Bundesgerichtshof, Beschluss vom 09.10.2013, Az. XII ZB 667/12

12. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 2158

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Gegenstand

Vergütung des Verfahrensbeistands: Abgeltung durch die gesetzlich vorgesehene Fallpauschale; Abrechnung nach Stundenaufwand; Berufsfreiheit


Leitsatz

1. Die Vergütung des Verfahrensbeistands ist in § 158 Abs. 7 FamFG abschließend dergestalt geregelt, dass seine Tätigkeit einschließlich sämtlicher Aufwendungen durch die in Satz 2 und Satz 3 vorgesehenen Fallpauschalen vollständig abgegolten wird.

2. Eine Abrechnung des Verfahrensbeistands nach Stundenaufwand ist auch nicht in Einzelfällen möglich, in denen die Abrechnung nach Fallpauschalen keine angemessene Vergütung für den tatsächlich geleisteten Aufwand darstellt.

3. Die durch § 158 Abs. 7 FamFG geregelte Abrechnung nach Fallpauschalen ist nicht mit Blick auf das Grundrecht der Berufsfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 GG zu beanstanden.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 2. Familiensenats des [X.] in [X.] vom 6. November 2012 wird auf Kosten der Beteiligten zu 2 zurückgewiesen.

Verfahrenswert: 1.034 €.

Gründe

I.

1

Die in einer Umgangsrechtssache zum Verfahrensbeistand bestellte Rechtsbeschwerdeführerin begehrt eine über die Pauschalvergütung des § 158 Abs. 7 FamFG hinausgehende Vergütung.

2

Das Familiengericht hat die Rechtsbeschwerdeführerin, eine Rechtsanwältin, in einem Umgangsverfahren zum Verfahrensbeistand des minderjährigen Kindes mit der Maßgabe bestellt, dass auch Bezugspersonen im Sinn von § 158 Abs. 4 Satz 3 FamFG in Gespräche mit einbezogen werden sollen.

3

Die Rechtsbeschwerdeführerin hat noch während des erstinstanzlich anhängigen Umgangsverfahrens beantragt, die Vergütung für ihre bislang erbrachten Leistungen auf 1.583,96 € festzusetzen. Sie habe 39,73 Stunden aufgewendet, die mit 33,50 € je Stunde zuzüglich Umsatzsteuer zu vergüten seien. Das Amtsgericht hat ihr eine Vergütung von 550 € zuerkannt und den Antrag im Übrigen zurückgewiesen. Diese Entscheidung hat das [X.] im Beschwerdeverfahren bestätigt. Hiergegen wendet sich die Rechtsbeschwerdeführerin mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde.

II.

4

Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet.

5

1. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, die Fallpauschale sei aufgrund der umfangreichen Einzeltätigkeiten des [X.] im vorliegenden Verfahren zwar nicht auskömmlich. Die Vorschrift des § 158 Abs. 7 FamFG, die die Vergütung des [X.] abschließend regele, sehe jedoch eine Vergütung nach [X.]aufwand nicht vor. Ein Auslegungs-, Ermessens- oder Beurteilungsspielraum bestehe insoweit nicht. Dies sei auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Gesetzgeber habe eine Mischkalkulation aus einfach und komplex gelagerten Fällen eröffnen wollen. Das Beschwerdegericht sehe aus seiner Praxis keine hinreichenden Anhaltspunkte für die Annahme, dass die sich aus dieser Mischkalkulation ergebende Vergütung für den Verfahrensbeistand in der Summe nicht auskömmlich sein könnte. Dabei sei die Auslegung des § 158 Abs. 7 FamFG durch die Rechtsprechung zu berücksichtigen, die in verschiedenen Konstellationen dazu führe, dass trotz Synergieeffekten bei identischem Sach- und Streitstand die Pauschale mehrfach entstehe.

6

2. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung stand. Das Beschwerdegericht hat zu Recht die von der Rechtsbeschwerdeführerin gewünschte Abrechnung nach konkretem [X.] abgelehnt und als Vergütung die Fallpauschale des § 158 Abs. 7 Satz 2 und 3 FamFG zuerkannt.

7

a) Die Vergütung des [X.] ist in § 158 Abs. 7 FamFG abschließend dergestalt geregelt, dass seine Tätigkeit einschließlich sämtlicher Aufwendungen durch die in Satz 2 und Satz 3 vorgesehenen Pauschalen vollständig abgegolten wird. Eine Abrechnung des [X.] nach [X.] ist nicht möglich.

8

b) Dies kann zwar in Einzelfällen dazu führen, dass die Abrechnung nach Fallpauschalen keine angemessene Vergütung für den tatsächlich geleisteten Aufwand darstellt. Das ist aber hinzunehmen.

9

Der Gesetzgeber hat sich ganz bewusst gegen ein aufwandsbezogenes Vergütungssystem entschieden und die Abrechnung rein nach Fallpauschalen als vorzugswürdig angesehen, weil sie eine unaufwändige und unbürokratische Handhabung ermögliche. Sie erspare sowohl dem Verfahrensbeistand als auch der Justiz einen erheblichen Abrechnungs- und Kontrollaufwand und ermögliche es dem Verfahrensbeistand, sich auf seine eigentliche Tätigkeit, die Wahrnehmung der Kindesinteressen, zu konzentrieren. Außerdem bewirke sie eine wünschenswerte Annäherung der Vergütung von [X.] an die gebührenorientierte Vergütung der Rechtsanwälte (vgl. BT-Drucks. 16/9733 S. 294).

Es wäre mit dieser gesetzgeberischen Zielvorstellung unvereinbar, die Pauschalvergütung unter den Vorbehalt einer Billigkeitskontrolle im Einzelfall zu stellen. Dies würde die [X.] zu einer Einzelabrechnung veranlassen und für die Justiz zu einem erheblichen Kontrollaufwand führen.

c) Die gesetzgeberische Entscheidung für die Abrechnung nach Fallpauschalen trifft auch nicht mit Blick auf das Grundrecht der Berufsfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 GG auf Bedenken.

aa) Zwar wäre eine Vergütungspraxis mit Art. 12 Abs. 1 GG unvereinbar, die es dem Verfahrensbeistand nicht ermöglicht, die Interessen der von ihm vertretenen Kinder im Verfahren wahrzunehmen. Der Staat ist zu einer angemessenen Entschädigung privater Personen verpflichtet, die er für die Erfüllung im öffentlichen Interesse liegender Aufgaben in Anspruch nimmt. Eine Begrenzung der Vergütung ist verfassungsrechtlich nur zulässig, soweit die Grenze der Zumutbarkeit gewahrt bleibt (vgl. [X.] FamRZ 2004, 1267, 1269 mwN).

bb) Dass die geltende Vergütung nach Fallpauschalen diesen Anforderungen nicht entspricht, wird aber weder von der Rechtsbeschwerde aufgezeigt noch ist dies anderweitig ersichtlich.

(1) Der Gesetzgeber hat sich bei der Höhe der Fallpauschalen an den [X.] für einen in einer Kindschaftssache tätigen Rechtsanwalt unter Zugrundelegung des [X.] von seinerzeit 3.000 € orientiert. Er wollte für berufsmäßig tätige [X.] eine Mischkalkulation aus einfach und komplex gelagerten Fällen eröffnen (vgl. BT-Drucks. 16/9733 S. 294).

Vergütungspauschalen auf der Grundlage von [X.] führen zwangsläufig dazu, dass die gesetzlich festgelegte Vergütung in einzelnen Fällen nicht leistungsäquivalent ist (vgl. [X.] FamRZ 2011, 1642 Rn. 22; [X.] FamRZ 2007, 622, 625). Diese Fälle werden durch solche ausgeglichen, bei denen die Pauschale den erbrachten Leistungs- und Aufwendungsumfang übersteigt.

(2) Die Vergütungsregelung des § 158 Abs. 7 Satz 2 bis 4 FamFG ermöglicht eine für [X.] insgesamt auskömmliche Mischkalkulation.

Die Pauschalen fallen für jeden Rechtszug gesondert (§ 158 Abs. 7 Satz 2 FamFG) und bei Vertretung mehrerer Kinder in einem Verfahren für jedes vom Verfahrensbeistand vertretene Kind an (Senatsbeschlüsse [X.], 40, 42 ff. = [X.], 1893 Rn. 12 ff. und vom 15. September 2010 - [X.] 268/10 - [X.], 1896 Rn. 13 ff.). Für die Tätigkeit im Eilverfahren und im Hauptsacheverfahren kann der Verfahrensbeistand ebenso jeweils eine Pauschale beanspruchen (Senatsbeschluss vom 17. November 2010 - [X.] 478/10 - FamRZ 2011, 199 Rn. 13 ff.) wie der für verschiedene Angelegenheiten bestellte Verfahrensbeistand, selbst wenn diese Angelegenheiten in einem Verfahren verhandelt werden (Senatsbeschluss vom 1. August 2012 - [X.] 456/11 - FamRZ 2012, 1630 Rn. 12).

In all diesen Fällen sind die vom Beschwerdegericht angeführten Synergieeffekte naheliegend, schon weil der Aufwand für das Aktenstudium und für die Fertigung von Schriftsätzen oder auch die [X.] für die Wahrnehmung von Terminen nicht in vollem Umfang mehrfach anfallen. Hinzu kommt, dass der volle Vergütungsanspruch bereits in dem Moment entsteht, in dem der Verfahrensbeistand mit der Wahrnehmung seiner Aufgaben begonnen hat, wofür genügt, dass er in irgendeiner Weise im Kindesinteresse tätig geworden ist (Senatsbeschluss vom 19. Januar 2011 - [X.] 400/10 - FamRZ 2011, 558 Rn. 7 ff.). Dies kann auch bei einer Verfahrensbeendigung in einem frühen Stadium der Instanz und damit ohne erheblichen Arbeitsaufwand des [X.] der Fall sein.

Es liegt mithin auf der Hand, dass § 158 Abs. 7 Satz 2 bis 4 FamFG in dieser Auslegung in einer namhaften Anzahl von Fällen eine Vergütung gewährt, die durch den tatsächlichen Aufwand des [X.] nicht geboten wäre.

(3) Der von der Rechtsbeschwerde vermissten statistisch validen Darlegung, wie häufig die Vertretung mehrerer Kinder durch einen Verfahrensbeistand erfolge oder wie häufig ein Streit zwei Instanzen oder sowohl Eil- als auch Hauptsacheverfahren durchlaufe, bedarf es für diese rechtliche Würdigung nicht. Vielmehr ist insoweit der Befund ausreichend, dass die Konzeption einer Mischvergütung durch § 158 Abs. 7 FamFG in seiner durch die Rechtsprechung des Senats gefundenen Auslegung verwirklicht werden kann. Dies ergibt sich bereits aus den oben aufgeführten, in der Praxis regelmäßig anzutreffenden Konstellationen.

(4) Die Rechtsbeschwerde zeigt nicht mit Erfolg auf, dass § 158 Abs. 7 FamFG tatsächlich zu einer Vergütungsrealität führt, die für berufsmäßige [X.] nicht auskömmlich ist.

Soweit sie sich hierzu auf eine von ihr vorgelegte rechtsgutachterliche Stellungnahme zur Verfassungsmäßigkeit der Vergütungsregelung (vgl. zu dieser auch [X.] [X.], 1182, 1183) und insbesondere auf die darin genannten durchschnittlichen Stundenzahlen für [X.]chaften beruft, kann das eine verfassungswidrige Vergütung nicht belegen. Zum einen werden dabei aus durch Umfragen ermittelten durchschnittlichen Vergütungsbeträgen für Verfahrenspfleger gemäß § 50 [X.] und dem in § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 [X.] festgelegten [X.] ermittelt. Dies besagt aber nichts darüber, inwiefern es im Rahmen der verfassungsrechtlichen Zumutbarkeitsprüfung auf diesen Höchststundensatz ankommen muss. Zum anderen bleibt offen, ob die vom Gesetzgeber vorgesehene Mischkalkulation unter Berücksichtigung der dargestellten Senatsrechtsprechung nicht letztlich durchschnittliche Vergütungen bewirkt, die über den in der rechtsgutachterlichen Stellungnahme genannten Werten liegen.

Soweit die Rechtsbeschwerde ausführt, das gegenwärtige Vergütungssystem werde dazu führen, dass kein vernünftiger Akteur des Wirtschaftslebens mehr als Verfahrensbeistand aufzutreten bereit sein werde, stellt dies eine bloße, durch nichts belegte Behauptung dar. Anhaltspunkte für die Richtigkeit dieser These sind auch nicht anderweitig erkennbar.

Schließlich weist die Rechtsbeschwerde zwar zutreffend darauf hin, dass der berufsmäßig tätige Verfahrensbeistand nicht selbst die von ihm zu übernehmenden Fälle auswählt, sondern an die Bestellung durch die Gerichte gebunden ist, und daher auch nicht selbst über die "Mischung" der Fälle bestimmen kann. Gleichwohl ist davon auszugehen, dass sich bei einer mehrjährigen Tätigkeit als berufsmäßiger Verfahrensbeistand einfach und komplex gelagerte Fälle regelmäßig in einer Weise ausgleichen werden, die insgesamt eine auskömmliche Vergütung gewährleistet.

(5) Auch im Übrigen ist nichts dafür ersichtlich, dass die gesetzgeberische Konzeption einer auskömmlichen Mischkalkulation ihr Ziel verfehlt.

Zwar wurde nach Einführung des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) von Teilen der Literatur bestritten, dass die Pauschalvergütung ausreichend sei, wenn der Verfahrensbeistand lediglich für ein Kind bestellt ist (vgl. die Nachweise im Senatsbeschluss vom 15. September 2010 - [X.] 268/10 - [X.], 1181 Rn. 27). Dass dies aber auch unter Berücksichtigung der Senatsrechtsprechung zur Auslegung von § 158 Abs. 7 Satz 2 bis 4 FamFG gelten soll, wird - soweit ersichtlich - in der Literatur nicht vertreten (sogar gegenteilig [X.] [X.] 2013, 236 f.).

3. Die weiter von der Rechtsbeschwerde erhobene Verfahrensrüge hat der Senat geprüft, aber nicht für durchgreifend erachtet. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 74 Abs. 7 FamFG abgesehen.

[X.]                                 Weber-Monecke                           Schilling

                       Nedden-Boeger                                   Guhling

Meta

XII ZB 667/12

09.10.2013

Bundesgerichtshof 12. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, 6. November 2012, Az: 2 WF 94/12

Art 12 Abs 1 GG, § 158 Abs 7 S 2 FamFG, § 158 Abs 7 S 3 FamFG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 09.10.2013, Az. XII ZB 667/12 (REWIS RS 2013, 2158)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 2158

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