Bundesgerichtshof, Urteil vom 22.01.2010, Az. V ZR 75/09

5. Zivilsenat | REWIS RS 2010, 10112

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Gegenstand

Wohnungseigentum: Anspruch auf Veräußerung des Wohnungseigentums bei wechselseitigen Pflichtverletzungen


Tenor

Die Revision gegen das Urteil der 2. Zivilkammer des [X.] vom 1. April 2009 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Das [X.] in [X.] ist mit einem Wohn- und Geschäftshaus bebaut. Es ist nach dem Wohnungseigentumsgesetz in vier Einheiten geteilt. Der Klägerin gehören die Wohnungen Nr. 2 bis 4, der [X.] die Teileigentumseinheit Nr. 1. Zu dieser gehört das Sondereigentum an Ladenräumen im Erdgeschoß und weiteren Räumen im ersten Obergeschoss des Gebäudes, die über eine Außentreppe zu erreichen waren. Nach der Teilungserklärung stehen der Klägerin in der Wohnungseigentümerversammlung drei Stimmen, der [X.] zwei Stimmen zu.

2

Verwalter der Wohnungseigentümergemeinschaft war zunächst der Ehemann der [X.]. Später wurde es die Klägerin. Um das [X.] riss der Ehemann der [X.] die Außentreppe ab, weil diese, wie die Beklagte behauptet, baufällig war. Seither sind die Räume im Obergeschoss der Teileigentumseinheit der [X.] nur noch mit Hilfe eines von dem Nachbarhaus, das dem Ehemann der [X.] gehört, geschaffenen Durchbruchs erreichbar. Anträge der [X.], die Neuerrichtung der Treppe auf die Tagesordnung der Eigentümerversammlung zu setzen oder die Neuerrichtung zu beschließen, blieben ohne Erfolg.

3

Mit der Zahlung des laufenden Hausgelds geriet die Beklagte bis zum Frühjahr 2007 mit einem Betrag von 5.631,05 € in Rückstand. Die rückständigen Beträge sind in Höhe von 5.092,81 € tituliert. Der titulierte Betrag übersteigt 3 % des Einheitswerts des Teileigentums der [X.]. [X.] verliefen erfolglos. Mit Schreiben vom 24. März 2007 drohte die Klägerin der [X.] an, in der Eigentümerversammlung den Ausschluss der [X.] aus der [X.] gemäß § 18 WEG zu beantragen. Am 26. Juni 2007 beschlossen die Wohnungseigentümer mit den drei Stimmen der Klägerin gegen die beiden Stimmen der [X.], der [X.] ihr Teileigentum wegen der Rückstände auf das Hausgeld zu entziehen.

4

Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, ihr Teileigentum zu veräußern. Die Beklagte hat eingewandt, auch die Klägerin verstoße gegen ihre Pflichten als Wohnungseigentümerin. Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Das [X.] hat sie abgewiesen. Mit der von dem [X.] zugelassenen Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung der Entscheidung des Amtsgerichts.

Entscheidungsgründe

I.

5

Das Berufungsgericht meint, die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Veräußerung des [X.] der [X.] nach § 18 Abs. 1 [X.] seien grundsätzlich gegeben. Trotzdem könne die Klägerin die Veräußerung nicht verlangen, weil auch sie gegen ihre Pflichten als Wohnungseigentümerin grob verstoßen habe. Zur Wiederherstellung der Treppe zu den Räumen der [X.] im Obergeschoß bedürfe es eines Beschlusses der Wohnungseigentümer. Diesen habe die Klägerin pflichtwidrig verhindert, indem sie einen entsprechenden Antrag der [X.] zunächst nicht in die Tagesordnung der Wohnungseigentümerversammlung aufgenommen und später einen entsprechenden Beschlussantrag mit der Mehrheit ihrer Stimmen abgelehnt habe.

II.

6

Das hält rechtlicher Nachprüfung stand. Ein durchsetzbarer Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf Veräußerung ihres [X.] gemäß § 18 [X.] besteht derzeit nicht.

7

1. Die Voraussetzungen eines Anspruchs der Klägerin gegen die Beklagte auf Veräußerung deren [X.] nach § 18 Abs. 1, Abs. 2 [X.] sind gegeben. Eines wirksamen Beschlusses gemäß § 18 Abs. 3 [X.] bedarf es bei einer aus nur zwei Mitgliedern bestehenden Eigentümergemeinschaft nicht, weil die für einen solchen Beschluss erforderliche, nach [X.] zu bestimmende absolute Mehrheit nicht erreicht werden kann. An die Stelle des Beschlusses tritt gemäß § 18 Abs. 1 Satz 2 [X.] die Klage des anderen Wohnungseigentümers gegen den Störer auf Veräußerung ([X.], 233; [X.] ZMR 2002, 227; [X.], [X.], Rdn. 5; [X.] in [X.]/[X.], [X.], 2. Aufl., § 18 Rdn. 39).

8

2. Bei der Entscheidung der Frage, ob die Pflichtverletzung des Störers zu einem Anspruch auf Veräußerung des Wohnungseigentums führt, darf das Verhalten des Störers nicht isoliert bewertet werden. Es sind vielmehr alle Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen und die Interessen der Beteiligten insgesamt gegeneinander abzuwägen ([X.], aaO, Rdn. 13; [X.], aaO, Rdn. 25 f.). Danach scheidet ein Anspruch auf Veräußerung aus, wenn der klagende Wohnungseigentümer ebenso gegen seine Pflichten wie der beklagte Eigentümer verstößt und der Anspruch auf Veräußerung mit umgekehrten Parteirollen rechtshängig gemacht werden könnte (Kreuzer in [X.] Wohnungseigentumsrecht, 2. Aufl., Teil 10 Rdn. 15).

9

So liegt es, soweit die Beklagte behauptet, auch die Klägerin habe das von ihr der Wohnungseigentümergemeinschaft geschuldete Hausgeld in erheblichem Maße nicht geleistet oder veruntreut. Feststellungen hierzu sind indessen nicht getroffen.

3. Die Veräußerungsklage scheitert aber auch dann, wenn das dem beklagten Wohnungseigentümer vorgeworfene Verhalten von dem Kläger provoziert ist (Kreuzer, aaO) oder sich sonst als treuwidrig darstellt (Vandenhouten in [X.]/Kümmel/Vandenhouten, [X.], 8. Aufl., § 18 Rdn. 22).

So liegt der Fall hier. Die Klägerin verhindert durch ihr Verhalten die Wiederherstellung der zur ordnungsmäßigen Nutzung der im Eigentum der [X.] stehenden Räume im Obergeschoss des Hauses notwendigen Treppe und verstößt so in grober Weise gegen ihre Pflichten als Wohnungseigentümerin. Auch wenn die Treppe nur dazu dient, das Sondereigentum der [X.] zu erreichen und, wie die Klägerin behauptet, in der Teilungserklärung dem Eigentum der [X.] zugewiesen ist, handelt es sich bei der Treppe nach § 5 Abs. 1 letzte Alternative [X.] zwingend um gemeinschaftliches Eigentum. Gleichgültig aus welchem Grund die Treppe abgerissen worden ist und ob die Räume im Obergeschoss derzeit von dem Nachbarhaus aus betreten werden können, gehört es zur ordnungsgemäßen Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums, die Treppe wiederherzustellen. Hierzu bedarf es nach § 22 Abs. 1 [X.] eines entsprechenden Beschlusses der Wohnungseigentümer. Im Übrigen wird auf die zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichts verwiesen.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Krüger                           Klein                           Stresemann

                   Czub                            [X.]

Meta

V ZR 75/09

22.01.2010

Bundesgerichtshof 5. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend LG Dresden, 1. April 2009, Az: 2 S 173/08, Urteil

§ 18 Abs 1 S 2 WoEigG, § 18 Abs 2 WoEigG, § 18 Abs 3 WoEigG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 22.01.2010, Az. V ZR 75/09 (REWIS RS 2010, 10112)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 10112

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V ZR 96/13

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