Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.06.2017, Az. IV ZR 141/16

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 9536

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:140617UIVZR141.16.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

IM NAMEN [X.]S VOLKES

URTEIL
IV [X.]/16
Verkündet am:

14. Juni 2017

Heinekamp

Amtsinspektor

als Urkundsbeamter

der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk: ja

[X.]Z: nein

[X.]R:

ja

[X.]/KK 2009 § 1; [X.] §
1

1.
Zum Versicherungsschutz in der privaten Krankheitskostenversicherung für eine im Ausland vorgenommene, dort erlaubte, in [X.] aber verbotene Behandlung (hier: künstliche Befruchtung mittels Eizellspende).

2.
§
1 Abs.
3 [X.]/KK 2009 ist dahingehend auszulegen, dass der Versicherer le-diglich Aufwendungen für solche Heilbehandlungen ersetzt, die nach [X.] Recht in [X.] erlaubt sind.

[X.], Urteil vom 14. Juni 2017 -
IV [X.]/16 -
OLG [X.]

LG [X.] I

-
2
-

Der IV.
Zivilsenat des [X.] hat durch die Vorsitzende Richterin [X.], [X.], die Richterin [X.], die Richter [X.] und Dr.
Götz
auf die mündliche Verhandlung vom 14.
Juni 2017

für Recht erkannt:

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Oberlan-desgerichts [X.] -
25. Zivilsenat -
vom 13.
Mai 2016 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Parteien streiten über Ansprüche der Klägerin auf Erstattung von Behandlungskosten wegen künstlicher Befruchtung
aus einer bei der [X.] abgeschlossenen
privaten
Krankheitskostenversicherung.

Die in den Vertrag einbezogenen Allgemeinen
Versicherungsbe-dingungen
für die Krankheitskosten-
und Krankenhaustagegeldversiche-rung
umfassen in Teil
I die Musterbedingungen 2009 des [X.] ([X.]/KK
2009), die auszugsweise wie folgt lauten:

1
2
-
3
-

"§ 1 Gegenstand, Umfang und Geltungsbereich des Versi-cherungsschutzes

(1)
Der Versicherer bietet Versicherungsschutz für Krank-heiten, Unfälle und andere im Vertrag genannte [X.]. ... Im Versicherungsfall erbringt der Versicherer

a)
in der Krankheitskostenversicherung Ersatz von Aufwendungen für Heilbehandlung und sonst ver-einbarte Leistungen,

(2)
Versicherungsfall ist die medizinisch notwendige Heil-behandlung einer versicherten Person wegen Krank-

(3)
Der Umfang des Versicherungsschutzes ergibt sich aus dem Versicherungsschein, späteren schriftlichen Vereinbarungen, den Allgemeinen Versicherungsbe-dingungen (Musterbedingungen mit Anhang, Tarif mit Tarifbedingungen) sowie den gesetzlichen Vorschrif-ten. Das Versicherungsverhältnis unterliegt [X.] Recht.

(4)
Der Versicherungsschutz erstreckt sich auf [X.]. Er kann durch Vereinbarung auf außereuropäische Länder ausgedehnt werden

. Während des ersten Monats eines vorübergehenden Aufenthaltes im außer[X.] Ausland besteht auch ohne besondere Vereinbarung [X.]. Muss der Aufenthalt wegen notwendiger Heil-behandlung über einen Monat hinaus ausgedehnt wer-den, besteht Versicherungsschutz, solange die versi-cherte Person die Rückreise nicht ohne Gefährdung ihrer Gesundheit
antreten kann, längstens aber für weitere zwei Monate.

"

Die in Teil
II der Allgemeinen Versicherungsbedingungen
enthalte-nen Tarifbedingungen der [X.] (TB
2009) lauten auszugsweise wie folgt:
3
-
4
-

"Nr.
19 a Auslandsaufenthalt zum Zwecke einer Heilbe-handlung

(1)
Keine Leistungspflicht besteht für Mehrkosten einer Heilbehandlung im Ausland außerhalb der [X.] bzw.

(3)
Bei einer medizinisch notwendigen Heilbehandlung im Ausland, die in der Bundesrepublik [X.] nicht n-det Abs.
(1) keine Anwendung.

Die im Jahr 1969 geborene Klägerin und ihr Ehemann waren kin-derlos. [X.] ließ die Klägerin im Wege der sogenannten In-vitro-Fertilisation (IVF) in [X.] fünf letztlich erfolglose Befruchtungs-versuche vornehmen. [X.] begab sie sich zu einer Behandlung in ein IVF-Zentrum in der
Tschechischen
Republik, wo insgesamt drei Versuche einer -
nach [X.] Recht erlaubten -
Eizellspende mit [X.] sowie verlängerter Embryokultivierung (sog.
Blastozys-tentransfer) durchgeführt
wurden. Den Spenderinnen wurden jeweils [X.] oder neun Eizellen entnommen, von denen sechs, fünf und acht be-fruchtet werden konnten. Es kam jeweils zum Transfer von zwei Blasto-zysten. Der
letzte Versuch führte
zu einer Zwillingsschwangerschaft
der Klägerin, die im
Jahr
2013 zwei Jungen
gebar.

Für die Behandlung in der [X.] wurden der Klägerin 11.137,76

sie -
soweit für das Revisionsverfahren von Interesse -
mit ihrer Klage
von der [X.] begehrt. Die Beklagte lehnt die Erstattung ab, weil Behandlungen
mit [X.] Eizellen in [X.] als Verstoß gegen das
Gesetz zum 4
5
-
5
-

Schutz von Embryonen ([X.]) vom 13.
Dezember 1990 ([X.]
I S.
2746), zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 21.
No-vember 2011 ([X.]
I S.
2228), verboten seien und strafrechtlich verfolgt würden. Der Behandlungsvertrag sei daher gemäß §
134 BGB nichtig. Jedenfalls handele es sich nicht um berechtigte Aufwendungen. Darüber hinaus liege schon keine Heilbehandlung vor.

Das Landgericht hat
die Klage abgewiesen, das [X.] die hiergegen gerichtete Berufung zurückgewiesen. Mit der Revision [X.] die Klägerin das Klagebegehren
weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision hat keinen Erfolg.

[X.] Das Berufungsgericht, dessen Entscheidung unter anderem in [X.], 1301 veröffentlicht ist, hat eine Erstattungspflicht der [X.] abgelehnt, weil die künstliche Befruchtung mit gespendeten Ei-zellen, wenn sie in [X.] erfolgt wäre, gemäß §
1 Abs.
1 Nr.
2 und Nr.
5
[X.] strafbar gewesen wäre.

Zwar liege bei dieser Form der künstlichen Befruchtung eine Heil-behandlung im Sinne der Versicherungsbedingungen vor, obwohl die Kinder nicht genetische Nachkommen der Mutter seien. Auch
sei der Vertrag über die ärztliche Behandlung
in der [X.] nicht bereits aufgrund des Verbotsgesetzcharakters der Strafvorschriften des §
1 [X.] gemäß §
134 BGB unwirksam. Bei verständiger Würdi-6
7
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-
6
-

gung der Bedingungen in §
1 Abs.
2 bis 4 [X.]/KK 2009 in ihrem Zusam-menhang erschließe sich einem durchschnittlichen Versicherungsnehmer
aber, dass die Erstreckung des Versicherungsschutzes auf [X.] nicht dazu führe, dass dafür insofern ein weitergehender Schutz als im Inland zugesagt werde, als auch Kosten für Heilbehandlungen erstattet werden müssten, die lediglich in einigen Ländern des [X.] Auslands [X.], in [X.]
aber unter Strafandrohung verboten seien.
Darüber hinaus sei es der [X.] nach §
242 BGB nicht zuzumuten, die Kos-ten einer nach [X.] Recht verbotenen und bei Durchführung in [X.] unter Strafe gestellten Behandlung bei Verlagerung in das
Ausland zu übernehmen.

Europäisches [X.]srecht rechtfertige keine andere Be-wertung. Zwar sei bei fehlender Erstattungspflicht grundsätzlich die Dienstleistungsfreiheit nach Art.
56 A[X.]V betroffen. Es fehle aber an [X.] Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit, weil dies
eine Benachteili-gung von Dienstleistungserbringern ausländischer Mitgliedstaaten ge-genüber solchen im Inneren
des Mitgliedstaats voraussetze. Für eine künstliche Befruchtung im Wege der Eizellspende im Inland bestehe ge-mäß §
134 BGB keine Erstattungspflicht. Die Verneinung einer Erstat-tungspflicht für entsprechende im Ausland durchgeführte Maßnahmen führe zu keiner Schlechterbehandlung und weise keinen diskriminieren-den Charakter auf. Unabhängig davon sei eine etwaige Beschränkung
der Dienstleistungsfreiheit im Hinblick auf den gesetzgeberischen Schutzzweck des §
1 [X.] aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Si-cherheit oder Gesundheit gerechtfertigt.

I[X.]
Das hält revisionsrechtlicher
Nachprüfung im Ergebnis stand.

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11
-
7
-

1.
Das Berufungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die nach §
1 Abs.
1 Satz
3 Buch[X.]
a [X.]/KK 2009
von der [X.] im Versicherungsfall zu ersetzenden Aufwendungen für Heilbehandlung die Kosten der Behandlung der Klägerin in
der
[X.]
nicht
umfassen.

a) Allgemeine Versicherungsbedingungen sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdi-gung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs versteht. Dabei kommt es auf die Verständnismög-lichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit -
auch -
auf seine Interessen an (Senatsur-teile vom 16.
November 2016 -
IV ZR 356/15, [X.], 85 Rn.
12; vom 23.
Juni 1993 -
IV
ZR 135/92, [X.]Z 123, 83 unter III 1 b; [X.] Rspr.). In erster Linie ist vom Wortlaut der jeweiligen Klausel auszugehen. Der mit dem Bedingungswerk verfolgte Zweck und der Sinnzusammenhang der Klauseln sind zusätzlich zu berücksichtigen, soweit sie für den [X.] erkennbar sind (Senatsurteile vom 6.
Juli 2016 -
IV ZR 44/15, [X.], 1177 Rn.
17, zur Veröffentlichung in [X.]Z 211, 51
vorgesehen; vom 23. Juni 1993 -
IV ZR 135/92
aaO unter III 1 c; [X.]
Rspr.).

b) Danach
kann offenbleiben, ob
es -
wie die Revisionserwiderung vorsorglich rügt -
bereits an einer Heilbehandlung im Sinne der [X.] fehlt.
Ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer wird jedenfalls §
1 Abs.
3 [X.]/KK 2009
dahingehend verstehen, dass der Versicherer lediglich Aufwendungen für solche Heilbehandlungen ersetzt, die nach [X.] Recht in [X.] erlaubt sind.

12
13
14
-
8
-

aa) Er wird §
1 Abs.
2 Satz
1 [X.]/KK 2009
entnehmen, dass Versi-cherungsfall die medizinisch notwendige Heilbehandlung einer versicher-ten Person wegen Krankheit oder Unfallfolgen i[X.] Dabei wird er nicht davon ausgehen, dass der Versicherer Aufwendungen ausnahmslos für jede derartige Heilbehandlung ersetzt. Mit Blick auf §
1 Abs.
3 Satz
1 [X.]/KK 2009
wird er vielmehr annehmen, dass sich der Umfang des [X.] im Versicherungsfall aus dem Versicherungsschein, etwaigen späteren schriftlichen Vereinbarungen, den Allgemeinen Versi-cherungsbedingungen und den gesetzlichen Vorschriften ergibt. Diesen kommt, für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer erkennbar, eine den Umfang des Versicherungsschutzes konkretisierende
und damit zu-gleich einschränkende
Funktion zu
(vgl. Senatsurteil vom 14.
Dezember 1994 -
IV ZR 3/94, [X.], 328 unter
II
1).

Dass der Umfang des Versicherungsschutzes
-
auch -
durch die gesetzlichen Vorschriften des [X.] Rechts bestimmt wird, entnimmt der durchschnittliche Versicherungsnehmer §
1 Abs.
3 Satz
2 [X.]/KK 2009, wonach das Versicherungsverhältnis [X.] Recht unterliegt. Darin wird er nicht allein eine Regelung der auf den Versicherungsver-trag anwendbaren Rechtsordnung, sondern auch eine nähere [X.] der im vorangehenden Satz genannten, den Umfang des [X.] gesetzlichen Vorschriften sehen. Dem durchschnittlichen Versicherungsnehmer erschließt sich dies bereits dadurch, dass die Anordnung der Geltung [X.] Rechts für das [X.] in einem Absatz mit dem den Umfang des [X.] konkretisierenden Verweis auf die gesetzlichen Vorschrif-ten zusammengefasst i[X.] Bei der gebotenen Gesamtschau wird er §
1 Abs.
3 [X.]/KK 2009
entnehmen, dass die gesetzlichen Vorschriften das Leistungsversprechen der [X.] ausfüllen und diese Vorschriften 15
16
-
9
-

dem [X.] Recht zu entnehmen sind.
Der Umfang des Leistungs-versprechens der [X.] beruht danach auf den [X.] rechtli-chen Rahmenbedingungen ([X.] in Bach/[X.], Private Krankenversi-cherung 5.
Aufl. §
1 [X.]/KK Rn.
187).

bb) Demgegenüber wird ein durchschnittlicher Versicherungsneh-mer §
1 Abs.
4 Satz
1 [X.]/KK 2009
nicht dahingehend verstehen, dass der nach dieser
Bestimmung auf Heilbehandlung
in [X.] erstreckte Versicherungsschutz auch den Ersatz von Aufwendungen für solche Be-handlungen umfassen soll, die zwar in [X.] verboten, in anderen [X.] aber erlaubt sind. Der Revision ist zwar
zuzuge-ben, dass die Bestimmung bei isolierter
Betrachtung ihres
Wortlauts
in diesem
Sinne verstanden werden könnte. Ein durchschnittlicher [X.] wird aber, wie die Revisionserwiderung zutreffend aus-führt, zusätzlich die Stellung von
§
1 Abs.
4 Satz
1 [X.]/KK 2009
im [X.] in den Blick nehmen und danach in dieser Vorschrift eine Regelung über den räumlichen Geltungsbereich des [X.]es erkennen (vgl. [X.] in Bach/[X.] aaO
§
1 [X.]/KK Rn.
192; [X.] in [X.]/[X.], VVG 29.
Aufl. §
1 [X.]/KK 2009 Rn.
20; [X.] in [X.] 3.
Aufl. §
1 [X.]/KK 2009 Rn.
22).
Er wird dagegen nicht davon
ausgehen, dass §
1 Abs.
4 Satz
1 [X.]/KK 2009
darüber hinaus den Um-fang des [X.] auf nach dem Recht des jeweiligen [X.] zulässige Heilbehandlungen ausdehnt. Von den vo-rangehenden, den Umfang
des Versicherungsschutzes betreffenden Bestimmungen in §
1 Abs.
3 [X.]/KK 2009
ist diese Vorschrift nämlich durch einen Absatz getrennt. Damit setzt
das Bedingungswerk ersichtlich die in der Überschrift von
§
1 [X.]/KK 2009
vorgegebene Unterscheidung zwischen Gegenstand, Umfang und Geltungsbereich des [X.]es
um.
17
-
10
-

Entgegen der Ansicht der Revision folgt nichts
anderes aus dem Umstand, dass §
1 Abs.
4 Satz
1 [X.]/KK 2009
den Versicherungsschutz einschränkungslos auf [X.] erstreckt, während §
1 Abs.
4 Satz
2 bis 4 [X.]/KK 2009
hinsichtlich des außer[X.] Auslands Einschrän-kungen vorsieht. Die zuletzt genannten
Bestimmungen
verhalten
sich er-sichtlich allein zur räumlichen
Erstreckung des gewährten [X.]
auf außereuropäische Länder.
In welchem Umfang Auf-wendungen für medizinisch notwendige Heilbehandlungen in diesen Ländern erstattet werden, regeln
sie
dagegen nicht.

Gegen dieses Verständnis sprechende Umstände ergeben sich auch nicht aus der typischen Interessenlage.
Die Auffassung der [X.], §
1 Abs.
4 Satz
1 [X.]/KK 2009
schütze neben dem Interesse des Versicherungsnehmers, sich für eine
Heilbehandlung im Ausland [X.] zu können, obwohl diese auch im Inland zu erlangen wäre, erst recht sein
Interesse, eine notwendige medizinische Heilbehandlung im Ausland durchführen zu lassen, die im Inland nicht angeboten
werde, findet in Wortlaut
und Systematik der Versicherungsbedingungen keine Stütze.
Der Wortlaut von
§
1 Abs.
4 Satz
1 [X.]/KK 2009
lässt keine Rückschlüsse auf die hinter der Erstreckung des Versicherungsschutzes auf Heilbehandlung
in [X.] stehenden Interessen zu. Der Vorschrift lässt sich auch mit Blick auf das übrige Bedingungswerk nicht entneh-men, dass
die Beklagte ohne jede Einschränkung Versicherungsschutz für in [X.] nicht angebotene Heilbehandlungen gewähren möch-te. Zwar wird ein durchschnittlicher
Versicherungsnehmer angesichts der die Leistungshöhe betreffenden
Bestimmung in Nr.
19
a Abs.
3 TB 2009 davon ausgehen, dass sich der Umfang des Versicherungsschutzes un-ter den dortigen Voraussetzungen auf in [X.] nicht oder nur teil-weise durchführbare Behandlungen erstrecken soll. Dem Abstellen auf 18
19
-
11
-

die Durchführbarkeit der Behandlung wird er aber zugleich entnehmen, dass lediglich eine medizinisch notwendige Behandlung im Ausland [X.] sein soll, die in [X.] nicht oder nicht in ausreichendem Um-fang angeboten
wird. Der dahinter stehende Zweck, etwaige Defizite der medizinischen Versorgung im Inland auszugleichen, erfasst demgegen-über keine Behandlungen, zu denen sich der Versicherte in
das Ausland begeben hat, weil sie in [X.] zwar medizinisch durchführbar
wä-ren, aber verboten sind. Aus Nr.
19 a Abs. 3 TB 2009 ergibt sich nicht, dass die Beklagte für Kosten solcher Behandlungen einstehen möchte.

cc) Ohne Erfolg rügt
die Revision
schließlich, dass das vom [X.] gefundene Verständnis von
§
1 Abs.
4 Satz
1 [X.]/KK 2009
dem rechtsunkundigen Versicherungsnehmer das Risiko der [X.] rechtlichen Beurteilung in dem besonders unübersichtlichen Bereich der rechtlichen Zulässigkeit einzelner Behandlungen zur künstlichen Be-fruchtung im [X.] Ausland überbürde. Die Revisionserwiderung hält dem zu Recht entgegen, dass der Versicherungsnehmer vor Beginn einer Heilbehandlung vom Versicherer Auskunft über den Umfang des Versicherungsschutzes für die beabsichtigte Heilbehandlung verlangen kann
(vgl. Senatsurteil vom 8.
Februar 2006

IV ZR 131/05, [X.], 535
Rn.
14
f.; BT-Drucks. 17/11469
S.
13; siehe auch §
192 Abs.
8 VVG).

c) Nach alledem
erfasst der Versicherungsschutz gemäß §
1 Abs.
3 [X.]/KK 2009 die Behandlung der Klägerin in der [X.] nicht, weil sie nach [X.] Recht in [X.] verboten
war. Wie das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei
und von der Revision nicht angegriffen annimmt, wäre jedenfalls §
1 Abs.
1 Nr.
2 [X.] ein-schlägig, wenn die Behandlung im Inland durchgeführt worden wäre. 20
21
-
12
-

Nach dieser Vorschrift macht sich strafbar, wer es unternimmt, eine Ei-zelle zu einem anderen Zweck künstlich zu befruchten, als eine Schwan-gerschaft der Frau herbeizuführen, von der die Eizelle stammt. Zwar werden
die Frau, von
der die Eizelle stammt, sowie die Frau, auf die sie übertragen wird, nach §
1 Abs.
3
Nr.
1 [X.] nicht bestraft. Das ändert jedoch
nichts daran, dass die künstliche Befruchtung mittels Eizellspen-de
nach [X.] Recht
verboten i[X.]

Mit dem Erlass des Embryonenschutzgesetzes hat der [X.] der Wertentscheidung des Grundgesetzes zugunsten der [X.] und des Lebens Rechnung getragen. Durch das Verbot der auf einen späteren Embryotransfer zielenden künstlichen Befruchtung sollte insbesondere das Entstehen sogenannter gespaltener Mutterschaf-ten verhindert werden, bei denen genetische und austragende Mutter nicht identisch sind. Das Risiko der daraus möglicherweise erwachsen-den Konflikte und negativen Auswirkungen auf die seelische Entwicklung des Kindes sollte nicht in Kauf genommen werden (Begründung zum Re-gierungsentwurf, BT-Drucks. 11/5460, S.
6
ff.). Das Gesetz will deshalb
nicht nur den Vorgang der Befruchtung der gespendeten Eizelle als [X.], sondern gerade auch eine auf diese Weise
herbeigeführte an-schließende Schwangerschaft verhindern ([X.], 1517).

2. Es bedarf danach keiner Entscheidung, ob die Beklagte den Versicherungsschutz darüber hinaus gemäß §
242 BGB verweigern kann.

3.
Im Ergebnis zu Recht hat das Berufungsgericht angenommen, dass die fehlende Erstattungspflicht der [X.] für Maßnahmen der 22
23
24
-
13
-

künstlichen Befruchtung mittels Eizellspende in der [X.] nicht gegen europäisches [X.]srecht verstößt.

a) Art.
19 Buch[X.]
b der Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12.
Dezember 2006 über [X.] im Binnenmarkt (Dienstleistungsrichtlinie) verbietet diskriminierende Beschränkungen der Möglichkeit zur Erlangung finanzieller Unterstüt-zung, die auf der Tatsache beruhen, dass der Dienstleistungserbringer in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassen i[X.] Die [X.] findet jedoch nach ihrem Art.
2 Abs.
2 Buch[X.]
f keine Anwendung auf Gesundheitsdienstleistungen unabhängig davon, ob sie durch Ein-richtungen der Gesundheitsversorgung erbracht werden, wie sie auf [X.] organisiert und finanziert sind und ob es sich um öffentli-che oder private Dienstleistungen handelt. Danach sind die -
wie hier -
in einer Privatklinik erbrachten ärztlichen Leistungen
vom Anwendungsbe-reich der Dienstleistungsrichtlinie ausgenommen ([X.], Urteil vom 12.
Februar 2015 -
I [X.], [X.], 966 Rn. 13 m.w.N.; [X.] in [X.]/[X.], Europäische
Dienstleistungsrichtlinie Art.
2 Rn.
63).

b) Anders als die Revision meint, liegt auch keine unzulässige Be-schränkung der Dienstleistungsfreiheit nach Art.
56 Abs.
1 A[X.]V vor.

aa) Allerdings ist der Anwendungsbereich dieser Vorschrift
grund-sätzlich eröffnet. Eine Dienstleistung unterfällt der Dienstleistungsfrei-heit, wenn sich der in einem Mitgliedstaat ansässige Leistungsempfänger in einen anderen Mitgliedstaat begibt, um vom dort ansässigen Leisten-den eine Dienstleistung in Anspruch zu nehmen ([X.], 907 Rn.
37 zu Art.
49 EGV; Slg. 1984, 377 Rn.
10 zu Art.
59 [X.]).
Wie die Revision zu Recht
rügt, steht der Annahme einer Beschränkung der 25
26
27
-
14
-

Dienstleistungsfreiheit nicht entgegen, dass für im In-
oder Ausland vor-genommene künstliche Befruchtungen durch Eizellspende unterschieds-los keine Erstattungspflicht des Versicherers besteht. Art.
56 Abs.
1 A[X.]V verlangt nämlich,
anders als das Berufungsgericht meint,
nicht nur die Beseitigung sämtlicher Diskriminierungen des Dienstleistungserbrin-gers aufgrund seiner Staatsangehörigkeit, sondern auch die Aufhebung aller Beschränkungen -
selbst wenn sie unterschiedslos für einheimische Dienstleistende wie für Dienstleistende anderer Mitgliedstaaten gelten -, wenn sie geeignet sind, die Tätigkeit des Dienstleistenden, der in einem anderen Mitgliedstaat ansässig
ist und dort rechtmäßig ähnliche Dienst-leistungen erbringt, zu unterbinden, zu behindern oder weniger attraktiv zu machen ([X.] GRUR 2017, 627 Rn.
61
f.; ZfWG 2016,
425 Rn.
37; NVwZ 2015, 506 Rn.
45; Slg. 2007, [X.] Rn.
29 zu Art.
49 EGV; NJW 1991, 2693 Rn.
12 zu Art.
59 [X.]; [X.] Rspr., vgl. bereits [X.] Slg. 1974, 1299 Rn.
10/12). Das kann bei der Versagung von [X.] für eine in einem anderen Mitgliedstaat erlaubte Behandlung grundsätzlich der Fall sein.

bb) Inwieweit Versicherungsbedingungen privater Versicherungs-unternehmen an der Dienstleistungsfreiheit zu messen sind (vgl. dazu [X.] Slg. 1984, 4277 Rn.
16
ff. zu Art.
59 [X.]; Slg. 2000, I-4139 Rn.
30
ff. zur Arbeitnehmerfreizügigkeit nach Art.
48
[X.]), bedarf im Streitfall keiner Entscheidung. Eine etwaige Beschränkung der [X.] durch die Versagung von Versicherungsschutz für nach [X.] Recht verbotene künstliche Befruchtungen mittels Eizell-spende wäre nämlich jedenfalls gerechtfertigt.
Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit sind dann nicht mit Art.
56 Abs.
1 A[X.]V unver-einbar, wenn die zugrunde liegende Regelung in nicht diskriminierender Weise angewandt wird, aus zwingenden Gründen des [X.]
-
15
-

ses gerechtfertigt ist, geeignet ist, die Verwirklichung des mit ihr verfolg-ten Zieles zu gewährleisten und nicht über das hinausgeht, was zur Er-reichung dieses Zieles erforderlich ist ([X.], Urteil vom 28.
September 2011 -
I [X.], juris Rn.
39; [X.]
GRUR 2017, 627 Rn.
65
ff.;
ZfWG 2016, 425
Rn.
41, 44; NVwZ 2015, 506 Rn.
47; Slg. 1996, [X.] Rn.
28
zu Art.
59 EGV). So liegt es im Streitfall im Hinblick auf das Verbot der künstlichen Befruchtung mittels Eizellspende im [X.] Recht
(1) und die auf diesem Verbot beruhende Versagung von Versicherungsschutz durch die Beklagte
(2).

(1) Das sich aus §
1 Abs.
1 Nr.
2 [X.] ergebende Verbot der künstlichen Befruchtung mittels Eizellspende
besteht, wie das [X.]
richtig erkennt, in [X.] unterschiedslos für In-
und Ausländer
(vgl. [X.], Urteil vom 8.
Oktober 2015 -
I [X.]/13, [X.], 714 Rn.
19, 29); es wird in nicht diskriminierender Weise [X.].

Das Verbot ist durch zwingende Gründe des Allgemeinwohls ge-rechtfertigt. Diese sind primärrechtlich weder geregelt noch begrenzt. Die Mitgliedstaaten besitzen insoweit einen gewissen Spielraum, um Schutz-anliegen zu definieren ([X.], Beschluss vom 7.
Mai 2007 -
II ZB 7/06, [X.]Z 172, 200 Rn.
20; [X.] GRUR 2017, 627 Rn.
71). Das Verbot der künstlichen Befruchtung mittels Eizellspende
hält
diesen Spielraum ein. Das Verhindern einer gespaltenen Mutterschaft trägt, wovon im Ergebnis auch das Berufungsgericht
ausgeht, der Würde des menschlichen Le-bens Rechnung und dient insbesondere der Wahrung des Kindeswohls (Begründung zum Regierungsentwurf, BT-Drucks. 11/5460, S.
6
ff.; [X.], Urteil vom 8.
Oktober 2015 -
I
[X.]/13 aaO
Rn.
22). Auf die Achtung der Menschenwürde als eines allgemeinen Rechtsgrundsatzes zielt auch 29
30
-
16
-

die [X.]srechtsordnung ab, ohne dass es insoweit eine Rolle spielt, dass
in [X.] dem Grundsatz der Achtung der Menschen-würde die besondere Stellung eines selbständigen Grundrechts zu-kommt. Danach ist das Ziel, die Menschenwürde zu schützen, mit dem [X.]srecht vereinbar ([X.] Slg.
2004, I-9609 Rn.
33
f.). Da die Grundrechte sowohl von der [X.] als auch von ihren Mitglied-staaten zu beachten sind, stellt der Schutz dieser Rechte ein berechtig-tes Interesse dar, das grundsätzlich geeignet ist, eine Beschränkung von Verpflichtungen zu rechtfertigen, die nach dem [X.]srecht, [X.] einer vertraglich gewährleisteten Grundfreiheit wie des freien Dienstleistungsverkehrs, bestehen ([X.] Slg.
2007, [X.] Rn.
93; Slg.
2004, I-9609 Rn.
35 zu Art.
49 EGV; [X.] in [X.]/[X.], [X.]V/A[X.]V 5.
Aufl. Art.
56, 57 A[X.]V Rn.
87; Müller-Graff
in Streinz, [X.]V/A[X.]V 2.
Aufl. Art.
56 A[X.]V Rn.
107; [X.], NVwZ 2005, 48, 49).

Das Verbot künstlicher Befruchtung mittels gespendeter Eizelle vermeidet die aufgrund der gespaltenen Mutterschaft befürchtete [X.] der Identitätsfindung und die damit verbundene Beeinträchti-gung der seelischen Entwicklung
der betroffenen Kinder. Dies allein si-chert den Schutz der Menschenwürde in dem Umfang, in dem er in [X.] grundgesetzlich (vgl. [X.] Slg. 2004, I-9609 Rn.
39) si-chergestellt werden soll. Das Verbot geht nicht über das hinaus, was
-
auch mit Blick auf den Rang der zu schützenden Rechtsgüter ([X.] GRUR 2017, 627 Rn.
71)
-
zum Erreichen des vom nationalen [X.] verfolgten Zieles erforderlich ist
(vgl. Begründung zum Regierungs-entwurf, BT-Drucks. 11/5460, S.
6
ff.).

(2) Eine etwaige Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit durch eine Versicherungsbedingung, nach der die Kosten einer im Ausland 31
32
-
17
-

vorgenommenen, nach [X.] Recht
aber verbotenen
künstlichen
Befruchtung nicht ersetzt
werden, ist
jedenfalls mit Blick auf die [X.] in Art.
16 der [X.] gewährleistete unternehmerische Freiheit des [X.] gerechtfertigt (vgl. Müller-Graff
in Streinz aaO
Rn.
69, 118). Die in-soweit gebotene Verhältnismäßigkeit ([X.] Slg.
2007, [X.] Rn.
94) bleibt
durch eine Auslegung von Versicherungsbedingungen
gewahrt, der das
seinerseits verhältnismäßige
Verbot der künstlichen Befruchtung mit-tels gespendeter Eizelle zugrunde liegt.

Demgegenüber greift die Rüge
der Revision
nicht durch, dass eine in der [X.] angebotene und nach dem dort gültigen Recht zulässige Behandlung öffentliche Belange in [X.] nicht be-trifft. Maßgebend ist vielmehr, dass der zwischen den Parteien geschlos-sene Versicherungsvertrag ausreichende Berührungspunkte zu deut-schen öffentlichen Belangen aufwei[X.] Die Beschränkung der Dienstleis-tungsfreiheit aufgrund einer Bestimmung des nationalen
Rechts kann auch dann mit Blick auf den Schutz der Menschenwürde gerechtfertigt sein, wenn nicht in den Rechtsordnungen aller Mitgliedstaaten im kon-kreten Fall eine Verletzung der Menschenwürde angenommen wird ([X.] Slg.
2004, I-9609 Rn.
37
f.; [X.] in [X.]/[X.] aaO Rn.
87; [X.] aaO; vgl. [X.] GRUR 2017, 627 Rn.
71).
So liegt es hier.

c) Der Senat hat entgegen der Auffassung der Revision keine Ver-anlassung, den Gerichtshof der Europäischen Union
gemäß Art.
267 Abs.
1 und 3 A[X.]V um eine Vorabentscheidung zu ersuchen. Es liegt ein sogenannter acte [X.] vor, der eine Vorlagepflicht ausschließt (vgl. [X.] Slg.
1982, 3415 Rn.
13
ff.), weil eine mit [X.] Gemein-schaftsrecht unvereinbare Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit -
wie 33
34
-
18
-

dargelegt -
anhand der Rechtsprechung des Gerichtshofs abschließend und zweifelsfrei verneint werden
kann.

[X.]

[X.] [X.]

[X.]

Dr. Götz
Vorinstanzen:
LG [X.] I, Entscheidung vom 24.11.2015 -
23 O 14874/14 -

OLG [X.], Entscheidung vom 13.05.2016 -
25 U 4688/15 -

Meta

IV ZR 141/16

14.06.2017

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.06.2017, Az. IV ZR 141/16 (REWIS RS 2017, 9536)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 9536

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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