:
Die Revision des Beklagten gegen
das Urteil der [X.] des [X.] vom 5. Juni 2012 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat die
Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:
Der Kläger ist Eigentümer des
Mietshauses S.

P.

in B.

. [X.] des Beklagten mietete in dem [X.] eine Wohnung an, in der sie bis zu ihrem Tod am 14. Januar 2011 lebte. Als sie sich ab dem [X.] nicht mehr allein versorgen konnte, zog der Beklagte in die Wohnung, um seine Mutter zu pflegen, und lebt seitdem dort. Da er seinen Beruf als Musikleh-rer für Gitarre an der Musikschule C.

wegen der Pfle-getätigkeit nicht mehr in vollem Umfang in der Musikschule ausüben konnte, gab er, wie bereits in geringerem Umfang vor dem [X.], in der Wohnung Gitarrenunterricht.
Eine Erlaubnis des [X.] für die Ausübung dieser [X.], deren Umfang und Auswirkungen auf den [X.] zwischen den [X.] streitig sind, holte der Beklagte nicht ein.
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Mit Schreiben vom 4. Februar 2011 zeigte der Beklagte dem Kläger den Tod seiner Mutter an und erklärte den Eintritt in das Mietverhältnis. Mit [X.] vom 2. März 2011 kündigte der Kläger das Mietverhältnis außeror-dentlich nach § 563 Abs. 4 BGB und gab zur Begründung an, dass der Beklagte über mehrere Jahre hinweg ohne
seine
Erlaubnis in der Wohnung [X.] gegeben und die Wohnung damit entgegen dem
vertraglich vereinbarten Nutzungsweck
gewerblich genutzt habe. Wegen des durch den Unterricht ver-ursachten Lärms sei es zu den [X.] unzumutbar beeinträchtigenden Streitigkeiten mit [X.] gekommen.
Mit der Klage nimmt der Kläger den Beklagten auf Räumung der [X.] in Anspruch. Im Schriftsatz vom 25. August 2011 kündigte
der Kläger das Mietverhältnis zusätzlich nach § 543 BGB fristlos und gab zur Begründung
un-ter anderem an, die Lärmbelästigung dauere fort.

Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Die hiergegen gerichtete Berufung des Beklagten hat das [X.] zurückgewiesen. Mit der vom [X.] zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte sein Klageabweisungsbegeh-ren weiter.

Entscheidungsgründe:
Die Revision hat keinen Erfolg.
I.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im We-sentlichen ausgeführt:

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Der [X.] des [X.] sei nach §
546 BGB begründet, denn das Mietverhältnis, in welches der Beklagte gemäß §
563 Abs. 2 BGB nach dem Tod seiner Mutter eingetreten sei, sei aufgrund der auf §
563 Abs.
4 BGB gestützten wirksamen Kündigung des [X.] vom 2. März 2011 beendet worden.
Der nach §
563 Abs.
4 BGB zu fordernde in der Person des eingetrete-nen Mieters liegende wichtige Grund zur Kündigung sei hier darin
zu sehen, dass der Beklagte ohne Erlaubnis des [X.] über Jahre hinweg in der [X.] Gitarrenunterricht gegeben habe. Der Kläger habe konkrete Anhaltspunk-te dafür vorgetragen, dass es deswegen in der Vergangenheit -
auch zu Zeiten, in denen der Beklagte noch nicht Mieter der Wohnung gewesen sei -
zu [X.] mit anderen im Haus lebenden Mietern gekommen sei. [X.] Auseinandersetzungen seien auch in Zukunft zu befürchten und führten zu einer in der Person des Beklagten liegenden unzumutbaren Beeinträchtigung des [X.]s.
Die freiberufliche Erteilung von
Gitarrenunterricht stelle keine übliche Wohnnutzung dar und bedürfe
nach der Rechtsprechung des [X.], da diese Tätigkeit wegen der in das Haus kommenden Schüler Außenwir-kung entfalte,
der Erlaubnis
des Vermieters, an der es vorliegend fehle.
Da der Kläger den Beklagten mehrfach vergeblich aufgefordert habe, den Gitarrenun-terricht zu unterlassen, rechtfertigten
allein die deshalb zu befürchtende weitere Ausübung der freiberuflichen Tätigkeit gegen den Willen des Vermieters und die sich daraus nicht unwahrscheinlich ergebenden Probleme mit [X.] die außerordentliche Kündigung. Darauf, ob die Vorhaltungen des [X.] hinsicht-lich der Auseinandersetzungen mit [X.] überhaupt zuträfen, komme es nicht an.
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II.
Diese Beurteilung des Berufungsgerichts hält rechtlicher Nachprüfung stand, so dass die Revision zurückzuweisen ist.

Zu Recht hat das Berufungsgericht darin, dass der Beklagte ohne Er-laubnis des [X.] in der Wohnung Gitarrenunterricht erteilt hat, einen wichti-gen Grund zur außerordentlichen Kündigung gemäß § 563 Abs. 4 BGB gese-hen. Der [X.] ist deshalb nach
§ 546 Abs. 1 BGB begründet.
1. Gemäß § 563 Abs. 4 BGB kann der Vermieter das Mietverhältnis in-nerhalb eines Monats, nachdem er von dem endgültigen Eintritt in das Mietver-hältnis Kenntnis erlangt hat, außerordentlich mit der gesetzlichen Frist kündi-gen,
wenn in der Person des [X.] ein wichtiger Grund vorliegt.
Es bedarf keiner
grundsätzlichen
Entscheidung darüber, ob und gegebe-nenfalls in welcher Weise sich der in § 563 Abs. 4 BGB genannte wichtige Grund zur außerordentlichen Kündigung von dem in § 543 Abs. 1 BGB genann-ten wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung unterscheidet. Jedenfalls muss dieser Grund so beschaffen sein, dass er dem Vermieter die Fortsetzung des Mietverhältnisses aufgrund von Umständen unzumutbar macht, die in der Per-son
des Mieters liegen (vgl. [X.]sbeschluss vom 20. April 2010 -
VIII ZR 254/09, [X.], 431 Rn. 6). So verhält es sich im Streitfall.
2. Nach der vom Berufungsgericht zutreffend zitierten Rechtsprechung des [X.]s fallen unter den nach der Verkehrsanschauung zu bestimmenden Begriff des "Wohnens"
lediglich solche berufliche Tätigkeiten, die der Mieter
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etwa im häuslichen Arbeitszimmer -
in einer nicht nach außen in Erscheinung tretenden Weise ausübt. Der [X.] hat beispielhaft hierfür die Unterrichtsvorbe-reitung eines
Lehrers, die Telearbeit eines Angestellten, die schriftstellerische 10
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Tätigkeit
eines Autors sowie den Empfang oder die Bewirtung von Geschäfts-freunden angeführt ([X.]surteil vom 14. Juli 2009 -
VIII ZR 165/08, [X.], 3157 Rn. 14). Für die Aufnahme derartiger Tätigkeiten, die mit dem vertraglich vereinbarten Nutzungszweck im Einklang stehen,
bedarf es keiner Erlaubnis des Vermieters.
Hingegen muss der Vermieter in ausschließlich zu Wohnzwecken ver-mieteten Räumen geschäftliche (gewerbliche oder [frei-]berufliche) Aktivitäten des Mieters, die nach außen in Erscheinung treten, grundsätzlich nicht ohne entsprechende vorherige Vereinbarung dulden ([X.]surteil vom 14. Juli 2009
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VIII ZR 165/08, aaO
Rn. 15). Da der Beklagte in den ausschließlich zu Wohn-zwecken vermieteten Räumen nach seinen Angaben an drei Werktagen in der Woche zehn bis zwölf Schülern Gitarrenunterricht erteilt, liegt eine vertragswid-rige geschäftliche Aktivität mit Publikumsverkehr vor, für deren Zulässigkeit es an einer
Vereinbarung der Parteien fehlt.
Zwar hat der [X.] entschieden, dass der Vermieter im Einzelfall nach Treu und Glauben verpflichtet sein
kann, eine Erlaubnis zur teilweisen gewerb-lichen oder (frei-)beruflichen Nutzung zu erteilen. Eine solche Verpflichtung des Vermieters,
eine nach den Bestimmungen des Mietvertrags vertragswidrige Nutzung zu gestatten, wird jedoch nur dann in Betracht kommen, wenn von der beabsichtigten Tätigkeit -
was der Mieter darzulegen und zu beweisen hat ([X.]surteil vom 14. Juli 2009 -
VIII ZR 165/08, aaO Rn. 17) -
keine weitergehen-den Einwirkungen auf die Mietsache oder Mitmieter ausgehen als bei einer übli-chen Wohnnutzung. Beispielhaft hat der [X.] dabei eine Tätigkeit ohne Mitar-beiter und ohne ins Gewicht fallenden Kundenverkehr genannt ([X.]surteil vom 14.
Juli 2009 -
VIII ZR 165/08, aaO Rn.
15).
Um eine derartige Tätigkeit

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handelt es sich bei der vom Beklagten ausgeübten Tätigkeit nach den
vom Be-rufungsgericht getroffenen
Feststellungen offensichtlich nicht.
Ball
Dr. Frellesen
Dr. Milger

Dr. [X.]
Dr. Schneider
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 08.12.2011 -
223 [X.] -

LG [X.], Entscheidung vom 05.06.2012 -
65 [X.] -

Meta

VIII ZR 213/12

10.04.2013

Bundesgerichtshof VIII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.04.2013, Az. VIII ZR 213/12 (REWIS RS 2013, 6804)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 6804

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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VIII ZR 213/12

VIII ZR 254/09

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