Bundesgerichtshof, Beschluss vom 16.02.2016, Az. 1 StR 525/15

1. Strafsenat | REWIS RS 2016, 16229

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Gegenstand

Strafverfahren wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln: Revisionsgerichtliche Nachprüfung einer Verurteilung in Ansehung tatrichterlicher Beweiswürdigung; nicht hinreichende Tatsachengrundlage


Tenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 23. April 2015, soweit es ihn betrifft, mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt und die Anrechnung in dieser Sache in [X.] erlittener Auslieferungshaft im Maßstab 1:1 angeordnet. Zudem hat es festgestellt, dass die verhängte Freiheitsstrafe durch die in dieser Sache erlittene Untersuchungshaft vollständig verbüßt ist, und entschieden, dass keine Entschädigung für weitere in dieser Sache erlittene Untersuchungshaft nach dem Strafrechtsentschädigungsgesetz zu gewähren ist. Hiergegen richtet sich die mit der näher ausgeführten Sachrüge geführte Revision des Angeklagten, der zugleich sofortige Beschwerde gegen die Entschädigungsversagung eingelegt hat. Die Revision des Angeklagten führt zur Aufhebung des Urteils, soweit es den Angeklagten betrifft, so dass auch über die [X.] neu zu entscheiden ist.

2

1. Die Beweiswürdigung des [X.]s, mit der es sich von der Schuld des Angeklagten überzeugt hat, hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand.

3

a) Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters, der sich unter dem umfassenden Eindruck der Hauptverhandlung ein Urteil über die Schuld oder Unschuld des Angeklagten zu bilden hat (§ 261 StPO). Die tatsächlichen Schlussfolgerungen des Tatgerichts müssen nicht zwingend sein; es genügt, dass sie möglich sind und das Tatgericht von ihrer Richtigkeit überzeugt ist (vgl. [X.], Urteil vom 9. Februar 1957 – 2 StR 508/56, [X.]St 10, 208, 209 ff.; [X.], Beschluss vom 7. Juni 1979 – 4 [X.], [X.]St 29, 18, 20 f.). Das Revisionsgericht ist auf die Prüfung beschränkt, ob die Beweiswürdigung des Tatrichters mit Rechtsfehlern behaftet ist, weil sie Lücken oder Widersprüche aufweist, mit den Denkgesetzen oder gesichertem Erfahrungswissen nicht übereinstimmt oder sich soweit von einer Tatsachengrundlage entfernt, dass sich die gezogenen Schlussfolgerungen letztlich als reine Vermutung erweisen (st. Rspr.; vgl. [X.], Urteil vom 21. März 2013 – 3 [X.], [X.], 420 mwN).

4

b) Diesen Anforderungen wird die Beweiswürdigung des [X.]s nicht gerecht. Die vom [X.] gezogenen Schlüsse erweisen sich mangels tragfähiger Tatsachengrundlage als bloße Vermutungen.

5

aa) Der bislang unbestrafte Angeklagte hat sich zum Tatvorwurf nicht eingelassen. Mitangeklagte oder Zeugen haben den Angeklagten weder direkt noch indirekt der Mitwirkung an dem fraglichen Betäubungsmittelgeschäft (Bestellung von 1,5 kg Marihuana in [X.]) bezichtigt. Die [X.] konnte lediglich feststellen, dass der Angeklagte in [X.] Empfänger einer über          U.       durchgeführten Auslandsüberweisung in Höhe von 4.000 Euro war und dieses Geld an den anderweitig Verfolgten [X.]              weitergegeben hat. [X.]           , der Lieferant des [X.], hatte zuvor dem Mitangeklagten [X.]        (Käufer des [X.]) den Namen des Angeklagten als Empfänger der Auslandsüberweisung übermittelt. Zwei Tage später kam es in [X.] zur Übergabe des [X.]. Zwei Haarproben, die dem Angeklagten ein halbes Jahr nach der Tat entnommen wurden, belegen seinen gelegentlichen Konsum von Kokain, MDMA und Diazepam.

6

bb) Auf dieser Grundlage hat die [X.] darauf geschlossen, der Angeklagte habe gewusst oder zumindest billigend in Kauf genommen, dass das Geld zur Bezahlung einer Drogenlieferung dienen sollte. Er konsumiere gelegentlich Drogen und habe deshalb Kontakt zur Drogenszene. Zudem sei nicht vorstellbar, dass er durch den anderweitig Verfolgten [X.]       mit der Empfangnahme einer derart hohen und dringlich benötigten Zahlung betraut worden sei, ohne in die zugrunde liegenden Vorgänge eingeweiht und auch darüber hinaus beteiligt gewesen zu sein.

7

cc) Diese Schlussfolgerung des [X.]s entbehrt einer tragfähigen Grundlage. Entgegen der Auffassung der Strafkammer ist es ohne weiteres vorstellbar, dass ein zu Vertuschungszwecken vorgeschobener Zahlungsempfänger gerade nicht in ein umfangreiches Drogengeschäft eingeweiht wird, um den Kreis der Mitwisser möglichst klein zu halten. Vor diesem Hintergrund bildet die Feststellung, dass der Angeklagte gelegentlich verschiedene Drogen konsumiert, keine tragfähige Basis für den Schluss, ihm sei der Zweck der Zahlung zumindest mit Eventualvorsatz bekannt gewesen.

8

2. Auf dem Rechtsfehler beruht das Urteil. Die Sache bedarf daher insgesamt neuer Verhandlung und Entscheidung, soweit sie den Angeklagten betrifft.

9

3. Mit der Aufhebung des Urteils betreffend den Angeklagten ist der negativen Entschädigungsentscheidung des [X.]s die Grundlage entzogen. Über die Entschädigung ist deshalb insgesamt neu zu entscheiden.

Raum                                 Graf                          Jäger

                 [X.]

Meta

1 StR 525/15

16.02.2016

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG München I, 23. April 2015, Az: 3 KLs - 368 Js 192615/13

§ 29 BtMG, §§ 29ff BtMG, § 261 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 16.02.2016, Az. 1 StR 525/15 (REWIS RS 2016, 16229)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 16229

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