Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.08.2015, Az. X ARZ 174/15

X. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 6846

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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
X ARZ 174/15
vom
11. August 2015
in dem Gerichtsstandsbestimmungsverfahren

-
2
-
Der X. Zivilsenat des [X.]s hat am
11.
August
2015 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Meier-Beck, die Richter [X.], Dr.
Bacher,
[X.] und Dr.
Deichfuß
beschlossen:
Als zuständiges Gericht wird das [X.] bestimmt.
Gründe:
I.
Der Kläger
verlangt von dem Beklagten restlichen Arbeitslohn in [X.] von 600
EUR für den Monat Mai
2014 sowie die Übersendung von [X.]. Der Kläger trägt vor, er sei aufgrund eines mündlich geschlosse-nen Arbeitsvertrags beim Beklagten als angestellter Eisverkäufer in einer Eis-diele beschäftigt gewesen. Die Abrechnung und die Vereinnahmung der Ta-gesumsätze sowie die Bestellung
der Waren und deren Bezahlung sei durch den Beklagten erfolgt, der ihm auch Weisungen erteilt habe. Zwar habe er in Gegenwart des Beklagten in der Gemeindeverwaltung
eine Gewerbeanmel-dung unterzeichnet. Er sei mangels hinreichender Kenntnisse der [X.] jedoch davon ausgegangen, er habe damit einen Arbeitsvertrag unter-schrieben, wie es ihm durch den Beklagten suggeriert worden sei.
Nach dem Vortrag des Beklagten hat
der Kläger mit ihm keinen Arbeits-vertrag geschlossen. Er habe für den krankheitsbedingt in I.

weilenden In-
haber der Eisdiele einen Betreiber für die [X.] gesucht und in dem Kläger gefunden, der sich
dementsprechend bei der Gemeinde E.

als selbständiger Gewerbetreibender angemeldet habe. Er habe dem Kläger lediglich Hilfe in der Betriebsführung der Eisdiele geleistet.
1
2
-
3
-
Das [X.] hat nach Anhörung der [X.]en den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten für nicht eröffnet erklärt und den [X.] durch Beschluss an das
[X.] verwiesen. Das Amtsge-richt hat sich durch Beschluss seinerseits für unzuständig erklärt und die Sache dem [X.] zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt.
II.
Das zuständige Gericht ist in entsprechender Anwendung des §
36 Abs.
1 Nr.
6 ZPO zu bestimmen.
1.
Bei negativen Kompetenzkonflikten zwischen Gerichten verschiede-ner Gerichtszweige ist §
36
Abs.
1
Nr.
6
ZPO entsprechend anwendbar. [X.] ein nach §
17a
[X.] ergangener und unanfechtbar gewordener Be-schluss, mit dem ein Gericht
den beschrittenen Rechtsweg für unzulässig er-klärt und den Rechtsstreit an ein anderes Gericht verwiesen hat, nach dem [X.] keiner weiteren Überprüfung unterliegt, ist eine

regelmäßig deklaratori-sche

Zuständigkeitsbestimmung entsprechend §
36
Abs.
1
Nr.
6
ZPO im [X.] einer funktionierenden Rechtspflege und der Rechtssicherheit dann gebo-ten, wenn es innerhalb eines Verfahrens zu Zweifeln über die Bindungswirkung der Verweisung kommt und deshalb keines der in Frage kommenden Gerichte bereit ist, die Sache zu bearbeiten, oder die Verfahrensweise eines Gerichts die Annahme rechtfertigt, dass der Rechtsstreit von diesem nicht prozessord-nungsgemäß gefördert werden wird, obwohl er gemäß §
17b Abs.
1 [X.] vor ihm anhängig ist (Senatsbeschluss
vom 14.
Mai
2013

X
ARZ
167/13, [X.], 1242 Rn.
4 mwN.).
So liegt der Fall hier. Sowohl das Arbeitsgericht als auch das Amtsgericht haben eine inhaltliche Befassung mit der Sache abgelehnt.
2.
Der [X.] ist für die Entscheidung zuständig. Sofern zwei Gerichte unterschiedlicher Rechtswege ihre Zuständigkeit verneint haben, obliegt die Bestimmung des zuständigen Gerichts demjenigen obersten Ge-3
4
5
6
7
-
4
-
richtshof des [X.], der zuerst darum angegangen wird (Senat, aaO Rn.
7 mwN.).
3.
Zuständiges Gericht ist das [X.]. Seine [X.] ergibt sich aus §
17a Abs.
2 Satz 3 [X.], weil das Arbeitsgericht [X.] den Rechtsstreit bindend an das Amtsgericht verwiesen hat.
a)
Eine Verweisung, mit der
ein Gericht den zu ihm beschrittenen Rechtsweg für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Gericht eines an-deren Rechtswegs verwiesen hat, ist einer weiteren Überprüfung entzogen
und gemäß §
17a Abs.
2 Satz
3 [X.] bindend, sobald sie unanfechtbar geworden ist. Nicht das Gericht des von dem verweisenden Gericht für zulässig erachte-ten Rechtswegs, sondern allein ein von einer [X.] angerufenes Rechtsmittel-gericht ist zu dieser Überprüfung berufen
([X.], Beschluss vom 14.
Mai 2013

X
ARZ 167/13, [X.], 1242 Rn.
9, 11).
b)
Wird kein Rechtsmittel
eingelegt,
entfällt die Bindungswirkung nur dann, wenn die Verweisung auf so schwerwiegenden Rechtsfehlern beruht,
dass
dies zu einer
im Hinblick auf das Gebot des gesetzlichen Richters gemäß Art.
101
Abs.
1
Satz
2
GG nicht mehr hinnehmbaren
Verletzung
der Rechtswe-gordnung
führen würde.
Dies ist allerdings nur dann der Fall, wenn die Verweisung nach objekti-ven Maßstäben sachlich unter keinem Gesichtspunkt mehr zu rechtfertigen, daher willkürlich und der Rechtsfehler als extremer Verstoß gegen die den
Rechtsweg und seine Bestimmung regelnden materiell-
und verfahrensrechtli-chen Vorschriften
zu qualifizieren ist
(BVerwG, Beschluss vom 8.
November 1994

9
AV
1/94, NVwZ 1995, 372; Senatsbeschlüsse vom 13.
November 2001

X
ARZ
266/01, NJW-RR 2002, 713; vom 8.
Juli 2003

X
ARZ
138/03, NJW 2003, 2990, 2991; vom 9.
Dezember 2010

X
ARZ
283/10, [X.], 253 Rn.
16; vom 18.
Mai 2011

X
ARZ
95/11, NJW-RR 2011, 1497 Rn.
9; vom 8
9
10
11
-
5
-
14.
Mai 2013, aaO Rn.
13; s. auch [X.], Beschluss vom 12.
Juli 2006

5
AS
7/06, [X.], 2798 Rn.
5: nur bei "krassen Rechtsverletzungen"). Denn anders als eine Verweisung nach §
281 ZPO kann der [X.] gemäß §
17a
Abs.
4
Satz
3
[X.] von den [X.]en mit der sofortigen Beschwerde angegriffen werden. Nehmen die [X.]en die
Verweisung an ein Gericht einer anderen Gerichtsbarkeit hin, kann eine Korrektur dieser Entschei-dung allenfalls bei außerordentlich schwerwiegenden Fehlern gerechtfertigt sein.
c)
Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht gegeben.
aa)
Die Begründung des [X.] leidet zwar an erheb-lichen verfahrensrechtlichen Mängeln. Mit der Annahme, unstreitig hätten die [X.]en keinen Arbeitsvertrag geschlossen, übergeht das Arbeitsgericht den Vortrag des [X.] zu einem mündlichen Vertragsschluss am 24.
März 2014 und verletzt damit dessen Anspruch auf rechtliches Gehör (Art.
103 Abs.
1 GG).
Zudem lagen die Voraussetzungen für den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten bereits bei Einreichung der Klage deshalb vor, weil
der Kläger die rechtliche Auffassung vertreten hat, er sei Arbeitnehmer, und die Klage nur dann erfolg-reich sein kann, wenn das Rechtsverhältnis als Arbeitsverhältnis einzuordnen ist (sog. sic-non-Fall, vgl. [X.]E 83, 40
unter
II
4; [X.],
[X.], 718 Rn.
17).
Im Streitfall
können
dem
Kläger nur als Arbeitnehmer des Beklagten diesem gegenüber [X.] zustehen, während ihm als Betreiber der Eisdiele keine monatliche Vergütung gegen den Beklagten zusteht.
bb)
Gleichwohl handelt es sich -
auch im Hinblick auf die weiteren für ei-ne Zuständigkeit der Arbeitsgerichte vorgebrachten Gesichtspunkte
-
nicht um eine so krasse Fehlbeurteilung, dass die Bindungswirkung der von den [X.]en hingenommenen Verweisungsentscheidung bei Zugrundelegung der angeführ-ten Grundsätze entfällt. Auch die
Verletzung von [X.] -
hier des Anspruchs auf rechtlichen Gehörs
-
durch das Arbeitsgericht rechtfertigt 12
13
14
-
6
-
nicht die Durchbrechung der Bindungswirkung, denn anders als in den Fällen einer Verweisung gemäß §
281 ZPO sind die [X.]en bei einer Rechtswegver-weisung nicht schutzlos und können diese Grundrechtsverletzung mit Rechts-mitteln angreifen (vgl. [X.],
Beschluss vom 14.
Mai 2013

X
ARZ
167/13, [X.], 1242 Rn.
12). Vielmehr hat sich das Amtsgericht aufgrund des Prozess-verhaltens
der [X.]en, den Verweisungsbeschluss nicht anzufechten,
an [X.] Bindungswirkung zu halten. Im Streitfall ist damit zwingend der Rechtsweg vor die ordentlichen Gerichte begründet worden.
Meier-Beck
Grabinski
Bacher

[X.]
Deichfuß
Vorinstanz:
[X.], Entscheidung vom 30.03.2015 -
4 C 420/15 -

Meta

X ARZ 174/15

11.08.2015

Bundesgerichtshof X. Zivilsenat

Sachgebiet: ARZ

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.08.2015, Az. X ARZ 174/15 (REWIS RS 2015, 6846)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 6846

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X ARZ 174/15

4 C 420/15

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