Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.02.2012, Az. VI ZR 9/11

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 8765

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
VI ZR 9/11
Verkündet am:

28. Februar 2012

Holmes,

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
[X.] § 199
Eine die Verjährungsfrist gemäß §
199 Abs.
1 Nr.
2 [X.] in Lauf setzende grob fahrlässige Unkenntnis ist in [X.] nicht schon dann gegeben, wenn die Mitarbeiter der Leistungsabteilung der Versicherung des Geschädigten bei [X.] keine Initiativen zur
Aufklärung des Schadensgesche-hens entfalten und deshalb der Schadensfall den Mitarbeitern der Regressab-teilung nicht bekannt geworden ist.
[X.], Urteil vom 28. Februar 2012 -
VI ZR 9/11 -
KG Berlin

[X.]

-

2

-

Der VI.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom
28.
Februar 2012
durch den Vorsitzenden [X.],
die [X.] Zoll und [X.], die [X.]in [X.] und den [X.] Stöhr
für Recht erkannt:
Auf die Revision der [X.] wird das Urteil des 20.
Zivilsenats des [X.]s
vom 2.
Dezember 2010 auf-gehoben.
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 1.
April 2010 wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Rechtsmittelverfahren trägt der Beklagte.

Von Rechts wegen

Tatbestand:
Die [X.] nehmen aus übergegangenem Recht den Beklagten als Träger einer Geburtsklinik auf Ersatz erbrachter
Leistungen und Feststellung der Erstattungspflicht künftiger Aufwendungen in Anspruch.
Der am 7. Januar 1993 geborene [X.] ist schwer behindert wegen des
aufgrund ärztlicher Fehler eingetretenen Sauerstoffmangels bei seiner Geburt in der Einrichtung des Beklagten. Er erhob im Jahre 1996 Klage
auf [X.] gegen den Beklagten, die in der ersten Instanz abgewiesen wurde. Auf die Berufung des Geschädigten verurteilte
das [X.] den Beklagten am
1
2
-

3

-

3.
März 2005 zu Schadensersatz und Schmerzensgeld. Dies teilte der Prozess-bevollmächtigte des Geschädigten den [X.] mit Schreiben vom 28.
März 2006 mit. Die [X.] forderten den
Beklagten in mehreren Schreiben ab dem 5.
Mai 2006 erfolglos zum Ersatz ihrer
seit 1994 erbrachten Leistungen
auf.
[X.] haben
sie Klage
erhoben. Der
Beklagte stellt den Übergang der Schadensersatzansprüche
des Geschädigten auf die Klägerin-nen
und deren Höhe nicht in Frage. Er macht aber Verjährung
geltend.
Das [X.] hat die Klage zugesprochen. Auf die Berufung des [X.] hat das Berufungsgericht das Urteil des [X.]s abgeändert und die Klage abgewiesen. Es hat die Revision zugelassen,
weil die Frage des Maßstabs, der an öffentliche Unternehmen wie Sozialversicherungsträger im Hinblick auf die grob fahrlässige Unkenntnis anzulegen ist, und die Frage des verantwortlichen Wissensvertreters in solchen
arbeitsteilig arbeitenden Unter-nehmen nach neuem Schuldrecht von grundsätzlicher Bedeutung sei und die Fortbildung des (Verjährungs-)rechts insoweit eine Entscheidung des [X.] erfordere. Mit der Revision begehren die [X.] unter Aufhe-bung des Berufungsurteils die Wiederherstellung des Urteils des [X.]s.

Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht ist der Auffassung, dass der nach §
116
Abs.
1 SGB
X auf die [X.] übergegangene Anspruch aus positiver Vertragsver-letzung eines Vertrages mit Schutzwirkung für den Geschädigten
nach
der
vor dem 1.
Januar 2002 geltenden dreißigjährigen Verjährungsfrist noch nicht ver-jährt gewesen
sei. Mit Ablauf des 31.
Dezember 2004 sei aber die Verjährung 3
4
-

4

-

nach
dem
seit dem 1.
Januar 2002 geltenden Verjährungsrecht
eingetreten. Den [X.] sei
grob fahrlässige Unkenntnis der
in §
199 Abs.
1 Nr.
2 [X.] genannten Umstände vorzuwerfen.
Diese hätten
nur deshalb keine Kenntnis von einem
möglichen ärztlichen Fehler bei der Geburt
ihres Versicherten [X.], weil sie offen zur Verfügung stehende Informationen ihrer Leistungsabtei-lung mangels ordnungsgemäßer Organisation des Informationsaustausches durch die Regressabteilung nicht ausgewertet hätten. Bei einem
Mindestmaß an organisatorischem Informationsaustausch hätte sich einem
im Umgang mit medizinischen Unterlagen und der Regressabwicklung geschulten
Sachbear-beiter angesichts erheblicher und langjährig wiederkehrender Zahlungen nach einem Geburtsschadensfall (Mikrocephalus als Folge von Sauerstoffmangel) aufdrängen müssen, dass die Möglichkeit eines Behandlungsfehlers, der zum
Sauerstoffmangel unter der Geburt des Versicherten führte, im Raume stand. Zudem hätte
angesichts der durch die Schuldrechtsreform verkürzten
[X.]en eine Sensibilisierung bei einem in der Abwicklung von Regressfor-derungen geschulten Unternehmen wie den [X.] erfolgen müssen, dass etwaigen
Regressansprüchen
aus weiter zurückliegenden Ereignissen nunmehr die Verjährung nach neuem Schuldrecht drohe. Das Unterlassen einer aufgrund der Art der medizinischen Beeinträchtigung und jedenfalls wegen der gesetzli-chen Verjährungsverkürzung veranlassten Nachfrage durch die [X.] beim Geschädigten, ob er Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Behandlung habe, stelle sich aus Sicht eines verständigen und auf seine Interessen bedachten Geschädigten im [X.]raum nach der Geltung des neuen Schuldrechts als un-verständlich dar. Da die Verjährung nach neuem Recht nicht erst bei Kenntnis, sondern bereits bei grob fahrlässiger Unkenntnis beginne, schade es, wenn ein arbeitsteilig strukturiertes Unternehmen durch Unterlassen der [X.] den an sich zuständigen Regressmitarbeiter nicht in die [X.] einbeziehe.
-

5

-

II.
Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung nicht stand.
Entgegen der Auffassung des [X.]
sind die geltend ge-machten Ansprüche nicht gemäß §§
195,
199 Abs.
1 [X.] mit Ablauf des [X.] 2004 verjährt.
Die Unkenntnis
der [X.]
von den für den [X.] maßgeblichen Umständen beruht nicht auf grober Fahrlässigkeit.
1.
Zutreffend ist allerdings der Ausgangspunkt des [X.], dass
die nach dem Klagevorbringen im Jahr 1993 entstandenen Ansprüche beim Inkrafttreten des neuen Verjährungsrechts zum 1. Januar 2002 noch nicht verjährt
waren. Etwaige vertragliche Ansprüche unterlagen der dreißigjährigen Verjährungsfrist des §
195 [X.] Aber auch die Verjährung der im Ansatz ebenfalls nicht streitigen deliktischen
Ansprüche hatte mangels positiver
Kennt-nis der [X.] im Sinne von §
852 [X.] noch nicht begonnen.
Da die Schadenersatzansprüche, soweit sie kongruente Leistungen der [X.] als Sozialversicherungsträger
umfassen, bereits im Augenblick ihrer Entstehung mit dem Schadensereignis gemäß § 116 Abs. 1 SGB X auf die [X.] übergegangen sind, ist auf deren Kenntnis abzustellen (vgl. [X.]surteil vom 25.
Juni 1996 -
VI
ZR 117/95, [X.]Z 133, 129, 138; [X.], Urteil vom 9.
März 2000 -
III
ZR 198/99, VersR
2000, 1277, 1278).
2. Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht
mit Blick auf die zum 1.
Januar 2002 in [X.] getretenen
Änderungen des Verjährungsrechts. Gemäß Art.
229 §
6 Abs.
1 Satz 1 und Abs.
4 Satz 1 EG[X.] gilt seit diesem [X.]punkt für bis dahin
-
wie hier
-
nicht verjährte Schadensersatzansprüche die dreijähri-ge Regelverjährung des §
195 [X.] n.F. Dabei setzt der Beginn der Frist das 5
6
7
8
-

6

-

Vorliegen der subjektiven Voraussetzungen des §
199 Abs.
1 Nr.
2 [X.] n.F. voraus.

a)
Nach §
199 Abs.
1 Nr.
2 [X.] beginnt die regelmäßige [X.] von drei Jahren (§
195 [X.]) mit dem Schluss des Jahres, in dem der Gläubiger von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen. Bei Behörden und öffentlichen Körperschaften beginnt die [X.] für zivilrechtliche Schadensersatzansprüche erst dann zu laufen, wenn der zuständige Bedienstete der verfügungsberechtigten Behörde Kennt-nis von dem Schaden und der Person des [X.] erlangt; verfü-gungsberechtigt in diesem Sinne sind dabei solche Behörden, denen die [X.] für die zivilrechtliche Verfolgung von [X.] zukommt, wobei die behördliche Zuständigkeitsverteilung zu respek-tieren ist ([X.], Urteile vom 22.
April 1986 -
VI
ZR 133/85, [X.], 917, 918 und vom 12.
Mai 2009 -
VI
ZR 294/08, [X.], 989 Rn.
12 [X.]). Sind innerhalb einer regressbefugten Behörde mehrere Stellen für die Bearbeitung eines Schadensfalls zuständig -
nämlich die Leistungsabteilung hinsichtlich der Einstandspflicht gegenüber dem Verletzten und die Regressabteilung bezüglich der Geltendmachung von Schadensersatz-
oder Regressansprüchen gegen-über Dritten
-, so kommt es für den Beginn der Verjährung von Regressansprü-chen grundsätzlich auf den Kenntnisstand der Bediensteten der [X.] an. Das Wissen der Bediensteten der Leistungsabteilung ist demgegen-über regelmäßig unmaßgeblich und zwar auch dann, wenn die Mitarbeiter die-ser Abteilung aufgrund einer behördeninternen Anordnung gehalten sind, die Schadensakte an die Regressabteilung weiterzuleiten, sofern sich im Zuge der Sachbearbeitung Anhaltspunkte für eine schuldhafte Verursachung des Scha-dens durch Dritte oder eine Gefährdungshaftung ergeben (vgl. [X.], Urteile vom 11.
Februar 1992 -
VI
ZR 133/91, VersR
1992, 627, 628 und vom 15.
März 9
-

7

-

2011 -
VI
ZR 162/10, [X.], 682 Rn.
11; [X.], Urteil vom 9.
März 2000 -
III
ZR 198/99, [X.], 1277, 1278).
b) Im Hinblick darauf, dass der Gesetzgeber in §
199 Abs.
1 Nr.
2 [X.] n.F. im Vergleich zur Regelung in
§
852 Abs.
1 [X.] nunmehr das [X.] Merkmal der grob fahrlässigen Unkenntnis hinzugefügt hat, haben sich in Literatur und Rechtsprechung zu den Auswirkungen der Gesetzesänderung auf die vorliegende Fallkonstellation unterschiedliche Auffassungen gebildet. So
wird auch die vom Berufungsgericht zitierte
Meinung
vertreten, dass die [X.] Rechtsprechung zu §
852 Abs.
1 [X.] unter Geltung des neuen Rechts nicht mehr fortgeführt werden könne
(so z.B. [X.]/[X.], 6.
Aufl., §
199 Rn.
33, 35, [X.]/[X.], [X.], Neubearbeitung 2009, §
199 Rn.
59; dahin tendierend auch [X.]/[X.], [X.], 71.
Aufl., §
199, Rn.
25; [X.]/Schmidt-Räntsch, [X.], 13.
Aufl., §
199
Rn.
14; zweifelnd Kessler
in Prütting/Wegen/Weinreich, [X.], 6.
Aufl. §
199 Rn.
12; für die Beibe-haltung der [X.] sprechen sich dagegen
aus:
[X.]/Spindler in [X.]/[X.], [X.]/[X.], Stand Februar 2012, §
199 Rn.
35 f.
und jurisPK-[X.]/[X.], Stand Januar 2012, §
199 Rn.
69
f.). Im [X.] zur bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung ([X.]surteile vom 22.
April 1986 -
VI
ZR 133/85, VersR
1986, 917, 918
und vom 11.
Februar 1992 -
VI
ZR 133/91, [X.], 627, 628) beginne die Verjährung auch dann, wenn die fehlende Kenntnis der zuständigen Abteilung auf einem den Vorwurf der groben Fahrlässigkeit rechtfertigenden Organisationsmangel beruhe
(vgl. [X.], [X.] 2003, 379, 381; [X.], Urteil vom 31.
August 2010 -
4
U 550/09, juris, Rn.
46
ff.; weitergehend [X.], [X.] 2011, 225,
227).
c)
Dem vermag sich der erkennende [X.]
nicht anzuschließen.
Auch wenn nunmehr grob fahrlässige Unkenntnis die Verjährungsfrist in Lauf setzen 10
11
-

8

-

kann, hat sich
dadurch
die Rechtslage nicht so maßgeblich geändert, als dass in [X.]
-
wie hier
-
zur Vermeidung der Verjährung der Ansprüche die Mitarbeiter der Leistungsabteilung Initiativen zur Aufklärung des Schadensge-schehens entfalten müssten
und bei
diesbezüglicher
Nachlässigkeit die grob fahrlässige Unkenntnis
der öffentlichen Körperschaft oder Behörde
anzuneh-men wäre
(vgl. [X.], Urteil vom 20.
Oktober 2011 -
III
ZR 252/10, [X.], 447).
Zwar erfasst §
199 Abs.
1 Nr.
2 [X.], der §
852 Abs.
1 [X.] nach-gebildet ist (vgl. BT-Drucks. 14/6040, S.
107), nicht nur deliktische, sondern auch
rechtsgeschäftliche Ansprüche und geht das subjektive Merkmal der [X.] Fahrlässigkeit weiter als die Fälle der Versäumung gleichsam auf der Hand liegender Erkenntnismöglichkeiten, die in Anwendung des Rechtsgedankens des §
162 [X.] der positiven Kenntnis
bislang gleichgestellt worden sind (vgl. z.B. [X.]surteile
vom 18.
Januar 2000 -
VI
ZR 375/98, [X.], 503, vom 14.
Oktober 2003 -
VI
ZR 379/02, VersR
2004, 123
und vom 28.
November 2006 -
VI
ZR 196/05, [X.], 513
Rn.
8). Indessen lässt sich den
Geset-zesmaterialien nicht entnehmen, dass bei arbeitsteiliger Organisation in [X.] und juristischen Personen des öffentlichen Rechts höhere Anforderungen an diese als
Gläubiger gestellt werden sollen. Zwar wird darin von einer Erwei-terung des Merkmals
der Kenntniserlangung um die grob fahrlässige Unkennt-nis gesprochen (vgl. BT-Drucks. aaO, S.
108). Zugleich wird aber auf die
"[X.]" in der bisherigen
Rechtsprechung, die bereits damals geltende und entsprechend ausgestaltete Vorschrift des §
12 [X.] sowie den Rechtsgedanken des §
277 [X.] hingewiesen (BT-Drucks., aaO, S.
108). Der Gesetzgeber wollte mithin mit der Gesetzesänderung vor allem die prakti-schen Ergebnisse der Rechtsprechung zu §
852 [X.] nachvollziehen und in §
199 Abs.
1 Nr. 2 [X.] integrieren, aber nicht in die Rechtsprechung zur Frage, ob und in welchem Umfang bei bestimmten Personen vorhandenes [X.]
-

9

-

sen der "dahinter stehenden" juristischen Person oder Körperschaft zuzurech-nen ist, korrigierend eingreifen. Angesichts dessen kann es auch nach neuem Recht bei den hergebrachten Grundsätzen der Wissenszurechnung verbleiben
(vgl. [X.],
Urteil vom 20.
Oktober 2011 -
III
ZR 252/10, aaO).

d) Nach den
in ständiger
Rechtsprechung des
erkennenden [X.]s
für die Anwendung des §
852 Abs.
1 [X.] auf Behörden und öffentliche Kör-perschaften vertretenen
Grundsätzen ist Voraussetzung für die Zurechnung der Kenntnis eines mit dem Schadensfall befassten Bediensteten, dass
es sich bei dem Betreffenden um einen Wissensvertreter der entsprechenden Institution handelt. Das ist nach dem insoweit heranzuziehenden Rechtsgedanken des §
166 Abs.
1 [X.] dann der Fall, wenn der informierte Bedienstete vom [X.] mit der Erledigung der betreffenden Angelegenheit, hier also mit der Geltendmachung von Regressansprüchen gegen den [X.], in eigener Verantwortung betraut worden ist (st.
Rspr. [X.], Urteile vom
15.
März 2011
-
VI
ZR 162/10,
[X.], 682 Rn.
14; vom 25.
Juni 1996 -
VI
ZR 117/95, [X.]Z 133, 129, 139; vom 18.
Januar 1994 -
VI
ZR 190/93, [X.], 491; vom 11.
Februar 1992 -
VI
ZR 133/91, [X.], 627, 628;
vom 22. April 1986 -
VI
ZR 133/85, [X.], 917, 918 sowie vom 19.
März 1985 -
VI
ZR 190/83, [X.], 735; [X.], Urteil vom 9.
März 2000 -
III
ZR 198/99, [X.], 1277, 1278).
Sind dabei innerhalb der regressbefugten Behörde mehrere Stellen für die Bearbeitung eines Schadensfalls zuständig, kommt es für den Beginn der Verjährung grundsätzlich auf den Kenntnisstand der für die Vorbereitung und Verfolgung des Regressanspruchs zuständigen Bediensteten, d.h., bei Vorhandensein mehrerer Abteilungen, auf den [X.] an (vgl. [X.], Urteile vom 11.
Februar 1992 -
VI
ZR 133/91 aaO
sowie vom 28.
November 2006
-
VI
ZR
196/05, aaO
Rn.
5). Dass auch die Leistungsabteilung mit dem Scha-densfall verantwortlich befasst ist, soweit es um die an den Geschädigten zu 13
-

10

-

erbringenden Leistungen geht, ist demgegenüber regelmäßig ohne Belang, weil diese in der Verantwortung der Leistungsabteilung liegende Tätigkeit nicht auf die Verfolgung von Schadensersatzansprüchen abzielt. [X.] für eine Wissensvertretung ist daher, dass der betreffende Bedienstete eigenverantwortlich (zumindest) mit der Vorbereitung von Regressansprüchen betraut ist (vgl. [X.]surteil
vom 15.
März 2011 -
VI
ZR 162/10, aaO Rn.
14;
[X.], Urteil vom 9.
März 2000 -
III
ZR 198/99, aaO).
e) Ob die fehlende Kenntnis der Regressabteilung darauf beruht, dass sie seitens der Leistungsabteilung nicht die entsprechenden Informationen [X.] hat, ist hingegen grundsätzlich unerheblich. Die von der Rechtsprechung zu §
166 [X.] für den Bereich rechtsgeschäftlichen Handelns entwickelten Grundsätze zur Wissenszurechnung sind auf §
852 Abs.
1 [X.] nicht an-wendbar (vgl. z.B. [X.], Urteile vom 25.
Juni 1996 -
VI
ZR 117/95, aaO; vom 28.
November 2006 -
VI
ZR 196/05, aaO und vom 27.
März 2001 -
VI
ZR 12/00, [X.], 863, 865).
Das kann auch nach neuem Recht nicht anders gese-hen werden. Zwar wird im rechtsgeschäftlichen Verkehr einer juristischen Per-son aus Gründen des [X.] entsprechend §
166 [X.] in weiterem Umfang das Wissen von Mitarbeitern hinsichtlich solcher Vorgänge zugerech-net, deren Relevanz für spätere Geschäftsvorgänge innerhalb des [X.] erkennbar ist und die deshalb dokumentiert und verfügbar gehalten oder an andere Personen innerhalb des [X.] weitergegeben werden müssen (vgl. [X.], Urteil vom 27.
März 2001 -
VI
ZR 12/00, [X.], 863, 864;
[X.], Urteile vom 8. Dezember 1989 -
V
ZR 246/87, [X.]Z 109, 327, 332; vom 2. Februar 1996 -
V
ZR 239/94, [X.]Z 132, 30, 35
ff.; vom 15. April 1997 -
XI
ZR 105/96, [X.]Z 135, 202, 205
ff.;
vom 21.
Juni 2000 -
IV
ZR
157/99,
[X.], 1133
und
vom 13.
Ok-tober 2000 -
V
ZR
349/99,
NJW 2001, 359 zu
II.
3)
b)).
Mit solchen Mitarbeitern wären die Beschäftigten der Leistungsabteilungen
der [X.] unter [X.]
-

11

-

ständen
gleichzustellen, weil
auch sie
bei sorgfältigem Vorgehen gehalten wä-ren, ihre im Rahmen der Leistungsgewährung erlangten Informationen an die [X.] weiterzugeben, sofern sie für einen Rückgriff Bedeutung haben könnten. Doch handelt es sich bei den hier betroffenen Ansprüchen um solche aus unerlaubter Handlung und wegen schuldhafter Verletzung des [X.], bei denen der Schutz des rechtsgeschäftlichen Verkehrs nicht im Vordergrund steht. [X.] Grund für eine Zurechnung des Wissens von Mitarbeitern anderer als der gerade handelnden Abteilungen entsprechend §
166 [X.] ist der Schutz des Rechtsverkehrs (vgl. [X.], Urteil vom 27.
März 2001 -
VI
ZR 12/00 aaO; [X.], Urteile vom 2.
Februar 1996
-
V
ZR 239/94 aaO S.
35 ff.; vom 15. April 1997 -
XI
ZR 105/96 aaO und vom 31.
Januar 1996 -
VIII
ZR 297/94, NJW 1996, 1205). Die Zurechnung erfolgt daher im allgemeinen im Zusammenhang mit dem Abschluss von Rechtsge-schäften, bei denen es darum geht, die in einer Gesetzesvorschrift im Interesse und zum Schutz des Partners im Rechtsverkehr angeordnete Rechtsfolge an eine bestimmte Kenntnis zu knüpfen. Darum geht es hier aber gerade nicht, insbesondere geht es nicht um den Schutz eines Partners bei der Anbahnung und dem Abschluss von Rechtsgeschäften.
3. Im Streitfall durfte das Berufungsgericht
nicht bereits von
einer
grob fahrlässigen
Unkenntnis der [X.] von den Anspruch begründenden Um-ständen vor dem 1.
Januar 2002 ausgehen, weil sich die Mitarbeiter der Leis-tungsabteilung aufgrund der Kenntnis des Krankheitsbildes des Versicherten die zur gerichtlichen Geltendmachung
erforderliche Kenntnis hätten verschaffen und die Regressabteilung hätten informieren müssen.
a) Zwar ist die tatrichterliche Beurteilung, ob einer Partei der Vorwurf grober Fahrlässigkeit zu machen ist, mit der Revision nur beschränkt angreif-bar. Der Nachprüfung unterliegt lediglich, ob der Tatrichter den Begriff der gro-15
16
-

12

-

ben Fahrlässigkeit verkannt oder bei der Beurteilung des [X.] wesentliche Umstände außer Betracht gelassen hat (st.
Rspr. vgl. [X.], Urteil vom 27.
September 2011 -
VI
ZR
135/10,
[X.], 1575
Rn.
9 und vom 10.
November 2009 -
VI
ZR 247/08, [X.], 214 Rn.
12). Im Streitfall sind jedoch solche Fehler gegeben. Das Berufungsgericht hat den Begriff der [X.] Fahrlässigkeit verkannt und
den für die [X.] geltenden Sorgfalts-maßstab zu eng gesehen.
b) [X.]e Fahrlässigkeit setzt einen objektiv schwerwiegenden und sub-jektiv nicht entschuldbaren Verstoß gegen die Anforderungen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt voraus. [X.] fahrlässige Unkenntnis im Sinne von §
199 Abs.
1 Nr.
2 [X.] liegt demnach nur vor, wenn dem Gläubiger die Kenntnis deshalb fehlt, weil er ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt und nicht beachtet hat, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen. Ihm muss persönlich ein schwerer Obliegenheitsverstoß in seiner eigenen An-gelegenheit der Anspruchsverfolgung ("Verschulden gegen sich selbst") vorge-worfen werden können, weil sich ihm die den Anspruch begründenden [X.] förmlich aufgedrängt haben, er davor aber letztlich die Augen verschlossen hat (vgl. [X.]surteil vom 10.
November 2009 -
VI
ZR 247/08 aaO Rn.
13 und vom 27.
September 2011 -
VI
ZR 135/10, [X.], 1575 Rn.
10; [X.],
Urteil vom 8.
Juli 2010 -
III
ZR 249/09, [X.]Z 186, 152
Rn.
28; vom 23.
Sep-tember 2008 -
XI
ZR 262/07, NJW-RR 2009, 547 Rn.
16 und vom 22.
Juli 2010 -
III
ZR 203/09, [X.], 1144 Rn.
12). Hierbei trifft den Gläubiger generell keine Obliegenheit, im Interesse des Schuldners an einem möglichst frühzeiti-gen Beginn der Verjährungsfrist Nachforschungen zu betreiben; vielmehr muss das Unterlassen von Ermittlungen nach Lage des Falles als geradezu unver-ständlich erscheinen, um ein grob fahrlässiges Verschulden des Gläubigers bejahen zu können (vgl. [X.]surteil vom 10.
November 2009
17
-

13

-

-
VI
ZR 247/08 aaO Rn.
15
f. [X.] und vom 27.
September 2011 -
VI
ZR 135/10 aaO; [X.], Urteil vom 8.
Juli 2010 -
III
ZR 249/09, aaO).
c)
Auch in [X.] besteht für den Gläubiger keine generelle Obliegenheit,
im Interesse des Schädigers an einem möglichst frühzeitigen Be-ginn der Verjährungsfrist Initiativen
zur Klärung von Schadenshergang oder Person des Schädigers zu entfalten (vgl. zu §
852 [X.]: [X.]surteile vom 9.
Juli 1996 -
VI
ZR 5/95, [X.]Z 133, 192, 199; vom 6.
Februar 1990 -
VI
ZR 75/89, [X.], 539; vom 29.
November 1994 -
VI
ZR
189/93, [X.], 659, 660; vom 31.
Januar 1995 -
VI
ZR 305/04, [X.], 551, 552; vom 18.
Januar 2000 -
VI
ZR 375/98, [X.], 503, 504
und
vom 6.
März 2001 -
VI
ZR 30/00, [X.], 866, 867).
Daran hat sich durch die Neuregelung des Verjährungsrechts in §
199 [X.] nichts geändert (vgl. [X.], Urteil vom 10.
November
2009
-
VI
ZR 247/08,
aaO Rn.
15; [X.], Urteil vom 16.
Septem-ber 2005 -
V
ZR 242/04, [X.], 49, 50; [X.], [X.], 817, 818
f.; [X.]/[X.], Arzthaftpflichtrecht,
6.
Aufl.,
Rn.
D
8; [X.]/Schmidt-Räntsch, [X.],
13.
Aufl.,
§
199 Rn.
20).
Diese Rechtslage entspricht der Rege-lung in §
932 Abs.
2 [X.], die ebenso wie §
199 Abs.
1 [X.] an die grob fahr-lässige Unkenntnis einer Partei anknüpft.
Für die
Frage, unter welchen Voraus-setzungen der Gläubiger zur Vermeidung der groben Fahrlässigkeit zu einer aktiven Ermittlung gehalten ist, kommt es danach
auf die Umstände des Einzel-falls an. Das Unterlassen einer Nachfrage ist ebenso wie in den Fällen des §
932 Abs.
2 [X.] auch nach §
199 Abs.
1 Nr.
2 [X.] nur dann als grob fahr-lässig einzustufen, wenn weitere Umstände hinzutreten, die das Unterlassen aus der Sicht eines verständigen und auf seine Interessen bedachten Geschä-digten als unverständlich erscheinen lassen (vgl. [X.]surteil vom 10.
Novem-ber 2009 -
VI
ZR 247/08, aaO Rn.
15
f. [X.]).

18
-

14

-

In [X.]
ist bei der Prüfung, ob grobe Fahrlässigkeit vorliegt,
zugunsten des Patienten
insbesondere
zu berücksichtigen, dass dieser nicht ohne weiteres aus
einer Verletzungshandlung, die zu einem Schaden geführt hat, auf einen schuldhaften Behandlungs-
oder [X.] schließen muss. Deshalb führt allein der negative Ausgang einer Behandlung ohne weite-re sich aufdrängende Anhaltspunkte für ein behandlungsfehlerhaftes Gesche-hen nicht dazu, dass der Patient zur Vermeidung der Verjährung seiner An-sprüche Initiativen
zur Aufklärung des [X.] entfalten müss-te. Denn das Ausbleiben des Erfolgs ärztlicher Maßnahmen muss nicht in der Unzulänglichkeit ärztlicher Bemühungen seinen Grund haben, sondern kann schicksalhaft und auf die Eigenart der Erkrankung zurückzuführen sein (vgl. [X.] vom 10.
November 2009 -
VI
ZR 247/08,
aaO
Rn.
17 [X.]).
Ist der Geschädigte -
wie dargelegt
-
nicht gehalten, im Interesse des Schuldners an einem möglichst frühzeitigen Beginn der Verjährungsfrist von sich aus Nachforschungen zu betreiben, können solche auch nicht von einem Versicherer verlangt werden, der aufgrund seiner Leistungspflicht mit dem Schadensfall befasst wird. Den
Mitarbeitern
des Sozialversicherungsträgers
bietet die Schwere des Krankheitsbilds
des Leistungsempfängers ohne [X.] weiterer Umstände regelmäßig keine hinreichenden Anhaltspunkte für ein der Leistung zugrundeliegendes Behandlungsgeschehen
mit haftungsrechtli-cher Relevanz, denen nicht nachzugehen, unverständlich wäre.
Aus Gründen des Schuldnerschutzes würde die Durchsetzung der Regressansprüche für er-brachte Heilbehandlungs-
und Pflegekosten in einer nicht gebotenen Weise erschwert, müsste in jedem umfangreicheren Leistungsfall von vornherein vor-sorglich geprüft werden, ob Anhaltspunkte für eine möglicherweise fremdver-schuldete Schädigung des Patienten gegeben sind, denen sodann nachzuge-hen und von denen die Regressabteilung in Kenntnis
zu setzen wäre.
19
20
-

15

-

Der Zweck der Verjährung
gebietet solches
nicht. Zwar soll die
Verjäh-rung den
Schuldner davor bewahren, nach längerer [X.] mit von ihm nicht mehr erwarteten Ansprüchen überzogen zu werden. Sie soll auch
den Gläubiger da-zu veranlassen, rechtzeitig gegen den Schuldner vorzugehen
([X.]surteil vom 15.
März 2011 -
VI
ZR 162/10, aaO Rn.
16). Doch muss der
Gläubiger
nicht von vornherein Ansprüchen nachspüren, weil andernfalls der Verlust der Durchset-zungsmöglichkeit allein durch [X.]ablauf droht.
Die Auffassung des Berufungs-gerichts führte
letztlich zu einem von der Kenntnis des Versicherers unabhängi-gen Verjährungsbeginn. Diese Folge widerspricht der aus der Regelung in §
199 [X.] zu entnehmenden Grundentscheidung des Gesetzgebers, den Lauf der Verjährung mit der Kenntniserlangung des Geschädigten zu verknüpfen.
d) Danach hat das Berufungsgericht zu Unrecht die Verjährung
der An-sprüche der [X.]
angenommen.
Maßgeblicher [X.]punkt für den Beginn der Verjährung ist die Kenntniserlangung der
zuständigen Mitarbeiter der Kläge-rinnen von der Verurteilung des Beklagten zum Schadensersatz. Diese erfolgte
im Jahr 2006
aufgrund der Mitteilung des
damaligen
Prozessbevollmächtigten
des Versicherten.
Bei Klageerhebung im Jahr 2007
waren
mithin
die Forderun-gen der [X.]
nicht verjährt.

III.
Übergang und Höhe der Ansprüche zieht der Beklagte nicht in Zweifel. Da weitere Feststellungen nicht erforderlich sind, entscheidet der [X.] selbst

21
22
23
-

16

-


563 Abs.
3 ZPO). Das Berufungsurteil ist aufzuheben und das Urteil des [X.]s durch Zurückweisung der Berufung wiederherzustellen.
Galke
Zoll
[X.]

[X.]
Stöhr

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 01.04.2010 -
13 [X.]/07 -

KG Berlin, Entscheidung vom 02.12.2010 -
20 U 118/10 -

Meta

VI ZR 9/11

28.02.2012

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.02.2012, Az. VI ZR 9/11 (REWIS RS 2012, 8765)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 8765

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