Bundesgerichtshof, Urteil vom 27.02.2024, Az. VIa ZR 1148/22

6a. Zivilsenat | REWIS RS 2024, 894

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Tenor

Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des 5. Zivilsenats des [X.] vom 7. Juli 2022 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufung betreffend die deliktische Schädigung des [X.] durch das Inverkehrbringen des erworbenen Fahrzeugs - mit Ausnahme der mit dem Berufungsantrag zu [X.] auch begehrten Freistellung von Zinsen auf die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten - zurückgewiesen worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger nimmt die Beklagte wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen in einem Kraftfahrzeug auf Schadensersatz in Anspruch.

2

Der Kläger erwarb im August 2012 von der Beklagten einen von ihr hergestellten gebrauchten [X.] [X.], der mit einem Motor der Baureihe [X.] (Schadstoffklasse Euro 5) ausgerüstet ist. Die Abgasrückführung erfolgt in dem Fahrzeug in Abhängigkeit von der Temperatur (Thermofenster).

3

Der Kläger, dessen Klage in den Vorinstanzen erfolglos geblieben ist, hat die Beklagte unter dem Gesichtspunkt einer Rückabwicklung des Kaufvertrags infolge eines gewährleistungsrechtlich gerechtfertigten Rücktritts und unter dem Gesichtspunkt seiner deliktischen Schädigung durch das Inverkehrbringen des Fahrzeugs in Anspruch genommen. Er hat zuletzt beantragt, die Beklagte zur Zahlung von 33.488,88 € nebst Zinsen Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Fahrzeugs zu verurteilen (Berufungsantrag zu I) und wegen einer ursprünglich höheren Forderung die Klage einseitig für erledigt erklärt. Ferner hat der Kläger die Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten (Berufungsantrag zu II) sowie die Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen (Berufungsantrag zu III) begehrt. Mit der vom Senat im tenorierten Umfang zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Schlussanträge aus der Berufungsinstanz insoweit weiter.

Entscheidungsgründe

4

Die Revision des [X.] hat Erfolg.

I.

5

Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung - soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung - im Wesentlichen wie folgt begründet:

6

Dem Kläger stehe der geltend gemachte Anspruch nicht gemäß §§ 826, 31 BGB zu. Es lägen keine Anhaltspunkte für eine sittenwidrige Schädigung vor. Der Kläger habe gegen die Beklagte auch keine Ansprüche aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit §§ 6, 27 [X.] bzw. den [X.] ([X.]) Nr. 715/2007. Das Interesse, nicht zur Eingehung einer ungewollten Verbindlichkeit veranlasst zu werden, betreffe die wirtschaftliche Dispositionsfreiheit und liege offensichtlich nicht im Aufgabenbereich der vorgenannten Vorschriften.

II.

7

Diese Erwägungen halten der Überprüfung im Revisionsverfahren nicht in allen Punkten stand.

8

1. Es begegnet keinen revisionsrechtlichen Bedenken, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten aus §§ 826, 31 BGB verneint hat. Die Revision erhebt insoweit auch keine konkreten Einwände.

9

2. Die Revision wendet sich jedoch mit Erfolg dagegen, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.] aus Rechtsgründen abgelehnt hat. Wie der [X.] nach Erlass des angefochtenen Urteils entschieden hat, sind die Bestimmungen der § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.] Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB, die das Interesse des [X.] gegenüber dem Fahrzeughersteller wahren, nicht durch den Kaufvertragsabschluss eine Vermögenseinbuße im Sinne der [X.] zu erleiden, weil das Fahrzeug entgegen der Übereinstimmungsbescheinigung eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung ([X.]) Nr. 715/2007 aufweist (vgl. [X.], Urteil vom 26. Juni 2023 - [X.], [X.]Z 237, 245 Rn. 29 bis 32).

Das Berufungsgericht hat daher zwar zu Recht einen Anspruch des [X.] auf die Gewährung sogenannten "großen" Schadensersatzes verneint (vgl. [X.], Urteil vom 26. Juni 2023 - [X.], [X.]Z 237, 245 Rn. 22 bis 27). Es hat jedoch nicht berücksichtigt, dass dem Kläger nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.] ein Anspruch auf Ersatz eines erlittenen [X.]s zustehen kann (vgl. [X.], Urteil vom 26. Juni 2023, aaO, Rn. 28 bis 32; ebenso [X.], Urteile vom 20. Juli 2023 - [X.], [X.], 1839 Rn. 21 ff.; - [X.], juris Rn. 16 f.; Urteil vom 12. Oktober 2023 - [X.], juris Rn. 20). Demzufolge hat das Berufungsgericht - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - weder dem Kläger Gelegenheit zur Darlegung eines solchen Schadens gegeben, noch hat es Feststellungen zu einer deliktischen Haftung der Beklagten wegen des zumindest fahrlässigen Einbaus einer unzulässigen Abschalteinrichtung getroffen.

III.

Die angefochtene Entscheidung ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang aufzuheben, § 562 ZPO, weil sie sich insoweit auch nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt, § 561 ZPO. Der [X.] kann nicht in der Sache selbst entscheiden, weil sie nicht zur Endentscheidung reif ist, § 563 Abs. 3 ZPO. Sie ist daher zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

Im wiedereröffneten Berufungsverfahren wird der Kläger Gelegenheit haben, einen [X.] darzulegen. Das Berufungsgericht wird sodann nach den näheren Maßgaben des Urteils des [X.]s vom 26. Juni 2023 ([X.], [X.]Z 237, 245) die erforderlichen Feststellungen zu der - bislang lediglich unterstellten - Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung sowie gegebenenfalls zu den weiteren Voraussetzungen und zum Umfang einer Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.] zu treffen haben.

[X.]     

      

Möhring     

      

Krüger

      

Wille     

      

Liepin     

      

Meta

VIa ZR 1148/22

27.02.2024

Bundesgerichtshof 6a. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend BGH, 30. Oktober 2023, Az: VIa ZR 1148/22, Beschluss

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 27.02.2024, Az. VIa ZR 1148/22 (REWIS RS 2024, 894)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2024, 894

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VII ZR 412/21

III ZR 303/20

III ZR 267/20

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