Bundesgerichtshof, Beschluss vom 21.11.2013, Az. XII ZB 481/12

12. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 956

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Gegenstand

Entbehrlichkeit einer Betreuerbestellung


Leitsatz

Eine Betreuung ist regelmäßig nicht erforderlich, wenn der Betroffene noch in der Lage ist, jemanden mit der Wahrnehmung seiner Angelegenheiten zu beauftragen.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der [X.] des [X.] vom 20. Juli 2012 wird zurückgewiesen.

Das Verfahren der Rechtsbeschwerde ist gerichtsgebührenfrei (§ 131 Abs. 5 Satz 2 KostO).

Beschwerdewert: 3.000 €

Gründe

I.

1

Die Betroffene wendet sich gegen die teilweise Aufhebung der für sie eingerichteten Betreuung.

2

Die Betroffene leidet an einer amyotrophen Lateralsklerose. [X.] wurde eine Betreuung angeordnet und der Ehemann der Betroffenen zum Betreuer mit den [X.]n Aufenthaltsbestimmung, Wahrnehmung der Rechte bei einer Heilbehandlung, Wahrnehmung der Vermögens- und Wohnungsangelegenheiten sowie Vertretung gegenüber Behörden, Post und Gerichten bestellt. Nachdem die Betreuung zunächst mit Beschluss vom 17. April 2009 verlängert worden war, hat das Amtsgericht mit dem angefochtenen Beschluss den Aufgabenkreis des Betreuers dahin eingeschränkt, dass der Bereich "Vertretung gegenüber Behörden, Post und Gerichten" entfällt. Die Beschwerde der Betroffenen hat das [X.] zurückgewiesen. Hiergegen wendet sie sich mit ihrer Rechtsbeschwerde.

II.

3

Die Rechtsbeschwerde ist zulässig, vor allem gemäß § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FamFG ohne Zulassung statthaft. Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

4

1. Das Beschwerdegericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet:

5

Nach § 1908 d Abs. 1 Satz 2 BGB sei der Aufgabenkreis des Betreuers einzuschränken, wenn die Voraussetzungen für die Bestellung eines Betreuers hinsichtlich eines Teils seiner Aufgaben wegfallen. Ein Betreuer dürfe gemäß § 1896 Abs. 2 BGB nur für [X.] bestellt werden, in denen die Betreuung erforderlich sei. Sie sei dann nicht erforderlich, wenn die Angelegenheiten des Volljährigen von diesem selbst, gegebenenfalls mit anderen Hilfen, oder durch einen Bevollmächtigten ebenso gut wie durch einen Betreuer besorgt werden könnten.

6

Ein solcher Fall sei hier gegeben. Für den Bereich "Vertretung gegenüber Behörden, Post und Gerichten" sei kein Regelungsbedürfnis erkennbar, das die Tätigkeit eines Betreuers verlange. Da der Betreuer in dem ihm übertragenen Aufgabenkreis die Betreute gemäß § 1902 BGB ohnehin gerichtlich und außergerichtlich vertrete, habe die Einschränkung des [X.]s nur für den Bereich "Postangelegenheiten" und für Angelegenheiten, die nicht unter die Vermögenssorge, die Wohnungsangelegenheiten sowie die Aufenthaltsbestimmung und die Gesundheitsfürsorge fielen, praktische Bedeutung. Trotz mehrfacher Nachfrage hätten weder die Betroffene selbst noch ihr Betreuer auch nur eine Angelegenheit nennen können, in denen zwingend ein Betreuer habe tätig werden müssen. Gerade im Bereich der Postangelegenheiten sei es die Betroffene gewesen, die ihrerseits dafür gesorgt habe, dass der im Ausland weilende Betreuer ihn betreffende Schreiben bekommen habe. Ihre eigenen Aufenthalte in [X.] zeigten, dass auch Passangelegenheiten für die Betroffene derzeit nicht zu besorgen seien.

7

Im Übrigen sei die Betroffene gemäß § 1896 Abs. 2 Satz 2 BGB auf die Möglichkeit zu verweisen, ihren Ehemann und jetzigen Betreuer umfassend zu bevollmächtigen. Die in den Akten befindlichen Schreiben der Betroffenen belegten eindrucksvoll, dass sie hierzu trotz ihrer schweren Erkrankung imstande sei. Entgegenstehende Gutachten oder ärztliche Zeugnisse, die Zweifel an ihrer Geschäftsfähigkeit wecken könnten, seien nicht bekannt.

8

2. Die angegriffene Entscheidung hält den Angriffen der Rechtsbeschwerde stand. Das Beschwerdegericht hat in aus Rechtsgründen nicht zu beanstandender Weise festgestellt, dass ein Erfordernis für die Bestellung eines Betreuers im Sinne des § 1896 Abs. 2 Satz 1 BGB für den Aufgabenkreis "Vertretung gegenüber Behörden, Post und Gerichten" nicht besteht.

9

Soweit es die Feststellungen des [X.] anbelangt, dass die Betroffene zum einen selbst in der Lage sei, die von diesem Aufgabenkreis umfassten Angelegenheiten zu regeln, und zum anderen, eine entsprechende rechtsgeschäftliche Vollmacht zu erteilen, wird das vom Beschwerdegericht durchgeführte Verfahren seitens der Rechtsbeschwerde nicht gerügt. [X.] wird allein, dass das Beschwerdegericht unter Verstoß gegen den Amtsermittlungsgrundsatz (§ 26 FamFG) sich nicht mit dem wirtschaftlichen und rechtlichen Hintergrund der Sache befasst habe. Es sei ein sozialgerichtliches Verfahren anhängig gewesen; zudem mache eine Wohnungsvermietungsgesellschaft Ansprüche gegen die Betroffene geltend und habe diese insoweit im Rahmen der Zwangsvollstreckung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung laden lassen. Angesichts dieser nicht nur wirtschaftlichen und rechtlichen, sondern auch psychischen Belastung bedürfe die Betroffene eines Betreuers, der ihre Rechte wahrnehme und unberechtigte Ansprüche abwehren könne.

Abgesehen davon, dass die von der Rechtsbeschwerde angeführten Verfahren Vermögens- und Wohnungsangelegenheiten der Betroffenen betreffen dürften, für die ihr Ehemann nach wie vor als Betreuer zuständig ist, ist auch der vom [X.] gezogene Schluss nicht zu beanstanden, wonach die Betroffene ihren Ehemann entsprechend bevollmächtigen könne.

Denn gemäß § 1896 Abs. 2 Satz 2 BGB ist die Betreuung nicht erforderlich, soweit die Angelegenheiten des Volljährigen durch einen Bevollmächtigten, der wie hier nicht zu dem Personenkreis des § 1897 Abs. 3 BGB zählt, oder durch andere Hilfen ebenso gut wie durch einen Betreuer besorgt werden können. Eine [X.] erübrigt sich deshalb jedenfalls dann, wenn der Betroffene - wie hier - noch in der Lage ist, eine Person seines Vertrauens mit der Wahrnehmung der Angelegenheiten zu beauftragen (vgl. [X.]/[X.]. § 1896 Rn. 12) und ein besonderes Bedürfnis für die mit der Betreuung verbundene gerichtliche Kontrolle (vgl. [X.]/[X.] 6. Aufl. § 1896 Rn. 63) nicht ersichtlich ist.

Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen (§ 74 Abs. 7 FamFG).

Dose                                Weber-Monecke                            Schilling

            Nedden-Boeger                                    [X.]

Meta

XII ZB 481/12

21.11.2013

Bundesgerichtshof 12. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend LG Berlin, 20. Juli 2012, Az: 83 T 493/11

§ 1896 Abs 2 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 21.11.2013, Az. XII ZB 481/12 (REWIS RS 2013, 956)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 956

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Referenzen
Wird zitiert von

I ZB 60/18

XII ZB 225/15

XII ZB 481/12

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