Bundesgerichtshof, Beschluss vom 14.09.2022, Az. 5 StR 221/22

5. Strafsenat | REWIS RS 2022, 5457

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Tenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 28. Januar 2022 im Schuldspruch im Fall [X.] und im Ausspruch über die [X.] aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu erneuter Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Jugendkammer des [X.] zurückverwiesen.

Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung in drei tateinheitlichen Fällen, gefährlicher Körperverletzung in zwei tateinheitlichen Fällen in Tateinheit mit Diebstahl, versuchter räuberischer Erpressung in Tateinheit mit Körperverletzung, gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen sowie wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Jugendstrafe von vier Jahren verurteilt. Dagegen wendet sich der Beschwerdeführer mit seiner auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen erweist es sich als unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

2

1. Mit Blick auf die Schuldsprüche in den Fällen II.1, 2, 4 bis 6 zeigt die Revision – auch unter Berücksichtigung des [X.] – aus den in der Antragsschrift des [X.] genannten Gründen Rechtsfehler nicht auf.

3

2. Im Fall II.3 kann der Schuldspruch hingegen keinen Bestand haben. Denn das [X.] hat es versäumt, sich in den Urteilsgründen mit der sich aufdrängenden Frage zu befassen, ob der Angeklagte in diesem Fall vom Versuch der räuberischen Erpressung zurückgetreten ist.

4

a) Nach den hierzu getroffenen Feststellungen versuchte der Angeklagte im Zeitraum vom 25. Januar bis zum 11. Februar 2021, einen ihm bereits zuvor bekannten 16-Jährigen zur Herausgabe von dessen neuen Turnschuhen zu bringen. Am 25. Januar 2021 sah er ihn erstmals mit den neuen Schuhen und forderte deren Herausgabe; der Geschädigte ging darauf indes nicht ein und verweigerte dies. Auch mehrere Anrufe des Angeklagten bei dem Geschädigten, in denen er an seiner – wie er wusste unberechtigten – Forderung festhielt und für den Fall der Nichterfüllung Schläge androhte, bewegten den Geschädigten nicht zur Herausgabe der Schuhe.

5

Am 11. Februar 2021 trafen beide an einer U-Bahn-Haltestelle zufällig aufeinander; der Geschädigte ergriff aus Angst sofort die Flucht, der Angeklagte verfolgte ihn jedoch und stellte ihn an einem Kinderspielplatz. Der Angeklagte forderte erneut die Herausgabe der Schuhe, die der Geschädigte verweigerte. Um seiner Forderung mit Gewalt Nachdruck zu verleihen, schlug und trat der Angeklagte nun mehrfach auf den Geschädigten ein, unter anderem mit Schlägen ins Gesicht und auf den Hinterkopf, einem Tritt gegen den Hals und weiteren Schlägen gegen den Körper; zudem bedrohte er ihn, zog ihn am Ohr und an den Haaren und rammte dem vor Schmerzen wimmernden Geschädigten sein Knie in den Bauch. Ein Freund des Angeklagten filmte das Geschehen. Der Angeklagte drohte nun das Video, in dem er den Geschädigten als Drogenkonsumenten beschimpfte, auf [X.] hochzuladen; auch dadurch sollte der Druck auf ihn erhöht werden, dem Angeklagten die Turnschuhe zu überlassen, was der Geschädigte gleichwohl nicht tat. [X.] ließ der Angeklagte schließlich von ihm ab.

6

b) Die Urteilsgründe weisen einen Erörterungsmangel auf, weil sie die naheliegende Frage eines strafbefreienden Rücktritts nicht in den Blick nehmen. Insbesondere hat die [X.] keine Feststellungen zu der Vorstellung des Angeklagten im Zeitpunkt nach seiner letzten Ausführungshandlung getroffen (sogenannter Rücktrittshorizont, vgl. dazu etwa [X.], Beschlüsse vom 18. Juli 2019 – 5 StR 235/19 mwN; vom 19. Mai 1993 – [X.], [X.]St 39, 221, 227 f.). So bleibt offen, ob er davon ausging, er könne das von ihm angestrebte Nötigungsziel durch weitere Aufrechterhaltung oder gegebenenfalls Verschärfung seines Bedrohungsszenarios noch erreichen. Es bleibt vielmehr gänzlich unklar, warum er die Herausgabe der Schuhe in der [X.] gegen den „wimmernden“ und auf dem Boden hockenden Geschädigten nicht gewaltsam durchsetzte. Es kann daher nicht beurteilt werden, ob der Versuch der räuberischen Erpressung unbeendet, beendet oder aufgrund Fehlschlags nicht mehr rücktrittsfähig war. Da im Falle eines unbeendeten Versuchs der Angeklagte mit Ablassen von dem Geschädigten nach § 24 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 StGB durch freiwilliges Abstandnehmen von weiteren Ausführungshandlungen vom Versuch der räuberischen Erpressung strafbefreiend zurückgetreten sein könnte, durfte dies nicht offen bleiben.

7

3. Die danach erforderliche Aufhebung des Schuldspruchs im Fall [X.] erfasst auch die für sich genommen rechtsfehlerfreie Verurteilung wegen tateinheitlich verwirklichter Körperverletzung und bedingt zudem die Aufhebung der – für sich genommen maßvollen – Einheitsjugendstrafe.

8

Zur Frage des [X.] des Angeklagten bei Aufgabe der Tat sind – wie dargelegt – im neuen Rechtsgang nunmehr Feststellungen zu treffen. Die Feststellungen zum Schuld- und diejenigen zum Strafausspruch können bestehen bleiben, weil sie rechtsfehlerfrei zustande gekommen sind (§ 353 Abs. 2 StPO). Sie können durch neue ergänzt werden, sofern diese den bisherigen nicht widersprechen.

[X.]     

      

[X.]     

      

Köhler

      

Resch     

      

von Häfen     

      

Meta

5 StR 221/22

14.09.2022

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Hamburg, 28. Januar 2022, Az: 614 Ks 3/21 jug

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 14.09.2022, Az. 5 StR 221/22 (REWIS RS 2022, 5457)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 5457

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Wird zitiert von

5 StR 77/23

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