Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.08.2017, Az. 4 StR 320/17

4. Strafsenat | REWIS RS 2017, 6534

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:160817B4STR320.17.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4
StR 320/17

vom
16. August
2017
in der Strafsache
gegen

wegen
Brandstiftung u.a.

-
2
-
Der 4. Strafsenat des [X.] hat
auf Antrag des [X.] und nach Anhörung des Beschwerdeführers
am 16.
August
2017
ge-mäß §
206a Abs.
1, §
349 Abs.
2 und 4, §
354 Abs.
1
[X.] beschlossen:

1.
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Land-gerichts [X.] vom 31.
März 2017
a)
mit den Feststellungen aufgehoben,
aa)
im Fall
II.4 der Urteilsgründe; das
Verfahren wird insoweit eingestellt. Im Umfang der Einstellung wer-den die Kosten des Verfahrens und die notwen-digen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse auferlegt,
[X.])
im Ausspruch über die Einzelstrafe im Fall
II.1 der Urteilsgründe,
[X.])
im Ausspruch über die Gesamtstrafe und
[X.])
insoweit, als
das [X.] von der Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entzie-hungsanstalt abgesehen hat,
b)
im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte der Brandstiftung und der Beleidigung in zwei Fällen schuldig ist.
2.
Im Umfang der Aufhebung gemäß Ziffer
1. Buchst.
a), [X.]), [X.]) und [X.])
wird die Sache zu neuer Verhandlung und Ent-scheidung, auch über die verbleibenden Kosten des Rechts--
3
-
mittels, an eine andere Strafkammer des [X.]s zu-rückverwiesen.
3.
Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten mit Urteil vom 31.
März 2017 (nicht: 2016, wie im Eingang des schriftlichen Urteils versehentlich angeführt) wegen Brandstiftung und Beleidigung in drei Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt, hat den aus der Beschluss-formel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des §
349 Abs.
2 [X.].
I.
Nach den Feststellungen bewohnte der Angeklagte eine als Obdach-losenunterkunft genutzte Einliegerwohnung in der [X.] B.

. Die
ehemalige Hausmeisterwohnung ist baulich vollständig in das Gebäude der [X.] integriert und besteht aus zwei getrennt nutzbaren und möblierten Räumen, einer Küche und einem Bad.
Die
Räumlichkeiten
sind über einen ge-meinsamen Flur verbunden. Als zur Tatzeit "einziger aktiver Bewohner" besaß der Angeklagte sowohl einen Haustür-
als auch einen Zimmerschlüssel für sei-nen Raum. Am 19.
August 2016
zwischen 13.15
Uhr
und 13.34
Uhr
stellte der 1
2
-
4
-
Angeklagte brennbares Mobiliar unmittelbar in dem
Bereich hinter der Zimmer-tür seines Raumes zusammen und entzündete es sodann. In
dem von ihm be-nutzten Raum entwickelte sich ein Vollbrand; nur umfangreiche Löscharbeiten konnten verhindern, dass sich das Feuer auf die gesamte [X.]. Allerdings entstanden in dem Saal "[X.]" starke Rußanhaftungen an der Decke, so dass dieser Saal und das Foyer der
[X.] "in der Folgezeit" nicht nutzbar waren. Der von dem Angeklagten benutzte Raum in der Einlie-gerwohnung brannte vollständig aus.
Bei seiner Festnahme (Fall
II.2 der Urteilsgründe),
auf der Polizeiwache in H.

(Fall
II.3) und bei der Durchführung der zweiten Blutentnahme
(Fall
II.4) beleidigte der Angeklagte verschiedene mit dem Fall befasste [X.]. Die dem Angeklagten am Tattag gegen 17.25
Uhr und 17.55
Uhr ent-nommenen Blutproben ergaben eine Blutalkoholkonzentration im Mittelwert von 0,96
Promille bzw. 0,86
Promille.
II.
1.
Das Verfahren ist im Fall
II.4 der Urteilsgründe gemäß §
206a Abs.
1 [X.] einzustellen, weil ein Verfahrenshindernis vorliegt.
Diesen Fall hatte die Staatsanwaltschaft in der Anklageschrift vom 27.
Oktober 2016 dem Angeklagten unter Ziffer
7 zur Last gelegt. Das [X.] hat u.a. diese Tat auf Antrag der Staatsanwaltschaft in der Hauptverhand-lung vom 31.
März 2017 vorläufig gemäß §
154 Abs.
2 [X.] eingestellt. Eine Wiederaufnahme des Verfahrens ist nicht erfolgt.
3
4
5
-
5
-
Daher steht der
erfolgten Verurteilung im Fall
II.4 der Urteilsgründe die vorläufige Einstellung nach §
154 Abs.
2 [X.] entgegen. Dies führt zur Teilein-stellung des dem Beschluss vom 31.
März 2017 nachfolgenden Verfahrens gemäß §
206a Abs.
1 [X.] (vgl. [X.], Beschluss vom 4.
Juni 2013 -
4
StR 192/13, [X.]R [X.] §
260 Abs.
3 Revisionsinstanz
3 mwN).
2.
Im Übrigen begegnen die gegen den Angeklagten ergangenen Schuld-sprüche keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Das gilt auch für die Annahme des [X.]s, der Angeklagte habe sich einer vollendeten Brand-stiftung gemäß §
306 Abs.
1 Nr.
1 StGB schuldig gemacht.
[X.] kann, ob im angefochtenen Urteil, wie der [X.] in seiner Antragsschrift vom 17.
Juli 2017 meint, ein vollendetes Inbrand-setzen hinreichend belegt ist. Der [X.] kann den vom [X.] getroffenen Feststellungen jedenfalls noch entnehmen, dass der Angeklagte ein fremdes
Gebäude -
nämlich die [X.] von B.

-
durch seine Brandlegung
teilweise zerstört hat.
Eine teilweise Zerstörung, bei der es sich um eine solche von Gewicht handeln muss ([X.], Urteile vom 12.
September 2002 -
4
StR
165/02, [X.]St 48, 14, 20,
und vom 17.
November 2010 -
2
StR
399/10, [X.]St 56, 94, 96
zu §
306a Abs.
2, §
306 Abs.
1 Nr.
1 StGB: [X.] von Kellerräumen in einem Wohnblock) ist gegeben, wenn einzelne wesentliche Teile eines Objekts, die seiner tatbestandlich geschützten Zweckbestimmung entsprechen, unbrauchbar geworden sind oder eine von mehreren tatbestandlich geschützten Zweckbe-stimmungen brandbedingt aufgehoben ist ([X.], Beschlüsse vom 20.
Oktober 2011 -
4
StR
344/11, [X.]St 57, 50, 51
f.,
und vom 14.
Januar 2014 -
1
StR 628/13, NJW 2014, 1123, 1124). Für die Unbrauchbarkeit genügt grundsätzlich 6
7
8
9
-
6
-
die Beeinträchtigung der bestimmungsgemäßen Nutzbarkeit für eine "nicht
nur unerhebliche Zeit" ([X.], Urteil vom 12.
September 2002 -
4
StR
165/02, [X.]St 48, 14, 20 f.).
Bei der [X.] handelt es sich um ein gemischt, nämlich einerseits zu Wohnzwecken und andererseits zu öffentlichen Zwecken, genutztes Gebäude. Jedenfalls eine teilweise Zerstörung des Gebäudes, soweit es als [X.] genutzt wird, ist durch die Feststellungen hinreichend belegt. Das [X.] hat festgestellt, dass infolge starker Rußanhaftungen sowohl der Saal "[X.]" als auch das Foyer der [X.] in der Folgezeit nicht nutzbar waren. Dies genügt für den Begriff der teilweisen Zerstörung. Der Wendung "in der Folgezeit nicht nutzbar" (UA
6) entnimmt der [X.] nach dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe, dass die bestimmungsgemäße Nutzbarkeit für eine nicht nur unerhebliche Zeit beeinträchtigt war.
3.
Während das [X.] die Einzelstrafen für die beiden verbleiben-den Fälle der Beleidigung rechtsfehlerfrei zugemessen hat, kann der [X.] wegen Brandstiftung
im Fall
II.1 der Urteilsgründe nicht [X.] bleiben. Insoweit hat der [X.] in seiner Antragsschrift das Folgende ausgeführt:
"Überdies
weist die Einzelstrafe im Fall
II.1 der Urteilsgründe einen Rechtsfehler auf, der zur Aufhebung dieser Einzelstrafe führt. Sieht das Gesetz einen minder schweren Fall vor und ist -
wie hier nach §§
21, 49 Abs.
1 StGB
-
auch ein gesetzlich vertypter [X.] gegeben, muss bei der [X.] zunächst vorrangig geprüft werden, ob ein minder schwerer Fall vorliegt. Dabei ist im Rahmen einer Gesamt-würdigung zuerst auf die allgemeinen Milderungsgründe abzustellen. Vermögen sie die Annahme eines minder schweren Falls allein zu tra-gen, stehen die den gesetzlich vertypten [X.] verwirklichen-10
11
-
7
-
den Umstände noch für eine (weitere) Strafrahmenmilderung nach §
49 Abs.
1 StGB zur Verfügung. Ist nach einer Abwägung aller allgemeinen Strafzumessungsumstände das Vorliegen eines minder schweren Falls abzulehnen, sind auch die den gesetzlich vertypten Strafmilderungs-grund verwirklichenden Umstände in die Bewertung einzubeziehen. Erst wenn das Tatgericht danach weiterhin keinen minder schweren Fall für gerechtfertigt hält, darf es seiner konkreten Strafzumessung den (allein) wegen des gegebenen gesetzlich vertypten [X.]es gemilder-ten Regelstrafrahmen zugrunde legen (st. Rspr., vgl. nur [X.], [X.] vom 28.
Februar 2013 -
4
StR
430/12, [X.], 168).
Das [X.] hat es versäumt, in seine Bewertung, ob ein minder schwerer Fall gemäß §
306 Abs.
2 StGB vorliegt, die den gesetzlich ver-typten [X.] des §
21 StGB erfüllenden Umstände einzube-ziehen (UA S.
15)."
Dem kann sich der [X.] -
ungeachtet der strafrechtlichen Vorbelastung des Angeklagten
-
nicht verschließen.
4.
Der Wegfall der Einsatzstrafe führt zur Aufhebung des Gesamtstrafen-ausspruchs.
5.
Durchgreifenden Bedenken begegnet auch, dass das [X.] von der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt gemäß §
64 StGB abgesehen hat.
Das [X.] hat entgegen dem in der Hauptverhandlung gehörten Sachverständigen, der einen jedenfalls auf eine Alkoholabhängigkeit des [X.] gestützten Hang bejaht hat, einen solchen nicht mit hinreichender Sicherheit festzustellen vermocht. Nach ständiger Rechtsprechung genügt für einen Hang bereits eine eingewurzelte, auf psychischer Disposition beruhende 12
13
14
15
-
8
-
oder durch Übung erworbene intensive Neigung, immer wieder Rauschmittel im Übermaß zu sich zu nehmen, wobei noch keine physische Abhängigkeit [X.] muss ([X.], Beschluss vom 19.
April 2016 -
3
StR
566/15 mwN). [X.] davon, ob das [X.] die Abweichung von dem Gutachten des
Sachverständigen ausreichend begründet hat, hat es sich für seine Zweifel am Vorliegen eines Hanges
auf die für den Tattag ermittelten "Messwerte"
bezogen (UA
18). Die Blutalkoholkonzentration zur Tatzeit wird auf UA
17 im Wege der Rückrechnung mit "ca. 1,4
Promille" angegeben. Dies trifft jedoch nicht zu. Bei korrekter
Rückrechnung ergibt sich ein deutlich höherer Wert
von ca. 1,9
Pro-mille. Das [X.] hat somit einen Hang auf unzutreffender [X.] verneint. Bereits dies bedingt die Aufhebung der [X.] der Unterbringung nach §
64 StGB.
Sost-Scheible
Roggenbuck
Cierniak

Quentin
Feilcke

Meta

4 StR 320/17

16.08.2017

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.08.2017, Az. 4 StR 320/17 (REWIS RS 2017, 6534)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 6534

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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