Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 02.04.2003, Az. IV ZB 28/02

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2003, 3593

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[X.] 28/02vom2. April 2003in der [X.]: ja[X.]Z: ja_____________________[X.] § 2077§ 2077 [X.] ist auf die Erbeinsetzung von [X.] nicht ent-sprechend anwendbar.[X.], Beschluß vom 2. April 2003 - [X.] - [X.] Halle- 2 -Der IV. Zivilsenat des [X.] hat durch die [X.] und [X.], die Richterin [X.] und die [X.] und [X.] 2. April 2003beschlossen:Auf die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1) wird derBeschluß der 2. Zivilkammer des [X.] vom15. Oktober 2001 im Kostenpunkt und insoweit aufgeho-ben, als zu ihrem Nachteil erkannt worden ist.Die Beschwerde des Beteiligten zu 2) gegen die Erteilungdes Erbscheins wird auf seine Kosten zurückgewiesen.Das Verfahren der weiteren Beschwerde ist gerichtsge-bührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstat-tet.Der Gegenstandswert für das Verfahren der weiteren Be-schwerde beträgt 9.970,19 Gründe:[X.] Die Beteiligten streiten über die Erbfolge nach der Mutter [X.] zu 2) bzw. früheren Schwiegermutter der Beteiligten zu 1).- 3 -In dem aus Anlaß ihrer Ausreise nach [X.] errichtetennotariellen Testament vom 24. September 1976 berief die Erblasserin zuihren Erben ihren "[X.] E. ... sowie dessen Ehefrau [X.] ...zu gleichen Anteilen".Nach ihrer Rückkehr Anfang der 90iger Jahre lebte die Erblasserinim Haushalt der Beteiligten, bis diese sich 1996 trennten, und blieb dannbei ihrem [X.]. Die Ehe wurde am 7. März 2000 geschieden. Die Erb-lasserin verstarb am 14. Oktober 2000.Die Beteiligte zu 1) ist der Auffassung, sie sei als Person und nichtals Ehefrau bedacht und damit [X.] geworden. Der Beteiligte zu 2)hält dagegen ihre Erbeinsetzung wegen der Scheidung für [X.] verweist zusätzlich auf die Regelung des § 2077 [X.].Das Amtsgericht hat als Nachlaßgericht den von der Beteiligten zu1) beantragten gemeinschaftlichen Erbschein erteilt; danach ist die [X.] aufgrund testamentarischer Erbfolge von den Beteiligten zu [X.]/2 beerbt worden. Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 2) hat [X.] u.a. gestützt auf eine analoge Anwendung des § 2077Abs. 1 [X.], das Amtsgericht angewiesen, den gemeinschaftlichen Erb-schein einzuziehen. Das [X.] möchte der dagegen ge-richteten weiteren Beschwerde der Beteiligten zu 1) stattgeben, weil§ 2077 [X.] nicht analog auf die Erbeinsetzung von [X.]anzuwenden sei. Daran sieht es sich jedoch durch die gegenteilige Auf-fassung in dem ebenfalls im Verfahren der weiteren Beschwerde ergan-genen Beschluß des [X.]s Saarbrücken vom 23. Juni 1993- 4 -(FamRZ 1994, 1205 f. = NJW-RR 94, 589) gehindert und hat die [X.] dem [X.] gemäß § 28 Abs. 2 [X.] zur Entschei-dung vorgelegt.I[X.] Die Voraussetzungen einer Vorlage an den [X.]gemäß § 28 Abs. 2 [X.] sind gegeben. Die Entscheidung des Falleshängt von der Antwort auf die Vorlagefrage ab, die das [X.] anders entschieden hat, als es dem vorlegenden[X.] Naumburg zutreffend erscheint.Zwar beanstandet das [X.] Saarbrücken im Aus-gangspunkt seiner Entscheidung nur, das Beschwerdegericht habe dieallgemeinen Auslegungsregeln nicht berücksichtigt und die den besonde-ren erbrechtlichen Auslegungsregeln des § 2077 Abs. 1 und 3 [X.]zugrunde liegenden Rechtsgedanken nicht beachtet. Die weiteren Grün-de zeigen jedoch, daß die Entscheidung auf der analogen Anwendungdes § 2077 [X.] beruht. Ob die vom [X.] Saarbrückendeswegen angenommene Unwirksamkeit der Erbeinsetzung der spätergeschiedenen Schwiegertochter bereits über eine ergänzende Auslegungdes Erbvertrages zu erreichen gewesen wäre (vgl. [X.]/[X.], [X.][1995] § 2077 [X.]. 29; [X.]/[X.], [X.] 10. Aufl. § 2077 [X.]. [X.], Erbrecht, 19. Aufl. [X.]. 219), ist für die Statthaftigkeit der Vorlageohne Bedeutung. Erforderlich aber auch ausreichend ist, daß das vorle-gende [X.] bei der Beschlußfassung über die weitere Be-schwerde von der Entscheidung eines anderen [X.]s ab-weichen will, die von anderer Beurteilung der Rechtsfrage getragen wird(vgl. [X.]/[X.]/[X.], [X.] 13. Aufl. § 28 [X.]. 14 m.w.N.), und es- 5 -selbst die Rechtsfrage als erheblich ansieht (Senat, Beschluß vom [X.] 502/68 - [X.] 1968, 650 f.). Das ist hier der Fall.II[X.] Die gemäß §§ 20, 27, 29 [X.] zulässige weitere [X.] in der Sache Erfolg.1. Das Testament wurde zwar unter der Geltung des [X.] errichtet. Die Erblasserin starb aber erst nach der [X.]. Deshalb gilt für die Auslegung des [X.], um [X.] hier geht, das Bürgerliche Gesetzbuch. Die Ausnahmen des Art. 235§ 2 EG[X.] sind nicht gegeben.2. Das vorlegende [X.] stellt fest, daß der wirklicheWille der Erblasserin im vorliegenden Fall nicht ermittelbar ist und fürweitere Ermittlungen zum Sachverhalt keine Ansatzpunkte bestehen.Weder dem Testament noch den sonstigen Umständen lasse sich mithinreichender Sicherheit entnehmen, ob die Erbeinsetzung auch für [X.] gelten sollte, daß die Ehe der Beteiligten geschieden werde.Dem ist zuzustimmen. Für die Auslegung kommt es auf den [X.] bei Errichtung der [X.]en Verfügung an (vgl. [X.], Ur-teil vom 6. Mai 1959 - [X.] - FamRZ 1960, 28 unter [X.]; [X.]/Kuchinke, Erbrecht 5. Aufl. [X.]). Die bloße Angabe "Ehefrau" nebender vollen Namensnennung der Beteiligten zu 1) im Testament und dieunterbliebene Änderung nach Trennung und Scheidung erlauben [X.] ausreichenden Schlüsse darauf, ob die Erblasserin bei der Testa-mentserrichtung vor über 20 Jahren die Erbeinsetzung ihrer [X.] 6 -tochter vom Bestand der Ehe mit ihrem [X.] abhängig machen wollteoder nicht. Weiteres gibt es nach den gegebenen Umständen nicht zuermitteln.Damit bleibt die vorrangige individuelle Auslegung ohne [X.]) Das [X.] Saarbrücken hat - soweit ersichtlich -erstmalig eine analoge Anwendbarkeit von § 2077 [X.] in einem Fallbejaht, in dem die "zukünftige Ehefrau" des [X.]es der Erblasser nachdessen zukünftigen Kindern als weitere Ersatzerbin eingesetzt war. [X.] dieses [X.]s entspricht es regelmäßig - wie indem unmittelbar von § 2077 [X.] erfaßten Fall - dem Willen der Eltern,"daß der Ehegatte ihres Kindes nur dann Erbe wird, wenn mit dem Fort-bestand der familienrechtlichen Bindung noch gerechnet werden [X.] 1206).Dieser Ansicht hat sich unter bloßer Bezugnahme auf die Ent-scheidung und ohne weitere Auseinandersetzung und Begründung einTeil der Kommentarliteratur angeschlossen ([X.]/[X.], [X.]62. Aufl. § 2077 [X.]. 2; Soergel/[X.], [X.] 12. Aufl. Nachtrag [1996]§ 2077 [X.]. 22; [X.], [X.] 3. Aufl. § 2077 [X.]. 5; ab-weichend davon halten [X.]/[X.], aaO und [X.]/[X.],aaO bei dieser Fallkonstellation ein dem § 2077 [X.] entsprechendesErgebnis bereits im Wege der ergänzenden Auslegung für [X.]) Das vorlegende [X.] hält dem entgegen, daß [X.] als bei Ehegatten zwischen Schwiegereltern und [X.] nurein Schwägerschaftsverhältnis und regelmäßig keine Lebens- und Wirt-- 7 -schaftsgemeinschaft bestehe, die Erbeinsetzung des [X.] Ausnahme darstelle und für eine Erbeinsetzung durchaus andereMotive wie etwa ein besonders gutes persönliches Verhältnis in Betrachtkämen. Es sei daher nicht ohne weiteres möglich, in diesen Fällen aufeine regelmäßig vorhandene Willenslage der Erblasser zu schließen, daßeine solche Erbeinsetzung nur mit Rücksicht auf die bestehende Ehezwischen Kind und [X.] erfolgt. Dann fehle es aber auch [X.] inneren Rechtfertigung, die Beweis- bzw. Feststellungslast zu ver-ändern. Ohne eine analoge Anwendung des § 2077 [X.] bliebe demKind des Erblassers im Falle seiner Scheidung nur die Anfechtung desTestamentes gemäß § 2078 Abs. 2 [X.]. Dabei müsse der [X.], daß der Fortbestand der Ehe tragender Grund der Erbeinset-zung war. [X.] man dagegen § 2077 [X.] entsprechend an, hätte [X.] zu beweisen, daß es trotz der Scheidung zum Erben be-rufen sei (zur Beweis- und Feststellungslast bei § 2077 [X.] vgl. [X.]aaO unter II 2 a; [X.], 362 f. m.w.N.).3. Der Senat teilt die Auffassung des vorlegenden Oberlandesge-richts.a) Die Regelung des § 2077 [X.] soll einer nachträglich eintreten-den wesentlichen Veränderung in den Beziehungen von Erblasser [X.] mit Rücksicht auf die allgemeine Lebenserfahrung Rechnungtragen ([X.]/[X.], Erbrecht 13. Aufl. § 23 V 4). Das Gesetz gibt [X.] heute ganz h.M. mit § 2077 [X.] eine dispositive Auslegungsregelentsprechend dem von ihm vermuteten wirklichen Willen des Erblassers,der auf Hinfälligkeit des Testamentes u.a. im Scheidungsfall gerichtet ist([X.] aaO unter II 2 a; [X.]/[X.] aaO [X.]. 4, 5; jeweils m.w.[X.] 8 -Für den Regelfall mißt § 2077 Abs. 1 [X.] einer solchen [X.]enZuwendung den Inhalt zu, nur für den Fall des Bestehens der Ehe ge-troffen zu sein ([X.] aaO [X.]. 4).Damit ist der historische Gesetzgeber von der ursprünglich vorge-sehenen Anfechtbarkeit der Verfügung, weil der Erblasser von dem un-richtigen Motiv des Fortbestandes der Ehe bis zu seinem Tod ausgegan-gen sei, abgerückt. Er hat sich in diesen Fällen für die auf den vermutli-chen Willen des Erblassers sich stützende Annahme der regelmäßigenUnwirksamkeit der Verfügung entschieden und damit die Bedenken [X.], daß die Verfügung auf diese Weise gegen den Wil-len des Erblassers entkräftet werde, fallen gelassen. Denn wenn jemandseinen Ehegatten oder Verlobten [X.] bedenke, so wolle er ihn re-gelmäßig nur in der Eigenschaft als Ehegatten oder Verlobten bedenken;die Verfügung erweise sich dann schon vermöge ihres Inhalts als hinfäl-lig, wenn der dem Wortlaut nach Bedachte zur Zeit des Erbfalls jene we-sentliche Eigenschaft nicht mehr besitze ([X.], [X.] 3. Aufl. [1908]und 4. Aufl. [1930] § 2077 [X.] 1; [X.], Materialien zum [X.] [[X.]. 5 [X.], [X.], 28, 29, 537; Protokolle [X.] [1899] S. 58, 59; [X.].[X.] V S. 54; Prot. S. 6681/82).b) Es bedarf keiner näheren Betrachtung, ob diese vom [X.] unterstellte Lebenserfahrung im Hinblick auf den Wandel der Ein-stellungen zu Ehe, nicht ehelicher Lebensgemeinschaft und anderen Le-bensbeziehungen noch heutigem Verständnis entspricht. Die vom Ge-setzgeber gesehene und der gesetzlichen Regelung zugrunde gelegteRegelmäßigkeit der [X.] bei [X.]en Verfügungen unterEhegatten ist im Verhältnis von Schwiegereltern zu [X.] je-- 9 -denfalls nicht gegeben. Bereits das steht einer analogen Anwendung des§ 2077 [X.] entgegen. Die dafür erforderliche Rechtsähnlichkeit desnicht geregelten Tatbestandes, der von dem gesetzlich geregelten erfaßtwerden soll (vgl. nur [X.]/[X.] aaO Einl. [X.]. 40 m.w.N.), liegtnicht vor. Denn die schon bei der Entstehung des [X.] erörterte [X.] Entkräftung der [X.]en Verfügung gegen den [X.] in diesem Verhältnis in verstärktem Maß. Für [X.]e Zuwen-dungen an das [X.] können - worauf das vorlegende Gerichtzu Recht hinweist - ganz unterschiedliche Motive unabhängig von [X.] der Ehe mit dem Kind des Erblassers bestimmend gewesensein. Auch kommen in diesem Verhältnis nicht die bei einer Ehe beste-henden Versorgungsgesichtspunkte zum Tragen. Auf eine [X.], wie sie für § 2077 [X.] ausschlaggebend gewesen ist, läßt sichdaher bei der Einsetzung von [X.] nicht zurückgreifen.Fehlt es an solcher Lebenserfahrung, kann diese Regelung auch nichtdurch richterliche Rechtsfortbildung im Wege der Analogie zum allge-meinen Prinzip für [X.]e Zuwendungen an Ehepartner anderer [X.] werden.c) Besondere Umstände, wie z.B. die der Entscheidung des [X.] (aaO) zugrunde liegende [X.]e Zuwen-dung an einen im Zeitpunkt der Verfügung noch nicht vorhandenen Ehe-gatten, können bereits im [X.] ausreichend berücksichtigtwerden. Im übrigen stellt der Rückgriff auf das Anfechtungsrecht amehesten sicher, daß dem Erblasserwillen entsprochen wird. Denn für ei-nen von der Scheidung unabhängigen Zuwendungswillen im [X.] Errichtung spricht immerhin die unverändert gebliebene [X.]eVerfügung. Dies zu entkräften obliegt demjenigen, der sich für das von- 10 -ihm geltend gemachte Erbrecht auf einen davon abweichenden Erblas-serwillen beruft, also die Unwirksamkeit der Verfügung insoweit be-hauptet.Dem vorlegenden Gericht ist daher auch darin zuzustimmen, daßeiner Veränderung der [X.] über eine Analo-gie zu § 2077 [X.] in Anbetracht des durch die Verfügung weiterhin aus-gewiesenen Erbrechts die innere Rechtfertigung fehlt. Das vom [X.] unter Ehepartnern abweichende Näheverhältnis zwischen Schwie-gereltern und [X.] reicht nicht dafür, die Wirksamkeit [X.] allein wegen der gescheiterten Ehe in Frage zu stellen, da- wie ausgeführt - anders als bei Ehegatten insoweit die [X.] bedachten Person gegenüber ihrem familiären Status erheblich [X.] gewinnt. Es muß daher bei der für die [X.] [X.] und Beweislast verbleiben, wenn [X.], eine vorliegende [X.]e Verfügung sei nicht vom [X.] gedeckt.4. Eine [X.]anfechtung gemäß § 2078 Abs. 2 [X.] ist [X.] zu 2) nach den noch feststellbaren Umständen nicht [X.] 11 -Seine Beschwerde war daher insgesamt mit der Kostenfolge aus§ 13a Abs. 1 Satz 2 [X.] zurückzuweisen. Die Nebenentscheidungenzum Verfahren der weiteren Beschwerde beruhen auf §§ 13a Abs. 1Satz 1 [X.], 131 Abs. 1 Satz 2 und 31 Abs. 1 Satz 1 KostO.Seiffert [X.] [X.] Wendt Felsch

Meta

IV ZB 28/02

02.04.2003

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 02.04.2003, Az. IV ZB 28/02 (REWIS RS 2003, 3593)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2003, 3593

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