Bundesgerichtshof, Beschluss vom 14.07.2010, Az. IV ZR 250/09

4. Zivilsenat | REWIS RS 2010, 4862

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Gegenstand

Kommunaler Schadensausgleich: Feststellungsklage betreffend eine satzungsgemäße nachwirkende Umlagepflicht eines ausgeschiedenen Mitglieds


Tenor

Der Senat beabsichtigt, die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 4. Zivilsenats des [X.] vom 19. Februar 2009 durch Beschluss nach § 552a ZPO zurückzuweisen.

Die Parteien erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum

30. August 2010.

Wert: 10.000 €

Gründe

1

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor, da beachtliche Zulassungsgründe für den allein noch maßgeblichen Hilfsantrag der Klägerin nicht ersichtlich sind; das Rechtsmittel ist zudem unbegründet.

2

I. Die Klägerin besorgt gemäß Vertrag vom 28. Oktober 1998 (Geschäftsbesorgungsvertrag) Geschäfte des [X.] ([X.]) der Länder [X.], [X.], [X.], [X.]-Anhalt und [X.], der als nicht rechtsfähiger Verein geführt wird. Die [X.], die später auf die [X.] verschmolzen worden ist, war seit dem Jahre 1992 Mitglied im [X.]. Die [X.] trat nach der Verschmelzung mit Wirkung zum 3. August 2004 aus dem [X.] aus. Danach entstand Streit, inwieweit für die [X.] der [X.]n bestehen. Dazu sieht die Satzung des [X.] (Satzung) folgendes vor:

"§ 9

....

(2) Scheidet ein Mitglied aus dem Deckungsschutz einer Verrechnungsstelle ganz oder teilweise aus bzw. reduzieren sich seine Wagnisse, so bleibt es für die während seiner [X.] der Beteiligung an dieser Verrechnungsstelle eingetretenen Schadensfälle und begründeten Verbindlichkeiten anteilig zur Umlage verpflichtet.

(3) Diese in Abs. 2 genannte Verpflichtung kann nach Maßgabe des Satzes 4 auch durch Einmalzahlung abgegolten werden. …."

3

Das [X.] hat die auf § 9 Abs. 3 der Satzung und auf eine Abtretung vom 25. Juni 2007 gegründete Klage auf Zahlung von [X.] nebst Zinsen abgewiesen. Das Berufungsgericht hat auf den Hilfsantrag der Klägerin festgestellt, dass die [X.] gemäß § 9 Abs. 2 der Satzung des [X.] verpflichtet ist, für die während der [X.] der Beteiligung der [X.] an den Verrechnungsstellen Allgemeine Haftpflicht, Kraftfahrthaftpflicht und Autokasko eingetretenen Schadensfälle und begründeten Verbindlichkeiten aller Mitglieder die anteilige Umlage zu entrichten, soweit die Ansprüche ab dem 1. Januar 2006 entstanden sind. Dagegen richtet sich die Revision der [X.]n.

4

II. Die Revision macht ohne Erfolg geltend, der Klägerin sei nur die Einmalforderung nach § 9 Abs. 3 der Satzung gemäß der Erklärung vom 25. Juni 2007 abgetreten worden. Sie sei deshalb nicht berechtigt, den auf § 9 Abs. 2 der Satzung gestützten Feststellungsantrag zu verfolgen.

5

1. Die Klägerin ist aus eigenem materiellen Recht legitimiert, die Umlagepflicht der Rechtsvorgängerin der [X.]n nach § 9 Abs. 2 der Satzung dem Grunde nach feststellen zu lassen. Entsprechendes folgt aus dem Geschäftsbesorgungsvertrag. Die Klägerin ist allein deshalb als Gesellschaft mit beschränkter Haftung gegründet und vom [X.] [X.] mit der Wahrnehmung seiner Angelegenheiten beauftragt worden, um diesem über den nach früherer Rechtslage (vgl. § 50 Abs. 2 ZPO a.F.) gegebenen Mangel hinweg zu helfen, in [X.] als [X.] aufzutreten.

6

Vor dem Hintergrund dieser damals fehlenden aktiven [X.]fähigkeit ist Absatz 1 der Präambel des [X.], der sich zur Durchsetzung von Regressforderungen gegen Dritte nach § 67 [X.] a.F. verhält, nur beispielhaft zu sehen. Maßgeblich kommt es auf die Absätze 3 und 4 an, die sich ausdrücklich mit § 50 Abs. 2 ZPO a.F. befassen, sowie auf den Zusatz in Absatz 5: "Dasselbe gilt selbstverständlich auch für sonstige [X.], die der [X.] zu führen hat".

7

Eine umfassende (Voraus-)Abtretung sämtlicher Ansprüche durch den [X.] an die GmbH ist darin zwar nicht zu sehen. Indes ist eine treuhänderische Stellung der Klägerin begründet worden, die mit einer treuhänderischen Einzugsermächtigung verbunden war. Wesentliche Aufgabe der Klägerin sollte es sein, dem [X.] generell die Führung von [X.] zu ermöglichen. Diese - treuhänderisch ausgestaltete - Rechtsstellung wird auch aus den Regelungen unter § 1 des [X.] deutlich. Nach § 1 Abs. 3 hat die Klägerin die [X.] unter Anleitung sowie nach den Vorgaben des [X.] bzw. der von diesem ausgewählten Prozessbevollmächtigten zu führen. Der [X.] trägt im Innenverhältnis das wirtschaftliche Risiko einer Uneinbringlichkeit der eingeklagten Forderung (§ 1 Abs. 4) und stellt die Klägerin von Ansprüchen Dritter und sämtlichen Kosten frei (§ 1 Abs. 5, § 2).

8

Bei der Einzugsermächtigung handelt es sich - als Minus zur Vollabtretung - um ein abgespaltenes Gläubigerrecht, das die Verfügungsbefugnis des [X.] über ein fremdes, dem [X.] verbleibendes Recht durch den Begriff der Einziehung entsprechend umgrenzt. Sie verschafft dem [X.] insoweit die Sachlegitimation, Leistung an sich zu verlangen ([X.], 196, 205; [X.], Urteil vom 23. März 1999 - [X.] - [X.], 892 unter [X.] a). Dann aber ist er auch befugt, einen die Leistung vorbereitenden Feststellungsantrag zu stellen.

9

2. [X.] ist auch hinreichend bestimmt. Das Berufungsgericht hat klar zum Ausdruck gebracht, dass nicht nur die eigenen Schadensfälle der [X.] als Grundlage für die anteilige Umlage zu nehmen sind, sondern die Schadensfälle aller Mitglieder im betreffenden [X.]raum. Erfasst sind die Schadensfälle, die sich während der Beteiligung der auf die [X.] verschmolzenen [X.] am [X.] [X.] ereignet haben. Zwar wird das Datum des Ausscheidens (3. August 2004) im Feststellungsausspruch nicht ausdrücklich genannt. Es ergibt sich aber ohne weiteres aus den Gründen des Urteils und ist überdies zwischen den Beteiligten unstreitig. Betroffen sind allerdings nur [X.] ab dem 1. Januar 2006, die nach Auffassung des Berufungsgerichts in nicht rechtsverjährter [X.] entstanden sind.

3. Der Einwand der Revision, für die Umlage hätte in der Satzung selbst eine feste betrags- und zeitmäßige Obergrenze festgelegt werden müssen, ist ebenfalls nicht begründet. Der hier gegebene Sachverhalt lässt sich nicht unter die Rechtsprechung des [X.] (Urteil vom 24. September 2007 - [X.]/06 - ZIP 2007, 2264 [X.]. 11 f.) einordnen. Es geht um die reguläre Beitragsschuld der [X.] für die [X.] ihrer Mitgliedschaft und nicht um eine darüber hinausgehende Umlagepflicht wegen eines außerordentlichen (zusätzlichen) Finanzbedarfs.

4. Das erforderliche Feststellungsinteresse ist ebenfalls gegeben. Die [X.] ist ein Unternehmen der öffentlichen Hand zum Zwecke der Daseinsvorsorge, wenn sie auch rein privatrechtlich in der Rechtsform einer GmbH organisiert ist. Der [X.] hat bereits entschieden, dass eine Feststellungsklage zulässig ist, wenn ihre Durchführung unter dem Gesichtspunkt der Prozesswirtschaftlichkeit eine sinnvolle und sachgemäße Erledigung der aufgetretenen Streitpunkte erwarten lässt. Das ist wiederum insbesondere dann der Fall, wenn die beklagte [X.] die Erwartung rechtfertigt, sie werde auf ein rechtskräftiges Feststellungsurteil hin ihren rechtlichen Verpflichtungen nachkommen, ohne dass es eines weiteren, auf Zahlung gerichteten Vollstreckungstitels bedarf; das ist etwa bei einer Behörde, einer Bank oder einem großen Versicherungsunternehmen der Fall (vgl. [X.]surteil vom 16. Februar 2005 - [X.] - [X.], 629 unter [X.]). Es ist nicht ersichtlich, dass die [X.] diese Erwartung nicht ebenfalls rechtfertigt, zumal sie in der Vergangenheit ihrer Umlageverpflichtung entsprechend § 9 Abs. 1 der Satzung nachgekommen ist, ohne dass sich Streitigkeiten hinsichtlich der Höhe ihrer Schuld ergeben hätten. Hier geht es der [X.]n vorrangig darum, die Frage geklärt zu wissen, ob nur die eigenen Schadensfälle oder die sämtlicher Mitglieder in die Umlageverpflichtung einzubeziehen sind.

5. Die zuletzt genannte Frage hat das Berufungsgericht zutreffend beantwortet. Beim [X.] [X.] (vgl. § 1 Abs. 3 Nr. 3 [X.]) handelt es sich um eine freiwillige Selbstversicherungseinrichtung, die die Gemeinden und Gemeindeverbände in der Form nicht rechtsfähiger Vereine geschaffen haben, um im Wege des Ausgleichs insbesondere Haftpflicht- und Kraftfahrzeughaftpflichtschäden sowie [X.] ihrer Mitglieder zu tragen ([X.] in [X.], Versicherungsaufsichtsgesetz 12. Aufl. § 1 Rdn. 68). Er finanziert sich auf der Grundlage eines Umlageverfahrens; es werden grundsätzlich keine Rücklagen oder Rückstellungen gebildet ([X.] aaO). Die nachwirkende Umlagepflicht der im Laufe eines Geschäftsjahres ausgeschiedenen Mitglieder, wie sie die Satzung des [X.] vorsieht, entspricht dem Leitbild des § 25 Abs. 1 [X.], das hier herangezogen werden kann, auch wenn der [X.] gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 3 [X.] nicht der Versicherungsaufsicht unterliegt. Das ist allein darauf zurückzuführen, dass der Gesetzgeber ein Aufsichtsbedürfnis für den [X.] [X.] nicht gesehen hat, weil die daran beteiligten Gemeinden und Gemeindeverbände schon einer kommunalen Aufsicht unterliegen ([X.] aaO). Aus diesem Umstand kann nicht geschlossen werden, dass dem [X.] [X.] ein anderes Modell zugrunde läge als das, welches in § 25 Abs. 1 [X.] zum Ausdruck kommt. In § 24 Abs. 1 [X.] ist zudem das Umlagesystem als solches ausdrücklich anerkannt (vgl. auch [X.], Urteil vom 16. November 1967 - [X.]/64 - [X.], 138 unter I); auf diese Weise wird das übernommene Risiko planmäßig auf die [X.] aller von der gleichen Gefahr bedrohten Mitglieder verteilt. Eine Intransparenz der Satzungsbestimmung in § 9 Abs. 1 Satz 1 ("[X.] werden nach Abschluss des Geschäftsjahres auf die Mitglieder nach den für die Verrechnungsstellen geltenden Schlüsseln umgelegt.") ist insoweit nicht zu erkennen, zumal es hier allein um die Umlagepflicht dem Grunde nach geht.

6. Schließlich kommt es nicht darauf an, dass die [X.] in einer späteren Satzungsfassung die Regelung des § 9 Abs. 3 geändert und dahin ausgestaltet hat, dass nunmehr im Falle des Ausscheidens eines Mitglieds grundsätzlich eine Einmalzahlung zu erbringen ist, die die nachwirkende Beteiligung im Umlageverfahren gemäß § 9 Abs. 2 ersetzt. Denn für die Leistungspflicht der [X.]n ist die Satzungsfassung maßgeblich, die zum [X.]punkt ihres Ausscheidens aus dem [X.] galt.

[X.]                                              Dr. [X.]

                 [X.]                                                    Lehmann

Hinweis: Das Revisionsverfahren ist durch Revisionsrücknahme erledigt worden.

Meta

IV ZR 250/09

14.07.2010

Bundesgerichtshof 4. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Dresden, 19. Februar 2009, Az: 4 U 1721/08, Urteil

§ 1 Abs 3 Nr 3 VAG, § 24 VAG, § 25 VAG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 14.07.2010, Az. IV ZR 250/09 (REWIS RS 2010, 4862)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 4862

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Referenzen
Wird zitiert von

IV ZR 252/22

V ZB 19/15

V ZB 19/15

IV ZR 6/13

IV ZR 6/13

IV ZR 250/09

2 O 387/19

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