Bundesfinanzhof, Urteil vom 22.09.2011, Az. III R 35/08

3. Senat | REWIS RS 2011, 3071

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Gegenstand

Kindergeld: Eingeschränkte Überprüfbarkeit der FG-Entscheidung zum ernsthaften Bemühen eines Kindes um einen Ausbildungsplatz


Leitsatz

NV: Bei der Entscheidung des FG, ob sich das Kind ernsthaft um einen Ausbildungsplatz bemüht hat, handelt es sich um eine Gesamtwürdigung des Einzelfalls, die durch den BFH im Rahmen des § 118 Abs. 2 FGO nur eingeschränkt überprüfbar ist.

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) bezog u.a. laufend Kindergeld für seinen im August 1984 geborenen [X.] [X.]. Ende Januar 2003 brach [X.] seine Ausbildung ab. In der [X.] von [X.]itte Februar bis Ende August 2003 nahm [X.] an einem berufsvorbereitenden Lehrgang teil. Am 1. September 2005 begann er eine neue Ausbildung.

2

Nachdem die Beklagte und Revisionsbeklagte (Familienkasse) von dem Abbruch der ersten Ausbildung erfahren hatte, hob sie die Festsetzung von Kindergeld für [X.] mit Bescheid vom 8. Juni 2005 für die [X.] von September 2003 bis November 2004 auf. Die Angaben des [X.] zu den [X.] von [X.] um einen Ausbildungsplatz erachtete die Familienkasse nicht als ausreichend.

3

Aufgrund im Rechtsbehelfsverfahren vorgelegter Bewerbungsunter- lagen half die Familienkasse dem Einspruch für die [X.]onate September 2003 sowie Januar und August 2004 ab (Änderungsbescheid vom 29. Juli 2005). Die gegen die für die übrigen [X.]onate erfolgte Zurückweisung erhobene Klage hatte keinen Erfolg, nachdem die Familienkasse in der mündlichen Verhandlung am 20. September 2007 in einem weiteren Änderungsbescheid den Rückforderungsbetrag herabgesetzt hatte.

4

Das Finanzgericht ([X.]) war der Ansicht, aus den vorgelegten Unterlagen ergäben sich für den Streitzeitraum nicht mit hinreichender Sicherheit ausreichende Bemühungen des [X.] um einen Ausbildungsplatz. Auch die allgemeine Behauptung des [X.], [X.] sei stets bei der Arbeitsagentur als ausbildungsplatzsuchend gemeldet gewesen, genüge nicht, um ihn als Kind ohne Ausbildungsplatz zu berücksichtigen. Laut einem Vermerk in der Kindergeldakte sei seit dem 27. September 2003 keine [X.]eldung des [X.] mehr erfolgt.

5

[X.]it seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c des Einkommensteuergesetzes in der für den Streitzeitraum geltenden Fassung (EStG) und macht darüber hinaus geltend, das [X.] habe verfahrensfehlerhaft [X.] nicht als Zeugen vernommen.

6

Der Kläger beantragt sinngemäß, das angefochtene Urteil sowie den Bescheid über die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung vom 8. Juni 2005 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 3. August 2005 und der [X.] vom 29. Juli 2005 und 20. September 2007 aufzuheben.

7

Die Familienkasse beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

II. Die Revision ist unbegründet. Sie wird na[X.]h § 126 Abs. 2 der Finanzgeri[X.]htsordnung ([X.]O) zurü[X.]kgewiesen.

9

Die Ents[X.]heidung des [X.], dass dem Kläger kein weiterer Kindergeldanspru[X.]h für [X.] zusteht, weil si[X.]h dieser im Streitzeitraum (Oktober bis Dezember 2003, Februar bis Juli 2004 sowie September bis November 2004) ni[X.]ht ernsthaft um einen Ausbildungsplatz bemüht habe, ist revisionsre[X.]htli[X.]h ni[X.]ht zu beanstanden.

1. Na[X.]h § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Bu[X.]hst. [X.] EStG besteht für ein über 18 Jahre altes Kind, das das 27. Lebensjahr no[X.]h ni[X.]ht vollendet hat, Anspru[X.]h auf Kindergeld, wenn es eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes ni[X.]ht beginnen oder fortsetzen kann. Der Senat hat bereits in seinem Urteil vom 19. Juni 2008 III R 66/05 ([X.], 343, [X.], 1005) dargelegt, wie diese Voraussetzungen na[X.]hzuweisen oder glaubhaft zu ma[X.]hen sind.

a) Na[X.]h ständiger Re[X.]htspre[X.]hung erfordert die Berü[X.]ksi[X.]htigung eines Kindes gemäß § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Bu[X.]hst. [X.] EStG, dass si[X.]h dieses ernsthaft um einen Ausbildungsplatz bemüht (Senatsurteil in [X.], 343, [X.], 1005, m.w.N.).

b) Das Bemühen um einen Ausbildungsplatz ist glaubhaft zu ma[X.]hen. Paus[X.]hale Angaben, das Kind sei im fragli[X.]hen Zeitraum ausbildungsbereit gewesen, es habe si[X.]h ständig um einen Ausbildungsplatz bemüht oder sei stets bei der [X.] als ausbildungsu[X.]hend gemeldet gewesen, rei[X.]hen ni[X.]ht aus. Um einer missbräu[X.]hli[X.]hen Inanspru[X.]hnahme des Kindergeldes entgegen zu wirken, muss si[X.]h die Ausbildungsbereits[X.]haft des Kindes dur[X.]h belegbare Bemühungen um einen Ausbildungsplatz objektiviert haben (Senatsurteil in [X.], 343, [X.], 1005, m.w.N.).

Die Na[X.]hweise für die Ausbildungswilligkeit des Kindes und für sein Bemühen, einen Ausbildungsplatz zu finden, hat der Kindergeldbere[X.]htigte beizubringen. Die besondere [X.]itwirkungspfli[X.]ht unter Einbeziehung des über 18 Jahre alten Kindes sieht § 68 Abs. 1 EStG ausdrü[X.]kli[X.]h vor. Es liegt au[X.]h im Einflussberei[X.]h des Kindergeldbere[X.]htigten, Vorsorge für die Na[X.]hweise der Ausbildungswilligkeit des Kindes zu treffen (Senatsurteil in [X.], 343, [X.], 1005, m.w.N.).

[X.]) Na[X.]hgewiesen werden kann das ernsthafte Bemühen um einen Ausbildungsplatz z.B. dur[X.]h eine Bes[X.]heinigung der [X.], dass das Kind als Bewerber um eine berufli[X.]he Ausbildungsstelle registriert ist (vgl. hierzu Senatsurteile in [X.], 343, [X.], 1005, und vom 17. Juli 2008 III R 95/07, [X.], 367; [X.]/07, [X.], 368).

d) Das Bemühen um einen Ausbildungsplatz kann außer dur[X.]h eine [X.]eldung bei der Arbeitsvermittlung au[X.]h glaubhaft gema[X.]ht werden dur[X.]h Su[X.]hanzeigen in der Zeitung, dur[X.]h direkte s[X.]hriftli[X.]he Bewerbungen an Ausbildungsstätten und ggf. darauf erhaltene Zwis[X.]henna[X.]hri[X.]hten oder Absagen. Bewerbungen und Absagen dur[X.]h E-[X.]ails können ebenfalls zu berü[X.]ksi[X.]htigen sein. Telefonis[X.]he Anfragen können im Einzelfall als Na[X.]hweis ausrei[X.]hen, wenn detailliert und glaubhaft dargelegt wird, mit wel[X.]hen Firmen, Behörden usw. zu wel[X.]hen Zeitpunkten (erfolglose) Gesprä[X.]he geführt worden sind (Senatsurteile in [X.], 343, [X.], 1005, und vom 17. Juli 2008 [X.]/07, [X.], 391).

Au[X.]h wenn das Kindergeld monatli[X.]h entsteht und deshalb die Anspru[X.]hsvoraussetzungen --wie das Bemühen um einen [X.] in jedem [X.]onat gegeben sein müssen, brau[X.]ht ni[X.]ht zwingend für jeden [X.]onat ein erneuter Na[X.]hweis vorgelegt zu werden, der das Bemühen um einen Ausbildungsplatz dokumentiert. Es ist daher ni[X.]ht erforderli[X.]h, dass si[X.]h das Kind jeden [X.]onat erneut um eine Ausbildungsstelle bewirbt, solange über die bisherigen Bewerbungen no[X.]h ni[X.]ht ents[X.]hieden ist; allerdings ist spätestens na[X.]h Ablauf von drei [X.]onaten eine Parallelbewerbung erforderli[X.]h, wenn das Kind innerhalb dieses Zeitraums keine Absage erhalten hat (Senatsurteil in [X.], 343, [X.], 1005).

e) Das [X.] hat die Ents[X.]heidung, ob si[X.]h das Kind ernsthaft um einen Ausbildungsplatz bemüht hat, unter Berü[X.]ksi[X.]htigung der vorgenannten Beweisanzei[X.]hen zu treffen; ggf. ist das Kind anzuhören. Bei der Ents[X.]heidung handelt es si[X.]h um eine Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalles, die dur[X.]h den [X.] ([X.]) nur einges[X.]hränkt überprüfbar ist.

2. In Anwendung der vorgenannten Grundsätze ist die Ents[X.]heidung des [X.], der Kläger habe für [X.] keinen Kindergeldanspru[X.]h für die [X.]onate Oktober bis Dezember 2003, Februar bis Juli 2004 sowie September bis November 2004, revisionsre[X.]htli[X.]h ni[X.]ht zu beanstanden. Für den Streitzeitraum ist das [X.] na[X.]h Würdigung aller Umstände des Einzelfalles zu dem Ergebnis gelangt, dass der Kläger in diesen [X.]onaten ein ernsthaftes Bemühen des [X.] um einen Ausbildungsplatz weder dur[X.]h ausrei[X.]hende eigene Bemühungen no[X.]h dur[X.]h eine regelmäßige [X.]eldung bei der [X.] als Bewerber um einen Ausbildungsplatz na[X.]hgewiesen hat. Da die Würdigung ni[X.]ht gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verstößt, ist sie für den [X.] als Revisionsgeri[X.]ht na[X.]h § 118 Abs. 2 [X.]O bindend, selbst wenn die Wertung des [X.] ni[X.]ht zwingend, sondern ledigli[X.]h mögli[X.]h ist (vgl. [X.]-Bes[X.]hluss vom 10. Februar 2005 [X.]/04, [X.]E 209, 211, [X.] 2005, 488).

a) Letztli[X.]h ni[X.]ht zu beanstanden ist, dass das [X.] den Bewerbungen, die zu einer Abhilfe für die [X.]onate September 2003 sowie Januar und August 2004 geführt haben, jeweils keine über den einzelnen [X.]onat hinausrei[X.]hende Bedeutung beigemessen hat. Die von dem Kläger insoweit vorgelegten Na[X.]hweise bezogen si[X.]h jeweils nur auf den konkreten [X.]onat. Dass diese Bewerbungen si[X.]h über mehrere [X.]onate erstre[X.]kten (s. Senatsurteil in [X.], 343, [X.], 1005, unter II.1.d), ist weder vorgetragen no[X.]h aus den Akten ersi[X.]htli[X.]h.

Weiter ist ni[X.]ht zu beanstanden, dass das [X.] der von dem Kläger vorgelegten Auflistung mit Hotels sowie den beiden Stellenangeboten, auf die si[X.]h [X.] beworben haben will, keine Bedeutung beigemessen hat. Aus der Liste gehen allein die Ans[X.]hriften der vers[X.]hiedenen Hotels hervor, dagegen ist insbesondere ni[X.]ht dargelegt, zu wel[X.]hen Zeitpunkten die Bewerbungen erfolgt sein sollen. Die Stellenangebote wurden erst im Dezember 2004 --und damit na[X.]h Ablauf des [X.] ausgedru[X.]kt. Ab Dezember 2004 hat die Familienkasse [X.] jedo[X.]h wieder als Kind ohne Ausbildungsplatz berü[X.]ksi[X.]htigt.

b) Das [X.] hat für die streitigen [X.]onate au[X.]h keine [X.]eldung des [X.] bei der [X.] festgestellt. Entgegen der Ansi[X.]ht des [X.] ergibt si[X.]h eine sol[X.]he [X.]eldung ni[X.]ht aus dem von dem [X.] in Bezug genommenen Vermerk.

[X.]) Die Verfahrensrüge des [X.], mit der er sinngemäß eine Verletzung der Sa[X.]haufklärungspfli[X.]ht (§ 76 Abs. 1 [X.]O) geltend ma[X.]ht, greift ni[X.]ht dur[X.]h. Der Senat sieht insoweit von einer Begründung ab (§ 126 Abs. 6 Satz 1 [X.]O).

Meta

III R 35/08

22.09.2011

Bundesfinanzhof 3. Senat

Urteil

vorgehend Finanzgericht Berlin-Brandenburg, 20. September 2007, Az: 10 K 10257/05 B, Urteil

§ 32 Abs 4 S 1 Nr 2 Buchst c EStG 2002, § 118 Abs 2 FGO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 22.09.2011, Az. III R 35/08 (REWIS RS 2011, 3071)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 3071

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