Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.04.2013, Az. VI ZR 44/12

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 6632

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
VI [X.]/12
Verkündet am:

16. April 2013

Böhringer-Mangold

Justizamtsinspektorin

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
ZPO § 286 A
Zur revisionsrechtlichen Überprüfung tatrichterlicher Beweiswürdigung.

[X.], Urteil vom 16. April 2013 -
VI [X.]/12 -
OLG [X.]

LG

Göttingen

-

2

-

Der VI.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom
16.
April 2013
durch den Vorsitzenden [X.], den [X.] Zoll, die [X.]in [X.], den [X.] Pauge und die [X.]in von Pentz
für Recht erkannt:
Die Revision des [X.]n gegen das Grund-
und Teilurteil des 1.
Zivilsenats des [X.] vom 12.
Januar 2012 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:
Die Klägerin nimmt den [X.]n auf Schmerzensgeld und materiellen Schadensersatz wegen einer durch einen [X.]sfehler des [X.]n ver-ursachten Querschnittlähmung
in Anspruch. Sie beantragt außerdem die Fest-stellung der Ersatzpflicht des [X.]n für künftigen materiellen und immateri-ellen
Schaden.
Die Klägerin wurde am 28.
Januar 2002 vom [X.]n als Belegarzt an der Halswirbelsäule wegen eines Bandscheibenvorfalls operiert. Dabei setzte der [X.]
einen
[X.] aus Karbonmaterial
in einen von Bandscheibenmate-rial geräumten Zwischenraum
in der Halswirbelsäule ein. Nachdem der [X.] eine Nut für den Staple, mit dem der [X.] befestigt werden sollte, geschla-gen hatte, versuchte er, den Staple in die Nut zu schlagen. Dies misslang. Die 1
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-

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-

Bildwandlerkontrolle zeigte, dass der [X.] durch den Staple verschoben [X.] war und um ca. 2
mm über die Hinterkante des Wirbelkörpers
hinausragte. Während der Subluxation des [X.]s beobachtete die Anästhesistin einen kurz-zeitigen Anstieg des Pulses der Klägerin. Der [X.] entfernte den [X.], po-sitionierte ihn erneut und befestigte ihn sodann mit dem Staple. Noch während der Aufwachphase wurden bei der Klägerin
neurologische Ausfälle in den
Ex-tremitäten erkennbar. Wegen des
Verdachts
einer Querschnittlähmung
wurde sie
notfallmäßig in die Universitätsklinik G. verlegt. Das dort angefertigte [X.] der Halswirbelsäule zeigte eine Vorwölbung in den [X.] hinein und [X.] korrespondierend eine Kompression des Rückenmarks im Bereich der Halswirbel C
4/C
5. Im Rahmen einer [X.] entfernte die Oberärz-tin
Prof. Dr.
V. den [X.]. Dabei stellte
sie
hinter dem [X.] ein schmales epi-durales Hämatom fest.
Das [X.] hat auf der Grundlage zweier medizinischer Gutachten die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht die Beweisaufnahme wiederholt. Es hat ein Gutachten des
orthopädischen
Sachverständigen Prof. Dr.
[X.], der selbst praktische Erfahrungen mit Operatio-nen der entsprechenden Art und Weise besitzt, eingeholt. Das Berufungsge-richt hat sodann
unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils
die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt und die Ersatzpflicht des [X.]n für künftige Schäden der Klägerin
festgestellt. Mit der vom Berufungsgericht zuge-lassenen Revision erstrebt der [X.] die Wiederherstellung des landgericht-lichen Urteils.
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-

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-

Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt:
Die Querschnittlähmung
beruhe darauf, dass der [X.] bei der [X.]
den Staple mit zu hohem Kraftaufwand eingeschlagen und/oder keine ausreichende Sichtkontrolle durchgeführt
habe. Er habe
mit dem Staple, der die angrenzende [X.] nicht mit beiden Enden erfasst hatte, den [X.] schlagartig in das [X.] verschoben
und dabei das
zur Querschnittlähmung
führende Trauma verursacht. Hierfür sprächen mehrere
Indizien. Auch seien sämtliche vernünftigerweise in Betracht zu ziehenden
sonstigen
schicksalhaften
Ursachen für die Querschnittlähmung
auszuschließen, so dass nur der [X.] als Ursache übrig
bleibe. Als Ursachen für eine akute Myelopathie kämen abstrakt eine Entzündung, eine Ischämie (gravierende Durchblutungs-störung), ein Tumor, ein schicksalhaft auftretendes Hämatom oder eine Prel-lung des [X.] (Kontusion) durch äußere Einwirkung in Betracht. Für eine [X.], eine Ischämie oder einen Tumor fehlten jegliche Anhaltspunkte.
Als einzige dem [X.]n nicht vorwerfbare schicksalhafte
Ursache
käme ein int-raoperatives
Hämatom
in Betracht. Dessen Entstehung
sei zwar nicht im natur-wissenschaftlichen Sinn, jedoch mit dem maßgeblichen Grad an Gewissheit, wie ihn §
286 ZPO verlange, auszuschließen. Wegen der anatomischen [X.] der betroffenen Region und aufgrund des Gerinnungsverhaltens des Blutes habe sich der
für irreversible gravierende Lähmungserscheinungen not-wendige hohe Druck in der
Zeit vom
Ende der vom [X.]n durchgeführten [X.]
bis zum Auftreten der Lähmungserscheinungen
nicht aufbauen [X.]. Die [X.] sei um 13.30 Uhr vom [X.]n mit der Feststellung der Bluttrockenheit und des ordnungsgemäßen Zustands beendet worden. Ab 4
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5

-

15.30 Uhr sei die Querschnittsymptomatik festgestellt, um 17.00 Uhr das [X.] gefertigt und um 19.00 Uhr die [X.] durchgeführt worden. In Übereinstimmung mit den Darlegungen des gerichtlichen Sachverständigen Prof. Dr. [X.] sei der Senat davon überzeugt, dass eine Blutung in der Zwischen-zeit ohne Hinterlassung von
Gerinnungsrückständen
ausgeschlossen
sei. Bei der [X.] seien entsprechende
umfangreiche Blutungsspuren nicht festgestellt worden. Der von Prof. Dr. V. bei der [X.] vorge-fundene sehr geringe Blutfilm, den die Operateurin als "schmales epidurales Hämatom" bezeichnet habe, habe die Querschnittlähmung
jedenfalls nicht ver-ursachen können. Der
dagegen geführte Einwand des [X.]n, dass das Blut zwischenzeitlich durch die [X.] im Wirbelkörperzwischenraum wie durch Bimsstein abgeflossen sei, sei nicht plausibel. Dabei bleibe
offen, wie dann
der für die Schädigung erforderliche Druck hätte entstehen können.
Dass das [X.] nach dem nach der [X.]
gefertigten [X.] pelottiert, also halb-kugelförmig eingedrückt gewesen sei, spreche nicht zwingend für ein Hämatom als Ursache der Lähmung. Die Signalveränderung des Gewebes im [X.] passe zu
einer
Wasseranreicherung, also einem
Ödem, das eine regelrechte Reakti-on auf eine ausreichend intensive Prellung sei,
für deren Verursachung es ei-nes mechanischen Impulses mit einer bestimmten Minimalenergie bedurft habe. Das Verrutschen des [X.] könne einen für die Schädigung ausreichenden Im-puls auf das Rückenmark im [X.] ausüben. Hierfür spreche auch die
mit dem erstmaligen Einschlagen des Staple zeitgleich abgelaufene [X.] der Klägerin. Dem [X.]n sei das Verrutschen des [X.] in das [X.] als Behandlungsfehler anzulasten. Dass der [X.] unerwünscht ver-rutsche, könne der Operateur feststellen, wenn er beim Einschlagen des Staple die sichtbare
Wirbelkörpervorderkante
im Blick behalte. Der [X.] hätte nach Korrektur der Lage des [X.] auf das Einbringen des Staple auch verzich-ten können.
Jedenfalls
habe
er
die gebotene Sorgfalt nicht eingehalten, da es -

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sonst nicht zu der Kontusion und dem eingetretenen Schaden habe
kommen können.
Die von der Anästhesistin geschilderte fehlende Aufregung des [X.]n während der [X.] lasse Rückschlüsse auf den intraoperativen Ge-schehensablauf nicht zu.

II.
Dagegen wendet sich die Revision ohne Erfolg.
1.
Das Berufungsgericht hält für klärungsbedürftig, wo die Grenze des vernünftigen Zweifels bei Vorgängen und Umständen im Zusammenhang mit dem menschlichen Organismus nach §
286 ZPO zu ziehen ist, insbesondere, welche Anforderungen für den Grad an Gewissheit hierbei bei Anwendung (auch) des Ausschlussprinzips gelten.
Diese Frage lässt sich allerdings abstrakt nicht beantworten.

Sie
betrifft die dem Tatrichter obliegende und von den Umständen des jeweiligen Einzelfalles abhängende Überzeugungsbildung. Es
handelt sich um die primär dem Tatrichter als Tatfrage obliegende Fragestellung, ob der Beweis im konkreten Fall geführt wurde. Ob die erreichte [X.] im gegebenen Fall ausreicht, um den Beweis als erbracht anzusehen, ist nicht
nur objektiv nach einem bestimmten (hohen) Wahrscheinlichkeitsgrad messbar (vgl. [X.], ZPO, 22.
Aufl., §
286 Rn.
3 Fn.
5; Musielak, [X.] der Beweislast im Zivilprozess, 1975,
S.
109 ff.).
Dazu bedarf
es
stets der subjektiven persönlichen Entscheidung des Tatrichters, der allerdings nach-prüfbare objektive Tatsachen zugrunde liegen
müssen. Der [X.] ist nicht be-rechtigt, nach Beliebigkeit zu urteilen. Vielmehr muss er die objektiven Gege-benheiten, d.h. sowohl die Beweisergebnisse als auch den gesamten Inhalt der 5
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7

-

Verhandlungen zugrunde legen. Auch hat
er
bei der Beurteilung die allgemei-nen Erfahrungssätze
sowie die Natur-
und Denkgesetze zu beachten. Objektive Wahrscheinlichkeitserwägungen
können dabei
eine sachgerechte Grundlage und ein Hilfsmittel für die Überzeugungsbildung sein ([X.], Arzthaftung, 2002, §
8 IV 2d; [X.]
aaO; Musielak/[X.], Grundfragen des [X.], 1984,
§
8). Auf dieser Grundlage hat der [X.] zu prüfen, ob er als erfahrener und gewissenhafter Beurteiler von der Wahrheit oder Unwahrheit einer Tatsachenbehauptung auszugehen hat. Da die erreichte [X.] nicht objektiv messbar ist, ergänzt
zwar stets die subjektive persönliche Ent-scheidung
den Prozess der Überzeugungsbildung. Doch ist dafür maßgebend die Rolle des
[X.]s und nicht die Bildung der persönlichen Überzeugung der
privaten
Person ([X.] aaO, Rn.
4).
Im Streitfall hat das
Berufungsgericht
auf Grund einer
vertretbaren Wür-digung der ohne durchgreifenden Verfahrensfehler ermittelten Umstände im Sinne des §
286 ZPO "für
wahr erachtet", dass dem [X.]n ein für die Quer-schnittlähmung
ursächlicher schuldhafter Behandlungsfehler während der [X.] der Klägerin unterlaufen ist. Zutreffend hat es seiner Überzeugungsbil-dung dabei zu Grunde gelegt, dass es dafür keiner absoluten oder unumstößli-chen Gewissheit im Sinne des wissenschaftlichen Nachweises, sondern nur eines für das praktische Leben brauchbaren Grades von Gewissheit
bedarf, der Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen (vgl. Senatsurteile
vom 9. Mai 1989 -
VI
ZR 268/88,
VersR 1989, 758, 759; vom 26. Oktober 1993 -
VI
ZR 155/92, [X.], 52, 53; vom
28. Januar 2003 -
VI
ZR 139/02,
VersR 2003, 474, 475 und vom 8. Juli 2008 -
VI
ZR 274/07, [X.], 1126
Rn.
7; [X.], Urteile vom 17. Februar 1970 -
III
ZR 139/67, [X.]Z 53, 245, 256 -
Anastasia
-
und vom 18. April 1977 -
VIII
ZR 286/75,
VersR 1977, 721).
Aus den verfahrensfehlerfrei festgestellten Umständen des Streitfalls
-
einerseits dem [X.]szwischenfall, der zeitgleichen [X.] sowie dem 8
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Ödem im [X.]sbereich und dem zeitlich korrelierenden Auftreten der Lähmung und andererseits dem Fehlen von Blutspuren für ein Hämatom als einzige in Betracht kommende alternative Ursache für die Lähmung
-
hat das Berufungsgericht in rechtlich nicht zu beanstandender Weise den naheliegen-den Schluss gezogen, dass die Querschnittlähmung
der Klägerin auf einem fahrlässig fehlerhaften Vorgehen des [X.]n beim Einbringen des [X.] be-ruht.

2. Die Revision bemängelt zu Unrecht, dass die vom Berufungsgericht betriebene Sachverhaltsaufklärung den [X.]n in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör verletze und die Überzeugungsbildung des Berufungsgerichts nicht ausreichend stütze.
a) Erfolglos macht sie geltend, dass schon deswegen, weil sich aus dem [X.]sbericht keine Anhaltspunkte für einen schuldhaften Behandlungsfeh-ler des [X.]n entnehmen
lassen, vielmehr darin ein ordnungsgemäßes ärztliches Vorgehen beschrieben wird, das Berufungsgericht einen schuldhaften Behandlungsfehler nicht hätte annehmen dürfen. Entgegen der Auffassung der Revision wird die Einhaltung der gebotenen ärztlichen Sorgfalt durch den [X.]sbericht nicht unwiderlegbar bewiesen. Der [X.]sbericht ist lediglich ein vom Tatrichter bei seiner Überzeugungsbildung zu würdigendes Beweismit-tel.
Der Grundsatz der "Waffengleichheit" in [X.] erfordert zwar, dass der Arzt dem klagenden Patienten Aufschluss über sein Vorgehen in dem Umfang gibt, in dem ihm dies ohne weiteres möglich ist. Dem
genügt der Arzt weithin durch Vorlage einer ordnungsgemäßen Dokumentation im Operati-onsbericht, Krankenblatt oder in der Patientenkarte (vgl. Senatsurteil vom 14.
März 1978 -
VI
ZR 213/76, [X.], 542, 544; [X.]/[X.], Arzthaft-9
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pflichtrecht, 6.
Aufl.,
E Rn.
4; [X.]/[X.], Handbuch der Beweis-last, 3.
Aufl.,
§
823
Anh. II
Rn.
48). Doch durfte sich das Berufungsgericht unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnis-ses der Beweisaufnahme die
Überzeugung bilden (§
286 ZPO),
dass
der Be-klagte beim Einschlagen des Staple die gebotene Sorgfalt nicht eingehalten und dadurch das [X.] der Klägerin geschädigt
hat.
b) Die Revision zieht nicht in Zweifel, dass postoperativ ein Ödem im Be-reich des operativen Geschehens entstanden ist und eine Kontusion eine mög-liche Ursache dafür sein kann. Die Annahme des Berufungsgerichts, dass der [X.] beim Einschlagen des Staple auf den Rand des [X.] mit der für die Kontusion erforderlichen, aber auch ausreichenden Minimalenergie auf das [X.] der Klägerin eingewirkt hat und Ursache der Querschnittlähmung
der Klägerin die intraoperative Kontusion des Rückenmarks ist, ist entgegen der Auffassung der Revision rechtlich nicht zu beanstanden.
aa) Die Würdigung der Beweise ist grundsätzlich dem Tatrichter vorbe-halten, an dessen Feststellungen das Revisionsgericht gemäß §
559 Abs.
2 ZPO gebunden ist. Dieses kann lediglich nachprüfen, ob sich der Tatrichter ent-sprechend dem Gebot des §
286 ZPO mit dem Prozessstoff und den [X.] umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat, die Be-weiswürdigung also vollständig und rechtlich möglich ist und nicht gegen [X.] und Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr. vgl. z.B. Senatsurteile vom 1.
Oktober 1996 -
VI
ZR 10/96,
VersR 1997, 362, 364 und vom 8. Juli 2008 -
VI
ZR 274/07, aaO; [X.], Urteil vom 5. Oktober 2004 -
XI
ZR 210/03, [X.]Z 160, 308, 317 mwN). Einen solchen Fehler zeigt
die Revision nicht auf.
bb) Gegen die Überzeugungsbildung des Berufungsgerichts spricht nicht entscheidend, dass der Bandscheibenvorfall selbst mit vier Millimeter weiter als 12
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-

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-

der im [X.]sbericht angegebene Überstand des [X.] mit zwei Millimeter über die hintere [X.] in den [X.] hineinreichte und auch der durch die [X.] eingebrachte Knochendübel weiter in den [X.] der Halswirbelsäule ragt. Das Berufungsgericht hat angenommen, dass das [X.] durch die Schläge, mit denen der [X.] über die hintere [X.] geschoben wurde, geschädigt worden ist. Diese Annahme stützen
die Ausführungen der gerichtlichen Sachverständigen Prof. Dr. [X.] und Prof. Dr. L. und die im [X.]sbericht dokumentierten Vorgänge während der [X.]. An die Bekundungen
eines gerichtlichen Sachverständigen ist das Gericht zwar nicht gebunden, es hat sich vielmehr ein eigenes Urteil auf der Grundlage der Ausführungen des Sachverständigen zu bilden (ständige Rechtsprechung vgl. Senatsurteile vom 7. April 1992 -
VI
ZR 216/91, [X.], 747 f.
und vom 16.
Januar 2001 -
VI
ZR 408/99, [X.], 783, 784). Bestehen [X.] zu früheren Ausführungen, so muss das Berufungsgericht diese dem Sach-verständigen zumindest vorhalten. Ohne weitere Aufklärungsversuche bildet eine solche Begutachtung nämlich keine ausreichende Grundlage für die Über-zeugungsbildung des Tatrichters (Senatsurteil vom 7. April 1992 -
VI
ZR 216/91, [X.], 747, 748). Bei sich widersprechenden Sachverständigen-gutachten hat der [X.] nach Klärung der Frage, von welchen unterschiedli-chen tatsächlichen Grundlagen und Wertungen die Sachverständigen [X.] sind, danach noch bestehende Widersprüche auszuräumen.
Auch diesen Anforderungen ist das Berufungsgericht entgegen der [X.] der Revision gerecht geworden.
[X.]) Die Revision rügt erfolglos, dass Widersprüche oder Lücken in den Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen Prof.
Dr.
[X.] eine ergänzen-de Sachverhaltsaufklärung geboten
hätten.
Der gerichtliche Sachverständige Prof.
Dr.
[X.] hat von Anfang an die Auffassung vertreten, dass nicht die kurzzei-15
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-

tige Raumforderung durch den [X.] von zwei Millimetern die eigentliche Ursa-che der Schädigung der Klägerin gewesen sei. Die Schädigung sei verursacht worden durch das Einschlagen des Implantats über den nicht in die [X.] in den [X.] Richtung [X.]. Auch
die die Revisi-onsoperation durchführende Ärztin Prof.
Dr.
V. und der gerichtliche Sachver-ständige Prof.
Dr.
L.
teilten diese Meinung.
Beide bekundeten, dass entschei-dender Fehler das zu weite Einschlagen des [X.] gewesen sei, das eine Prel-lung des [X.]s mit den Folgen der Querschnittlähmung
verursacht habe. Soweit die Revision nunmehr
rügt, dass
die Bekundungen
der gerichtlichen Sachverständigen Prof. Dr. [X.] und Prof. Dr. L. nicht wissenschaftlich belegt worden seien,
zeigt sie entsprechenden Vortrag in der Berufungsinstanz hierzu nicht auf.
Sie kann im Revisionsverfahren damit nicht mehr gehört werden.

dd) Entgegen der Bedenken der Revision ist rechtlich auch nicht zu [X.], dass das Berufungsgericht als Indiz für das Verrutschen des [X.] und eine damit verbundene Schmerzeinwirkung auf die Klägerin einen zeitglei-chen Blutdruckanstieg gewertet hat.

Der Revision ist zuzugeben, dass
im [X.]sbericht nicht ein [X.], sondern ein zeitgleicher -
im [X.] nicht dokumen-tierter
-
[X.] dokumentiert
ist. Die von der Revision für geboten erachte-te Differenzierung zwischen [X.] und Blutdruckanstieg bzw. Kreislaufre-aktion spielt jedoch erkennbar keine maßgebliche Rolle
für die Beweiswürdi-gung.
Erhebliches
Indiz ist das zeitliche Zusammentreffen der inneroperativen Komplikation mit der -
auch von der Revision nicht angezweifelten
-
vegetativen Reaktion der Klägerin, die von der vom Berufungsgericht als Zeugin angehörten Anästhesistin Dr.
D.-Sch. als Blutdruckanstieg bezeichnet wurde. Die Beweis-würdigung des Berufungsgerichts leidet auch nicht unter aufklärungsbedürftigen Widersprüchen in den Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen Prof. 17
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-

12

-

Dr.
[X.] zum Zusammenhang zwischen Einschlagen des [X.] und [X.]. Zwar ist der gerichtliche Sachverständige Prof.
Dr.
[X.] in seinem schriftlichen Gutachten vom 10. März 2010 irrigerweise von einem [X.] für zumindest eine Stunde ausgegangen. Auf Hinweis des [X.]n hat er [X.] den Irrtum alsbald berichtigt und daran im weiteren Prozessverlauf nicht mehr festgehalten. Ein aufklärungsbedürftiger Widerspruch, den die Revision aufgreifen will, ist in der berufungsgerichtlichen
Gesamtwürdigung der [X.] Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen nicht erkennbar.
ee) Die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts leidet auch nicht unter einer erheblichen Verletzung des Anspruchs des [X.]n auf rechtliches Ge-hör (Art.
103 Abs.
1 GG). Anders als die Revision dies darstellt,
ist ein aufklä-rungsbedürftiger Widerspruch zwischen der Auffassung des gerichtlichen Sach-verständigen Prof. Dr. [X.] und der Beurteilung des Privatgutachters Dr.
K. nicht gegeben.
Einem sich etwa ergebenden Widerspruch zwischen dem gerichtli-chen Sachverständigen und dem Privatgutachter hat
das Berufungsgericht al-lerdings nach den vom erkennenden Senat in ständiger Rechtsprechung aufge-stellten Grundsätzen nachzugehen (vgl.
etwa Senatsurteile vom 10. Dezember 1991 -
VI
ZR 234/90, VersR
1992,
722 f.; vom 9. Januar 1996 -
VI
ZR 70/95, VersR 1996,
647, 648; vom 28. April 1998 -
VI
ZR 403/96,
VersR
1998, 853, 854
und vom 10. Oktober 2000 -
VI
ZR 10/00, [X.], 525, 526). [X.] widersprüchliche Gutachten sind keine ausreichende Grundlage für die Überzeugungsbildung des Gerichts (vgl. Senatsurteil vom 8.
Juli 2008 -
VI [X.], [X.], 1265
Rn.
19 ff.). [X.] geschieht die Auf-klärung des Widerspruchs durch Einholung einer ergänzenden schriftlichen Stellungnahme des gerichtlichen Sachverständigen und durch
dessen nachfol-gende mündliche Anhörung (vgl. Senatsurteil vom 15.
Juni 1993 -
VI
ZR 175/92, [X.], 1231, 1232). Es bleibt jedoch grundsätzlich dem Ermes-sen des Tatrichters überlassen, in welcher (geeigneten) Weise er seiner Pflicht 19
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zur Aufklärung nachkommt (Senatsurteil vom 10. Dezember 1991 -
VI
ZR 234/90, aaO).
Das Berufungsgericht hat den gerichtlichen Sachverständigen beauftragt, in einem [X.] zur Beurteilung des Privatgutachters Dr. K. Stel-lung zu nehmen. Dem ist der gerichtliche Gutachter im [X.] vom 20. September 2010 nachgekommen. Darüber hinaus hat er in seiner mündlichen Anhörung vor dem Berufungsgericht darauf hingewiesen, dass in Abhängigkeit von der Schwere der [X.]schädigung auch inverse [X.] mit Tachykardie und flüchtiger Blutdrucksteigerung beschrieben seien, dass abstrakt die [X.], wie sie sich aus dem [X.] ergebe, auch anders vorstellbar sei, entscheidend sei aber die zeitliche Kon-kordanz. Ein weiteres Gutachten durch einen
anderen Sachverständigen brauchte das Berufungsgericht danach nicht einzuholen. Die nunmehr von der Revision bemängelte fachliche Qualifikation des gerichtlichen Sachverständigen für die Beantwortung neurologischer Fragestellungen wurde vom [X.]n in der Berufungsinstanz nicht angezweifelt. Die Bedenken des [X.]n gegen die Sachkunde des gerichtlichen Sachverständigen, die vom Sachverständigen
unter Hinweis auf die von ihm erworbenen Fachkenntnisse ausgeräumt wurden, betrafen die Neuroradiologie betreffende Fragestellungen.
c) Rechtlich ist schließlich nicht zu beanstanden, dass das Berufungsge-richt es für ausgeschlossen erachtet hat, dass die bei der Klägerin eingetretene Querschnittlähmung
durch ein schicksalhaft entstandenes Hämatom verursacht worden ist. Zwar weist die Revision zutreffend darauf hin, dass der postoperati-ve Nachweis
eines Ödems nicht gegen eine Schädigung durch ein Hämatom spricht, weil auch ein allmählicher Druckaufbau -
wie dieser bei Bildung eines postoperativen Hämatoms erfolgt
-
ein Ödem verursachen würde. Diesen [X.] hat das Berufungsgericht jedoch nicht -
wie die Revision rügt
-
gehörswid-20
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rig ausgeblendet. Es hält vielmehr auf der Grundlage einer umfassenden Be-weisaufnahme unter Zugrundelegung der Feststellungen der Zeugin Prof.
Dr.
V. bei der [X.] und der Bekundungen der gerichtlichen Sachver-ständigen Prof.
Dr.
[X.] und Prof.
Dr.
L. die Ausbildung eines solchen Hämatoms für ausgeschlossen. Die dagegen geführten Angriffe der Revision sind unbe-rechtigt.
aa) Nach
der Aussage der Zeugin Prof. Dr. V. sind
Spuren einer für eine Schädigung geeigneten Blutung zum Zeitpunkt der [X.] nicht vorhanden gewesen. Erfolglos wendet die Revision dagegen ein, dass die Sicht der Operateurin Prof. Dr. V. bei der [X.] aufgrund des schmalen Fensters von sieben Millimeter Höhe und zehn Millimeter Breite zu sehr einge-schränkt gewesen sei, um umfangreichere Blutungen feststellen zu können. Hierbei handelt es sich um
im Revisionsrechtszug
nicht zu
berücksichtigenden neuen Tatsachenvortrag. Ob das schmale epidurale Hämatom hinter dem [X.], das
anlässlich der [X.] festgestellt wurde, unter Druck stand und mit dem Entfernen des [X.] augenblicklich entlastet worden ist, hat das Berufungsgericht vertretbar für den Nachweis eines Hämatoms, das die Schä-digung verursachen konnte, nicht
für
erheblich erachtet.
bb) Es hat sich dabei nicht eine nicht vorhandene Sachkunde
angemaßt. Gestützt durch die Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen Prof. Dr.
[X.] hat es
nachvollziehbar den vom [X.]n dargelegten Schädigungsme-chanismus für ausgeschlossen gehalten. Wäre das Blut durch die eingebrach-ten [X.] "quasi wie durch einen Bimsstein" nahezu spurenlos nach ventral abgeflossen, wäre in dem Zeitraum vom Ende der vom [X.]n durchgeführten [X.] bis zum Auftreten der Lähmungserscheinungen auch der für die Schädigung erforderliche punktuelle Druck nicht aufgebaut worden.
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15

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[X.]) Schließlich
hat sich das Berufungsgericht damit befasst, dass das [X.] korrelierend zu der im [X.] vom 28. Januar 2008 beschriebenen stem-pelartigen Vorwölbung pelottiert war. Es hat mit Hilfe der Darlegungen des [X.] Sachverständigen Prof. Dr. [X.] eine Verursachung des Schadens der Klägerin in nicht zu beanstandender Weise verneint, weil die Vorwölbung in den [X.] für
sich die Schädigung nicht verursachen konnte. Entscheidend hinzutreten musste jedenfalls die Erschütterung durch die vom [X.]n ge-führten Schläge.
Die Revision
setzt dem
lediglich ihre eigene Auffassung ent-gegen, ohne einen erheblichen rechtlichen Fehler aufzuzeigen.
d) Die weiteren Verfahrensrügen hat der erkennende Senat geprüft und für nicht durchgreifend erachtet. Von einer Begründung wird gemäß §
564 Satz
1 ZPO abgesehen.
Galke
Zoll
[X.]

Pauge
von Pentz

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 17.04.2008 -
2 [X.]/03 -

OLG [X.], Entscheidung vom 12.01.2012 -
1 [X.] -

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Meta

VI ZR 44/12

16.04.2013

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.04.2013, Az. VI ZR 44/12 (REWIS RS 2013, 6632)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 6632

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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