Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.07.2009, Az. 1 StR 41/09

1. Strafsenat | REWIS RS 2009, 2651

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BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 41/09 vom 7. Juli 2009 in der Strafsache gegen weitere Verfahrensbeteiligte:1. 2. wegen Steuerhinterziehung - 2 - Der 1. Strafsenat des [X.] hat am 7. Juli 2009 beschlossen: Dem [X.] wird nach Art. 234 Abs. 3 [X.] folgende Frage zur Vorabentscheidung betreffend Art. [X.] Teil A Buchstabe a der [X.]/ EWG des Rates zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitglied-staaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersys-tem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (im [X.]: Sechste Richtlinie) vorgelegt: Ist Art. [X.] Teil A Buchstabe a der [X.] in dem Sinne auszulegen, dass einer Lieferung von Gegenständen im Sinne dieser Vorschrift die Befreiung von der Mehrwertsteuer zu versagen ist, wenn die Lieferung zwar tatsächlich ausgeführt worden ist, aber auf-grund objektiver Umstände feststeht, dass der steuerpflichtige [X.] a) wusste, dass er sich mit der Lieferung an einem Warenumsatz be-teiligt, der darauf angelegt ist, Mehrwertsteuer zu hinterziehen, oder b) Handlungen vorgenommen hat, die darauf abzielten, die Person des wahren Erwerbers zu verschleiern, um diesem oder einem Dritten zu ermöglichen, Mehrwertsteuer zu hinterziehen? - 3 - Gründe: [X.] 1. Der 1. Strafsenat des [X.] hat über die Revision des Angeklagten gegen ein [X.]eil des [X.] zu entscheiden. Der Angeklagte, ein [X.] Staatsangehöriger, befand sich in dem gegen ihn geführten Strafverfahren seit 30. Januar 2008 in Untersuchungshaft. Mit Beschluss vom 17. September 2008 hat das [X.] den Haftbefehl wegen fortbestehender Fluchtgefahr aufrechterhalten, jedoch gegen Auflagen und Weisungen außer Vollzug gesetzt. Trotz der Außervollzugsetzung gebietet nach der Rechtsprechung des [X.]. 6 Abs. 1 Satz 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (ebenso wie Art. 2 Abs. 2 Satz 2 des [X.] Grundgesetzes) auch in dieser prozessua-len Situation eine beschleunigte Behandlung der Sache (vgl. [X.], Beschluss vom 29. November 2005 - 2 BvR 1737/05, [X.], 668). Im Einzelnen wur-de dem Angeklagten auferlegt, eine Sicherheitsleistung in Höhe von 100.000,-- [X.] zu erbringen und seine Ausweispapiere zur Akte zu reichen. Daneben hat das [X.] ihn angewiesen, die [X.] nicht ohne vorherige Genehmigung des [X.]s zu verlassen und jeden Wechsel [X.] Wohnsitzes oder dauernden Aufenthalts dem [X.] anzuzeigen. [X.] wurde ihm die Auflage erteilt, sich zweimal wöchentlich bei dem für ihn zu-ständigen Polizeirevier persönlich zu melden. Das [X.] hat den Ange-klagten mit [X.]eil vom 17. September 2008 wegen Steuerhinterziehung in zwei Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Es hat im [X.] folgenden Sachverhalt festgestellt, den der [X.] seiner Vorlage zugrunde legt: 1 - 4 - Der Angeklagte war Geschäftsführer der P.

GmbH mit Sitz in [X.]

([X.], [X.]). Das Unter-nehmen handelte mit hochwertigen Fahrzeugen. Seit 2001 verkaufte es weit über 500 Fahrzeuge pro Jahr. Käufer der Fahrzeuge waren zum größten Teil gewerblich tätige Fahrzeughändler, die in [X.] geschäftsansässig waren. 2 Ab dem Jahr 2002 nahm der Angeklagte die nachfolgend geschilderten Manipulationen vor, um gewerblichen Fahrzeughändlern in [X.] die Hinter-ziehung [X.] Umsatzsteuer zu ermöglichen. Das war zum einen für ihn selbst wirtschaftlich vorteilhaft: Er konnte die Fahrzeuge zu einem Preis ver-kaufen, der bei rechtmäßiger Vorgehensweise am Markt nicht erzielbar gewe-sen wäre. Infolge dieses [X.] gegenüber steuerehrlichen deut-schen Fahrzeughändlern erzielte er beträchtliche Gewinne. Zum anderen waren die Geschäfte auch für die Fahrzeughändler in [X.] wirtschaftlich vorteil-haft. Weil deren Eigenschaft als tatsächliche Käufer verschleiert wurde, konnten sie die [X.] in [X.] umgehen. So war es ihnen möglich, die Fahrzeuge ohne Anmeldung und Abführung [X.] Umsatzsteuer an Endverbraucher in [X.] weiterzuverkaufen. Ziel der Manipulationen war somit, weder in [X.] noch in [X.] Umsatzsteuer zu bezahlen. [X.] und Käufer bereicherten sich also auf Kosten des [X.]. 3 Zu diesem Zweck entwickelte der Angeklagte ein aufwändiges Täu-schungssystem, um die tatsächlichen Käufer der Fahrzeuge zu verschleiern: 4 Er manipulierte sein Rechnungswesen durch Scheinrechnungen. Diese verschleierten die tatsächlichen Vertrags- und Lieferbeziehungen. Die Verkaufs-rechnungen stellte er auf [X.] aus. Dabei enthielten die - in die Buch-haltung der [X.] aufgenommenen Rechnungen - jeweils die Firma des 5 - 5 - [X.]s als Rechnungsadressat, dessen Umsatzsteuer-Identi-fikationsnummer, die Bezeichnung des - tatsächlich an einen anderen Erwerber gelieferten - Fahrzeugs, den Kaufpreis sowie den Zusatz —steuerfreie innerge-meinschaftliche Lieferung nach § 6a UStGfi. Dadurch sollte der Eindruck er-weckt werden, dass der [X.] den Umsatz in [X.] der Erwerbsbe-steuerung unterwerfen würde. Bei den [X.]n handelte es sich um tat-sächlich existierende Unternehmen in [X.]. Teilweise waren die Scheinkäu-fer mit der Verwendung ihrer Firma für die Zwecke des Angeklagten einver-standen, teilweise hatten sie davon keine Kenntnis. Die tatsächlichen Käufer - also nicht die [X.] - verkauften die Fahrzeuge an private Endabnehmer in [X.]. [X.] verschwiegen sie den [X.] Finanzbehörden den wahren Sachverhalt: den innerge-meinschaftlichen Erwerb vom Unternehmen des Angeklagten. So vermieden sie die bei Erwerb angefallene Umsatzsteuer. Die tatsächlichen [X.] wurden durch weitere Maßnahmen zusätzlich verschleiert. Der Ange-klagte ließ - soweit die privaten Endabnehmer in [X.] zur [X.] bereits bekannt waren - bereits die CMR-Frachtbriefe auf diese Personen [X.]. In diesen Fällen erstellte der Angeklagte eine weitere Scheinrechnung mit den Endabnehmern als Adressaten und dem unzutreffenden Zusatz —[X.] nach § 25a UStGfi. 6 Auf diese Weise verkaufte und lieferte die [X.] im Jahr 2002 407 Fahrzeuge für 7.720.391,-- [X.]. [X.] wurden 720 Fahrzeuge für 11.169.460,-- [X.] verkauft und geliefert. Diese Umsätze erklärte der [X.] für die Jahre 2002 und 2003 der [X.] als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen. In den neben den Steuererklärungen abzugebenden Meldungen an das [X.] [X.] - 6 - amt für Steuern benannte der Angeklagte die in den Rechnungen aufgeführten [X.] als Vertragspartner, um eine Ermittlung der tatsächlichen Käufer in [X.] über das [X.] zu [X.]. 2. Nach Auffassung des [X.]s handelt es sich bei den verschlei-erten Lieferungen nach [X.] nicht um steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen. Durch die Manipulation der beleg- und buchmäßigen Nachweise sei eine den innergemeinschaftlichen Wettbewerb verzerrende Steuerverkür-zung in [X.] herbeigeführt worden. Das sei ein gezielter Missbrauch ge-meinschaftsrechtlicher Regeln, der die Versagung der Steuerbefreiung in [X.] rechtfertige. Die Deklaration der betroffenen Umsätze als steuer-freie innergemeinschaftliche Lieferungen sei daher falsch gewesen. Vielmehr hätte die [X.] die [X.] Umsatzsteuer auf diese Lieferungen erhe-ben, an die Finanzverwaltung abführen und in ihren Umsatzsteuerjahreserklä-rungen angeben müssen. Wegen des Verstoßes gegen diese Pflichten habe sich der Angeklagte als vertretungsberechtigtes Organ der [X.] strafbar gemacht; er habe im Jahr 2002 Umsatzsteuer von mehr als 1 Mio. [X.] und im Jahr 2003 von mehr als 1,5 Mio. [X.] verkürzt. 8 3. Der Angeklagte wendet sich gegen seine Verurteilung mit der Revision zum [X.]. Er beanstandet insbesondere, dass das [X.] umsatzsteuerpflichtige Lieferungen angenommen habe. Da die Fahrzeuge tat-sächlich an gewerblich tätige Erwerber in [X.] geliefert worden seien, habe es sich um steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen gehandelt. Dass der Angeklagte durch Verschleierungsmaßnahmen die [X.] in [X.] verhindern wollte und verhinderte, stünde dem nicht entgegen. Eine [X.] - 7 - fährdung des [X.] Umsatzsteueraufkommens liege nicht vor, da die Um-satzsteuer dem Bestimmungsland [X.] zustehe. I[X.] Der [X.] hält die Beantwortung der Vorlagefrage für den Erlass seiner Entscheidung über die Revision für erforderlich. Er legt diese deshalb dem Ge-richtshof der [X.]päischen Gemeinschaften (nachfolgend: Gerichtshof) gemäß Art. 234 Abs. 3 [X.] zur Vorabentscheidung vor. Dem liegen folgende Erwägun-gen zugrunde: 10 1. Die Frage, ob im Ausgangsfall die Lieferungen von [X.] in ei-nen anderen Mitgliedstaat der [X.]päischen Gemeinschaften (hier: [X.]) von der Umsatzsteuer befreit sind, betrifft die Auslegung der [X.]/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Mitgliedstaa-ten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitli-che steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. [X.] Nr. L 145, [X.]). 11 Nach Art. 2 der [X.] unterliegen Lieferungen von Gegen-ständen und Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Inland gegen Entgelt ausführt, der Mehrwertsteuer. Von diesem Grundsatz sieht Art. [X.] Teil A Buchstabe a der [X.] eine Ausnahme vor. Dort ist die Befreiung innergemeinschaftlicher Lieferungen von der Mehrwertsteuer [X.]. 12 2. Der Gerichtshof hat nach Kenntnis des [X.]s bisher keine ausdrück-liche Entscheidung zur Auslegung des Art. [X.] der [X.] für Fall-13 - 8 - konstellationen der vorliegenden Art getroffen. Er hat aber in den Rechtssachen [X.] ([X.]eil vom 27. September 2007 - [X.] u.a.) und [X.]/05 ([X.]eil vom 27. September 2007 - [X.]) zu Fragen Stellung genommen, die die Befreiung innergemeinschaftlicher Lieferungen von der [X.] (nachfolgend a); bei missbräuchlicher Praxis hat er das Recht auf [X.] ausgeschlossen (nachfolgend b). Der [X.] versteht die Rechtspre-chung des Gerichtshofs wie folgt: a) Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Befreiung von der [X.] bei innergemeinschaftlichen Lieferungen 14 Die Einstufung einer innergemeinschaftlichen Lieferung hat unabhängig von Zweck und Ergebnis der betreffenden Umsätze anhand objektiver Kriterien zu erfolgen ([X.], [X.]eil vom 27. September 2007, Rechtssache [X.] - [X.] u.a. - Tenor 1, Rdn. 40, 42). Art. [X.] Teil A Buchstabe a Unterabs. 1 der [X.] ist zudem dahin auszulegen, dass die zuständigen Behör-den des Mitgliedstaats, in dem die Lieferung begonnen wurde, nicht befugt sind, einen gutgläubigen Lieferanten zu verpflichten, später Mehrwertsteuer auf die gelieferten Gegenstände zu entrichten, wenn der Lieferant Beweise vorgelegt hat, die dem ersten Anschein nach sein Recht auf Befreiung einer innergemein-schaftlichen Lieferung belegen und sich später diese Beweise als falsch her-ausstellen, jedoch nicht erwiesen ist, dass der Lieferant an der Steuerhinterzie-hung beteiligt war und er alle ihm zur Verfügung stehenden zumutbaren [X.] ergriffen hat, um sicherzustellen, dass die von ihm vorgenommene [X.] Lieferung nicht zu seiner Beteiligung an einer solchen Steuerhinterziehung führt ([X.], [X.]eil vom 27. September 2007, Rechtssache [X.] - [X.] u.a. - Tenor 2, Rdn. 44 bis 68). Die Entscheidung des [X.] in der Rechtssache [X.] versteht der [X.] dahin, dass Art. [X.] 15 - 9 - Teil A Buchstabe a Unterabs. 1 der [X.] in dem Sinn auszulegen ist, dass er der Finanzverwaltung eines Mitgliedstaats verwehrt, die Befreiung einer tatsächlich ausgeführten innergemeinschaftlichen Lieferung von der [X.] allein mit der Begründung zu versagen, der Nachweis einer solchen Lieferung sei nicht rechtzeitig erbracht worden ([X.], [X.]eil vom [X.] 2007, Rechtssache [X.]/05 - [X.] - Tenor 1, Rdn. 29 bis 33). Er ent-nimmt derselben Entscheidung des Gerichtshofs aber auch, dass eine betrüge-rische oder missbräuchliche Berufung auf das Gemeinschaftsrecht nicht erlaubt ist und die Anwendung des Gemeinschaftsrechts nicht so weit gehen kann, dass Umsätze gedeckt werden, die zu dem Zweck getätigt wurden, missbräuch-lich in den Genuss von im Gemeinschaftsrecht vorgesehenen Vorteilen zu kommen ([X.], [X.]eil vom 27. September 2007, Rechtssache [X.]/05 - [X.], [X.]). b) Rechtsprechung des Gerichtshofs zum Recht auf Vorsteuerabzug 16 Hinsichtlich des Rechts auf Vorsteuerabzug nach Artikel 17 Absatz 1 und 2 der [X.] versteht der [X.] die Rechtsprechung des [X.] dahin, dass derjenige Unternehmer das Recht auf Vorsteuerabzug verliert, der mit dem Umsatz selbst eine Steuerhinterziehung begeht ([X.], [X.]eil vom 21. Februar 2006, Rechtssache [X.]/02 - [X.] u.a., Rdn. 84). Er entnimmt der Entscheidung in der Rechtssache [X.] weiter, dass die [X.] auszulegen ist, dass sie dem Recht des Steuerpflichtigen auf Vorsteuerabzug entgegensteht, wenn die Umsätze, die dieses Recht begrün-den, eine missbräuchliche Praxis darstellen. Die Feststellung einer missbräuch-lichen Praxis erfordert dabei zum einen, dass die fraglichen Umsätze trotz [X.] Anwendung der Bedingungen der einschlägigen Bestimmungen der [X.] und des ihrer Umsetzung dienenden nationalen Rechts [X.] - 10 - nen Steuervorteil zum Ergebnis haben, dessen Gewährung dem mit diesen [X.] verfolgten Ziel zuwiderlaufen würde. Zum anderen muss auch aus einer Reihe objektiver Anhaltspunkte ersichtlich sein, dass mit den fraglichen Umsätzen im Wesentlichen ein Steuervorteil bezweckt werde ([X.], [X.]eil vom 21. Februar 2006, Rechtssache [X.]/02 - [X.] u.a. - Tenor 2 und Rdn. 85 f.). Eine weitere Entscheidung des Gerichtshofs, die Umsätze zum [X.] hatte, die in ein auf Steuerhinterziehung angelegtes Betrugssystem ein-bezogen waren, versteht der [X.] dahin, dass ein Steuerpflichtiger, der [X.] oder hätte wissen müssen, dass er sich mit seinem Erwerb an einem Umsatz beteiligt, der in eine Mehrwertsteuerhinterziehung einbezogen ist, für die [X.] der [X.] als an dieser Hinterziehung Beteiligter anzusehen ist, unabhängig davon, ob er aus dem Weiterverkauf der Gegenstände einen Gewinn erzielt. Denn in einer solchen Situation geht der Steuerpflichtige den Urhebern der Hinterziehung zur Hand und macht sich ihrer mitschuldig. Im Üb-rigen wirkt eine solche Auslegung betrügerischen Umsätzen entgegen, indem sie ihre Durchführung erschwere ([X.], [X.]eil vom 6. Juli 2006, Rechtssache [X.]/04 - Kittel u.a. - Tenor 2, Rdn. 56 ff.). Der Vorteil des Rechts auf [X.] ist daher dann zu verweigern, wenn aufgrund objektiver Umstände feststeht, dass der Steuerpflichtige wusste oder hätte wissen müssen, dass er sich mit seinem Erwerb an einem Umsatz beteiligte, der in eine Mehrwertsteu-erhinterziehung einbezogen war. Dies gilt nach der Rechtsprechung des [X.] auch dann, wenn der fragliche Umsatz den objektiven Kriterien ge-nügt, auf denen der Begriff der Lieferungen von Gegenständen, die ein Steuer-pflichtiger als solcher ausführt, und der Begriff der wirtschaftlichen Tätigkeit be-ruhten ([X.], [X.]eil vom 6. Juli 2006, Rechtssache [X.]/04 - Kittel u.a. - [X.] 2, Rdn. 59). 18 - 11 - Demgegenüber kann nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs eine nationale Rechtsvorschrift dem Steuerpflichtigen das Recht auf Abzug der von ihm entrichteten Vorsteuer dann nicht absprechen, wenn eine Lieferung an ihn vorgenommen wird, von der er weder wusste noch wissen konnte, dass der betreffende Umsatz in einen vom Verkäufer begangenen Betrug einbezogen war ([X.], [X.]eil vom 6. Juli 2006, Rechtssache [X.]/04 - Kittel u.a. - [X.] 1, Rdn. 60; vgl. auch [X.], [X.]eil vom 12. Januar 2006, Rechtssache [X.]/03 - [X.]. u.a., Rdn. 52). 19 3. Auf der Grundlage der so verstandenen Rechtsprechung des [X.] hat der anfragende [X.] des [X.] bereits in zwei ähnlichen Fallgestaltungen einer behaupteten —innergemeinschaftlichen [X.] die Steuerbefreiung versagt, weil der [X.] Unternehmer kollusiv mit dem ausländischen Abnehmer zusammenwirkte, um diesem die Hinterziehung von Steuern zu ermöglichen. 20 a) Im Beschluss vom 20. November 2008 (Aktenzeichen: 1 [X.]) ging es um die Täuschung über den Lieferanten: Das [X.] Unternehmen lieferte tatsächlich Fahrzeuge, und zwar direkt an den wirklichen Abnehmer in [X.]. Allerdings wurden Scheinrechnungen an [X.] Zwischenhändler (missing trader) als angebliche Käufer ausgestellt. Die Zwischenhändler ermög-lichten dem Abnehmer die Hinterziehung von Steuern, indem sie an ihn Schein-rechnungen für den angeblichen Weiterverkauf ausstellten. 21 b) Im Beschluss vom 19. Februar 2009 (Aktenzeichen: 1 [X.]) ging es um fingierte Lieferungen: Das [X.] Unternehmen verkaufte [X.] tatsächlich an ein anderes [X.]s Unternehmen. Um dem [X.] - 12 - käufer einen unberechtigten Vorsteuerabzug zu ermöglichen und die Mobiltele-fone dann zu einem günstigeren Preis verkaufen zu können, wurden diese zum Schein an ein [X.]s Unternehmen - als innergemeinschaftliche Lieferung - verkauft. Das [X.] Unternehmen —[X.] die Mobiltelefone sodann über [X.] Zwischenhändler an den ursprünglichen "Verkäufer" zurück. c) Die Strafbarkeit des Lieferanten wegen Steuerhinterziehung hing in beiden Fällen davon ab, ob die in Art. [X.] der [X.] für innerge-meinschaftliche Lieferungen vorgesehene Befreiung von der Mehrwertsteuer wegen missbräuchlichen Verhaltens ausgeschlossen war. 23 4. Zur vorliegenden Fallgestaltung vertritt der [X.] die folgende Rechts-ansicht: Art. [X.] Teil A Buchstabe a der [X.] ist dahingehend auszulegen, dass für alle Beteiligten eines oder mehrerer Umsatzgeschäfte, die auf die Hinterziehung von Steuern gerichtet sind, die für die einzelnen Geschäf-te grundsätzlich vorgesehenen Steuervorteile zu versagen sind, wenn der je-weilige Steuerpflichtige die missbräuchliche oder betrügerische Praktik kennt und sich daran beteiligt. 24 Dies folgt nach Auffassung des [X.]s einerseits aus dem im Gemein-schaftsrecht verankerten Verbot missbräuchlicher Praktiken, das auch für die Mehrwertsteuer gilt. Darüber hinaus gebieten nach Auffassung des [X.]s auch Sinn und Zweck des Artikel [X.] der [X.] und die Ziele, die mit dieser Richtlinie verfolgt werden, eine entsprechende Auslegung dieser Vor-schrift. 25 Denn Art. [X.] der [X.] stellt, wie seine systematische Stellung in Abschnitt XVI a der [X.] belegt, eine Übergangsrege-26 - 13 - lung für die Besteuerung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten dar. Mit der Vorschrift soll - zusammen mit der [X.] nach Art. 28a der [X.] - folgendem Umstand Rechnung getragen werden: Die Be-dingungen sind noch nicht erfüllt, die die Durchführung des Prinzips der [X.] der gelieferten Gegenstände im Ursprungsmitgliedstaat erlauben, ohne dass der Grundsatz, dass die Steuereinnahmen dem Mitgliedstaat zuste-hen, in dem der Endverbrauch erfolgt, angetastet wird. Art. [X.] der [X.] stellt daher eine Ausnahmevorschrift dar. Ziel der [X.] ist die Verwirklichung eines gemeinsamen Markts, auf dem ein gesunder Wett-bewerb herrscht und der mit einem echten Binnenmarkt vergleichbare Merkma-le aufweist. Fälle der vorliegenden Art zielen aber darauf ab, die ordnungsgemäße Besteuerung sowohl im Bestimmungsland als auch im Ursprungsland zu ver-hindern. Die Absicht der Beteiligten ist darauf gerichtet, sich durch Ausnutzung des Mehrwertsteuersystems - und entgegen seiner Zielsetzung - Wettbewerbs-vorteile zu verschaffen. Durch die systemwidrige Ausnutzung der Steuerbefrei-ung für innergemeinschaftliche Lieferungen, die Zwischenschaltung von [X.] und die Verschleierung der tatsächlichen Erwerber kann der Lieferant die Waren zu einem höheren Preis als seine steuerehrlichen [X.] verkaufen. Er verdrängt damit redliche Mitbewerber aus dem Markt. Für den Erwerber wird entweder die Möglichkeit geschaffen, den Gegenstand ohne Ausweis von Mehrwertsteuer zu verkaufen, da seine Einbindung in die Kette der Lieferanten - wie im vorliegenden Fall - verschleiert wurde. Oder er kann einen Teil des tatsächlich gezahlten Kaufpreises durch die unberechtigte Geltendmachung der Vorsteuer aus einem Scheingeschäft mit einem missing trader zu Lasten des Staates, in den die Lieferung erfolgte, erstattet erhalten. 27 - 14 - Auch er erlangt dann - zum Nachteil seiner steuerehrlichen Mitbewerber im [X.]. Nach Auffassung des [X.]s ist daher einer innergemeinschaftlichen Lieferung die Befreiung von der Mehrwertsteuer auch dann zu versagen, wenn die Lieferung zwar ausgeführt wurde und diese selbst nicht unmittelbar [X.] einer Mehrwertsteuerhinterziehung war, aber aufgrund objektiver Um-stände bewiesen ist, dass der steuerpflichtige Verkäufer wusste, dass er sich mit der Lieferung an einem Warenumsatz des Empfängers beteiligt, der darauf angelegt ist, durch systematischen Steuerbetrug Mehrwertsteuer zu hinterzie-hen. Eine solche Auslegung von Art. [X.] hält der [X.] für geboten, um die Ziele der [X.] effektiv durchzusetzen. 28 Der [X.] sieht nicht nur das Recht auf Vorsteuerabzug im Sinne von Art. 17 der [X.], sondern auch die Befreiung der innergemein-schaftlichen Lieferung von der Mehrwertsteuer nach Art. [X.] der [X.] als Steuervorteil an ([X.], [X.]eil vom 21. Februar 2006, Rechtssa-che [X.]/02 - [X.] u.a.). Er stützt diese Auffassung auch auf die Entschei-dung des Gerichtshofs in der Rechtssache [X.], die allein den Vorteil der Steuerbefreiung der innergemeinschaftlichen Lieferung nach Art. [X.] der [X.] zum Gegenstand hatte. In dieser Entscheidung erachtete der Gerichtshof in Bezug auf die Steuerbefreiung nach Art. [X.] der [X.] eine betrügerische oder missbräuchliche Berufung auf das Gemein-schaftsrecht für unzulässig ([X.], [X.]eil vom 27. September 2007, Rechtssa-che [X.]/05 - [X.], [X.]). 29 5. Wendet man diese Rechtsauffassung auf den Ausgangsfall an, ist das [X.] zurecht davon ausgegangen, dass dem Unternehmen des [X.] - klagten für die Lieferungen nach [X.] die Steuerbefreiung zu versagen war. Er hätte sich danach wegen Steuerhinterziehung strafbar gemacht. Die Ausle-gung des Art. [X.] Teil A Buchstabe a der [X.] ist daher für den vorlegenden [X.] entscheidungserheblich. Dies ergibt sich aus Folgendem: a) Nach der Strafvorschrift des § 370 Abs. 1 Nr. 1 der [X.] Abga-benordnung (nachfolgend: [X.], siehe auch Anlage 1) macht sich strafbar, wer gegenüber den Finanzbehörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichti-ge Angaben macht und dadurch Steuern verkürzt. § 370 [X.] ist ein Blankett-straftatbestand, der nicht alle Tatbestandsmerkmale selbst enthält. Er wird durch die Vorschriften des materiellen Steuerrechts ausgefüllt. Diese bestim-men, welche Tatsachen steuerlich erheblich sind und unter welchen Vorausset-zungen eine Steuer entsteht. Damit ist die Steuerentstehung Tatbestandsvor-aussetzung einer strafbaren Steuerhinterziehung. 31 b) Für die Steuerentstehung bestimmt das [X.] Steuerrecht: Nach den Vorgaben des Art. 2 der [X.] unterliegen gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 des [X.] Umsatzsteuergesetzes (nachfolgend: UStG, siehe auch Anlage 2) Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen, die ein Steuer-pflichtiger als solcher im Inland gegen Entgelt ausführt, im Grundsatz der deut-schen Umsatzsteuer. Davon sieht § 4 Nr. 1 Buchstabe b UStG (siehe Anlage 3) eine Ausnahme vor: Die unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG fallenden Umsätze sind bei einer innergemeinschaftlichen Lieferung steuerfrei. Damit setzt § 4 Nr. 1 Buchstabe b UStG Art. [X.] Teil A Buchstabe a der [X.] in natio-nales Recht um. 32 § 6a Abs. 1 UStG (siehe Anlage 4) definiert, wann eine innergemein-schaftliche Lieferung vorliegt: Diese setzt u.a. voraus, dass der Unternehmer 33 - 16 - oder Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige [X.] befördert oder versendet. Zudem ist gemäß § 6a Abs. 1 Nr. 3 UStG erfor-derlich, dass der Erwerb des Gegenstands der Lieferung beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerung unter-liegt. Nach § 6a Abs. 3 UStG müssen die Voraussetzungen der Absätze 1 und 2 vom Unternehmer nachgewiesen werden. Die Nachweispflichten sind in § 17a der [X.] [X.] (nachfolgend: UStDV; siehe auch Anlage 5) und § 17c UStDV (Anlage 6) konkretisiert. Nach § 17a UStDV muss der Unternehmer durch geeignete Belege nachweisen, dass der Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet wurde (sogenannter [X.]). § 17c UStDV konkretisiert die Pflichten des Unternehmers betreffend die Buchführung bei innergemeinschaft-lichen Lieferungen. Nach dieser Vorschrift müssen die Voraussetzungen der Steuerbefreiung, die sich aus § 6a UStG ergeben, insbesondere Name und An-schrift des Abnehmers sowie dessen Umsatzsteuer-Identifikationsnummer, buchmäßig nachgewiesen sein (sogenannter [X.]). Nach § 18a Abs. 1 Satz 1 UStG (Anlage 7) muss der inländische [X.], der steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen durchgeführt hat, dem [X.] eine Meldung erstatten, in der u.a. die Um-satzsteuer-Identifikationsnummer des Erwerbers mitzuteilen ist. § 18a UStG setzt daher Art. 22 Abs. 6 Buchstabe b der [X.] um. Die Mel-dung stellt die Grundlage für die Überwachung des innergemeinschaftlichen Warenverkehrs dar, da die Daten erfasst und dann anfragenden Steuerbehör-den im [X.] (vgl. Verordnung der [X.] vom 27. Januar 1992 und Verordnung 1798/2003/[X.] vom 7. Oktober 2003) übermittelt werden. 34 - 17 - Nach § 18b Satz 1 UStG (Anlage 8) hat der Unternehmer die [X.] seiner innergemeinschaftlichen Lieferungen gegenüber dem für das Unternehmen zuständigen Finanzamt zu erklären. Bemessungsgrund-lage der innergemeinschaftlichen Lieferung ist dabei regelmäßig nach § 10 Abs. 1 Satz 2 UStG (Anlage 9) das [X.], das der Leistungsempfänger an den Unternehmer zahlt. Mit der Erklärung nach § 18b Satz 1 UStG bringt der Unternehmer gegenüber den Finanzbehörden zum Ausdruck, dass die vorge-nommenen Lieferungen nach § 4 Nr. 1 Buchstabe b, § 6a UStG umsatzsteuer-frei sind, der Unternehmer mithin keine Umsatzsteuer für diese Lieferungen schuldet. 35 c) Da die Steuerbefreiung nach Auffassung des vorlegenden [X.]s in Fällen des Rechts- bzw. Systemmissbrauchs zu versagen ist, war im vorliegen-den Fall von einer steuerpflichtigen Lieferung auszugehen. Die Steuerhinterzie-hung sieht der [X.] darin, dass der Angeklagte die Umsätze in den [X.] nach § 18b UStG, die er gegenüber der nationalen Finanzverwaltung abzugeben hatte, bewusst falsch als steuerfreie innergemeinschaftliche Liefe-rung deklarierte. Tatsächlich waren sie aber steuerpflichtig, weil der Ausnahme-tatbestand des § 4 Nr. 1 Buchstabe b UStG (bzw. des Art. [X.] Teil A Buchsta-be a der [X.]) nicht eingriff. Es verbleibt daher bei dem [X.]. 36 d) Die dem Gerichtshof vorgelegte Frage ist für den vorlegenden [X.] entscheidungserheblich. Wären die Lieferungen als steuerbefreit anzusehen, käme eine in [X.] strafbare Steuerhinterziehung des Angeklagten nicht in Betracht. Zum einen wären dann die von dem Angeklagten nach § 18b UStG abgegebenen Erklärungen inhaltlich richtig; zum anderen würde die Lieferung keine [X.] Umsatzsteuer auslösen, die verkürzt werden könnte. Die [X.] - 18 - ligung des [X.] Unternehmers an einer Umsatzsteuerhinterziehung in [X.] ist nach [X.]m Steuerstrafrecht nicht strafbar, da es insoweit an der Verbürgung der gegenseitigen Strafverfolgung fehlt (vgl. § 370 Abs. 6 Satz 3 [X.]). Die unrichtigen Angaben über den Erwerber gegenüber dem [X.] [X.] in den Meldungen nach § 18a Abs. 1 Satz 1 UStG sind keine Straftat, sondern lediglich eine Ordnungswidrigkeit nach § 26a Abs. 1 Nr. 5 UStG, die mit einer Geldbuße von bis zu fünftausend [X.] geahn-det werden können (§ 26a Abs. 2 UStG, vgl. auch Anlage 10). 6. Da in den vom [X.] bisher entschiedenen Fällen ange-sichts der geschilderten Rechtsprechung des Gerichtshofs die von ihm vorge-nommene Auslegung des Gemeinschaftsrechts aus Sicht des [X.]s nicht zweifelhaft war, bestand bislang keine Veranlassung, ein Vorabentscheidungs-ersuchen nach Art. 234 Abs. 3 [X.] an den Gerichtshof zu richten (vgl. [X.], [X.]. vom 6. Oktober 1982 - Rechtssache 283/81 - [X.] = NJW 1983, 1257, 1258). Allerdings hat nun das [X.] im [X.] zum selben Sachverhalt ausdrücklich Zweifel geäußert, ob der Auffassung des [X.] zur Versagung der Steuerbefreiung zu [X.] sei (Beschluss vom 11. März 2009 - 1 V 4305/08). Es ist der Auffassung, das gemeinschaftsrechtliche Missbrauchsverbot greife nicht ein, da die fragli-chen Umsätze eine andere Erklärung hätten als nur die Erlangung von [X.]. Zudem stünden der Auffassung des [X.] die gemein-schaftsrechtlichen Grundsätze der Neutralität der Mehrwertsteuer und der [X.] entgegen. 38 Der [X.] hält die Bedenken des [X.] nicht für überzeugend: 39 - 19 - a) Selbst wenn die getätigten Umsätze - was der [X.] im vorliegenden Fall aufgrund der durch objektive Beweise bestätigten Feststellungen des [X.]s freilich ausschließt - in Einzelfällen auch eine andere (zusätzliche) Erklärung haben können als primär die Erlangung von Steuervorteilen, schließt dies nach Ansicht des vorlegenden [X.]s die Anwendung des gemeinschafts-rechtlichen [X.] nicht aus. Zwar hat der Gerichtshof in der Rechtssache [X.] entschieden, dass die Feststellung einer missbräuchlichen Praxis erfordert, es müsse anhand objektiver Anhaltspunkte ersichtlich sein, dass mit dem fraglichen Umsatz im Wesentlichen ein Steuervorteil bezweckt wird ([X.], [X.]eil vom 21. Februar 2006, Rechtssache [X.]/02 - [X.] u.a., Tenor 2, Rdn. 75). Der Rechtssache [X.] lag indes ein Sachverhalt zu [X.], bei dem die für die steuerrechtliche Beurteilung des Sachverhaltes bedeut-samen zivilrechtlichen Verträge allesamt wirksam waren. Zudem waren die be-teiligten Unternehmen ihren Pflichten gegenüber der Finanzverwaltung [X.] nachgekommen. Dort handelte es sich - anders als hier - somit nicht um ein betrügerisches System, das durch Verschleierung und unrichtige bzw. unterlassene Erklärungen auf Steuerhinterziehung ausgerichtet war. [X.] war in dieser Rechtssache lediglich zu klären, welche Schranken den Gestaltungsrechten der Beteiligten eines oder mehrerer Umsatzgeschäfte zu setzen sind. Ausgehend von dem Grundsatz, dass ein Unternehmer das Recht auf eine ihm steuerlich günstige Gestaltung der Geschäftsbeziehungen hat ([X.], [X.]eil vom 21. Februar 2006, Rechtssache [X.]/02 - [X.] u.a., Rdn. 73 f.), stellt der Gerichtshof unmittelbar daran anschließend die qualifizierten Anforderungen an die Feststellung einer missbräuchlichen Praxis fest. 40 Folgt der Missbrauch des Mehrwertsteuersystems indes - wie in den Fäl-len der vorliegenden Art - bereits aus dem Umstand, dass die Lieferbeziehun-gen bewusst verschleiert werden, um mit unrichtigen oder unterlassenen [X.] - 20 - rungen gegenüber den Finanzbehörden vorsätzlich Steuern zu verkürzen, sind nach Ansicht des [X.]s die grundsätzlich vorgesehenen Steuervorteile auf-grund eines [X.] zu versagen, auch wenn ein tatsächlich ge-wolltes - freilich in betrügerischer Absicht verschleiertes - innergemeinschaftli-ches Handelsgeschäft zu Grunde liegt. Denn dann liegt nicht lediglich ein Fall des [X.], sondern vielmehr ein Fall des systematischen Steuerbetrugs mit speziell für diesen Zweck hergestellten Scheinrechnungen vor. Für diesen Fall lässt sich aber der Rechtsprechung des Gerichtshofs ent-nehmen, dass ein Steuerpflichtiger, der wusste oder hätte wissen müssen, dass er sich an einem Umsatz beteiligt, der in eine Mehrwertsteuerhinterziehung ein-bezogen ist, für die Zwecke der [X.] als an dieser Hinterziehung Beteiligter anzusehen ist. Der Steuerpflichtige geht in einer solchen Situation den Urhebern der Hinterziehung zur Hand und macht sich ihrer mitschuldig. Der Gerichtshof hat ausdrücklich darauf hingewiesen, dass eine solche Auslegung betrügerischen Umsätzen entgegenwirkt, indem sie ihre Durchführung er-schwert ([X.], [X.]eil vom 6. Juli 2006, Rechtssache [X.]/04 - Kittel u.a. - Tenor 2, Rdn. 56 ff.). b) Auch der Umstand, dass es bei Versagung der Befreiung einer inner-gemeinschaftlichen Lieferung von der Umsatzsteuer zu einer Doppelbesteue-rung des Umsatzes im Ursprungs- und Bestimmungsland kommen kann, wenn trotz der Verschleierungsmaßnahmen der wahre Sachverhalt im [X.] aufgedeckt und der innergemeinschaftliche Erwerb noch nachträglich be-steuert wird, rechtfertigt nach Auffassung des [X.]s kein anderes Ergebnis. Denn darin ist keine Verletzung des dem gemeinsamen Mehrwertsteuersystem immanenten Grundsatzes der steuerlichen Neutralität zu sehen. 42 - 21 - aa) Der Grundsatz der steuerlichen Neutralität verbietet insbesondere, gleichartige und deshalb miteinander in Wettbewerb stehende Leistungen hin-sichtlich der Mehrwertsteuer unterschiedlich zu behandeln ([X.], [X.]eil vom 27. September 2007, Rechtssache [X.] - [X.] u.a., Rdn. 59). Ein [X.] Wettbewerbsverhältnis besteht aber zwischen steuerehrlichen und steuer-unehrlichen Unternehmen, die durch systematische Verschleierungsmaßnah-men Steuern hinterziehen, gerade nicht. Würde das Prinzip der steuerlichen Neutralität in Fällen der vorliegenden Art zur Begründung der Steuerfreiheit he-rangezogen, würde vielmehr - wie dargelegt - das gemeinschaftsrechtliche Mehrwertsteuersystem zu Gunsten einzelner, [X.] Wettbewerber in ein Ungleichgewicht gebracht. 43 bb) Die nach Auffassung des [X.]s gebotene Auslegung des Art. [X.] der [X.] führt auch nicht zu einer Ungleichbehandlung zwischen inländischen und innergemeinschaftlichen Umsätzen und zu Formalitäten, die den Grenzübertritt erschweren (vgl. insoweit auch Art. 22 Abs. 8 der [X.]). Vielmehr wird der fragliche innergemeinschaftliche Umsatz dem [X.] Umsatz gleichgestellt. Er wird dem [X.], wie er in Art. 2 der [X.] festgeschrieben ist, unterworfen, um so dem [X.] entgegen zu wirken. 44 cc) In der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist zudem anerkannt, dass es der Grundsatz der Neutralität einem Mitgliedstaat nicht verbietet, [X.] von einem Steuerpflichtigen nachzufordern, wenn dieser zu Unrecht eine Rechnung unter Anwendung der Mehrwertsteuerbefreiung für eine Liefe-rung von Gegenständen ausgestellt hat. Dabei ist nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ohne Bedeutung, ob die Mehrwertsteuer auf den späteren Verkauf der betreffenden Gegenstände an den Endverbraucher an den Fiskus 45 - 22 - entrichtet wurde ([X.], Beschluss vom 3. März 2004, Rechtssache [X.]/02 - Transport Service NV, Rdn. 31; siehe auch [X.], [X.]eil vom 27. September 2007, Rechtssache [X.], [X.] u.a., Rdn. 66). [X.]) Schließlich käme grundsätzlich auch in Betracht, eine tatsächlich eingetretene Doppelbesteuerung, wenn die [X.] im [X.] doch noch durchgeführt wurde, durch eine nachträgliche Erstattung der zunächst vom inländischen Unternehmer geschuldeten Umsatzsteuer zu besei-tigen. § 227 [X.] (siehe Anlage 11) sieht eine entsprechende Erstattungsmög-lichkeit vor. Er könnte dann zur Anwendung kommen, wenn die Gefährdung des Steueraufkommens rechtzeitig und vollständig beseitigt ist, mit der Folge, dass die Umsatzsteuer zu erstatten ist (vgl. [X.], [X.]eil vom 19. September 2000, Rechtssache [X.]/98, [X.] u.a., Tenor 1, Rdn. 60 ff.) 46 c) Der Grundsatz der Territorialität steht nach Auffassung des vorlegen-den [X.]s in Fällen der vorliegenden Art der Versagung der [X.] bei innergemeinschaftlichen Lieferungen ebenfalls nicht entgegen. Denn der Grundsatz der Territorialität ist Ausfluss des Prinzips der steuerlichen Neut-ralität des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems ([X.], [X.]eil vom 27. September 2007, Rechtssache [X.]/05 - [X.], Rdn. 22 f.). Die Neutrali-tät der Mehrwertsteuer ist aber nicht durch die Versagung der Steuerbefreiung gefährdet, sondern vielmehr - wie dargelegt - durch die von den Beteiligten vor-genommenen Verschleierungsmaßnahmen, mit denen die [X.] im [X.] vermieden werden soll. Gerade diese Gefährdung rechtfer-tigt nach Ansicht des vorlegenden [X.]s die Versagung der Befreiung von der Umsatzsteuer bei der vorgenommenen innergemeinschaftlichen Lieferung. 47 - 23 - In der Rechtssache [X.] führte der Gerichtshof zudem aus, dass dem nationalen Gericht die Prüfung obliegt, —ob die Verschleierung des Vorliegens einer innergemeinschaftlichen Lieferung und die daraus folgende Verzögerung bei der Korrektur der jeweiligen Buchungen Züge einer Mehrwertsteuerhinter-ziehung hat. Nach ständiger Rechtsprechung ist eine betrügerische oder miss-bräuchliche Berufung auf das Gemeinschaftsrecht nicht erlaubt. –– Ebenso kann die Anwendung des Gemeinschaftsrechts nicht so weit gehen, dass [X.] gedeckt werden, die zu dem Zweck getätigt werden, missbräuchlich in den Genuss von im Gemeinschaftsrecht vorgesehenen Vorteile zu [X.] ([X.], [X.]eil vom 27. September 2007 - Rechtssache [X.]/05 - [X.], [X.]). Diese Aussage des Gerichtshofs impliziert aus Sicht des [X.]s, dass das Besteuerungsrecht des anderen Mitgliedstaats nicht ausschließt, dass bei innergemeinschaftlichen Lieferungen auch für das Steueraufkommen im Lieferstaat eine rechtlich relevante Gefährdung des Steueraufkommens be-steht. Denn ohne die Gefährdung des Steueraufkommens ist eine [X.]hinterziehung nicht denkbar. Tatsächlich soll es nach dem [X.] der Beteiligten von Umsatzgeschäften der vorliegenden Art auch gerade nicht zu einer ordnungsgemäßen Besteuerung im Bestimmungsland kommen. 48 d) Schließlich gebieten auch die gemeinschaftsrechtlichen Grundsätze der Rechtssicherheit und der Verhältnismäßigkeit keine abweichende Ausle-gung. Nach dem Grundsatz der Rechtssicherheit, der in besonderem Maße gilt, wenn eine Regelung betroffen ist, die sich finanziell belastend auswirken kann, müssen die Betroffenen in der Lage sein, den Umfang der ihnen auferlegten steuerlichen Verpflichtungen genau zu erkennen, bevor sie ein Geschäft ab-schließen ([X.], [X.]eil vom 27. September 2007, Rechtssache [X.] - [X.] u.a., Rdn. 48). Demgegenüber besagt der Grundsatz der [X.], dass sich die Mitgliedstaaten solcher Mittel bedienen müssen, die es 49 - 24 - zwar erlauben, das vom innerstaatlichen Recht verfolgte Ziel wirksam zu errei-chen, die jedoch andererseits die Ziele und Grundsätze des einschlägigen [X.] möglichst wenig beeinträchtigen ([X.], [X.]eil vom 27. Sep-tember 2007, Rechtssache [X.] - [X.] u.a., Rdn. 52). Auf beide Grund-sätze kann sich indes nur der gutgläubige Unternehmer berufen, der alle [X.] getroffen hat, die vernünftigerweise von ihm verlangt werden können, um sicherzustellen, dass seine Umsätze nicht zu einer Lieferkette gehören, die einen mit einem Mehrwertsteuerbetrug behafteten Umsatz einschließt ([X.], [X.]eil vom 11. Mai 2006, Rechtssache [X.]/04 - [X.] u.a., Rdn. 33), und der von dem begangenen Betrug weder Kenntnis hatte, noch haben konnte ([X.], [X.]eil vom 27. September 2007, Rechtssache [X.] - [X.] u.a., Rdn. 50). Um solche gutgläubigen Unternehmer handelt es sich bei Lieferanten, die die wahren Empfänger verschleiern, um ihnen die Hinterziehung der [X.] zu ermöglichen, jedoch gerade nicht. e) Auch wenn der [X.] die Rechtsauffassung des [X.] nicht für zutreffend erachtet, legt er die entscheidungserhebli-che Rechtsfrage dem Gerichtshof gemäß Art. 234 Abs. 3 [X.] zur [X.] vor. Angesichts der vom [X.] geäu-ßerten [X.] kann nicht mehr ohne weiteres angenommen werden, 50 - 25 - dass für die Gerichte der anderen Mitgliedstaaten keine Zweifel hinsichtlich der Auslegung von Art. [X.] der [X.] in Fällen der Verschleierung des Empfängers innergemeinschaftlicher Lieferungen bestehen (vgl. [X.], [X.]eil vom 6. Oktober 1982, Rechtssache 283/81 - [X.], Rdn. 16). [X.]Wahl Hebenstreit [X.] [X.]

Meta

1 StR 41/09

07.07.2009

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.07.2009, Az. 1 StR 41/09 (REWIS RS 2009, 2651)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2009, 2651

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