Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.03.2005, Az. 2 StR 459/04

2. Strafsenat | REWIS RS 2005, 4352

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[X.] vom 23. März 2005 in dem Sicherungsverfahren gegen

- 2 - Der 2. Strafsenat des [X.] hat auf Antrag des Generalbundes-anwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 23. März 2005 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen: 1. Auf die Revision des Beschuldigten wird das Urteil des [X.] vom 28. Juni 2004 mit den Feststellungen, mit [X.] derjenigen zum äußeren Tatgeschehen in den [X.] bis 17, aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-tels, an eine andere [X.] des [X.]. 3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe: Das [X.] hat im Sicherungsverfahren die Unterbringung des [X.] in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet, weil er in 17 Fällen rechtswidrige Taten gegen seine damalige Ehefrau begangen hat (ge-fährliche Körperverletzung in elf Fällen, Körperverletzung, Bedrohung in drei Fällen, Nötigung und versuchte Nötigung). Mit seiner Revision rügt der Be-schuldigte die Verletzung formellen und materiellen Rechts und wendet sich gegen die [X.]. Die Verfahrensrügen greifen nicht durch. Ein Verstoß gegen § 260 Abs. 5 StPO liegt nicht vor. Die Aufklärungsrüge [X.] 3 - spricht nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO. Die auf die Sachrüge gebotene umfassende Prüfung des angefochtenen Urteils führt zu der aus der [X.]ußformel ersichtlichen Teilaufhebung. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zum äußeren Hergang der [X.] können jedoch bestehen bleiben. Die [X.] hat keinen Bestand, weil das [X.] einen Ausschluß der Schuldfähigkeit des Beschuldigten oder zumindest eine erhebli-che Verminderung seiner Steuerungsfähigkeit bei den festgestellten Vorfällen nicht rechtsfehlerfrei begründet hat. Insbesondere teilt das Urteil bei der Erör-terung der Schuldfähigkeit und der Beschreibung eines die Maßregelanord-nung rechtfertigenden Zustands des Beschuldigten die konkreten Anknüpfungs- und Befundtatsachen nicht hinreichend mit, sondern beschränkt sich auf die Wiedergabe von pauschalen Wertungen, ohne diese inhaltlich zu konkretisieren ([X.]). Das gilt auch, wenn man die Feststellungen des [X.]s zur Person des Beschuldigten und zur Vorgeschichte der Vorfälle einbezieht. Ebensowenig stellt das [X.] den notwendigen Bezug zwi-schen dem Zustand des Beschuldigten und den ihm zur Last gelegten Taten (Fälle [X.]) her. Eine Aufhebung oder erhebliche Verminderung der Schuld-fähigkeit läßt sich aber nicht allgemein, sondern nur in bezug auf konkrete Ta-ten beurteilen. Das [X.] hätte daher näher darlegen müssen, inwieweit sich die angenommene psychische Störung auf die Einsichts- und Steuerungs-fähigkeit des Beschuldigten bei diesen Vorfällen ausgewirkt hat. Hieran fehlt es. (Zu den [X.] vgl. Boetti-cher u.a. NStZ 2005, 57; [X.], [X.]. vom 12. November 2004 - 2 [X.] - zur Veröffentlichung in [X.]St vorgesehen; jew. m.w.[X.]). - 4 - Im einzelnen hat der [X.] zur Begründung seines [X.] auf teilweise Aufhebung des angefochtenen Urteils ausgeführt: "§ 63 StGB setzt die positive Feststellung eines länger dauernden, nicht nur vorübergehenden Defekts voraus, der zumindest eine erhebliche Ein-schränkung der Schuldfähigkeit im Sinne von § 21 StGB und die Gefahr einer künftigen Begehung von erheblichen rechtswidrigen Straftaten begründet. Dies hat das [X.] zwar nicht verkannt; es hat aber sein Ergebnis nur unzu-länglich begründet. Die insgesamt knappen und zum Teil allgemein gehaltenen ([X.]: exzentrische Verhaltensweisen und Anomalien) Ausführungen der [X.] zu der festgestellten Psychose aus dem schizophrenen [X.] (in Form einer schizotypen Störung, [X.]) lassen nicht nur eine ge-schlossene Darstellung der Anknüpfungstatsachen und der diese Einschätzung tragenden fachlichen Begründung vermissen (vgl. [X.]R StGB § 63, Zustand 20, 21), die auch nicht durch einzelne Hinweise zu Verhaltensauffälligkeiten bei den einzelnen festgestellten Taten ersetzt werden kann. Es wird darüber hinaus nicht deutlich, ob und gegebenenfalls mit welcher Begründung die [X.] sich damit die Einschätzung des Sachverständigen Dr. B. zuei-gen gemacht hat, der das [X.] insoweit beraten hat ([X.]). Ein ausdrückliches Eingehen auf das in der Hauptverhandlung erstattete [X.] wäre hier schon deshalb vonnöten gewesen, weil eine erst ein Jahr zurück-liegende Begutachtung durch einen anderen Sachverständigen zu einer hier-von abweichenden Annahme einer 'kombinierten Persönlichkeitsstörung' ([X.], 19) geführt hat und sich das [X.] mit Blick hierauf zu einer ins Einzelne gehenden Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen Diagnosen gedrängt sehen musste. Die kurzen Bemerkungen der Kammer, mit denen sie ohne Bezug zu den gutachtlichen Äußerungen des Sachverständigen Dr. B. die bei der früheren Begutachtung gestellte Diagnose als widerlegt ansieht ([X.]), ermöglichen dem Revisionsgericht schon deshalb nicht die [X.], welcher gutachterlichen Einschätzung zu folgen ist, weil auch im Hinblick auf die Diagnose der Vorgutachter eine Mitteilung der für sie wesentlichen An-knüpfungstatsachen und Schlussfolgerungen unterblieben ist. Soweit die Kammer im Übrigen anhand lediglich aneinander gereihter diagnostisch-wertender Beschreibungen die Verhaltensauffälligkeit des [X.] als "schizotype" Störung beschrieben hat (vor allem [X.], s. auch bei den einzelnen Taten), sind auch diese Ausführungen nicht geeignet, dem Revisionsgericht ein hinreichend klares Bild von Ursachen und Umfang der bei ihm vorliegenden Störung zu vermitteln (vgl. auch [X.]R StGB § 63, Zustand 29; zur schizotypen Persönlichkeitsstörung auch [X.]St 37, 397, 400f.). Es versteht sich - angesichts des Umstandes, dass sich die dem [X.] zugrunde liegenden Taten vor allem gegen seine Ehefrau gerichtet haben und die Streitigkeiten mit ihr verstärkt nach vorangegangenem Alkoholkonsum ausgebrochen sind (vgl. [X.]) - auch nicht von selbst, dass die sich 'mehr und mehr zuspitzende Entwicklung des Beschuldigten', der offenbar bis Ende 2000 den Lebensunterhalt für seine Familie verdienen konnte und sich [X.] bis zu diesem Zeitpunkt den Anforderungen des Alltagslebens gewachsen zeigte (vgl. [X.]; siehe aber auch [X.]), schließlich in diesen Taten gegipfelt hätte ([X.]). Schließlich bleibt im Dunkeln, ob und gegebenenfalls wie sich die [X.] auf das Einsichts- oder Hemmungsvermögen des Beschuldigten bei den zugrunde liegenden Taten konkret ausgewirkt hat (vgl. [X.], [X.]uss vom 12. November 2004 - 2 [X.]). Für die insoweit getroffene Feststellung der Kammer, 'infolge der Störung sei die Einsichtsfähigkeit des Beschuldigten bei allen Taten möglicherweise, die Steuerungsfähigkeit aber sicher aufgeho-- 6 - ben' ([X.]), fehlt es an jeglicher Begründung (vgl. auch [X.]R StGB § 63 Zustand 29). Ausführungen hierzu (auch im Hinblick auf das Verhältnis von fehlender Einsichts- und Steuerungsfähigkeit; vgl. dazu [X.]St 40, 341, 349; [X.], [X.]uss vom 12. November 2004 - 2 [X.]) wären auch deshalb vonnöten gewesen, weil ansonsten eine zuverlässige Gefährlichkeitsprognose nicht gestellt werden kann (vgl. [X.]R StGB § 63 Zustand 21). Dies zeigt sich deutlich bei der angegriffenen Entscheidung, wenn sie sich ohne die gebotene umfassende Würdigung der Persönlichkeit des Beschuldigten allgemein auf die bisherige Entwicklung des Beschuldigten bezieht und im Übrigen als sicher annimmt, dass die Verhaltensauffälligkeiten zukünftig wieder auftreten würden ([X.]). Ob dies der Fall ist, kann das Revisionsgericht, da Ursachen, Um-fang und Auswirkungen der beim Beschuldigten vorliegenden Störung nur bruchstückhaft und unzureichend dargelegt sind, so nicht annähernd nachvoll-ziehen." Dem tritt der Senat bei. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, daß im [X.] schon deshalb durchgreifende Bedenken gegen die bisherige Beurteilung der Steuerungsfähigkeit des Beschuldigten bestehen, weil er hier vom Vollzug der - 7 - angedrohten analen Vergewaltigung seiner damaligen Ehefrau absah, als er erkannte, daß sie vor Angst derart zitterte, daß sie kaum noch stehen konnte (vgl. [X.]). [X.] Bode

Otten

Roggenbuck

Meta

2 StR 459/04

23.03.2005

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.03.2005, Az. 2 StR 459/04 (REWIS RS 2005, 4352)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2005, 4352

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