Bundesfinanzhof, Beschluss vom 25.01.2011, Az. V B 154/09

5. Senat | REWIS RS 2011, 10165

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Gegenstand

Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs - Rüge eines Verfahrensmangels wegen Nichtberücksichtigung des Inhalts der Akten - Einwendungen gegen die Schätzung der Haftungsquote


Leitsatz

NV: Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs durch Nichtgewährung von Akteneinsicht liegt nur vor, wenn die Akteneinsicht ausdrücklich verweigert worden ist. Das FG ist nicht verpflichtet, einen durch einen Steuerberater oder Rechtsanwalt vertretenen Steuerpflichtigen auf das Recht zur Akteneinsicht hinzuweisen.

Gründe

1

Die auf Verfahrensfehler (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Verfahrensmängel sind zum Teil nicht in einer den Erfordernissen des § 116 Abs. 3 Satz 3 [X.]O genügenden Weise dargelegt, zum Teil liegen sie nicht vor.

2

1. Ohne Erfolg rügt der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger), das Finanzgericht ([X.]) habe "durch Nichtvorlage der Unterlagen" die Pflicht zur Gewährung von Akteneinsicht (§ 78 [X.]O) verletzt und ihn nicht darauf hingewiesen, dass er Akteneinsicht beim [X.] hätte nehmen können.

3

Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs durch Nichtgewährung von Akteneinsicht liegt nur vor, wenn diese ausdrücklich verweigert worden ist (Beschluss des [X.] --[X.]-- vom 14. April 2009 [X.]/08, nicht amtlich veröffentlicht). Die Beschwerdeschrift enthält keine Ausführungen dazu, dass der Kläger Akteneinsicht erfolglos beantragt habe oder weshalb es ihm nicht möglich gewesen wäre, sich die beantragte Akteneinsicht (u.a. bei der Geschäftsstelle des [X.]) zu verschaffen. Das [X.] muss den Kläger insbesondere, wenn er --wie im [X.] im Verfahren durch einen fachkundigen Prozessbevollmächtigten vertreten ist, nicht auf das Recht zur Akteneinsicht besonders hinweisen.

4

2. Auch die Rüge der Verletzung der Sachaufklärungspflicht des [X.] durch Übergehen von [X.] führt nicht zur Zulassung.

5

a) Nach § 116 Abs. 3 Satz 3 [X.]O muss in der Beschwerdeschrift u.a. der Verfahrensmangel bezeichnet werden. Das Übergehen eines entscheidungserheblichen Beweisantrags kann einen solchen Verfahrensmangel darstellen. Wird jedoch ein Verstoß gegen die Beachtung von Verfahrensvorschriften gerügt, auf die gemäß § 155 [X.]O i.V.m. § 295 der Zivilprozessordnung verzichtet werden kann, setzt die zulässige Rüge des [X.] die Darlegung in der Beschwerdeschrift voraus, dass der Kläger auf sein Rügerecht nicht verzichtet habe.

6

Zu den verzichtbaren Mängeln gehört u.a. das Übergehen eines [X.] (vgl. z.B. [X.] vom 25. Mai 2010 [X.]/09, [X.], 1649, m.w.N.). Wird deshalb das Übergehen eines [X.] gerügt, gehört zur ordnungsmäßigen Bezeichnung des [X.] auch der Vortrag, dass die Nichterhebung der angebotenen Beweise in der mündlichen Verhandlung --in der im Streitfall der Kläger durch einen fachkundigen Prozessbevollmächtigten vertreten [X.] gerügt wurde oder weshalb diese Rüge nicht möglich war (ständige Rechtsprechung, z.B. [X.]-Urteil vom 9. Juli 1998 [X.], [X.], 161, [X.] 1998, 637; [X.] vom 8. Oktober 2003 [X.]/03, [X.], 217).

7

b) Soweit der Kläger rügt, das [X.] hätte "die u.a. in der mündlichen Verhandlung ... angebotenen Zeugen" vernehmen müssen (S. 4 bis 8 der Beschwerde), ist die Rüge nicht ordnungsgemäß erhoben. Wird --wie vorliegend-- als Verfahrensmangel i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 [X.]O Verletzung der Sachaufklärungspflicht durch Übergehen eines [X.] geltend gemacht, setzt eine schlüssige Verfahrensrüge u.a. folgende Angaben voraus:

-      die ermittlungsbedürftigen Tatsachen, die angebotenen Beweismittel und die dazu angegebenen Beweisthemen,

-      die genauen Fundstellen (Schriftsatz mit Datum und Seiten zahl, [X.]), in denen die Beweismittel und die Beweisthemen angeführt worden sind,

-      das voraussichtliche Ergebnis der Beweisaufnahme,

-      inwiefern das [X.]-Urteil aufgrund dessen sachlich-rechtlicher Auffassung auf der unterbliebenen Beweisaufnahme be ruhen kann (ständige Rechtsprechung des [X.], z.B. Beschluss vom 5. Oktober 2000 [X.]/00, [X.]/NV 2001, 330; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 115 Rz 93 f. und § 116 Rz 50 i.V.m. § 120 Rz 69, mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen).

8

Hieran fehlt es. Der Kläger hat in seiner Beschwerde --mit Ausnahme des Hinweises auf ein Beweisangebot in der mündlichen Verhandlung (hierzu unter [X.] keinerlei Ausführungen dazu gemacht, wann und wo er für welche Beweisthemata Beweise durch welche Zeugen angetreten hat; er hat darüber hinaus auch die nach seinen Angaben wesentlichen, vom [X.] bisher nicht gewürdigten Tatsachen, die der Zeuge hätte bekunden sollen, nicht hinreichend bezeichnet. Soweit die Beschwerde dahin zu verstehen sein könnte, dass die Nichtanhörung von Zeugen gerügt werden soll, die der Kläger bereits schriftsätzlich vor der mündlichen Verhandlung angeboten haben will, fehlt es darüber hinaus auch an der Darlegung, weshalb deren Nichtanhörung in der mündlichen Verhandlung nicht gerügt worden ist bzw. weshalb eine solche Rüge nicht möglich gewesen sein sollte. Aus dem Beschwerdevorbringen ergibt sich nur, dass der Kläger die Beurteilung des festgestellten Sachverhaltes durch das [X.] für fehlerhaft hält; mit solchen --der Revision vorbehaltenen-- Angriffen kann er im [X.] nicht gehört werden.

9

c) Ohne Erfolg rügt der Kläger die Nichtvernehmung der in der mündlichen Verhandlung als Zeugin angebotenen Buchhalterin [X.] Allerdings ist ein Gericht verpflichtet, einen angebotenen Beweis zu erheben, wenn nicht ausnahmsweise ein Grund für ein Absehen von der Beweiserhebung vorliegt. Letzteres ist nur dann der Fall, wenn das Beweismittel für die zu treffende Entscheidung unerheblich ist, wenn das [X.] die unter Beweis gestellte Tatsache als wahr unterstellt, wenn das Beweismittel nicht erreichbar ist oder wenn es unzulässig oder zum Nachweis der betreffenden Tatsache untauglich ist ([X.]-Urteil vom 10. April 2008 [X.], [X.]/NV 2008, 1356). Das [X.] hat die Vernehmung ausweislich seines Urteils (S. 10) abgelehnt, weil es die laut Protokoll der mündlichen Verhandlung behauptete Tatsache der Produktion der [X.] in [X.] und deren Lieferung nach [X.] als wahr unterstellt hat und davon ausgegangen ist, dass die Lieferung der Maschine entgegen dem Klägervortrag nicht der [X.], sondern der inländischen Firma des [X.] zuzurechnen sei, weil in den Auftragsbestätigungen die Preise auf [X.] lauteten, die Zahlung an die inländische Firma erbracht wurde, die [X.] Firma auf dem Scheck enthalten sei und die [X.] Steuerverwaltung deshalb von einer Besteuerung in [X.] abgesehen hatte. Die Ablehnung des [X.] war deshalb nicht verfahrensfehlerhaft.

3. Auch die Rüge, das [X.] habe bei seiner Entscheidung nicht den gesamten Akteninhalt berücksichtigt, weil die Klägerin "ein Dokument" vorgelegt habe, aus dem sich ergebe, dass "die Leistung auch schriftlich rückabgewickelt" worden sei, und weil das [X.] weiter einen "vorgelegten Handelsregisterauszug" und einen "Schriftsatz des [X.] mit der entsprechenden Einlassung" nicht berücksichtigt habe, entspricht nicht den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 [X.]O. Die schlüssige Rüge eines [X.] wegen Nichtberücksichtigung des Inhalts der Akten (§§ 76, 96 [X.]O) erfordert u.a. die genaue Angabe der jeweiligen Schriftstücke und Seitenzahlen aus den Akten und die sich ergebenden wesentlichen Tatumstände, die das [X.] nicht berücksichtigt hat (vgl. z.B. [X.]-Beschlüsse vom 21. September 2000 XI B 13/99, [X.]/NV 2001, 200; vom 29. April 2004 [X.], [X.], 1303). Daran fehlt es.

4. Mit der Rüge, das [X.] habe --wie die fehlende Verurteilung des [X.] wegen Steuerhinterziehung belege-- zu Unrecht eine Steuerhinterziehung des [X.] bejaht, weil dieser erst im Jahre 1996 zum Geschäftsführer bestellt worden sei und die streitigen Lieferungen bereits in 1993 und 1994 ausgeführt worden seien, macht der Kläger keinen Verfahrensfehler i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 [X.]O, sondern materiell-rechtliche Fehler geltend, die im [X.] regelmäßig unbeachtlich sind. Im Übrigen besteht keine Bindung des [X.] an die strafrechtliche Beurteilung im Strafverfahren ([X.] vom 17. März 2010 [X.]/09, [X.], 1240). Für die in diesem Zusammenhang geltend gemachte Verletzung der Sachaufklärungspflicht fehlt es bereits an den für eine hinreichende Darlegung erforderlichen genauen Angaben und Ausführungen zu bestimmten Punkten (zur unterlassenen Amtsermittlung vgl. z.B. [X.] vom 28. Juli 2004 IX B 136/03, [X.]/NV 2005, 43).

Letztlich setzt der Kläger seine eigene Sachverhaltswürdigung und Rechtsansicht anstelle des [X.] und rügt mit seinen --zum Teil nach Art einer Revisionsbegründung gehaltenen-- Einwänden die fehlerhafte Tatsachen- und Beweiswürdigung sowie die unzutreffende Rechtsanwendung durch das [X.], also materiell-rechtliche Fehler; damit kann jedoch die Zulassung der Revision nicht erreicht werden (z.B. [X.]-Beschlüsse vom 28. September 2001 [X.]/00, [X.]/NV 2002, 359; vom 29. Dezember 2006 [X.], [X.]/NV 2007, 1084, unter 4.).

5. Schließlich hat der Kläger auch mit der Rüge, das [X.] habe die Haftungsbegrenzung nach der Rechtsprechung zur anteiligen Tilgung nicht beachtet, keinen Verfahrensfehler schlüssig geltend gemacht. Einwendungen gegen die Schätzung der Haftungsquote durch das [X.] betreffen die Rechtsanwendung bzw. die tatsächliche Würdigung des [X.] durch das [X.] und sind deshalb im [X.] grundsätzlich unbeachtlich ([X.] vom 30. September 2008 [X.] (PKH), [X.]/NV 2009, 203). Mit dem nicht weiter substantiierten Vortrag, das [X.] habe "weder Bankauszüge eingesehen noch das Inventar der [X.]" und es sei "anzunehmen, dass bei einer beendigten [X.] eben kein Vermögen mehr vorhanden sei" und dem ebenfalls nicht weiter substantiierten Hinweis, "hätte das [X.] die angebotenen Zeugen vernommen ... wäre es zu dem Schluss gekommen, dass keinerlei Mittel mehr in dem fraglichen Zeitpunkt zur Verfügung standen", ist eine Verfahrensrüge nicht ordnungsgemäß erhoben. Insoweit fehlt es u.a. auch an der Darlegung, dass die nicht zureichende Aufklärung des Sachverhaltes in der mündlichen Verhandlung gerügt wurde oder weshalb diese Rüge nicht möglich war und zu welchen Ergebnissen eine weitere Sachaufklärung aufgrund welcher konkreter Tatsachen sich voraussichtlich ergeben hätte (ständige Rechtsprechung des [X.], vgl. Beschluss vom 28. August 2003 [X.], [X.], 493, 494, m.w.N.).

6. Im Übrigen ergeht der Beschluss ohne weitere Begründung (§ 116 Abs. 5 Satz 2 [X.]O).

Meta

V B 154/09

25.01.2011

Bundesfinanzhof 5. Senat

Beschluss

vorgehend FG München, 29. Juli 2009, Az: 3 K 729/08, Urteil

§ 78 FGO, § 96 Abs 1 FGO, § 115 Abs 2 Nr 3 FGO, § 116 Abs 3 S 3 FGO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 25.01.2011, Az. V B 154/09 (REWIS RS 2011, 10165)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 10165

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