Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 17.04.2013, Az. 10 AZR 281/12

10. Senat | REWIS RS 2013, 6536

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Gegenstand

Jahressonderzahlung - Freiwilligkeitsvorbehalt - Unklarheitenregel


Tenor

1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 12. Januar 2012 - 3 [X.]/11 - wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über eine Sonderzahlung für das [X.].

2

Die Klägerin trat am 1. April 1999 in die Dienste der Rechtsvorgängerin der Beklagten. Der Anstellungsvertrag vom 29. März 1999 regelt auszugsweise Folgendes:

        

„§ 3   

        

Für die Tätigkeit erhält die Mitarbeiterin während der Probezeit ein Bruttogehalt von monatlich [X.] 3.800,00 einschließlich der Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung.

        

Nach der Probezeit beträgt das Bruttogehalt monatlich

        

[X.] 4.000,00

        

einschließlich der Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung.

        

Mit der Gehaltszahlung sind eventuelle Überstunden abgegolten.

        

Die Bezüge werden zum Ende eines jeden Monats bargeldlos gezahlt.

        

Die Zahlung eines 13. Gehalts ist eine freiwillige Leistung der Firma, die anteilig als Urlaubs- und Weihnachtsgeld gewährt werden kann.“

3

Eine am 6. Juli 1999 getroffene „Vereinbarung zum Anstellungsvertrag vom 29.03.1999“ regelt Folgendes:

        

„Die Probezeit von sechs Monaten wird verkürzt auf vier Monate und endet somit zum 30.07.1999.

        

Die Mitarbeiterin erhält ab o. g. Datum ein mtl. Bruttogehalt von [X.] 4.000,00. Des Weiteren wird vereinbart, dass das 13. Monatsgehalt in Höhe von [X.] 4.000,00 voll gezahlt wird.“

4

Im Zusammenhang mit dem Übergang des Arbeitsverhältnisses auf die Beklagte haben die Parteien am 1. Juli 2005 vereinbart:

        

„Die Bestimmungen des [X.] zwischen [X.] und der [X.] gelten unverändert für das neue Arbeitsverhältnis zwischen [X.] und der [X.] & Co. KG fort. Insbesondere wird der [X.] Besitzstand gewahrt.“

5

Die Klägerin hat in den Jahren 1999 bis 2003 mit der Gehaltsabrechnung für November ein „Weihnachtsgeld“ und in den Jahren 2004 bis 2009 eine „freiwillige Leistung“ in Höhe eines Novembergehalts erhalten. Sie ist zum 31. Dezember 2010 bei der Beklagten ausgeschieden. Für das [X.] hat die Klägerin keine Sonderzahlung erhalten. Sie hat die Beklagte unter Fristsetzung zum 15. Januar 2011 erfolglos zur Zahlung aufgefordert.

6

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, sie habe einen vertraglichen Anspruch auf ein 13. Gehalt, und beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an sie 3.385,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16. Januar 2011 zu zahlen.

7

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen, und die Auffassung vertreten, aufgrund des [X.] in § 3 des [X.] bestehe kein Anspruch.

8

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, das [X.] hat ihr stattgegeben. Mit der vom [X.] zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Die Klägerin hat bereits aus dem Anstellungsvertrag Anspruch auf Zahlung eines 13. Gehalts. Auf eine vom [X.] als anspruchsbegründend angenommene betriebliche Übung kommt es nicht an.

I. Der Anspruch folgt aus § 3 Satz 5 des [X.] vom 29. März 1999. Danach ist die Zahlung eines 13. Gehalts eine freiwillige Leistung, die anteilig als Urlaubs- und Weihnachtsgeld gewährt werden kann. Eine Auslegung dieser Klausel ergibt unter Anwendung von § 305c Abs. 2 [X.], dass damit ein vertraglicher Anspruch auf Zahlung eines 13. [X.] begründet worden ist.

1. Nach den Feststellungen des [X.]s handelt es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen.

2. Die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen durch das Berufungsgericht unterliegt einer vollen revisionsrechtlichen Nachprüfung ([X.] 8. Dezember 2010 - 10 [X.] - Rn. 15, [X.]E 136, 294). Allgemeine Vertragsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei nicht die [X.] des konkreten, sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Ansatzpunkt für die nicht am Willen der jeweiligen Vertragspartner zu orientierende Auslegung ist in erster Linie der [X.]. Ist dieser nicht eindeutig, kommt es für die Auslegung entscheidend darauf an, wie der Vertragstext aus Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist, wobei der [X.] verständiger und redlicher Vertragspartner beachtet werden muss. Soweit auch der mit dem Vertrag verfolgte Zweck einzubeziehen ist, kann das nur in Bezug auf typische und von redlichen Geschäftspartnern verfolgte Zwecke gelten ([X.] 8. Dezember 2010 - 10 [X.] - Rn. 15, aaO). Bleibt nach Ausschöpfung der Auslegungsmethoden ein nicht behebbarer Zweifel, geht dies gemäß § 305c Abs. 2 [X.] zulasten des Verwenders. Die Anwendung der Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 [X.] setzt voraus, dass die Auslegung einer einzelnen [X.] mindestens zwei Ergebnisse als vertretbar erscheinen lässt und von diesen keines den klaren Vorzug verdient. Es müssen „erhebliche Zweifel“ an der richtigen Auslegung bestehen. Die entfernte Möglichkeit, zu einem anderen Ergebnis zu kommen, genügt für die Anwendung der Bestimmung nicht (st. Rspr., vgl. [X.] 20. Februar 2013 - 10 [X.] 177/12 - Rn. 16).

3. Die Auslegung von § 3 Satz 5 des [X.] lässt mehrere Ergebnisse vertretbar erscheinen.

a) Denkbar ist, dass unmittelbar ein vertraglicher Anspruch auf ein 13. Gehalt begründet worden ist. Die Regelung kann nämlich wie folgt verstanden werden: „Es wird ein 13. Gehalt als freiwillige Leistung der Firma gezahlt, wobei die Leistung anteilig als Urlaubs- und Weihnachtsgeld gewährt werden kann.“

aa) Nach dem Wortlaut wird „die Zahlung eines 13. Gehalts“ bestimmt, ohne dass sich - für den durchschnittlichen Vertragspartner ohne Weiteres erkennbar - der Verwender die jeweilige Entscheidung über die Zahlung vorbehalten hat (etwa: „Wird ein 13. Gehalt gezahlt. …“). Ein Vorbehalt besteht ausdrücklich nur insoweit, als das 13. Gehalt anteilig als Urlaubs- und Weihnachtsgeld gewährt werden kann. Daraus mag für den durchschnittlichen Vertragspartner folgen, dass der Verwender sich die Entscheidung über die Aufteilung, nicht aber über das „Ob“ einer Zuwendung vorbehalten hat. Auch deren Höhe ist mit der Bezeichnung „13. Gehalt“ eindeutig bestimmbar.

bb) Unerheblich ist, dass die Zahlung eines 13. Gehalts als „freiwillige Leistung“ der Firma bezeichnet wird. Damit wird - jedenfalls unmissverständlich - nur zum Ausdruck gebracht, dass der Arbeitgeber nicht durch Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder Gesetz zu dieser Leistung verpflichtet ist ([X.] 23. Oktober 2002 - 10 [X.] 48/02 - zu II 2 a der Gründe, [X.]E 103, 151). Der Hinweis genügt für sich genommen nicht, um einen Anspruch auf die Leistung auszuschließen ([X.] 20. Februar 2013 - 10 [X.] 177/12 - Rn. 17).

b) Gegen vorstehendes Verständnis der Klausel könnte allerdings sprechen, dass im Anstellungsvertrag nur die Zahlung „eines“ und nicht „des“ 13. Gehalts vereinbart ist. Die Verwendung eines unbestimmten Artikels in diesem [X.] lässt eine Auslegung vertretbar erscheinen, dass mit § 3 Satz 5 des [X.] ein vertraglicher Anspruch nicht unmittelbar begründet werden sollte. Der Regelung käme dann die Bedeutung zu: „Die etwaige Zahlung eines 13. Gehalts ist eine freiwillige Leistung …“ bzw. „Es kann ein 13. Gehalt als freiwillige Leistung der Firma gezahlt werden …“

c) Es bestehen „erhebliche Zweifel“ an der richtigen Auslegung, beide Auslegungsergebnisse sind nicht fernliegend. Nach § 305c Abs. 2 [X.] gehen Zweifel zulasten des Verwenders. Damit greift die der Klägerin als Vertragspartnerin günstigere Auslegung. Für eine ergänzende Vertragsauslegung fehlt es bereits an einer [X.]. Sie kommt entgegen der Auffassung der Revision auch deshalb nicht in Betracht, weil die Bestimmungen des [X.] vom 29. März 1999 zwischen den Parteien am 1. Juli 2005 und damit nach Inkrafttreten des § 305 ff. [X.] ausdrücklich (erneut) vereinbart worden sind; zudem war die Unklarheitenregel bereits vor dem [X.] allgemein anerkannt ([X.] 10. Dezember 2008 - 10 [X.] 1/08 - Rn. 19; 26. Januar 2005 - 10 [X.] 331/04 - zu II 2 c bb (3) der Gründe, [X.]E 113, 265).

II. Ob sich der geltend gemachte Anspruch auch aus der Ergänzungsvereinbarung vom 6. Juli 1999 oder einer konkludenten Vereinbarung aufgrund des Leistungsverhaltens der Beklagten ergibt, bedarf keiner Erörterung.

III. [X.] folgt aus § 286 Abs. 1 Satz 1, § 288 Abs. 1 [X.].

IV. [X.] beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Mikosch    

        

    Schmitz-Scholemann    

        

    Mestwerdt    

        

        

        

    Trümner    

        

    Simon    

                 

Meta

10 AZR 281/12

17.04.2013

Bundesarbeitsgericht 10. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend Arbeitsgericht Bremen-Bremerhaven, 27. April 2011, Az: 2 Ca 2044/11, Urteil

§ 305c Abs 2 BGB, § 611 Abs 1 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 17.04.2013, Az. 10 AZR 281/12 (REWIS RS 2013, 6536)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 6536

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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