Bundesgerichtshof, Urteil vom 19.03.2024, Az. VIa ZR 1036/22

6a. Zivilsenat | REWIS RS 2024, 1737

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Tenor

Auf die Revision des [X.] wird der Beschluss des 3. Zivilsenats des [X.] vom 29. Juni 2022 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufungsanträge zu I, zu [X.] und zu [X.] zurückgewiesen worden sind.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger erwarb am 2. Juli 2012 von einem Händler einen von der Beklagten hergestellten Neuwagen [X.] xdrive 2.0 d, der mit einem Dieselmotor der [X.] (Schadstoffklasse Euro 5) ausgerüstet ist. Er macht geltend, das Fahrzeug verfüge über mehrere unzulässige Abschalteinrichtungen, unter anderem in Gestalt einer temperaturabhängigen Steuerung der Abgasrückführung ("[X.]"), und nimmt die Beklagte deshalb auf Schadensersatz in Anspruch.

2

Der Kläger hat zuletzt beantragt, die Beklagte zur Zahlung von 28.284,03 € nebst [X.] um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Fahrzeugs (Berufungsantrag zu [X.]) und zur Zahlung von [X.] (Berufungsantrag zu [X.][X.]) zu verurteilen. Ferner hat er die Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten (Berufungsantrag zu [X.][X.][X.]) und die Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten (Berufungsantrag zu [X.]V) begehrt. Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des [X.] ist erfolglos geblieben. Mit der vom Senat insoweit zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Schlussanträge aus der Berufungsinstanz zu [X.], zu [X.][X.][X.] und zu [X.]V weiter.

Entscheidungsgründe

3

Die Revision des [X.] hat Erfolg.

I.

4

Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung - soweit für das Revisionsverfahren von Interesse - im Wesentlichen wie folgt begründet:

5

Ein Anspruch aus §§ 826, 31 BGB bestehe nicht. Bei einer umfassenden Würdigung des Sachvortrags beider Parteien und Bewertung des Verhaltens der Beklagten ergebe sich keine sittenwidrige vorsätzliche Schädigung des [X.] durch den Erwerb des Fahrzeugs. Es fehle hierzu sowohl an der objektiven Sittenwidrigkeit als auch am [X.]. Ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.]-FGV scheitere daran, dass es sich bei diesen Vorschriften nicht um Schutzgesetze handele.

II.

6

Diese Erwägungen halten der Überprüfung im Revisionsverfahren nicht in allen Punkten stand.

7

1. Es begegnet keinen revisionsrechtlichen Bedenken, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten aus §§ 826, 31 BGB verneint hat. Die Revision erhebt insoweit auch keine Einwände.

8

2. Die Revision wendet sich jedoch mit Erfolg dagegen, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.]-FGV aus Rechtsgründen abgelehnt hat. Wie der [X.] nach Erlass des angefochtenen Beschlusses entschieden hat, sind die Bestimmungen der § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.]-FGV Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB, die das Interesse des [X.] gegenüber dem Fahrzeughersteller wahren, nicht durch den Kaufvertragsabschluss eine Vermögenseinbuße im Sinne der [X.] zu erleiden, weil das Fahrzeug entgegen der Übereinstimmungsbescheinigung eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung ([X.]) Nr. 715/2007 aufweist (vgl. [X.], Urteil vom 26. Juni 2023 - [X.], [X.]Z 237, 245 Rn. 29 bis 32).

9

Das Berufungsgericht hat daher zwar zu Recht einen Anspruch des [X.] auf die Gewährung sogenannten "großen" Schadensersatzes verneint (vgl. [X.], Urteil vom 26. Juni 2023 - [X.], [X.]Z 237, 245 Rn. 22 bis 27). Es hat jedoch nicht berücksichtigt, dass dem Kläger nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.]-FGV ein Anspruch auf Ersatz eines erlittenen [X.]s zustehen kann (vgl. [X.], Urteil vom 26. Juni 2023, aaO, Rn. 28 bis 32; ebenso [X.], Urteile vom 20. Juli 2023 - [X.], [X.], 1839 Rn. 21 ff.; - [X.], juris Rn. 16 f.; Urteil vom 12. Oktober 2023 - [X.], juris Rn. 20). Demzufolge hat das Berufungsgericht - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - weder dem Kläger Gelegenheit zur Darlegung eines solchen Schadens gegeben, noch hat es Feststellungen zu einer deliktischen Haftung der Beklagten wegen des zumindest fahrlässigen Einbaus einer unzulässigen Abschalteinrichtung getroffen.

III.

Die angefochtene Entscheidung ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang aufzuheben, § 562 ZPO, weil sie sich insoweit auch nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt, § 561 ZPO. Der [X.] kann nicht in der Sache selbst entscheiden, weil sie nicht zur Endentscheidung reif ist, § 563 Abs. 3 ZPO. Sie ist daher zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

Im wiedereröffneten Berufungsverfahren wird der Kläger Gelegenheit haben, einen [X.] darzulegen. Das Berufungsgericht wird sodann nach den näheren Maßgaben des Urteils des [X.]s vom 26. Juni 2023 ([X.], [X.]Z 237, 245) die erforderlichen Feststellungen zu der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung sowie gegebenenfalls zu den weiteren Voraussetzungen und zum Umfang einer Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.]-FGV zu treffen haben.

C. Fischer

        

Möhring

        

Krüger

        

Wille 

        

Liepin

        

Meta

VIa ZR 1036/22

19.03.2024

Bundesgerichtshof 6a. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Koblenz, 29. Juni 2022, Az: 3 U 147/22

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 19.03.2024, Az. VIa ZR 1036/22 (REWIS RS 2024, 1737)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2024, 1737

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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VII ZR 412/21

III ZR 303/20

III ZR 267/20

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