Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.02.2016, Az. 5 StR 599/15

5. Strafsenat | REWIS RS 2016, 16321

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[X.]:[X.]:[X.]:2016:150216B5STR599.15.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF
BESCHLUSS

5
StR 599/15

vom
15. Februar 2016
in der Strafsache
gegen

wegen sexuellen Missbrauchs einer Schutzbefohlenen

-
2
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Der 5. Strafsenat des [X.] hat am 15. Februar 2016 beschlos-sen:

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 8.
September 2015 gemäß §
349 Abs.
4 StPO mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Jugend-schutzkammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs [X.] in 17 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei [X.] und sechs Monaten verurteilt. Die hiergegen gerichtete Revision des Ange-klagten hat mit der Sachrüge Erfolg.

1. Nach den Feststellungen des [X.] nahm der Angeklagte an nicht mehr feststellbaren Zeitpunkten zwischen dem 26. Juli 2006 und dem 31.
Juli 2012 sexuelle Handlungen an der am 29.
Oktober 1996 geborenen Ne-benklägerin S.

I.

vor, bei der es sich um die Tochter seiner jetzigen Verlobten handelt. Das [X.] sieht den insgesamt von seinem Schweige-recht Gebrauch machenden Angeklagten ausschließlich aufgrund der Angaben der Nebenklägerin als überführt an.

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2. Die der Verurteilung zugrundeliegende Beweiswürdigung hält sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand (§ 261 StPO). Die Würdigung der Aussage der Nebenklägerin als einziger Belastungszeugin erfüllt die strengen Anforde-rungen in Aussage-gegen-Aussage-Konstellationen nicht (vgl. etwa [X.], [X.] vom 29.
Juli 1998

1 StR 94/98, [X.]St 44, 153, 158 f.; vom 12. Dezem-ber
2012

5 StR 544/12, [X.], 119; vom 10.
Oktober 2012

5 StR 316/12, [X.], 57).

a) Die Urteilsgründe enthalten schon keine hinreichende Darstellung der Aussage der Nebenklägerin mit den zugehörigen Details, die dem [X.] eine Überprüfung der [X.] und -konstanz ermöglichen würde. Auch mit Blick auf die detailarmen Sachverhaltsfeststellungen hätte es [X.] einer inhaltlichen Darlegung der Aussage der Nebenklägerin vor der St[X.]tsanwaltschaft bedurft, zumal die Nebenklägerin nach zwei vorangegange-nen polizeilichen Vernehmungen und schriftlichen Ausführungen gegenüber der Polizeibea
k-ret über die Vorfälle zu sprechen ([X.]). Entgegen den Ausführungen des [X.] ist dem Urteil auch nicht hinreichend zu entnehmen, dass jene früheren Angaben der Nebenklägerin mit denjenigen übereinge-stimmt haben, die sie im Rahmen ihrer Exploration vor der zur Beurteilung ihrer Glaubwürdigkeit beauftragten Sachverständigen gemacht hat.

b) Hinzu kommt, dass die vor der Erstattung der Strafanzeige durch die Nebenklägerin erfolgten Offenbarungen gegenüber ihrer jüngeren Schwester C.

sowie gegenüber einer Mitarbeiterin des Kinder-
und Jugendnotdiens-tes nicht genügend in Bezug auf die Anzeigemotivation erörtert werden, um mögliche Falschbelastungsmotive nachvollziehbar ausschließen zu können. 3
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Folgende besondere Umstände hätten mit Blick auf etwaige suggestive [X.], aber auch auf eine denkbare Motivation der Nebenklägerin, den Angeklag-ten aus der Wohnung der Mutter zu verdrängen, einer eingehenderen [X.] und beweisrechtlichen Würdigung bedurft:

[X.]) Das Urteil teilt mit, dass die ältere Schwester der Nebenklägerin, die Zeugin S.

I.

, bereits im [X.]

nachdem sie sich zunächst an den Kinder-
und Jugendnotdienst gewandt hatte

aus der Wohnung ihrer Mut-ter ausgezogen sei. Hierzu hat sie in der Hauptverhandlung als Grund benannt, den Angeklagten als aggressiv und gewalttätig empfunden zu haben. [X.] hat die Mitarbeiterin des [X.] bekundet, S.

habe damals einen sexuellen Missbrauch angedeutet, ohne jedoch konkret zu werden. Aus von dem Angeklagten sexuell belästigt worden
zu sein. Nach Aussage der poli-zeilichen Ermittlungsführerin wiederum ist S.

I.

bei ihren polizeili-chen Vernehmungen zunächst kaum in der Lage gewesen, Angaben zu ma-eßlich sexuelle Handlungen seitens des Angeklagten ihr gegenüber verneint. Das Ur-teil verhält sich nicht dazu, ob und gegebenenfalls welche Angaben die Zeugin hierzu in der Hauptverhandlung gemacht hat.

[X.]) Nach Aussage der [X.] haben die Nebenkläge-rin und ihre jüngere Schwester C.

am 22. März 2012 beim Kinder-
und Jugendnotdienst ohne Konkretisierungen angegeben, sie seien beide durch den Angeklagten sexuell belästigt worden. Unter Einbeziehung ihrer Mutter seien die Mädchen
zunächst in Obhut genommen worden. Es sei vereinbart worden, dass der Angeklagte aus der Wohnung ausziehe; er habe sich aber dennoch zumindest zeitweise weiterhin in der Wohnung aufgehalten. Die Nebenklägerin 6
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sei am 4. April 2012 wieder in die mütterliche
Wohnung zurückgekehrt und schließlich zum 1.
August 2012 endgültig ausgezogen. Nachdem ihre Mutter in der Folgezeit zum Angeklagten gehalten habe, habe sie am 23.
April 2013 im Rahmen eines [X.] angekündigt, den Angeklagten wegen der sexuellen Übergriffe anzuzeigen. In der Hauptverhandlung hat sich die zu die-n-nen, ob die letzte Tat vor oder nach ihrer Inobhutnahme vorgefallen sei, wie sie auch insgesamt nicht in der Lage war, die [X.] näher als vom [X.] festgestellt (Tatzeitraum zwischen dem 26. Juli 2006 und dem 31.
Juli 2012) zu konkretisieren.

[X.]) Die jüngere Schwester der Nebenklägerin, die Zeugin C.

I.

, hat den Angaben der polizeilichen Ermittlungsführerin zufolge bei ihrer polizeilichen Vernehmung verneint, dass der Angeklagte ihr gegenüber sexuelle Handlungen vorgenommen habe. Welche Angaben sie hierzu in der [X.] gemacht hat, wird im Urteil nicht wiedergegeben.

c) Das
[X.] hat suggestive Einflüsse auf die Nebenklägerin ledig-lich im Zusammenhang mit einem sexuellen Missbrauch einer weiteren Schwester der Nebenklägerin durch einen Nachbarn im Jahr 2002 erörtert und verneint. Etwaige gegenseitige suggestive Beeinflussungen der Nebenklägerin sowie ihrer Schwestern C.

und S.

hat es jedoch nicht in den Blick genommen.

d) Schließlich teilt das Urteil nicht mit, welche Angaben die in der Haupt-verhandlung vernommene Mutter zu den von der Nebenklägerin
geschilderten Rahmenbedingungen bei den Taten 1 bis 4 gemacht hat und wie diese zu wür-e-8
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ten Schlafsofa im Wohnzimmer stattgefunden, wobei die Nebenklägerin zwi-schen ihrer Mutter und dem Angeklagten unter dessen Decke gelegen habe. Ihre Mutter habe dabei häufig mit ihrem Laptop gespielt oder Fernsehen ge-

3. Die Sache bedarf daher insgesamt neuer Verhandlung und Entschei-dung.

[X.]
König
Berger

Feilcke

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Ri[X.] Bellay ist wegen Urlaubs an der Unterschrifts-leistung gehindert.

[X.]

Meta

5 StR 599/15

15.02.2016

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.02.2016, Az. 5 StR 599/15 (REWIS RS 2016, 16321)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 16321

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