Bundesgerichtshof, Beschluss vom 08.01.2015, Az. 2 StR 123/14

2. Strafsenat | REWIS RS 2015, 17443

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Gegenstand

Strafverfahren: Frage der Fortdauer der Untersuchungshaft als Verständigungsinhalt


Tenor

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 17. September 2013 wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der [X.] keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die dem Nebenkläger im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Ergänzend bemerkt der Senat:

Der Erörterung bedarf lediglich die vom Angeklagten erhobene Verfahrensrüge, mit der er eine Verletzung von § 243 Abs. 4 Satz 1 [X.] rügt.

Mit dieser [X.] macht der Angeklagte geltend, der [X.]vorsitzende habe entgegen § 243 Abs. 4 [X.] zu keinem Zeitpunkt Mitteilung darüber gemacht, ob und gegebenenfalls mit welchem Inhalt [X.] im Sinne von § 257c [X.] stattgefunden hätten. Tatsächlich habe es derartige [X.]e gegeben. Ein Verteidiger habe mit dem damaligen Vorsitzenden der [X.] eine mögliche Haftverschonung des Angeklagten unter Stellung einer Kaution von 50.000 € erörtert. Inhalt der [X.]e sei auch eine mögliche Bewertung des Tatverhaltens des Angeklagten gewesen, auch wenn die erörterten Zumessungserwägungen nicht zu einer Fixierung konkreter Zahlen geführt habe. Eine Vereinbarung hinsichtlich der Haftfrage sei an der Zustimmung der Staatsanwaltschaft gescheitert. Dass über diese [X.]e in der Hauptverhandlung nichts mitgeteilt worden sei, verstoße gegen die Transparenzpflicht aus § 243 Abs. 4 [X.]; der vor der Beginn der Hauptverhandlung erfolgte Wechsel in der Person des Vorsitzenden lasse die Pflicht zur Mitteilung im Sinne von § 243 Abs. 4 [X.] nicht entfallen. Auf einem solchen Verstoß beruhe regelmäßig auch das Urteil, worauf das [X.] unmissverständlich hingewiesen habe.

1. Die [X.] ist zulässig erhoben. Der Angeklagte hat - wie es nach der Rechtsprechung des Senats zur Zulässigkeit der [X.] erforderlich ist (vgl. Beschluss vom 25. November 2014 - 2 [X.], Rn. 4, 6) - vorgetragen, dass und mit welchem Inhalt Erörterungen im Vorfeld der Hauptverhandlung stattgefunden haben. Es ist - was die [X.] trotz des Vorbringens zu [X.]en zwischen Verteidigung und Gericht im Ermittlungsverfahren unzulässig machen würde - auch nicht ausgeschlossen, dass es sich um ein auf Verständigung im Sinne von § 257c [X.] abzielendes [X.] gehandelt haben könnte.

2. Die [X.] ist aber unbegründet. Zwar liegt - unabhängig davon, ob es [X.]e im Sinne von § 257c [X.] vor der Hauptverhandlung gegeben hat - eine Verletzung des § 243 Abs. 4 Satz 1 [X.] vor, wenn es wie im zugrunde liegenden Fall keine Negativmitteilung gegeben hat ([X.] NStZ 2014, 592, 593 f.). Sie entfällt auch nicht durch den zum Beginn der Hauptverhandlung erfolgten Wechsel in der Person des Vorsitzenden [X.], der die Mitteilungspflicht des neuen Vorsitzenden unberührt lässt ([X.], 3385). Auf diesem Verstoß aber beruht die angefochtene Entscheidung nicht. Denn es ist unter Berücksichtigung einer dienstlichen Äußerung des ehemaligen Vorsitzenden der [X.], die der Revisionsgegenerklärung der Staatsanwaltschaft beigefügt war und der der Angeklagte nicht entgegengetreten ist, ausgeschlossen, dass verständigungsbezogene [X.]e zwischen Verteidigung und Angeklagten geführt worden sind (vgl. zum Beruhensausschluss [X.]E 133, 168, 223 Rn. 98; [X.] NStZ 2014, 592, 584; Senat aaO Rn. 5 mwN).

Nach der Erinnerung des ehemaligen Vorsitzenden der [X.] hat es zwei kurze [X.]e mit einem der Verteidiger des Angeklagten gegeben. Dabei habe es sich nicht um [X.] gehandelt, es sei nicht um die Bewertung des Tatverhaltens des Angeklagten gegangen. Der Verteidiger habe lediglich angefragt, ob aus Sicht der Kammer eine Haftverschonung bei Zahlung einer Kaution möglich sei. Dies sei aus seiner Sicht nicht in Betracht gekommen; für den Fall, dass die Staatsanwaltschaft eine solche demgegenüber für vertretbar halten sollte, sei in Aussicht gestellt worden, dass sich die [X.] dem möglicherweise nicht verschließen würde.

Auf der Grundlage dieser dienstlichen Äußerung sind zwischen dem Verteidiger des Angeklagten und dem ehemaligen Vorsitzenden der [X.] lediglich [X.]e über eine Haftverschonung bei [X.] gegeben. Solche [X.]e stellen keine [X.]e dar, über die gemäß § 243 Abs. 4 Satz 1 [X.] Mitteilung zu machen wäre.

Zwar kann die Frage der Fortdauer von Untersuchungshaft grundsätzlich Gegenstand einer Verständigung im Sinne von § 257c Abs. 2 [X.] sein (Senat, [X.], 219). Erforderlich für ein auf Verständigung abzielendes [X.] ist aber, dass die Frage der Untersuchungshaft mit einem für das Verfahren bedeutsamen Verhalten des Angeklagten verknüpft ist oder wird. In Betracht kommt auch insoweit ein Geständnis, das regelmäßig Bestandteil einer Verständigung sein soll (§ 257c Abs. 2 Satz 2 [X.]) und etwa die Verdunkelungsgefahr entfallen lassen kann. Denkbar ist aber auch ein sonstiges, für den Fortgang und das Ergebnis des Verfahrens bedeutsames Prozessverhalten wie etwa der Verzicht auf Beweis-, Befangenheits-, Unterbrechungs- oder Aussetzungsanträge (vgl. [X.]/[X.], in: [X.] Kommentar zur [X.], 7. Aufl., § 257c, Rn. 22). Das bloße Angebot, eine angemessene Sicherheit im Sinne von § 116 Abs. 1 Nr. 4 [X.] zu stellen, reicht hierfür nicht. Es erschöpft sich in seiner Bedeutung für die Klärung der Haftfrage und hat keine Auswirkungen auf den weiteren Gang des Verfahrens.

Fischer                                  Schmitt                           Krehl

                   Eschelbach                               [X.]

Meta

2 StR 123/14

08.01.2015

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Aachen, 17. September 2013, Az: 52 Ks 401 Js 53/13 K - 7/13

§ 116 Abs 1 S 2 Nr 4 StPO, § 243 Abs 4 S 1 StPO, § 257c Abs 2 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 08.01.2015, Az. 2 StR 123/14 (REWIS RS 2015, 17443)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 17443

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2 StR 389/13

2 StR 123/14

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