Bundesgerichtshof, Beschluss vom 24.11.2021, Az. XII ZB 359/21

12. Zivilsenat | REWIS RS 2021, 861

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Gegenstand

Versorgungsausgleichssache: Zulässigkeit einer erneuten Totalrevision im Abänderungsverfahren; Abänderung einer Härtefallregelung


Leitsatz

1. Wurde eine nach früherem Recht ergangene Entscheidung über den Versorgungsausgleich bereits in einem Abänderungsverfahren einer Totalrevision nach § 51 VersAusglG unterzogen, steht für eine weitere Abänderung nicht mehr eine erneute Totalrevision nach § 51 VersAusglG offen, sondern nur noch das Verfahren der Abänderung in Bezug auf einzelne Anrechte gemäß § 225 FamFG i.V.m. § 32 VersAusglG.

2. Die Abänderung einer nach § 27 VersAusglG ergangenen Härtefallregelung aufgrund einer späteren Änderung der zugrunde gelegten Umstände des Einzelfalls ohne einhergehende Wertänderung des Anrechts gemäß § 225 FamFG i.V.m. § 32 VersAusglG sieht das Gesetz nicht vor (Fortführung der Senatsbeschlüsse vom 15. März 1989 - IVb ZB 183/87, FamRZ 1989, 725 und BGH, Beschluss vom 2. Oktober 1996 - XII ZB 96/93, BGHZ 133, 344 = FamRZ 1996, 1540).

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 11. Zivilsenats - Familiensenat - des [X.] vom 15. Juni 2021 wird auf Kosten des Antragstellers zurückgewiesen.

Wert: 1.200 €

Gründe

I.

1

Der Antragsteller (im Folgenden: Ehemann) begehrt die Abänderung einer Entscheidung zum Versorgungsausgleich im Wege einer „Totalrevision“ nach § 51 Abs. 1 [X.].

2

Die am 8. März 1973 geschlossene Ehe des 1943 geborenen [X.] mit der früheren Ehefrau wurde auf den am 23. Mai 1989 zugestellten Scheidungsantrag mit Urteil des Familiengerichts vom 19. September 1989 rechtskräftig geschieden und der Versorgungsausgleich geregelt.

3

Während der Ehezeit (1. März 1973 bis 30. April 1989) hatten der Ehemann ein Anrecht in der Soldatenversorgung des [X.] in Höhe von monatlich 1.998,40 [X.] und die Ehefrau ein Anrecht in der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von monatlich 103,40 [X.] erworben. Das Familiengericht führte den Versorgungsausgleich im Wege des [X.] durch, indem es zulasten des Anrechts des [X.] ein Anrecht der Ehefrau in der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von 947,50 [X.] monatlich, bezogen auf das Ende der Ehezeit, begründete.

4

Die Ehefrau verstarb am 5. Januar 2010. Der Ehemann, der eine Pension aus der Soldatenversorgung bezieht, begehrte mit Antrag vom 11. März 2010 eine Abänderung der Entscheidung über den Versorgungsausgleich wegen wesentlicher Wertänderung, nämlich der Absenkung des Höchstruhegehaltsatzes seiner Soldatenversorgung. Das [X.] führte die Abänderung nach § 51 [X.] durch, indem es im Wege der internen Teilung zulasten des Anrechts des [X.] zugunsten der verstorbenen Ehefrau ein Anrecht in Höhe von 827,19 [X.] monatlich, bezogen auf den 30. April 1989, übertrug. Dem lag die Erwägung zugrunde, dass die Anrechte beider Ehegatten im Wege der Totalrevision intern zu teilen seien, der Ehemann aber mit dem für ihn zu begründenden Anrecht in der gesetzlichen Rentenversicherung nicht die Wartezeit erfülle, weshalb gemäß § 27 [X.] der Ausgleich seines Anrechts auf das Maß zu beschränken sei, das einer Saldierung beider Anrechte nach korrespondierenden Kapitalwerten entspreche.

5

Mit Antrag vom 29. Januar 2020 hat der Ehemann eine erneute Abänderung der Entscheidung über den Versorgungsausgleich begehrt. Er beruft sich nun auf eine nach der ersten Abänderung eingetretene wesentliche Änderung des Werts der gesetzlichen Rentenversicherung seiner Ehefrau und erstrebt im Hinblick auf deren Vorversterben eine Rückgängigmachung des gesamten Versorgungsausgleichs.

6

Das Familiengericht hat ausgesprochen, dass ein Versorgungsausgleich ab dem 1. Februar 2020 nicht stattfinde. Auf die Beschwerde der Generalzolldirektion (Beteiligte zu 1) hat das [X.] die Entscheidung abgeändert und den Antrag des [X.] zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich seine zugelassene Rechtsbeschwerde.

II.

7

[X.] ist nicht begründet.

8

1. Das [X.] hat seine Entscheidung wie folgt begründet: Eine erneute Abänderung im Wege der Totalrevision nach § 51 [X.] komme nicht in Betracht. Auch soweit im ersten Abänderungsverfahren der Sache nach einer Gesamtsaldierung der Anrechte vorgenommen worden sei, beruhe dies auf einer Anwendung des § 27 [X.] und könne nicht einer Entscheidung nach dem bis zum 31. August 2009 geltenden Recht gleichgestellt werden.

9

Die erneute Abänderung richte sich daher allein nach § 225 Abs. 2 und 3 FamFG. Zwar lägen deren Voraussetzungen vor, da wenigstens ein Anrecht eine wesentliche Änderung erfahren habe. Denn der Ausgleichswert des Anrechts der Ehefrau habe sich von monatlich 31,20 € auf 59,77 € erhöht, was sowohl die relative als auch die absolute Wesentlichkeitsgrenze überschreite. Da das Anrecht aber in der ersten [X.] nicht geteilt, sondern nur im [X.] berücksichtigt worden sei, komme eine Abänderung des [X.] dieses Anrechts ohne Einbeziehung der anderen bestehenden Anrechte, wie § 225 Abs. 2 FamFG es vorsehe, nicht in Betracht. Auch eine Fehlerkorrektur der vorangegangenen Entscheidung, bei der bereits § 31 [X.] hätte angewendet werden können, komme aufgrund der eingetretenen Rechtskraft nicht in Betracht.

2. Dies hält einer rechtlichen Nachprüfung stand.

a) Eine (erneute) Abänderung nach § 51 [X.] ist nicht eröffnet, weil es sich bei der hier abzuändernden Entscheidung nicht um eine solche handelt, die nach dem Recht getroffen worden ist, das bis zum 31. August 2009 gegolten hat (§ 51 Abs. 1 Satz 1 [X.]).

Wurde die Erstentscheidung über den Versorgungsausgleich bereits abgeändert, unterliegt zwar auch die [X.], wenn sie nach dem bis 31. August 2009 gegoltenen Recht ergangen ist (§ 10 a VAHRG), einer weiteren Abänderung nach § 51 [X.] (vgl. [X.]/[X.]. § 51 [X.] Rn. 5).

Wurde eine nach früherem Recht ergangene Entscheidung über den Versorgungsausgleich aber bereits in einem Abänderungsverfahren nach § 51 [X.] einer Totalrevision unterzogen und sind die in den Ausgleich einbezogenen Anrechte fortan nach den §§ 9 bis 19 [X.] geteilt, steht für eine weitere Abänderung nicht mehr eine erneute Totalrevision nach § 51 [X.] offen, sondern nur noch das Verfahren der Abänderung in Bezug auf einzelne Anrechte gemäß § 225 FamFG iVm § 32 [X.] (vgl. etwa Senatsbeschluss vom 22. Juni 2016 - [X.] 350/15 - FamRZ 2016, 1649 Rn. 13 ff.).

So liegt der Fall hier. Das [X.] führte in seiner ersten [X.] eine Totalrevision nach § 51 [X.] durch und teilte die einbezogenen Anrechte nach den §§ 9 bis 19 [X.]. Dabei sah es von einem Ausgleich des Anrechts der Ehefrau bei der Scheidung ab, weil dies für den Ehemann als ausgleichsberechtigte Person im Hinblick auf die nicht zu erreichende Wartezeiterfüllung in der gesetzlichen Rentenversicherung unwirtschaftlich gewesen wäre (§ 19 Abs. 2 Nr. 3 [X.]). Das Anrecht des [X.] teilte das [X.] intern. Hierbei wich es gemäß § 27 [X.] von der Halbteilung ab und kürzte den Ausgleichswert im Umfang des nach § 19 [X.] unausgeglichen gebliebenen Anrechts der Ehefrau. Die Vorschrift des § 31 [X.], deren Geltung im Rahmen des § 51 [X.] seinerzeit noch umstritten war, blieb unangewendet. Wenngleich das [X.] damit in der Sache eine Saldierung der gegenüberstehenden Anrechte nach korrespondierenden Kapitalwerten vornahm, handelt es sich dabei nicht um einen [X.] nach dem Recht, das bis zum 31. August 2009 gegolten hat, sondern um einen Einzelausgleich unter Anwendung der §§ 10, 19 und 27 [X.]. Eine solche Entscheidung kann nicht im Wege der weiteren Totalrevision nach § 51 [X.] abgeändert werden.

b) Mit dem Ziel der Abänderung eines Einzelausgleichs (§ 225 FamFG) hat der Antrag ebenfalls keinen Erfolg, da das Anrecht im Zuge der vorangegangenen [X.] wegen fehlender Ausgleichsreife nicht ausgeglichen, sondern nur als Verrechnungsposten im Rahmen einer Härtefallprüfung nach § 27 [X.] herangezogen wurde. Die Abänderung einer nach dieser Vorschrift ergangenen Härtefallregelung aufgrund späterer Änderung der zugrunde gelegten Umstände des Einzelfalls sieht das Gesetz aber nicht vor (vgl. [X.] FamFG/[X.] [Stand: 1. Oktober 2021] § 226 Rn. 3; [X.] in [X.]/[X.]/[X.] FamFG 12. Aufl. § 266 Rn. 4 sowie zum früheren Recht Senatsbeschlüsse vom 15. März 1989 - [X.] - FamRZ 1989, 725, 726 und BGHZ 133, 344 = FamRZ 1996, 1540, 1541 f.).

c) Bloße Rechen- oder Rechtsanwendungsfehler im Ausgangsverfahren eröffnen ebenfalls nicht die Abänderungsmöglichkeit ([X.], 91 = [X.], 1548 Rn. 16 ff.), weshalb es nicht darauf ankommt, ob schon im ersten Abänderungsverfahren § 31 [X.] hätte zur Anwendung kommen können. Auch bei einer Anwendung des § 31 [X.] im ersten Abänderungsverfahren, wie sie der nachfolgend ergangenen Senatsrechtsprechung entsprochen hätte (vgl. Senatsbeschluss vom 5. Februar 2020 - [X.] 147/18 - FamRZ 2020, 743 Rn. 22 mwN), wäre kein Versorgungsausgleich zulasten des [X.] durchgeführt worden und hätte eine nachfolgende Werterhöhung des Anrechts der Ehefrau keine (weitere) Abänderungsmöglichkeit für den Ehemann eröffnet. Der Umstand, dass dem Ehemann weder das Abänderungsverfahren offensteht noch er von der Regelung des § 31 [X.] profitiert, stellt sich als hinzunehmende Konsequenz der Rechtskraft der Entscheidung über seinen ersten Abänderungsantrag dar.

Dose     

      

Schilling     

      

[X.]

      

Botur     

      

Guhling     

      

Meta

XII ZB 359/21

24.11.2021

Bundesgerichtshof 12. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend OLG Stuttgart, 15. Juni 2021, Az: 11 UF 77/20

§ 225 FamFG, § 226 Abs 3 FamFG, § 27 VersAusglG, § 31 VersAusglG, § 32 VersAusglG, § 51 VersAusglG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 24.11.2021, Az. XII ZB 359/21 (REWIS RS 2021, 861)

Papier­fundstellen: MDR 2022, 439 REWIS RS 2021, 861

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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XII ZB 350/15

XII ZB 147/18

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