Bundesgerichtshof, Beschluss vom 03.11.2020, Az. 4 StR 341/20

4. Strafsenat | REWIS RS 2020, 2159

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Schwere Körperverletzung: Konkurrenzverhältnis bei sukzessiver Verletzung verschiedener Personen


Tenor

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 28. April 2020 wird mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass der Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei tateinheitlichen Fällen zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt wird.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und die insoweit entstandenen notwendigen Auslagen der [X.] zu tragen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Die gegen dieses Urteil gerichtete und mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts begründete Revision erzielt den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

2

Der [X.] hat in seiner Zuschrift ausgeführt:

„Die Ansicht der Strafkammer, die von dem Angeklagten begangenen Körperverletzungsdelikte zum Nachteil der [X.], seiner Ehefrau und seiner Tochter, stünden zueinander im Verhältnis der Tatmehrheit, begegnet unter den vorliegenden Umständen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Zwar darf nicht außer [X.] gelassen werden, dass höchstpersönliche Rechtsgüter verschiedener Personen, insbesondere das Leben von Menschen, einer additiven Betrachtungsweise nur ausnahmsweise zugänglich sind. Greift daher der Täter einzelne Menschen nacheinander an, um jeden von ihnen in seiner Individualität zu vernichten, so besteht sowohl bei natürlicher als auch bei rechtsethisch wertender Betrachtungsweise selbst bei einheitlichem Tatentschluss und engem räumlichen und zeitlichen Zusammenhang regelmäßig kein Anlass, diese Vorgänge rechtlich als eine Tat zusammenzufassen (st. Rspr., etwa [X.]St 2, 246; 16, 397; [X.], [X.], 129, NStZ-RR 1998, 233 jew. m.w.[X.]). Anderes kann aber dann gelten, wenn eine Aufspaltung in [X.] wegen eines außergewöhnlich engen zeitlichen und situativen Zusammenhangs willkürlich und gekünstelt erschiene (vgl. [X.], NJW 1985, 1565; NStZ-RR 1998, 233). Dies ist etwa bei Messerstichen oder Schüssen innerhalb weniger Sekunden angenommen worden (vgl. [X.], NJW 2020, 1751 [LS]; NStZ 2019, 211; 2005, 262, 263; BeckRS 2011, 21576 Rn. 5; NStZ-RR 1998, 233).

So liegt es auch hier. Im vorliegenden Fall verletzte der Angeklagte seine Ehefrau und seine Tochter gemeinsam durch fortgesetzte, von ihm begonnenen und ohne Unterbrechung verlaufende Verletzungsakte. Die Verletzungshandlung zum Nachteil seiner Tochter resultierte aus deren Versuch, den Angeklagten davon abzuhalten, weiter auf ihre Mutter mit einem Messer einzustechen. Dass sie sich schützend vor ihre Mutter stellte, führte dazu, dass der Angeklagte seinen Angriff nunmehr zeitgleich und wechselweise gegen beide Nebenklägerinnen fortsetzte. Eine Aufspaltung dieses eng zusammengehörenden Geschehens wäre mit den genannten Grundsätzen nicht vereinbar. Die einzelnen Tatbeiträge gegen die Nebenklägerinnen ergänzen sich gegenseitig; sie sind untrennbar miteinander verbunden und kennzeichnen das der Tat eigentümliche Unrecht.“

3

Dem vermag sich der [X.] nicht zu verschließen und ändert den Schuldspruch daher entsprechend ab. Die Gesamtstrafe kann in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO als Einzelstrafe bestehen bleiben; der [X.] schließt aus, dass das [X.] aufgrund der geänderten [X.] auf eine niedrigere Strafe erkannt hätte. Denn die unterschiedliche rechtliche Beurteilung des [X.]s bei - wie hier - unverändertem Schuldumfang ist kein maßgebliches Kriterium für die Strafbemessung (st. Rspr.; vgl. [X.], Beschlüsse vom 26. August 2020 - 4 StR 197/20, Rn. 5, und vom 5. Februar 2020 - 3 StR 536/19, Rn. 21).

Sost-Scheible     

        

Bender     

        

Quentin

        

Bartel     

        

Lutz     

        

Meta

4 StR 341/20

03.11.2020

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Bielefeld, 28. April 2020, Az: 10 Ks 2/20

§ 52 StGB, § 53 StGB, § 224 StGB, § 261 StPO, § 267 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 03.11.2020, Az. 4 StR 341/20 (REWIS RS 2020, 2159)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 2159

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

3 StR 120/22 (Bundesgerichtshof)

Rücktritt vom Mordversuch: Freiwilligkeit bei Ablassen von der "außertatbestandlichen Zielerreichung" zum Zwecke der Erreichung eines …


4 StR 325/23 (Bundesgerichtshof)


2 StR 180/13 (Bundesgerichtshof)

Strafurteil u.a. wegen Totschlags: Notwendige Urteilsfeststellungen zur Abgrenzung zwischen bedingtem Tötungsvorsatz und bewusster Fahrlässigkeit


3 StR 142/22 (Bundesgerichtshof)

Misshandlung von Schutzbefohlenen: Konkurrenzrechtliches Verhältnis bei wiederholten Misshandlungen


3 StR 645/14 (Bundesgerichtshof)

Tötungsversuch: Voraussetzungen eines unbeendeten Versuchs


Referenzen
Wird zitiert von

6 StR 464/23

2 StR 147/21

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.