Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 04.08.2009, Az. 1 StR 297/09

1. Strafsenat | REWIS RS 2009, 2236

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

[X.]/09 vom 4. August 2009 in der Strafsache gegen wegen versuchten Totschlags u.a. - 2 - Der 1. Strafsenat des [X.] hat am 4. August 2009 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen: 1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 9. Januar 2009 im [X.]; die zugrunde liegenden Feststellungen bleiben [X.]. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-tels, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des [X.] zurückverwiesen. Gründe: 1. Das [X.] hat den Angeklagten, einen bislang unbe-straften Informatik-Studenten, wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten ist aus den vom [X.] in seiner Zuschrift vom 24. Juni 2009 dargeleg-ten Gründen gemäß § 349 Abs. 2 StPO unbegründet, soweit sie sich gegen den Schuldspruch richtet. Sie führt jedoch zur Aufhebung des Strafausspruchs. 1 - 3 - 2. a) Nach den Feststellungen wurde der Angeklagte in der Nacht zum 15. März 2008 von [X.] auf öffentlichem Straßenland grundlos zweimal "geschubst". Anschließend holte [X.]mit der Faust aus und ver-suchte, dem körperlich deutlich überlegenen Angeklagten ins Gesicht zu [X.]. Dieser stach dem Angreifer, weil er dessen Verhalten nicht weiter hinneh-men wollte, mit bedingtem Tötungsvorsatz mit einem Messer in den vorderen linken Halsbereich, ohne dies zuvor angekündigt oder auch nur auf den Besitz des vom Geschädigten nicht bemerkten Messers hingewiesen zu haben. [X.] der Angeklagte die Möglichkeit erkannte, [X.] tödlich verletzt zu ha-ben, flüchtete er ohne Weiteres. 2 b) In der Hauptverhandlung hat der Angeklagte dieses Geschehen - na-mentlich den Messerstich - eingeräumt. Er hat allerdings geltend gemacht, "nur aus Notwehr gehandelt" und "unglaubliche und panische Angst gehabt" zu ha-ben, "niedergeschlagen und von der Gruppe um den Geschädigten getreten zu werden". Dennoch hat er mit [X.] eine Vergleichsvereinbarung getroffen, auf Grund derer er "zur Abgeltung aller bis heute entstandenen materiellen und immateriellen Schäden einen Betrag von • 12.500,00 gezahlt hat" und aus der sich ergibt, dass dieser "die Entschuldigung des Angeklagten annahm". 3 3. Das [X.] hat die Strafe dem Strafrahmen des § 213 StGB ent-nommen. Dessen zweite Alternative hat es wegen der allgemeinen Milderungs-gründe unter zusätzlicher Heranziehung des in § 23 Abs. 2 StGB vertypten [X.] angenommen. Hingegen hat es die Voraussetzungen des § 46a Nr. 1 StGB verneint und somit eine weitere Milderung des anzuwenden-den Strafrahmens über § 49 Abs. 1 StGB nicht erwogen. Die zur Ablehnung des [X.] angeführten Gründe begegnen bei der vorliegenden besonderen, vom [X.] bislang nicht entschiedenen Fallgestal-tung, in der der Angeklagte bei einer tatsächlich bestehenden Notwehrlage le-4 - 4 - diglich das Maß der erforderlichen Verteidigung überschritten hat, durchgreifen-den rechtlichen Bedenken. a) Das [X.] hat allerdings für seine Prüfung eines [X.] die vom [X.] insoweit aufgestellten Maßstäbe zutref-fend herangezogen. Danach bedarf es insbesondere bei schweren Gewaltdelik-ten regelmäßig eines Geständnisses, das der Angeklagte hier abgelegt hat (vgl. BGHSt 48, 134, 141). Hinzukommen muss ein kommunikativer Prozess zwi-schen Täter und Opfer. Dieser ist jedenfalls dann erfolgreich, wenn das Opfer die Leistungen des [X.] als friedensstiftenden Ausgleich akzeptiert (vgl. BGHSt aaO 142), wofür vorliegend spricht, dass der Geschädigte ausweislich des [X.] die Entschuldigung des Angeklagten angenommen hat. Schließlich wird verlangt, dass das Verhalten des [X.] im Verfahren Ausdruck der Übernahme von Verantwortung ist und erkennbar wird, dass er die [X.] respektiert, so dass der Konflikt über die Rollenverteilung von Täter und Op-fer beendet ist (vgl. BGHSt aaO 141). 5 b) Diese vom [X.] richtig erkannte Voraussetzung hat es als nicht erfüllt angesehen. Die hierfür gegebene Begründung erweist sich aber als nicht tragfähig. Denn das [X.] hat insofern angeführt, der Angeklagte habe "im Laufe der Verhandlung mehrmals deutlich" gemacht, "dass er sich für [X.] – hält" und "die gesamte Verantwortung für sein Handeln der Ge-schädigte mit seiner Handlungsweise trage", und weiter - wenn auch später [X.] - angegeben, "dass eigentlich der Geschädigte auf die Anklagebank [X.] und nicht er". Indem es auf diese Gesichtspunkte abgestellt hat, ist das [X.] aber den besonderen Umständen des Falles nicht in vollem [X.] gerecht geworden. 6 - 5 - Dieser wird vor allem dadurch geprägt, dass sich der Angeklagte, wovon auch das [X.] ausgeht, bei seinem Messerstich tatsächlich - und nicht nur behauptet (vgl. [X.], 304) - in einer Notwehrlage befand. Da er somit zunächst selbst Ziel eines gegenwärtigen rechtswidrigen Angriffs war, ist zumindest die von ihm geäußerte Einschätzung, eigentlich gehöre der Ge-schädigte auf die Anklagebank, rechtlich dem Grunde nach nicht zu [X.]. Hierin liegt nicht ohne Weiteres ein Bestreiten der (späteren) Opferrolle [X.] s. Im Hinblick auf den zunächst vom Geschädigten ausgegangenen Angriff ist auch die Bewertung des Angeklagten, dieser trage mit seiner Hand-lungsweise die Verantwortung für das weitere Geschehen, jedenfalls unter Kausalitätsgesichtspunkten nicht gänzlich von der Hand zu weisen. Soweit sich der Angeklagte mehrfach als unschuldig bezeichnet hat, entsprach das seinem Verteidigungsvorbringen, er habe im Tatzeitpunkt "unglaubliche und panische Angst" gehabt. Hiermit aber rekurrierte er auf die Voraussetzungen des § 33 StGB, der im Falle seiner Anwendung zur Straflosigkeit infolge fehlender Schuld geführt hätte. Durch das [X.] auf diesen persönlichen [X.] wurde jedoch die Opferrolle [X.] s auch dann nicht in Frage gestellt, wenn die Angst - wie das [X.] aufgrund rechtsfehlerfreier Be-weiswürdigung angenommen hat - zu Unrecht behauptet worden war. 7 c) Der Senat vermag nicht auszuschließen, dass das [X.] zu ei-ner geringeren Strafe gelangt wäre, wenn es einen Täter-Opfer-Ausgleich (§ 46a Nr. 1 StGB) bejaht hätte. Denn dies hätte ihm die Milderungsmöglichkeit über § 49 Abs. 1 StGB eröffnet. 8 4. Trotz der Aufhebung des Strafausspruchs können die Feststellungen auch insofern bestehen bleiben (§ 349 Abs. 2 StPO). Denn sie sind von dem Rechtsfehler nicht betroffen. Ihnen nicht widersprechende ergänzende Feststel-lungen können in der neuen Hauptverhandlung getroffen werden. 9 - 6 - 5. Das neu zur Entscheidung berufene Tatgericht wird zudem Gelegen-heit haben, - ggf. neben § 46a Nr. 1 StGB (vgl. BGHSt aaO 138) - § 46a Nr. 2 StGB in den Blick zu nehmen. Denn nach der festgestellten Vergleichsvereinba-rung hat der Angeklagte den Betrag von 12.500,00 • auch "zur Abgeltung aller – materiellen Schäden" an [X.]gezahlt. 10 [X.]Wahl Graf [X.] Sander

Meta

1 StR 297/09

04.08.2009

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 04.08.2009, Az. 1 StR 297/09 (REWIS RS 2009, 2236)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2009, 2236

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

2 StR 337/21 (Bundesgerichtshof)

Strafmilderung wegen Schadenswiedergutmachung: Geringe Anforderungen des Opfers an die Wiedergutmachungsbemühungen des Täters


5 StR 564/15 (Bundesgerichtshof)

Notwehr: Erforderliche Verteidigungshandlung bei unbewaffnetem Angreifer; Androhung des Gebrauchs eines Messers


4 StR 109/13 (Bundesgerichtshof)

Strafzumessung: Anforderungen an das Bemühen um Schadenswiedergutmachung; Entschuldigung des Täters einer schweren Gewalttat bei Bestreiten …


4 StR 347/13 (Bundesgerichtshof)

Beteiligung an einer Schlägerei als Straftat: Begriff der Schlägerei und Abgrenzung von einzelnen Zweikämpfen


5 StR 564/15 (Bundesgerichtshof)


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.