Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.09.2013, Az. 4 StR 330/13

4. Strafsenat | REWIS RS 2013, 2974

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 330/13

vom
10. September
2013
in der Strafsache
gegen

wegen unerlaubter Abgabe von Betäubungsmitteln an Minderjährige u.a.

-
2
-
Der 4.
Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des [X.] und des Beschwerdeführers am 10.
September
2013
gemäß §
349 Abs.
2 und 4
StPO beschlossen:

1.
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 24.
Januar
2013 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben,
a)
im Fall
II.
B der
Urteilsgründe (Tat zum Nachteil der [X.] P.

),
b)
im gesamten Rechtsfolgenausspruch.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-tels, an eine andere [X.] des [X.] zurück-verwiesen.
2.
Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen unerlaubter Abgabe von Betäubungsmitteln an Minderjährige in 59
Fällen, wegen unerlaubter [X.] von Betäubungsmitteln an Minderjährige in acht Fällen und wegen vorsätzlicher Körperverletzung

(richtig: Körperverletzung in zwei tat-einheitlich zusammentreffenden Fällen) unter Einbeziehung der Einzelstrafen 1
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3
-
aus einer anderweitigen Verurteilung nach Auflösung der dort gebildeten
Ge-samtstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und vier Monaten verurteilt
und ausgesprochen, dass durch Anrechnung von auf die einbezogene Verurteilung erbrachten
Geldzahlungen
zwei Wochen dieser Strafe als verbüßt gelten.
Es hat ferner die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatri-schen Krankenhaus angeordnet.
Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt, hat den aus der [X.] ersichtlichen Teil-erfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet
im Sinne des §
349 Abs.
2 StPO.
I.
Die Verfahrensrüge hat der Beschwerdeführer nicht näher ausgeführt; sie ist daher unzulässig (§
344 Abs.
2 Satz
2 StPO).
II.
1.
Das
angefochtene Urteil hat nur teilweise Bestand.
a)
Soweit das
[X.] den Angeklagten wegen unerlaubter Abgabe von Betäubungsmitteln an Minderjährige sowie wegen unerlaubter Verbrauchs-überlassung von Betäubungsmitteln an Minderjährige verurteilt hat, hat die Nachprüfung des angefochtenen Urteils auf Grund der Sachrüge einen den [X.] [X.] nicht ergeben.
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3
4
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4
-
b)
Hingegen hält die Verurteilung
wegen Körperverletzung im Fall
II.
B der Urteilsgründe zum Nachteil der Eheleute P.

sachlich-rechtlicher Nach-
prüfung nicht stand.
Insoweit leiden die von der [X.] getroffenen Feststellungen zur Täterschaft des Angeklagten
an einem auch aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe nicht auflösbaren Widerspruch (§
261 StPO). Danach soll der Angeklagte die Tat zum Nachteil der Eheleute P.

vor dem Einkaufscenter in
B.

am 22.
August 2012
gegen 17.30
Uhr
begangen haben, als diese ihn

mit dem [X.] ihres
Sohnes dort antrafen,
ihn wegen des vermuteten Dieb-stahls des Fahrrads an der Flucht zu hindern versuchten und die Polizei riefen. Daraufhin habe
der Angeklagte den Geschädigten F.

P.

zu Boden ge-
stoßen
und die helfend eingreifende Ehefrau abgewehrt, indem er den Daumen ihrer rechten Hand nach hinten bog, so dass die Geschädigte
einen schmerz-haften Bänderriss erlitt. Demgegenüber hat das [X.] zu den persön-lichen Verhältnissen des
seine Täterschaft bestreitenden
Angeklagten fest-gestellt, dieser habe sich
in der [X.] vom 1. bis zum 30.
August 2012
zur [X.] seiner psychischen Erkrankung auf der Grundlage von Bestimmun-gen des PsychKG bzw. des Zivilrechts in der geschützten Station der [X.] L.

in stationärer Unterbringung befunden.
Dieser im angefochte-
nen Urteil unerörtert gebliebene Widerspruch, der durchgreifende Zweifel an der Täterschaft
des die Tat bestreitenden Angeklagten aufkommen lässt,
bedarf der Klärung durch den neuen Tatrichter.
2.
Mit dem Wegfall der Einsatzstrafe von einem Jahr und drei Monaten, die das [X.] für die Körperverletzung im Fall
II.
B verhängt hat, entfällt
nicht nur die Grundlage für den Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe.
Auch 6
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8
-
5
-
die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus kann schon aus diesem Grund keinen Bestand haben.
Die sachverständig beratene [X.]
hat angenommen, vom Ange-klagten seien infolge seiner psychischen Erkrankung
im Zusammenwirken mit dem Konsum von Betäubungsmitteln
in Zukunft weitere erhebliche rechtswidri-ge Taten nicht nur in Gestalt von Betäubungsmitteldelikten
mit einer
die Unter-bringungsanordnung gemäß §
63 StGB rechtfertigenden Wahrscheinlichkeit zu erwarten. Vielmehr neige er auch, wie die Tat zum Nachteil der Eheleute P.

zeige, zu Aggressionsdurchbrüchen mit Körperverletzungen, wobei nach den [X.] auch die Gefahr gravierender Gewaltdelikte bestehe. Die nach §
63 StGB vorzunehmende Gefährlichkeitsprognose hat die [X.]
daher maßgeblich auch auf die [X.] im Fall
II.
B der Urteilsgründe
gestützt; mit ihrem Wegfall ist deshalb
auch der Maßregel die Grundlage entzogen.
III.
Die Sache bedarf im Umfang der Aufhebung neuer Verhandlung und Entscheidung.
Der Senat weist ergänzend auf Folgendes hin:
1.
Die
Erwägungen des [X.] zu der die erheblich verminderte Schuldfähigkeit des Angeklagten und die Anordnung der Maßregel tragenden psychischen Störung begegnen jedenfalls im Fall
II.
B rechtlichen Bedenken.
Das [X.] hat in Übereinstimmung mit dem Sachverständigen
an-genommen, die Schuldfähigkeit des Angeklagten sei bei der Begehung sämtli-cher Taten
wegen einer bei ihm mindestens seit 2002 bestehenden, inzwischen 9
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chronifizierten hebephrenen Psychose im Zusammenwirken mit dem Konsum von Marihuana im Sinne von §
21 StGB erheblich vermindert gewesen. Von den verschiedenen Symptomen dieser psychischen Erkrankung imponiere beim Angeklagten insbesondere die Affektverarmung; die bei ihm
festzustellenden psychotischen Veränderungen beträfen daher ganz wesentlich eine Lockerung der Bindung an [X.] Werte und Normen. Symptome wie Wahn oder Halluzi-nationen lägen bei ihm hingegen nicht vor.
Der Drogenmissbrauch sei nicht als eigenständiges Störungsbild anzusehen, sondern lediglich als Versuch der Selbstmedikation.
Vor dem Hintergrund dieser Erwägungen vermögen die Urteilsgründe nicht zu vermitteln, aus welchen Gründen die vom Sachverständigen ange-nommene Neigung des Angeklagten zu Aggressionsdurchbrüchen, die das [X.] maßgeblich für die Gefährlichkeitsprognose herangezogen hat,
auch hinsichtlich der Tat zum Nachteil der Eheleute P.

gerade auf der diag-
nostizierten psychischen Erkrankung beruht, die nach Auffassung des Land-gerichts die erheblich verminderte Schuldfähigkeit begründet. Denn diese ist vom Sachverständigen
als eine im Fall des Angeklagten wesentlich von einer Affektverflachung gekennzeichnete
psychische
Störung beschrieben worden, bei der Wahnerleben bzw. Halluzinationen, die Auslöser für Aggressionshand-lungen sein können
(beispielhaft [X.], Urteil vom 23.
Mai 2000

1
StR
56/00, [X.], 470), gerade nicht vorliegen dürfte[n]

(UA
20).
2.
Zum Tatvorwurf der Körperverletzung im Fall
II.
B der Urteilsgründe
bemerkt der Senat ferner:
Sollte die neue Verhandlung wiederum ergeben, dass die Eheleute P.

den Angeklagten festzuhalten versuchten und dieser sie attackierte, um eine 13
14
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7
-
polizeiliche Überprüfung des Diebstahlsverdachts zu verhindern, wird gegebe-nenfalls zu prüfen
sein, ob das Verhalten des Angeklagten als erforderliche
Ver-teidigungshandlung im Sinne von §
32 Abs.
2 StGB gegen einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff der Eheleute P.

auf seine Fortbewegungsfreiheit zu
bewerten
ist. Andererseits könnte deren Verhalten durch das Festnahmerecht des §
127 StPO gedeckt sein, was ein
Notwehrrecht des Angeklagten insge-samt ausschließen würde. Dabei wird insbesondere auf das [X.] der frischen
Tat Bedacht zu nehmen sein (vgl. dazu [X.]/[X.], 26.
Aufl., §
127 Rn.
13 mwN).
Sost-Scheible
Roggenbuck
Franke

Mutzbauer
Quentin

Meta

4 StR 330/13

10.09.2013

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.09.2013, Az. 4 StR 330/13 (REWIS RS 2013, 2974)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 2974

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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