Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 31.08.2021, Az. 4 BN 4/21

4. Senat | REWIS RS 2021, 2959

© Bundesverwaltungsgericht, Foto: Michael Moser

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Zum Abwägungsgebot nach § 1 Abs. 7 BauGB


Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des [X.] vom 23. Juni 2020 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 40 000 € festgesetzt.

Gründe

1

Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte [X.]eschwerde bleibt ohne Erfolg. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche [X.]edeutung, die der Antragsteller ihr beimisst.

2

Grundsätzlich bedeutsam im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist eine Rechtssache, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer [X.]edeutung über den der [X.]eschwerde zugrunde liegenden Einzelfall hinausgehenden, klärungsbedürftigen und entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. In der [X.]eschwerdebegründung muss dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), also näher ausgeführt werden, dass und inwieweit eine bestimmte Rechtsfrage des revisiblen Rechts im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und warum ihre Klärung in dem beabsichtigten Revisionsverfahren zu erwarten ist (stRspr, vgl. [X.]VerwG, [X.]eschlüsse vom 2. Oktober 1961 - 8 [X.] 78.61 - [X.]VerwGE 13, 90 <91> und vom 14. Oktober 2019 - 4 [X.] - [X.] 2020, 173 Rn. 4).

3

1. Die [X.]eschwerde möchte grundsätzlich klären lassen,

ob das Abwägungsgebot (§ 1 Abs. 7 [X.]auG[X.]) bei der Überplanung eines bereits beplanten Gebiets verlangt, dass der Rat zur Kenntnis nimmt, welche über die genehmigten bzw. realisierten Nutzungen hinausgehenden (lärmintensiveren) Nutzungsmöglichkeiten der geltende [X.]ebauungsplan zulässt.

4

Diese Frage führt nicht zur Zulassung der Revision. Sie ist in der Rechtsprechung des Senats bereits beantwortet, soweit sie rechtsgrundsätzlicher Klärung zugänglich ist.

5

§ 1 Abs. 7 [X.]auG[X.] bestimmt, dass bei der Aufstellung der [X.]auleitpläne die öffentlichen und privaten [X.]elange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen sind. § 2 Abs. 3 [X.]auG[X.] ergänzt dieses materiell-rechtliche Abwägungsgebot um die [X.] (siehe § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.]auG[X.]), dass die abwägungserheblichen [X.]elange zu ermitteln und zu bewerten sind. Zu ermitteln, bewerten und gegeneinander sowie untereinander gerecht abzuwägen sind alle [X.]elange, die in der konkreten Planungssituation nach Lage der Dinge in die [X.] eingestellt werden müssen (stRspr, vgl. [X.]VerwG, Urteile vom 12. Dezember 1969 - 4 [X.] 105.66 - [X.]VerwGE 34, 301 <309> und vom 5. Mai 2015 - 4 [X.]N 4.14 - [X.] 406.11 § 1 [X.]auG[X.] Nr. 136 Rn. 14; [X.]eschluss vom 12. Juni 2018 - 4 [X.] 71.17 - [X.] 2018, 601 Rn. 5). Dabei hat die Gemeinde die Nachteile einer Planung für einen planunterworfenen Eigentümer (oder Erbbauberechtigten) zu berücksichtigen. Schränkt sie bestehende [X.]aurechte ein, muss sie diese Tatsache in die Abwägung einstellen ([X.]VerwG, Urteil vom 23. November 2016 - 4 [X.]N 2.16 - [X.]VerwGE 156, 336 Rn. 12 m.w.N.).

6

Weitergehenden Klärungsbedarf zeigt die [X.]eschwerde nicht auf. Sie geht davon aus, der Rat der Antragsgegnerin habe nicht zur Kenntnis genommen, welche über die genehmigten bzw. realisierten Nutzungen hinausgehenden lärmintensiveren Nutzungsmöglichkeiten der Vorläuferbebauungsplan zugelassen habe. Dies geht an den Feststellungen der Vorinstanz vorbei. Danach lag dem Rat der Antragsgegnerin der [X.] vor und war den Ratsmitgliedern bekannt, dass eine Nutzung auch unter Geltung dieses Plans nicht unbegrenzt möglich war ([X.]). Die Annahme der [X.]eschwerde, die Festsetzungen des [X.]ebauungsplans seien für ein durchschnittliches Ratsmitglied ohne Erläuterungen durch die Verwaltung nicht verständlich, findet in den tatsächlichen Feststellungen des angegriffenen Urteils keine Stütze und beschränkt sich auf eine Urteilskritik im Einzelfall, die nicht auf eine grundsätzliche [X.]edeutung führt.

7

2. Hinsichtlich der Frage,

ob die Wirksamkeit einer immissionsbezogenen Regelung in einem Vorläuferbebauungsplan offenbleiben darf, wenn diese für ein Gewerbegebiet durch eine emissionsbezogene Festsetzung ersetzt wird und das Normenkontrollgericht keine Feststellung zu der Frage trifft, ob ohne die bisherige Festsetzung auf einem Gewerbegrundstück eine größere Lärmerzeugung möglich gewesen wäre, als es die neue bauplanungsrechtliche Festsetzung zulässt,

fehlt es an der Darlegung der Entscheidungserheblichkeit. Nach den Feststellungen des [X.] sah der [X.] für das Grundstück des Antragstellers und für die seinerzeit nördlich dieses Grundstücks festgesetzten Gewerbegebiete eine Lärmgrenze von 60 d[X.](A) entlang einer im Plan festgesetzten [X.] vor ([X.]). Das Oberverwaltungsgericht hat die Wirksamkeit dieser Festsetzung offengelassen, weil sie nur die ohnehin gegebene und an dem Ruhebedürfnis der nordöstlich und östlich vorhandenen Wohnbebauung orientierte [X.]eschränkung der Nutzungsmöglichkeit nachgezeichnet habe und die nunmehr festgesetzten Lärmkontingente für das Grundstück des Antragstellers damit nicht zu einer erstmaligen [X.]eschränkung gegenüber einer zuvor gegebenen unbegrenzten Ausnutzungsmöglichkeit des Grundstücks führten ([X.]. Die [X.]eschwerde legt nicht dar, warum es dennoch auf die von ihr aufgeworfene Frage entscheidungserheblich ankommen soll.

8

3. Die [X.]eantwortung der Frage,

ob und inwieweit eine bauplanerische Satzungsnorm, die das zulässige Emissionsverhalten von Gewerbebetrieben auf 60 d[X.](A) tags/45 d[X.](A) nachts begrenzt, eine rechtlich einschränkende Regelung darstellt im Vergleich zu einer Satzungsregelung, die das Immissionsverhalten von Gewerbebetrieben dahingehend festlegt, dass höchstens 60 d[X.](A) tags/45 d[X.](A) nachts auf die der [X.] gegenüberliegenden Gebiete einwirken dürfen beziehungsweise, ob und unter welchen rechtlichen Voraussetzungen eine Festsetzung zu Immissionsgrenzwerten auf eine Festsetzung zu Emissionsgrenzwerten umgestellt werden dürfe,

setzt u.a. schalltechnische Feststellungen voraus, die nur im jeweiligen Einzelfall anhand der konkreten Festsetzungen im [X.]ebauungsplan von dem [X.] getroffen werden können. Eine allgemein klärungsfähige Frage des revisiblen Rechts ist damit nicht aufgezeigt.

9

4. Hinsichtlich der Frage,

ob ein im Zeitpunkt des [X.] einer Grundstückserwerberin und ein städtebaulicher Vertrag bei der Frage zu berücksichtigen sind, ob die Festsetzung eines Mischgebiets zwischen einem Gewerbegebiet und einem Wohngebiet einen "Etikettenschwindel" darstellt,

ist die Entscheidungserheblichkeit nicht dargelegt. Wegen grundsätzlicher [X.]edeutung der Rechtssache ist die Revision nur zuzulassen, wenn die Entscheidungserheblichkeit der Frage feststeht ([X.]VerwG, [X.]eschluss vom 28. April 2020 - 4 [X.] 49.18 - juris Rn. 6 ff. m.w.N.). Die [X.]eschwerde trägt vor, die Aufstellung des [X.]ebauungsplans sei erfolgt, weil die Antragsgegnerin der [X.]eigeladenen eine Wohnnutzung an einem ehemaligen Gewerbestandort ermöglichen wolle. Die [X.]eigeladene habe bereits zum Zeitpunkt des [X.] ein bestimmtes Nutzungskonzept erstellt, welches mit der Antragsgegnerin abgestimmt gewesen sei und zu einem städtebaulichen Vertrag geführt habe.

Zu Inhalt und Zustandekommen des [X.] und eines Nutzungskonzepts hat das Oberverwaltungsgericht indes keine Feststellungen getroffen, sondern vielmehr angenommen, dass eine mischgebietstypische Nutzung jedenfalls in den als Einheit zu betrachtenden Gebieten MI 3 und [X.] möglich und nach der [X.]egründung des [X.]ebauungsplans auch gewollt sei ([X.].

5. Die [X.]eschwerde hält schließlich für grundsätzlich klärungsbedürftig,

unter welchen Voraussetzungen mehrere im selben [X.]ebauungsplan festgesetzte Teilbereiche mit gleicher Gebietsart im Sinne der [X.]aunutzungsverordnung als ein [X.]augebiet anzusehen sind.

Diese Frage führt nicht zur Zulassung der Revision. Die [X.]eschwerde wirft keine Rechtsfrage auf, sondern strebt eine Fallsammlung im Stile eines juristischen Kommentars an. Das ist nicht Aufgabe eines Revisionsverfahrens ([X.]VerwG, [X.]eschluss vom 18. Dezember 2017 - 4 [X.]N 27.17 - juris Rn. 7).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG.

Meta

4 BN 4/21

31.08.2021

Bundesverwaltungsgericht 4. Senat

Beschluss

Sachgebiet: BN

vorgehend OVG Lüneburg, 23. Juni 2020, Az: 1 KN 179/17, Urteil

§ 1 Abs 7 BauGB

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 31.08.2021, Az. 4 BN 4/21 (REWIS RS 2021, 2959)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 2959

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

4 BN 50/19 (Bundesverwaltungsgericht)

Antragsbefugnis in einem Normenkontrollverfahren gegen einen Bebauungsplan


15 N 20.385 (VGH München)

Normenkontrollantrag gegen einen Bebauungsplan (erfolgreich), sachdienliche Antragsänderung, ergänzendes Verfahren der Bauleitplanung, Emissionskontingentierung, gebietsinterne Gliederung, gebietsübergreifende …


4 BN 18/16 (Bundesverwaltungsgericht)

Erneute Rügen nach ergänzendem Verfahren (§ 214 Abs. 4 BauGB)


15 N 20.398 (VGH München)

Normenkontrollantrag gegen einen Bebauungsplan (erfolgreich), sachdienliche Antragsänderung, ergänzendes Verfahren der Bauleitplanung, Emissionskontingentierung, gebietsinterne Gliederung, gebietsübergreifende …


4 BN 59/09 (Bundesverwaltungsgericht)

Abwägungsbeachtlichkeit von Lärmbelästigungen; Schallschutz im Städtebau


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.