Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 24.01.2018, Az. XII ZB 534/17

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2018, 15105

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[X.]:[X.]:[X.]:2018:240118BXIIZB534.17.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF
BESCHLUSS
XII ZB 534/17
vom
24.
Januar 2018
in der Familiensache
Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
FamFG § 117 Abs. 5; ZPO § 233 Satz 2 A
a)
Die Versäumung einer Rechtsmittelfrist ist auch in den Fällen einer unrichtigen Rechtsbehelfsbelehrung nicht unverschuldet, wenn diese offenkundig falsch gewesen
ist und deshalb

ausgehend von dem bei einem Rechtsanwalt voraus-zusetzenden Kenntnisstand

nicht einmal den Anschein der Richtigkeit zu erwecken
vermochte (im [X.] an Senatsbeschlüsse vom 18.
Dezember 2013
XII
ZB
38/13
FamRZ 2014, 643 und vom 13.
Juni 2012
XII
ZB
592/11

FamRZ 2012, 1287).
b)
Die Unterteilung in [X.] einerseits und andere Familiensachen andererseits gehört ebenso zu den verfahrensrechtlichen Grundkenntnissen ei-nes im Familienrecht tätigen Rechtsanwalts wie das Wissen darum, dass in
[X.] die fristgebundene Rechtsmittelbegründung [X.] der Beschwerde und eine [X.] als [X.] einzuordnen ist. Dies gilt unabhängig davon, ob es sich bei dem [X.] um einen Fachanwalt für Familienrecht handelt.
[X.], Beschluss vom 24. Januar 2018 -
XII ZB 534/17 -
OLG Hamburg

[X.]

-
2
-
Der XII.
Zivilsenat des [X.] hat am 24.
Januar 2018 durch [X.] und [X.], Dr.
Nedden-Boeger, Dr.
Botur und Guhling
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 2.
Familien-senats des [X.] vom 12.
September 2017 wird auf Kosten des Antragsgegners verwor-fen.
Der Wert der Rechtsmittelverfahren wird

hinsichtlich des Werts des Beschwerdeverfahrens in Abänderung des vorbezeichneten Beschlusses des [X.]

auf 8.236

tzt.

Gründe:
I.
Der Antragsgegner wendet sich dagegen, dass das [X.] seine Beschwerde in einer [X.] wegen Versäumung der [X.] verworfen hat.
Die vier Antragsteller sind die Kinder und Erben der ursprünglichen An-tragstellerin. Diese hatte ihren Ehemann, den Antragsgegner, vor dem Amtsge-richt auf Trennungsunterhalt in Anspruch genommen und ist während des erst-instanzlichen Verfahrens verstorben. Das Amtsgericht hat den Antragsgegner mit Beschluss vom
9.
Mai 2017 zur Zahlung von insgesamt 8.236

n-1
2
-
3
-
sen an die Antragsteller verpflichtet. Der dem Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners am 15.
Mai 2017 zugestellte Beschluss enthält eine Rechts-behelfsbelehrung, die wie folgt lautet:
"Gegen diesen Beschluss findet das Rechtsmittel der Beschwerde statt.

Monat bei dem [X.] oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle eingelegt.

Der Antragsgegner hat mit [X.] seines Verfahrensbevollmächtig-ten am 27.
Mai 2017 Beschwerde beim Amtsgericht eingelegt und diese mit am 19.
Juli 2017 beim Amtsgericht eingegangenem [X.]. Das Amtsgericht hat diesen [X.] an das [X.] wei-tergeleitet, wo er am 26.
Juli 2017 eingegangen ist. Nach einem Hinweis des [X.]s, dass die [X.] versäumt sei, hat der Antragsgegner Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Diesen Antrag hat das [X.] zurückgewiesen und die Beschwerde verwor-fen.

II.
Die Rechtsbeschwerde ist gemäß §§
117 Abs.
1 Satz
4 FamFG, 574 Abs.
1 Satz
1 Nr.
1, 522 Abs.
1 Satz
4 ZPO statthaft. Sie ist aber nicht zulässig, weil die Voraussetzungen des §
574 Abs.
2 ZPO nicht erfüllt sind. Die [X.] Rechtsfragen sind durch die Rechtsprechung des [X.] geklärt. Der Antragsteller vermag auch nicht aufzuzeigen, dass eine Entschei-dung des [X.] zur Sicherung einer einheitlichen Recht-sprechung erforderlich wäre. Das [X.] hat die beantragte [X.] in den vorigen Stand abgelehnt und die Beschwerde wegen Ver-3
4
-
4
-
säumung der [X.] verworfen. Damit hält es sich im Rahmen der höchstrichterlichen Rechtsprechung.
1. Das [X.] hat richtig gesehen, dass es sich bei dem auf Zahlung von Trennungsunterhalt gerichteten Verfahren gemäß §§
112 Nr.
1, 231 Abs.
1 Nr.
2 FamFG
um eine Familienstreitsache handelt, für die §
117 Abs.
1 FamFG gilt. Danach war hier binnen zwei Monaten nach der schriftlichen Bekanntgabe des erstinstanzlichen Beschlusses eine Beschwerdebegründung beim [X.] einzureichen. Diese Frist lief am 17.
Juli 2017, einem Montag, ab, so dass der erst am 26.
Juli 2017 beim [X.] [X.] die Frist nicht gewahrt hat.
2. Auch die Zurückweisung des Antrags auf Wiedereinsetzung in den [X.] Stand gibt zu [X.] keinen Anlass. Denn die Fristversäumung ist nicht unverschuldet im Sinne von §§
117 Abs.
5 FamFG, 233 Satz
1 ZPO. Ohne Erfolg macht der Antragsgegner geltend, gemäß §§
117 Abs.
5 FamFG, 233 Satz
2 ZPO müsse das Fehlen des Verschuldens vermutet werden. [X.] hat das [X.] zu Recht angenommen, dass die Fristversäu-mung trotz der unrichtigen Rechtsbehelfsbelehrung auf dem Verschulden des anwaltlichen Vertreters des Antragsgegners beruht, das sich dieser gemäß §§
113 Abs.
1 FamFG, 85 Abs.
2
ZPO zurechnen lassen muss.
a) Allerdings darf auch ein Rechtsanwalt grundsätzlich auf die Richtigkeit einer durch das Gericht erteilten Rechtsbehelfsbelehrung vertrauen. Gleichwohl muss von ihm erwartet werden, dass er die Grundzüge des Verfahrensrechts
und das Rechtsmittelsystem in der jeweiligen Verfahrensart kennt. Das [X.] in die Richtigkeit einer Rechtsbehelfsbelehrung kann er deshalb nicht uneingeschränkt, sondern nur in solchen Fällen in Anspruch nehmen, in denen die inhaltlich fehlerhafte Rechtsbehelfsbelehrung zu einem unvermeidbaren, 5
6
7
-
5
-
zumindest aber zu einem nachvollziehbaren und daher verständlichen Rechtsirrtum des Rechtsanwalts geführt hat. Die Fristversäumung ist mithin auch in den Fällen einer unrichtigen Rechtsbehelfsbelehrung nicht unverschul-det, wenn diese offenkundig falsch gewesen ist und deshalb

ausgehend von dem bei einem Rechtsanwalt vorauszusetzenden Kenntnisstand

nicht einmal den Anschein der Richtigkeit zu erwecken vermochte (vgl. Senatsbeschlüsse vom 18.
Dezember 2013

XII
ZB
38/13

FamRZ 2014, 643 Rn.
19
f. und vom 13.
Juni 2012

XII
ZB
592/11

FamRZ 2012, 1287 Rn.
9; [X.] Beschlüsse vom 18.
Oktober 2017

LwZB
1/17

NJW 2018, 165 Rn.
7; vom 12.
Oktober 2016

V
ZB
178/15

NJW 2017, 1112 Rn.
11
f. und vom 12.
Januar 2012

V
ZB
198/11, V
ZB
199/11

NJW 2012, 2443 Rn.
10
f.).
b) Nach diesen Maßstäben war die Versäumung der Beschwerdebe-gründungsfrist durch den Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners nicht unverschuldet. Die Unterteilung in Familienstreit-
und Ehesachen einerseits und Familiensachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit andererseits gehört ebenso zu den verfahrensrechtlichen Grundkenntnissen eines im Familienrecht tätigen Rechtsanwalts wie das Wissen darum, dass in [X.] die fristge-bundene Rechtsmittelbegründung Zulässigkeitsvoraussetzung der Beschwerde und eine (Trennungs-)[X.] als Familienstreitsache einzuordnen ist. Dies gilt unabhängig davon, ob es sich um einen Fachanwalt für Familienrecht handelt. Vielmehr nimmt der Rechtsanwalt mit der Übernahme eines [X.] Mandats diese verfahrensrechtliche Sachkunde für sich in Anspruch.
Daran ändert der Umstand nichts, dass diese einfachen Anforderungen genügende Kenntnis des Verfahrensrechts selbstverständlich auch vom Famili-engericht zu verlangen und der Fehler in der Rechtsbehelfsbelehrung daher nicht nachvollziehbar ist. Ohne Erfolg beruft sich die Rechtsbeschwerde schließlich auf die Rechtsprechung des [X.] zu einer hinsicht-8
9
-
6
-
lich des örtlich zuständigen Berufungsgerichts in [X.] unrichtigen Rechtsbehelfsbelehrung (vgl. [X.] Beschluss vom 28.
September 2017

V
ZB
109/16

ZfIR 2018, 23 Rn.
14 mwN). Anders als dort unterliegt in der vorliegenden Sache weder die verfahrensrechtliche Einordnung (als Famili-enstreitsache) noch eine der Zulässigkeitsanforderungen des Rechtsmittels ei-ner Unwägbarkeit, die den Rechtsirrtum des Rechtsanwalts nachvollziehbar erscheinen lassen könnte (vgl. auch [X.] Beschluss vom 18.
Oktober 2017

LwZB
1/17

NJW 2018, 165 Rn.
8).

Dose

Schilling

Nedden-Boeger

Botur

Guhling
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 09.05.2017 -
276 [X.]/15 -

OLG
Hamburg, Entscheidung vom 12.09.2017 -
2 UF 95/17 -

Meta

XII ZB 534/17

24.01.2018

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 24.01.2018, Az. XII ZB 534/17 (REWIS RS 2018, 15105)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 15105

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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7 UF 1595/17 (OLG Nürnberg)

Bei dem Arrestverfahren handelt es sich um eine Familienstreitsache


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