Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 26.09.2014, Az. V ZR 58/14

V. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 2567

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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 58/14
Verkündet am:
26. September 2014
Weschenfelder
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

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Der V. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 26. September
2014 durch die Vorsitzende Richterin Dr.
Stresemann, die Richterin Prof. Dr. Schmidt-Räntsch
und
die Richter
Dr.
[X.], [X.] und Dr.
Kazele

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des [X.]

5.
Zivilkammer

vom 12. Februar 2014 wird auf Kosten der Klä-ger zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:
Gemäß
notarieller Urkunde vom 24. Juni 1998 übergaben die Kläger ihr landwirtschaftliches Anwesen mit dem zugehörigen Grundbesitz
an ihren [X.], den Beklagten. Dieser verpflichtete sich u. a. zur
Zahlung eines sog. Versor-gungsbetrages von monatlich 1.500 DM. In dem Übergabevertrag ist folgende Regelung enthalten:

[X.] amtlich festgelegte Index für die Lebenshaltung aller privaten Haushalte in [X.] (Basis 1991 = 100) künftig um mindestens 10% gegenüber dem Stand des Monats des Besitz-übergangs nach oben oder unten verändern, so verändert sich auch der [X.] in dem gleichen prozentualen Verhältnis,
und zwar vom Beginn des auf den Eintritt der Änderung folgenden Monatsersten an. Veränderungen sind jedoch nur zu berücksichtigen, wenn es verlangt wird.

Mit Schreiben vom 13. Dezember 2012 machten die Kläger gegenüber dem Beklagten erstmals eine Anpassung des [X.] geltend. 1
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Darin wiesen sie darauf hin, dass ab Januar 2007 monatlich
1.808,58 DM zu zahlen gewesen seien. Daher ergebe sich für die Jahre 2009 bis 2012 ein

Der Beklagte erkannte an, ab Januar 2013 den [X.] Versorgungsbetrag zu schulden. Zahlungen für zurückliegende [X.] lehnte er ab.
Die Kläger verlangen mit ihrer Klage von dem Beklagten einen
rückstän-digen Betrag
für das [X.] in Höhe von 1.893,24

der Klage stattgegeben. Auf die Berufung
des Beklagten
hat das [X.] die Klage abgewiesen. Mit der von dem [X.] zugelassenen Revision, deren Zurückweisung der Beklagte beantragt,
wollen die Kläger die Wiederher-stellung des amtsgerichtlichen Urteils erreichen.

Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht meint, den Klägern stehe kein [X.] auf der Grundlage des notariellen Vertrages vom 24. Juni 1998 zu. Zwar ändere sich die Höhe des [X.] nach der vertraglichen Regelung bei einer relevanten Veränderung der Indexwerte ohne weiteres [X.]. Der geänderte Betrag sei aber nur dann geschuldet, wenn er verlangt [X.]. Eine
Auslegung nach der Interessenlage ergebe, dass
das Verlangen nicht auf zurückliegende Zeiträume bezogen werden könne.
Zwar sei
der monatlich zu zahlende Versorgungsbetrag ebenfalls eine Gegenleistung für die Hofüber-gabe, aber eben unter dem Aspekt der
Sicherung des Lebensunterhalts der betagten Kläger, deren Existenzgrundlage durch die Hofübergabe entfallen sei. Diesem Versorgungsgedanken werde
aber
auch Rechnung getragen, wenn keine
rückständigen
Versorgungsbeträge
verlangt werden könnten. Entspre-3
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chend dem
in §
1613 BGB
zum Ausdruck gekommenen Rechtsgedanken [X.] der Beklagte als Leistungspflichtiger geschützt werden, um kalkulieren zu können, ohne eine finanziell belastende Inanspruchnahme für lange zurücklie-gende Zeiträume befürchten zu müssen.
II.
1. Die Revision ist zulässig. Dem steht nicht entgegen, dass es an einem Zulassungsgrund gemäß
§ 543 Abs. 2 Satz
1 ZPO fehlt. Die von dem [X.] als Zulassungsgrund gewertete Auslegung des [X.] ist dem Tatrichter vorbehalten und kann von dem [X.] nur einge-schränkt überprüft werden (ständige Rechtsprechung, vgl. nur [X.], Urteil vom
20.
November 2013

[X.], [X.]Z 199, 123 Rn. 14; Urteil vom 23. April 1997

[X.], [X.]Z 135, 269, 273
jeweils mwN).
Hieran ändert sich nicht dadurch etwas, dass es sich bei den auszulegenden Regelungen um eine von Notaren in [X.] üblicherweise verwendete Klausel handelt, wovon das Berufungsgericht in Übereinstimmung mit dem Vortrag der Kläger ausgeht. Dies eröffnet dem [X.] noch nicht die Möglichkeit, die Klausel wie [X.] (vgl. [X.], Urteil vom 5.
Juli
2005

[X.], NJW 2005, 2919, 2921 mwN) oder Satzungen ([X.], Beschluss vom 11. November 1985

II ZB 5/85, [X.]Z 96, 245, 250) frei aus-zulegen. Auch die Auslegung von Regelungen, die einem Formularbuch ent-nommen sind und
in gleicher oder ähnlicher Weise allgemeine Verwendung finden, ist bei einem ansonsten individuell gestalteten Vertrag ein Fall der tat-richterlichen Würdigung, die der revisionsrechtlichen Prüfung nur eingeschränkt zugänglich ist (vgl. Senat, Urteil vom 26. November 2004

[X.],
[X.] 2005, 395). Trotz Fehlens eines Zulassungsgrundes ist der Senat an die erfolgte Zulassung jedoch gebunden (§ 543 Abs. 2 Satz 2 ZPO).

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2. Die Revision hat in der Sache keinen Erfolg.
a) Das Berufungsgericht verneint ohne Rechtsfehler einen Zahlungsan-spruch der
Kläger
aufgrund einer Auslegung der in dem notariellen Übergabe-vertrag enthaltenen Wertsicherungsklausel. Da
das Berufungsgericht den [X.] selbst ausgelegt hat, kann dies nach ständiger Rechtsprechung (vgl. statt aller [X.], Urteil vom 20. November 2013

[X.], [X.]Z 199, 123 Rn.
14) von dem Senat nur darauf überprüft werden, ob gesetzliche oder all-gemein anerkannte Auslegungsregeln, die Denkgesetze oder allgemein aner-kannte Erfahrungssätze verletzt worden sind oder ob die Auslegung auf einem im Revisionsverfahren gerügten Verfahrensfehler beruht. Solche Fehler liegen nicht vor.
b) Das Berufungsgericht geht zutreffend von der Auslegungsbedürftig-keit der Wertsicherungsklausel aus. Die Frage, wann nach Änderung des [X.] auf Zahlung eines geänderten [X.]es entsteht, ist in der Klausel nicht ausdrücklich geregelt. So-weit die Kläger darauf verweisen, dass sich aus der Annahme einer automati-schen Änderung der Höhe des [X.] mit dem Eintritt der fest-gelegten Veränderung des [X.] zwingend
ergebe, der er-höhte Betrag könne auch rückwirkend verlangt werden, kann dem nicht gefolgt werden. Nach der vertraglichen Ausgestaltung der [X.] die relevante Veränderung des [X.] nur dann Berücksich-tigung, wenn sie auch verlangt wird. Das Änderungsverlangen kann daher so-wohl als Fälligkeitsvoraussetzung als auch

wovon das Berufungsgericht aus-geht

als Voraussetzung für das Entstehen des Anspruchs verstanden werden. Die Frage, welcher Auslegungsmöglichkeit der Vorzug zu geben ist, kann

wie das Berufungsgericht richtig erkennt

nicht allein durch den Wortlaut der [X.], sondern nur unter Berücksichtigung des Parteiwillens und der Interessenlage der Parteien (§ 157 BGB) beantwortet werden.
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c) Die Auffassung des Berufungsgerichts, nach der eine Veränderung des [X.] nur für die Zukunft verlangt werden kann, mithin das vorgesehene Änderungsverlangen eine Anspruchsvoraussetzung darstellt, ent-spricht dem Gebot einer nach beiden Seiten interessengerechten Auslegung.
[X.]) Die Rüge der Kläger, es gebe keinen Anhaltspunkt dafür, dass sich der beurkundende Notar von der unterhaltsrechtlichen Regelung des § 1613 BGB habe leiten lassen, verkennt den rechtlichen Ausgangspunkt. Maßgebend für die Auslegung der
in dem Hofübergabevertrag enthaltenen
Wertsicherungs-klausel ist der Wille der Parteien und deren Interessenlage.
Daran ändert auch
der Umstand nichts, dass es sich um eine Wertsicherungsklausel handelt, die üblicherweise in [X.] verwendet
wird. Sie kann
gleichwohl bei ansonsten individuell gestalteten Verträgen bedingt durch den Willen der Parteien eine unterschiedliche Auslegung erfahren.
bb) Ebenso wenig
ergibt sich aus dem Einwand der Kläger, es gehe nicht um Unterhaltsleistungen, sondern um eine Gegenleistung für die [X.], ein revisionsrechtlich beachtlicher Auslegungsfehler. Das [X.] hat gesehen, dass die monatlich von dem Beklagten zu zahlenden Versorgungsbeträge Teil der von ihm für die Übergabe des Hofs zu erbringen-den Gegenleistung sind.
Dies schließt es nicht aus,
ihnen
unterhaltsrechtliche Züge
zuzusprechen. Solche
hat das Berufungsgericht in vertretbarer
Weise aus dem Wortlaut und dem Gesamtzusammenhang des Vertrages hergeleitet. Die Kläger setzen dem lediglich entgegen, dass die Abrede über monatliche Zahlungen des Beklagten als Leibrente im Sinne der §§ 759 ff. BGB anzuse-hen sei,
und stellen damit nur ihr Verständnis dem Auslegungsergebnis des Berufungsgerichts gegenüber. Hingegen zeigen sie
hierdurch
nicht auf, dass das Berufungsgericht entscheidungserheblichen Vortrag
übergangen hat, aus dem sich ergibt, dass das Veränderungsverlangen eine bloße Fälligkeitsvo-raussetzung darstellen sollte.
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cc) Soweit die Kläger schließlich rügen, der Rechtsgedanke
des § 1613 BGB könne deshalb nicht herangezogen werden, weil die Vorschrift nach der Rechtsprechung des [X.] (Urteil vom 5. Oktober 1988

[X.], [X.]Z 105, 250, 252 ff.; Urteil vom 24. September 2009

IX
ZR 87/08, [X.], 2075, 2077) nicht anwendbar sei, wenn die Unterhaltspflicht durch Vertrag geregelt worden ist, zeigt dies ebenfalls keine rechtsfehlerhafte Auslegung des Berufungsgerichts auf. Die
von den Klägern
angeführte Recht-sprechung beruht auf der Überlegung, dass ein Unterhaltsschuldner, der sich vertraglich zur Leistung
eines zumindest der Höhe nach
ermittelbaren Unter-halts verpflichtet hat, nicht des Schutzes der einschränkenden Voraussetzun-gen
bedarf, unter denen nach §
1613 BGB Unterhalt für die Vergangenheit [X.] werden kann. Er weiß um seine vertraglich eingegangene
Verpflichtung und kann sich, auch wenn der Ermittlung der Höhe des zu zahlenden Unterhalts
ein
schwieriges Verfahren zugrunde liegt, nicht auf eine Unkenntnis der Höhe seiner Leistungspflicht berufen. Vorliegend ist es dem Beklagten zwar möglich, die Höhe des neu zu zahlenden [X.] zu ermitteln. Allein [X.] ergibt sich für ihn aber noch nicht die Pflicht, diesen Betrag zu zahlen.
Eine entsprechende Verpflichtung
entsteht für ihn nach dem Inhalt der [X.] erst, wenn die Kläger die Erhöhung
auch verlangen. Damit ist der Rückgriff auf die den § 1613 BGB zugrundeliegende Schutzfunktion für den [X.] durchaus möglich. Sie besteht darin, dass der [X.] vor einer stark belastenden Inanspruchnahme in Form zu lange zurücklie-gender Zeiträume bewahrt und in die Lage versetzt werden soll, sich auf die von ihm zu erfüllende Unterhaltspflicht einzustellen (vgl. [X.][X.], 6.
Aufl., § 1613 Rn. 2). Wenn das Berufungsgericht diese

Funktion dem nach dem Inhalt der Wertsicherungsklausel notwendigen Verlangen [X.], ist dies vertretbar und damit revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

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III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Stresemann

Schmidt-Räntsch

[X.]

Roth

Kazele

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 24.07.2013 -
311 [X.] -
LG [X.], Entscheidung
vom 12.02.2014 -
5 S 3235/13 -

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Meta

V ZR 58/14

26.09.2014

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 26.09.2014, Az. V ZR 58/14 (REWIS RS 2014, 2567)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 2567

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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V ZR 58/14

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