Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.12.2013, Az. XII ZB 38/13

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 151

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII [X.] 38/13

vom

18. Dezember 2013

in der
Familiensache

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
FamFG §§ 17 Abs. 2, 113 Abs. 1 Satz 2, 117 Abs. 1 Satz 1, 2 und 3;
ZPO §§
85 Abs. 2, 233 D, 234 A, 338
Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen einer inhaltlich unrichtigen Rechtsbehelfsbelehrung (hier: unrichtige Belehrung über den Rechtsbehelf gegen einen [X.] in einer Familienstreitsache) setzt die Kausalität zwi-schen dem [X.] und der Fristversäumung voraus; diese kann bei ei-nem anwaltlich vertretenen Beteiligten entfallen, wenn die durch das Gericht erteilte Rechtsbehelfsbelehrung offenkundig falsch gewesen ist und deshalb -
ausgehend von dem bei einem Rechtsanwalt vorauszusetzenden Grundkenntnissen des Verfah-rensrechtes und des Rechtsmittelsystems -
nicht einmal den Anschein der Richtigkeit zu erwecken vermochte (im [X.] an [X.]sbeschluss vom 13. Juni 2012 -
XII [X.] 592/11 -
FamRZ 2012, 1287).
[X.], Beschluss vom 18. Dezember 2013 -
XII [X.] 38/13 -
OLG [X.]

[X.]

-
2
-
Der XII.
Zivilsenat des [X.] hat am 18.
Dezember 2013
durch den
Vorsitzenden
Richter
Dose und
die Richter Schilling,
Dr.
Günter, Dr.
Nedden-Boeger und Dr.
Botur
beschlossen:
Die
Rechtsbeschwerden
gegen die
Beschlüsse
des
9. [X.]s für Familiensachen des [X.]s [X.]
vom 6.
De-zember 2012
werden auf Kosten des Antragsgegners
verworfen.
Wert: 5.964

Gründe:

I.
Der anwaltlich vertretene
Antragsgegner wurde mit [X.] vom 16. Juli 2012, zugestellt am 30. Juli 2012, zur Zahlung von [X.] verpflichtet. Die
dem Beschluss beigefügte Rechtsmittelbelehrung lautete auszugsweise:
"Gegen diesen Beschluss ist das Rechtsmittel der Beschwerde gegeben.

Die Beschwerde muss spätestens innerhalb eines Monats nach der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses bei dem Amtsgericht

-
Familiengericht
-

"

1
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3
-
3
-
Einen
Hinweis auf den Rechtsbehelf des Einspruchs gegen einen [X.] und die hierfür maßgebliche Einlegungsfrist von zwei [X.] enthielt die Rechtsbehelfsbelehrung nicht.
Am 30. August 2012 hat der Antragsgegner beim Amtsgericht
einen als "Beschwerde"
bezeichneten Rechtsbehelf
gegen den [X.] eingelegt
und am 10. September 2012 zudem Wiedereinsetzung in die [X.] Einspruchsfrist beantragt.

Diesen Antrag hat das Amtsgericht mit der Begründung abgelehnt, der Antragsgegner habe die Einspruchsfrist nicht unverschuldet versäumt. Die hiergegen gerichtete Beschwerde hat das [X.] zurückgewiesen. Mit Beschluss vom gleichen Tag hat das [X.] zudem die Be-schwerde gegen den [X.] verworfen, weil
nur der Einspruch der statthafte Rechtsbehelf gegen einen [X.] sei.
Gegen beide Entscheidungen des [X.]s hat der Antrags-gegner
Rechtsbeschwerde eingelegt.

II.
Die Rechtsbeschwerden
sind
zwar nach §
113 Abs.
1 Satz
2 FamFG, §
238 Abs.
2 Satz
1 ZPO [X.]. §
117 Abs.
1 Satz
4 FamFG, §§
522 Abs.
1 Satz
4, 574 Abs.
1 Nr.
1 ZPO statthaft. Sie sind
aber unzulässig, weil die Vo-raussetzungen des
§
574 Abs.
2 ZPO nicht vorliegen. Der Rechtssache kommt weder grundsätzliche Bedeutung zu,
noch ist eine Entscheidung des [X.]s zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtspre-chung erforderlich.

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8
-
4
-
1. Das Beschwerdegericht hat die Beschwerde des Antragsgegners ge-gen den [X.] zu Recht als unzulässig
verworfen.
Gegen einen [X.] in einer Familienstreitsache
(§§
112 Nr.
1, 231 Abs.
1 FamFG)
ist nach §
113 Abs.
1 Satz
2 FamFG [X.]. §
338 Satz
1 ZPO allein der Einspruch der statthafte Rechtsbehelf. Nur gegen einen zweiten [X.] (§
113 Abs.
1 Satz
2 FamFG [X.]. §
345 ZPO) findet die Beschwerde statt, sofern sie darauf gestützt wird, dass ein Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe (vgl. §
117 Abs.
2 Satz
1 [X.]. §
514 Abs.
1 ZPO). Der Einspruch ist gemäß §
113 Abs.
1 Satz
2 FamFG
[X.]. §
339 Abs.
1 ZPO innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des [X.]es einzulegen. Diese Voraussetzung ist vorliegend jedoch nicht erfüllt.
a) Zwar können die formalen Anforderungen an einen Einspruch nach §
113 Abs.
1 Satz
2 FamFG [X.]. §
340 Abs.
2 ZPO auch dann gewahrt sein, wenn in der Einspruchsschrift das Wort "Einspruch"
nicht enthalten ist. Da die Einspruchsschrift einer Auslegung zugänglich ist, genügt es, wenn die säumige Partei unzweideutig zum Ausdruck bringt, dass sie die [X.] nicht gegen sich gelten lassen will (vgl. [X.] Urteil vom 9.
Juni 1994 -
IX
ZR 133/93
-
NJW-RR 1994, 1213e-würde jedoch ebenfalls nicht zur Zulässigkeit des Rechtsbehelfs führen, weil jedenfalls
die Einspruchsfrist von zwei Wochen gemäß §
113 Abs.
1 Satz
2 FamFG [X.]. §
339 Abs.
2 ZPO nicht gewahrt
ist. Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des [X.] wurde der [X.] dem Antragsgegner am 30.
Juli 2012 zugestellt. Der als "Beschwerde"
bezeichnete Rechtsbehelf ging erst am 30.
August 2012 und damit nach Ablauf der zweiwöchigen Einspruchsfrist beim Amtsgericht ein.
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11
-
5
-
b) Die Einspruchsfrist wurde vom Amtsgericht auch nicht gemäß §
113 Abs.
1 Satz
2 FamFG [X.]. §
339 Abs.
2 ZPO verlängert.
[X.]) Die Rechtsbeschwerde vertritt hierzu die Auffassung, durch die Be-nennung der Monatsfrist des §
63 Abs.
1 FamFG
in
der Rechtsmittelbelehrung habe das Amtsgericht die Einspruchsfrist gemäß §
339 Abs.
2 ZPO auf die Dauer von einem Monat verlängert. Der Einspruch sei damit fristgerecht beim Amtsgericht eingegangen, so dass es einer Wiedereinsetzung überhaupt nicht bedürfe. Ob das Amtsgericht die Einspruchsfrist überhaupt gemäß §
339 Abs.
2 ZPO (analog) habe verlängern können, sei unerheblich. Nach der Rechtspre-chung des [X.] (Urteil vom 10.
November 1998 -
VI
ZR 243/97
-
NJW 1999, 1187, 1192) bleibe die Wirksamkeit der Fristsetzung hiervon unbe-rührt.
[X.]) Dem kann nicht gefolgt werden. Nach §
339 Abs.
2 ZPO
hat das [X.] die Einspruchsfrist im Versäumnisurteil oder nachträglich durch besonde-ren Beschluss zu bestimmen, wenn die Zustellung der [X.] im Ausland oder durch öffentliche Bekanntmachung
erfolgen soll. Nur aufgrund der Besonderheit dieser beiden Zustellungsarten ermöglicht das [X.] die Festsetzung einer
von §
339 Abs.
1 ZPO abweichenden
Einspruchs-frist. Eine analoge Anwendung auf andere Fallkonstellationen lässt die [X.] aufgrund ihres Ausnahmecharakters nicht zu. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aufgrund der von der Rechtsbeschwerde zitierten Rechtsprechung des [X.] (Urteil vom 10.
November 1998 -
VI
ZR 243/97
-
NJW 1999, 1187, 1192). Dort wird zwar ausgeführt, dass aus Gründen des [X.] eine im Versäumnisurteil verlängerte Einspruchsfrist auch dann maßgeblich ist, wenn das Gericht zu Unrecht von der Möglichkeit des §
339 Abs.
2 ZPO Gebrauch gemacht hat. Mit dem dieser Entscheidung zugrunde 12
13
14
-
6
-
liegenden Sachverhalt ist der vorliegende Fall indes nicht vergleichbar. Das Amtsgericht hat hier keine bewusste Entscheidung über die Dauer der Ein-spruchsfrist getroffen, sondern lediglich in der standardisierten Rechtsbehelfs-belehrung fehlerhaft die Monatsfrist des §
63 Abs.
1 FamFG für die Einlegung der Beschwerde genannt. Auch wenn die Rechtsbehelfsbelehrung nach §
39 FamFG formeller Bestandteil des Beschlusses ist (vgl. [X.]/Meyer-Holz FamFG
18.
Aufl. §
39 Rn.
10), spricht nichts dafür, dass das Amtsgericht damit verfahrensfehlerhaft
die Dauer der Einspruchsfrist abweichend von §
339 Abs.
1 ZPO festsetzen wollte.
2.
Das Beschwerdegericht hat dem Antragsgegner auch zu Recht die Wiedereinsetzung in die versäumte Einspruchsfrist versagt.
a) Hierzu
trägt die Rechtsbeschwerde vor, die Vermutung eines [X.]n Verschuldens bei unterbliebener oder fehlerhafter Rechtsbehelfsbelehrung (§
17 Abs.
2 FamFG)
gelte auch in [X.]. Der Inhalt der Rechtsbehelfsbelehrung sei für die Fristversäumung auch kausal geworden, weil die Rechtsbehelfsbelehrung nicht falsch gewesen sei, sondern das Amts-gericht eine entsprechende Erklärung abgegeben habe, auf die sich auch ein Rechtsanwalt verlassen dürfe.
b) Damit hat die Rechtsbeschwerde einen Wiedereinsetzungsgrund nicht dargelegt.
[X.]) Richtig ist zwar, dass nach der Rechtsprechung des [X.]s die Ver-pflichtung des Gerichts zur Erteilung einer Rechtsbehelfsbelehrung unter-schiedslos für alle nach dem FamFG geführten Verfahren besteht und in ent-sprechender Anwendung des § 17 Abs. 2 FamFG auch in Ehesachen und Fa-milienstreitsachen ein Fehlen des Verschuldens vermutet wird, wenn die erfor-derliche Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben, unvollständig
oder fehlerhaft ist 15
16
17
18
-
7
-
(vgl. [X.]sbeschlüsse vom 27.
Februar 2013 -
XII
[X.] 6/13
-
FamRZ
2013, 779 Rn.
6 und vom 13.
Juni 2012 -
XII
[X.] 592/11
-
FamRZ 2012, 1287 Rn.
7).
Allerdings kommt auch unter der Geltung des §
17 Abs.
2 FamFG eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nur dann in Betracht, wenn die [X.] oder unvollständige Rechtsbehelfsbelehrung für die Fristversäumnis ursäch-lich geworden ist. An einer solchen Ursächlichkeit fehlt es in denjenigen Fällen, in denen der Beteiligte wegen vorhandener Kenntnis über seine Rechtsmittel keiner Unterstützung durch eine Rechtsmittelbelehrung bedarf; dies ist bei ei-nem anwaltlich vertretenen Beteiligten regelmäßig der Fall ([X.]sbeschlüsse vom 27.
Februar 2013 -
XII
[X.] 6/13
-
FamRZ
2013, 779 Rn.
7; vom 13.
Juni 2012 -
XII
[X.] 592/11
-
FamRZ 2012, 1287 Rn.
8 und vom 23.
Juni 2010

-
XII
[X.] 82/10 -
FamRZ 2010, 1425 Rn.
11).
Nur für die Fälle einer inhaltlich unrichtigen Rechtsbehelfsbelehrung hat der [X.] entschieden, dass grundsätzlich
auch ein Rechtsanwalt auf die Rich-tigkeit einer durch das Gericht erteilten Rechtsbehelfsbelehrung vertrauen darf
([X.]sbeschluss vom 13.
Juni 2012 -
XII
[X.] 592/11
-
FamRZ
2012, 1287 Rn.
9). Da aber
gleichwohl von ihm erwartet werden kann, dass er die [X.] und das Rechtsmittelsystem in der jeweiligen [X.] kennt, kann
er das Vertrauen in die Richtigkeit einer Rechtsbehelfs-belehrung nicht uneingeschränkt, sondern nur in solchen Fällen in Anspruch nehmen, in denen die inhaltlich fehlerhafte Rechtsbehelfsbelehrung zu einem unvermeidbaren, zumindest aber zu einem nachvollziehbaren und daher ver-ständlichen Rechtsirrtum des Rechtsanwaltes geführt hat
([X.]sbeschluss vom 13.
Juni 2012 -
XII
[X.] 592/11
-
FamRZ
2012, 1287 Rn.
9 mwN).
[X.]) Gemessen hieran war die Versäumung der Einspruchsfrist durch den Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners nicht unverschuldet. Von dem 19
20
21
-
8
-
Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners kann die Kenntnis erwartet werden, dass gegen einen [X.] in [X.] der Einspruch der statthafte Rechtsbehelf
ist. Dieses
Wissen
ist
zu den verfahrens-rechtlichen Grundkenntnissen eines im Familienrecht tätigen Rechtsanwalts zu zählen, zumal das Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit zu dem Zeitpunkt, in dem der [X.] erging, bereits seit mehreren Jahren in [X.] war und entsprechende Anmerkungen in den [X.] zur Verfügung standen
(vgl. etwa [X.]/[X.]/[X.] ZPO 33.
Aufl. §
117 FamFG Rn.
4; [X.]/[X.] 3.
Aufl. §
117
FamFG
Rn.
13; [X.]/Weinreich/
[X.] FamFG 3. Aufl. § 117 Rn. 30).

-
9
-
c) Weil sich der Antragsgegner das Verschulden seines Verfahrensbe-vollmächtigten zurechnen lassen muss (§
113 Abs.
1 Satz
2 FamFG [X.]. §
85 Abs.
2 ZPO), hat er die Frist
zur Einlegung des Einspruchs gegen den [X.] nicht schuldlos versäumt. Das Amtsgericht hat ihm die [X.] Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach §
113 Abs.
1 Satz
2 FamFG
[X.]. §
233 ZPO daher zu Recht versagt.

Dose

Schilling

Günter

Nedden-Boeger

Botur

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidungen
vom 16.07.2012
und 28.09.2012
-
69 F 223/12 -

OLG [X.], Entscheidungen
vom 06.12.2012 -
II-9 UF 199/12 -

22

Meta

XII ZB 38/13

18.12.2013

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.12.2013, Az. XII ZB 38/13 (REWIS RS 2013, 151)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 151

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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