Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 02.08.2016, Az. 2 StR 574/15

2. Strafsenat | REWIS RS 2016, 7235

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

[X.]:[X.]:[X.]:2016:020816B2STR574.15.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2
StR 574/15

vom
2. August
2016
in der Strafsache
gegen

wegen Raubes u.a.

-
2
-
Der 2.
Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und des Beschwerdeführers am 2.
August 2016 gemäß §
349 Abs.
2 und 4 StPO beschlossen:

1.
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Land-gerichts [X.] vom 28.
Juli 2015 mit den zugehörigen Fest-stellungen aufgehoben; jedoch bleiben die unter [X.] der Ur-teilsgründe getroffenen Feststellungen zum äußeren [X.] -
mit Ausnahme der Feststellungen im Fall [X.]
5 der Urteilsgründe
-
aufrechterhalten.
2.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen [X.] und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere [X.] des [X.] zurückverwiesen.
3.
Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen räuberischen Diebstahls in zwei Fällen, Raubes, gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Beleidi-gung und exhibitionistischer Handlung, wegen Diebstahls in Tateinheit mit ver-suchter Körperverletzung, versuchten Diebstahls und wegen exhibitionistischer Handlung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an-1
-
3
-
geordnet. Vom Vorwurf der fahrlässigen Brandstiftung hat die [X.] den Angeklagten wegen nicht ausschließbarer Schuldunfähigkeit zum Zeitpunkt der Tat freigesprochen. Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung
formellen und materiellen Rechts rügt, hat mit der Sachrüge in dem aus der [X.] ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet (§
349 Abs.
2 StPO).
1.
Die von dem Angeklagten erhobenen Verfahrensrügen bleiben aus den Gründen der Antragsschrift des [X.] vom 2.
März 2016 ohne Erfolg.
2.
Die Schuldfähigkeitsprüfung ist nicht rechtsfehlerfrei.
a)
Das sachverständig beratene [X.] hat zum Zustand des Ange-klagten festgestellt, dass er an einer paranoiden Schizophrenie, an einer disso-zialen Persönlichkeitsstörung und an einer Alkoholabhängigkeit leide. [X.] aufgrund der Schizophrenie des Angeklagten sei dessen Schuldfähig-keit in den Fällen [X.]

im Sinne von §

(Fälle
[X.]
1,
6 bis 8 der Urteilsgründe) könne eine erheblich verminderte Schuldfähigkeit des Ange-klagten nicht
ausgeschlossen werden. Im
Fall
[X.]
5 der Urteilsgründe könne zu-dem der Zustand der Schuldunfähigkeit im Sinne von §
20 StGB nicht ausge-schlossen werden.
b)
Diese Wertungen sind in mehrfacher Hinsicht rechtsfehlerhaft.

2
3
4
5
-
4
-
Nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] kann für die Anwendung der §§
20, 21 StGB schon regelmäßig nicht
offen bleiben, [X.] der Eingangsvoraussetzungen des §
20 StGB gegeben ist (vgl. [X.], [X.] vom 12.
November 2004 -
2
StR
367/04, [X.], 347, 351 mwN). Der Tatrichter ist gehalten, konkrete Feststellungen zu den handlungsleitenden Auswirkungen der Störung zu den jeweiligen [X.] zu treffen (vgl. §
20 StGB). Deswegen darf auch nicht offen bleiben, ob die Einsichts-
oder die Steuerungsfähigkeit des [X.] vermindert war (vgl. [X.], aaO, [X.], 347, 356
ff.). Eine verminderte Einsichtsfähigkeit ist strafrechtlich erst dann von Bedeutung, wenn sie das Fehlen der Einsicht zur Folge hat (vgl. [X.], [X.] vom 3.
Juli 2002 -
2
StR
198/02, [X.], 328; [X.], Urteil vom 25.
Januar 1995 -
3
StR
535/94, [X.]R StGB §
21 Einsichtsfähigkeit
6) wäh-rend die Schuld des Angeklagten nicht gemindert wird, wenn er ungeachtet [X.] erheblich verminderten Einsichtsfähigkeit das Unrecht seines Tuns zum Tatzeitpunkt tatsächlich eingesehen hat ([X.], Beschluss vom 30.
Juni 2015
-
3
StR
181/15; NStZ-RR 2015, 273; [X.], Urteil vom 17.
April 2014 -
2
StR 405/12, [X.]R StGB §
20 Einsichtsfähigkeit
4 mwN). Im Gegensatz dazu führt erheblich verminderte Steuerungsfähigkeit ohne Weiteres zur Anwendung des §
21 StGB. Wegen der unterschiedlichen Rechtsfolgen hat der Tatrichter sich deshalb Klarheit darüber zu verschaffen, welche Alternative des §
21 StGB vor-liegt (vgl. [X.], Beschluss vom 30.
Juni 2015 -
3
StR
181/15; NStZ-RR 2015, 273, 274;
Urteil vom 25.
Januar 1995 -
3
StR
535/94, [X.]R StGB §
21 Ein-sichtsfähigkeit
6). Das hat das [X.] versäumt.

nicht aus-schließbar
erheblich verminderter Schuldfähigkeit bzw. nicht auszuschließender Schuldunfähigkeit ausgegangen, ohne sich festzulegen, ob die Einsichts-
oder die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten vermindert oder aufgehoben war.
6
7
-
5
-
Zudem hat das [X.] offen gelassen, in welchen forensisch relevanten Eigenschaften, Dispositionen oder Einschränkungen der Einsichts-
oder Steue-rungsfähigkeit die festgestellte paranoide Schizophrenie des Angeklagten sich überhaupt ausdrückt.
Auch dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe lässt sich nicht ein-deutig entnehmen, dass die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten
bei Bege-hung der Taten erheblich vermindert war oder er das Unrecht tatsächlich einge-sehen hatte, aber auch nicht, dass er keine Einsichtsfähigkeit hatte und ob ihm das vorzuwerfen ist. Auf dieser Grundlage kann der [X.] nicht mit Sicherheit ausschließen, dass die Voraussetzungen des §
20 StGB beim Angeklagten in sämtlichen Fällen vorlagen, wenn dies auch nicht naheliegt.
c)
Dies führt zur Aufhebung des gesamten Urteils. Angesichts der gegen die Schuldfähigkeitsprüfung des [X.] bestehenden Bedenken sind auch die Voraussetzungen einer Unterbringung nach §
63 StGB nicht rechtsfeh-lerfrei belegt. Dass allein der Angeklagte Revision eingelegt hat, hindert [X.] nicht, auch den Freispruch im Fall
[X.]
5 der Urteilsgründe aufzuheben (§
358 Abs.
2 Satz
2 StPO; vgl. auch [X.], Beschluss vom 5.
August 2014
-
3
StR
271/14, [X.]R StPO §
358 Abs.
2 Satz
2 Freispruch
1).
Von der Aufhebung ausgenommen sind allerdings die rechtsfehlerfrei ge-troffenen Feststellungen zum äußeren Geschehensablauf in den Fällen
[X.]
1 bis
4, 6 bis 8 der Urteilsgründe. Lediglich im
Fall
[X.]
5 der Urteilsgründe sind auch die getroffenen Feststellungen zum äußeren Geschehensablauf auf-zuheben. Das [X.] hat ausweislich der Urteilsgründe nicht festzustellen vermocht, durch welches Verhalten der Angeklagte das Feuer verursacht hat. 8
9
10
-
6
-
Damit lässt sich aber schon nicht beurteilen, ob und inwieweit das Verhalten des Angeklagten sorgfaltswidrig und damit fahrlässig war.
Fischer
Appl
Eschelbach

Ott
Zeng

Meta

2 StR 574/15

02.08.2016

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 02.08.2016, Az. 2 StR 574/15 (REWIS RS 2016, 7235)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 7235

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

4 StR 215/16 (Bundesgerichtshof)

Feststellung einer erheblich verminderten Einsichtsfähigkeit: Voraussetzungen für das Vorliegen von Schuldunfähigkeit oder verminderter Schuldfähigkeit


2 StR 375/17 (Bundesgerichtshof)

Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus: Schuldunfähigkeit oder verminderte Schuldfähigkeit bei diagnostizierter schizoaffektiver Störung


3 StR 181/15 (Bundesgerichtshof)

Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus: Abgrenzung von Schuldunfähigkeit und verminderter Schuldfähigkeit bei erheblich verminderter Einsichtsfähigkeit; …


4 StR 145/18 (Bundesgerichtshof)

Verbindung von Strafsachen: Zuständiges Gericht für einen Verbindungsbeschluss bei Strafverfahren mit verschiedener örtlicher und sachlicher …


3 StR 314/21 (Bundesgerichtshof)

Strafverurteilung wegen Wohnungseinbrüchen eines psychisch kranken Straftäters: Fehlerhafte Begründung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus …


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.