Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.04.2015, Az. 4 StR 603/14

4. Strafsenat | REWIS RS 2015, 12185

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
4
StR
603/14

vom
23. April 2015
in der Strafsache
gegen

wegen schweren Raubes u.a.

-
2
-
Der 4.
Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 23.
April
2015, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende [X.]in
am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible,

[X.] am Bundesgerichtshof
Cierniak,
[X.],
[X.],
Bender

als beisitzende [X.],

Staatsanwältin

als Vertreterin
des
[X.]s,

Rechtsanwältin

als Verteidigerin,

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:

-
3
-
I.
1.
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des [X.] vom 27.
August 2013 aufgehoben,
a)
soweit der Angeklagte wegen schweren Raubes verurteilt worden ist,
b)
mit den Feststellungen im Ausspruch über die Ge-samtfreiheitsstrafe.
2.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere [X.] des
[X.] zurückverwiesen.
II.
1.
Auf die Revision des Angeklagten wird das vorbezeich-nete Urteil mit den Feststellungen aufgehoben, soweit verurteilt worden ist, sowie im Ausspruch über die Ge-samtfreiheitsstrafe.
2.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu erneuter Sachbehandlung an eine andere [X.] des [X.] zurückverwiesen.
3.
Die weiter gehende Revision des Angeklagten wird verworfen.
Von Rechts wegen
-
4
-
Gründe:
Das [X.] hat den A
und drei Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich die von der [X.] zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte, wirksam auf dessen
Verurtei-lung wegen schweren Raubes
beschränkte und mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts geführte Revision. Das vom [X.] vertre-tene Rechtsmittel hat im Ergebnis Erfolg. Die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten erzielt den aus der
Urteilsformel ersichtlichen Teilerfolg.
I.
1.
Nach den Feststellungen des [X.] überfielen der Angeklagte sowie die gesondert Verfolgten Z.

, S.

, M.

M.

und S.

M.

am 18.
Dezember 2011 den [X.]

, der einen LKW der Firma C.

auf einer Transportfahrt führte.
Der Angeklagte sowie S.

und S.

M.

folgten, dem gemein-
samen Tatplan entsprechend,
mit einem PKW dem vom Zeugen
A.

ge-
führten, am [X.] mit Produkten der Firma A.

bela-
denen LKW auf die Bundesautobahn
A
3. lotsten
ihn unter Vortäuschung einer Polizeikontrolle auf den
Autobahnparkplatz .

r
Zeuge A.

lenkte den LKW auf den Rastplatz
und
hielt
an. Der Angeklagte
ging auf die Fahrertür des LKW zu und bedrohte den [X.] mit einer nicht geladenen Pistole. Er zwang ihn, sich auf das Bett in der Kabine hinter dem Fahrersitz zu legen, wo er ihn fesselte. Dann fuhr er mit 1
2
3
-
5
-
dem LKW zu einem für das Umladen der Beute vorgesehenen Platz. Dort [X.] M.

M.

und Z.

mit einem weiteren
Fahrzeug, auf das die Täter
Waren im Wert von rund 460.000
Euro umluden
(Fall
1
der Urteilsgründe).
2.
Bei drei Gelegenheiten im Juni 2012 entnahm der Angeklagte als für den Transport allein verantwortlicher LKW-Fahrer der W.

GmbH
nach entsprechender Verabredung mit dem gesondert Verfolgten S.

aus
den Ladungen
u.a. Parfüm und Kosmetikartikel, die S.

anschließend ver-
äußerte; dieser beteiligte den Angeklagten am Erlös
(Fälle
2 bis 4 der Urteils-gründe).
II.
Revision der Staatsanwaltschaft
Die Revision der Staatsanwaltschaft ist
im Umfang
der Anfechtung
be-gründet, weil das Urteil
im Fall
1
der Urteilsgründe
an einem durchgreifenden [X.] leidet.
1.
Das [X.], das gemäß §
154a Abs.
2 [X.] lediglich die mitan-geklagten Vorwürfe der Amtsanmaßung und des Kennzeichenmissbrauchs von der weiteren Strafverfolgung ausgenommen hat, hat es rechtsfehlerhaft unter-lassen, eine Strafbarkeit des Angeklagten wegen räuberischen Angriffs auf Kraftfahrer gemäß §
316a Abs.
1 StGB zu prüfen.
a)
Wie der Senat mit Urteil vom heutigen Tage in der Parallelsache
4
StR 607/14 entschieden hat, wird auf die Entschlussfreiheit eines Kraftfahrzeugfüh-4
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6
7
8
-
6
-
rers bereits dann ein Angriff verübt, wenn vom Täter eines geplanten Raubes eine Polizeikontrolle vorgetäuscht wird und sich der Geschädigte dadurch zum Anhalten gezwungen
sieht.
b)
Zu der sich danach
stellenden Frage, ob der Angeklagte tateinheitlich den Tatbestand des §
316a Abs.
1 StGB verwirklicht
hat, hat das [X.] nur
unzureichende
Feststellungen
getroffen. Die [X.] teilt im angefoch-tenen Urteil lediglich
mit, dass der Angeklagte und seine beiden Mittäter den vom
[X.]

gesteuerten LKW
überholten und

.

(lotsten)Die un-
substantiierte Wertung

t-sächlichen Grundlage; das genaue Vorgehen wird nicht mitgeteilt. Der
Senat
kann daher nicht prüfen, ob die Täter bereits durch ihr
Verhalten im fließenden
Verkehr einen
Angriff
auf die Entschlussfreiheit des Geschädigten
als Führer
des LKW verübt haben.
2.
Aus den zutreffenden Gründen der [X.] des [X.] vom 19.
Mai 2014 und vom 23.
Januar 2015 hat sich der Ange-klagte nicht des erpresserischen Menschenraubs (so in erster Linie die revisi-onsführende Staatsanwaltschaft) oder der Geiselnahme (so die [X.] in [X.]) schuldig gemacht.
3.
Der aufgezeigte [X.] nötigt zur Aufhebung des

an sich rechtsfehlerfreien

Schuldspruchs wegen schweren Raubes
(vgl. [X.]/Gericke, 7.
Aufl., §
353 Rn.
12).
Einer Aufhebung der Feststellungen [X.] es nicht (§
353 Abs.
2 [X.]); insoweit liegt der Fall im Blick auf die den Angeklagten treffende Beschwer anders als bei einem erstinstanzlichen Frei-spruch (vgl. [X.]/[X.], [X.], 58.
Aufl., §
354 Rn.
23).
Der nun-9
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-
7
-
mehr zur Entscheidung berufene Tatrichter wird die erforderlichen ergänzen-den, zu den bisherigen nicht in Widerspruch stehenden Feststellungen zu tref-fen haben.
Der neue
Tatrichter wird auch eine tateinheitliche Verurteilung des Ange-klagten wegen Freiheitsberaubung gemäß §
239 Abs.
1 StGB zu prüfen haben. Dieser Straftatbestand tritt nicht im Wege der [X.] hinter den schweren Raub zurück, da dieser bereits mit dem Verlassen des
Parkplatzes nicht nur vollendet, sondern auch beendet war (vgl. LK-StGB/[X.], 12.
Aufl., §
249 Rn.
67; s. auch zu einer ähnlichen Fallgestaltung [X.], Beschluss vom 6.
Juli 2006

4
StR
48/06, [X.], 35, 36). Schließlich wird der neue Tatrichter im Rahmen der erforderlichen wertenden Betrachtung aller maßgeb-lichen Umstände des Einzelfalls (vgl. [X.]/[X.], [X.], 58.
Aufl., Art.
6 MRK Rn.
9b mwN) zu erwägen
haben, ob er eine Kompensation für eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung auszusprechen hat (vgl. [X.], [X.] vom 29.
Januar 2015

1
StR
359/13).
III.
Revision des Angeklagten
1.
Die Revision des Angeklagten hat Erfolg, soweit sie sich gegen die Verurteilung wegen (veruntreuender) Unterschlagung in drei Fällen richtet. Hierzu hat der [X.] in seiner an den zunächst mit dem Revisi-
12
13
14
-
8
-
onsverfahren befassten 2.
Strafsenat des [X.] gerichteten [X.] vom 19.
Mai 2014 das Folgende ausgeführt:

achrüge des Ange-klagten hat ergeben, dass das [X.] das Verfahren 3240 Js

Amtsgericht [X.] nicht wirksam übernommen
hat.
Nachdem das [X.] [X.] insofern am 14.
Mai 2013 das Hauptverfahren vor dem Amtsgericht [X.] -
Schöffen-gericht
-
eröffnet hatte (VA Bd.
II, Bl.
299), legte das [X.] die Sache mit Verfügung vom 13.
August 2013 auf Antrag der Staatsanwaltschaft dem [X.] zur Übernahme vor (VA Bd.
II Bl.
330). In der Hauptverhandlung in der Strafsache 3490 Js

am 27.
August 2013 beschloss die [X.] die Übernahme des Ver-fahrens des Amtsgerichts [X.] 3240 Js

(VA
Bd.
II Bl.
351) und die Verbindung zu dem dortigen Verfahren 3490 Js

.
Dieser Übernahmebeschluss ist unwirksam. Die Entscheidung des höhe-ren Gerichts über die Übernahme gemäß §
225a [X.] ergeht in der für Entscheidungen außerhalb der Hauptverhandlung vorgeschriebenen Be-setzung (vgl. [X.]/[X.] [X.] 57.
Auflage [§ 225a] Rdnr.
14). Die [X.] war jedoch dem Beschluss vom 22.
Juli 2013 gemäß §
76 Abs.
2 [X.] (SA Bd.
II Bl.
247) entsprechend bei dem Erlass des Übernahme-
und Verbindungsbeschlusses in der [X.] lediglich mit zwei Berufsrichtern besetzt (SA Bd.
II, Bl.
301). Dies führt dazu, dass das Verfahren 3240 Js

beim Amtsge-
richt [X.] anhängig geblieben ist (siehe [X.] Beschluss vom 25.
Mai 2011 -
2
StR 106/11). Soweit das [X.] den Ange-klagten insoweit wegen dreifacher Unterschlagung verurteilt hat, war die

Dem stimmt der Senat zu. Auch er sieht keinen Grund, den [X.] gemäß §
225a Abs.
1 Satz
2, Abs.
3 [X.] anders zu behandeln als den Eröffnungsbeschluss in vergleichbaren Fällen (vgl. hierzu [X.], Beschluss vom 2.
November 2005

4
StR
418/05, [X.]St 50, 267, Urteil vom 25.
Februar 15
-
9
-
2010

4
StR
596/09, Beschlüsse vom 22.
Juni 2010

4
StR
216/10, StraFo 2010, 424, und vom 27.
Februar 2014

1
StR
50/14, [X.], 664). Denn der Übernahmebeschluss ändert den Eröffnungsbeschluss insoweit ab, als er die Zuständigkeit des erkennenden Gerichts abweichend von diesem regelt (§
207 Abs.
1 im Verhältnis zu §
225a Abs.
3 Satz
1 [X.]). Dementsprechend richtet sich die Form des Übernahmebeschlusses und seine Anfechtbarkeit nach den für den Eröffnungsbeschluss geltenden Bestimmungen (§
225a Abs.
3 Sätze
2 und 3 [X.]). Auch ist er analog §
215 [X.] zuzustellen (vgl. [X.]/[X.], [X.], 58.
Aufl., §
225a Rn.
17).
Die Verurteilung des Angeklagten wegen Unterschlagung in drei Fällen ist daher aufzuheben. Der Senat verweist die Sache auch insoweit an eine an-dere [X.] des [X.] zurück. Zwar ist das Verfahren,
soweit es die Verstöße gegen §
246 Abs.
2 StGB betrifft, bei dem Amtsgericht

Schöffen-gericht

[X.] anhängig geblieben. Dieses Gericht hat aber nicht nur das Hauptverfahren eröffnet, sondern die Sache auch wirksam gemäß §
225a Abs.
1 Hs.
1
[X.] dem [X.] zur Übernahme vorgelegt. In [X.] befindet sich das Verfahren erneut nach der ([X.] durch den Senat. Die nunmehr zur Entscheidung berufene [X.] (§
354 Abs.
2 [X.]) wird daher zunächst

auch vor dem Hintergrund des §
24 Abs.
2 [X.]

gemäß §
225a Abs.
1 Satz
2 [X.] über die Übernahme der
Sache in den Unterschlagungsfällen zu befinden haben.
16
-
10
-
2.
Die weiter gehende Revision des Angeklagten ist aus den [X.] Gründen der [X.] des [X.]s vom 19.
Mai 2014 und vom 19.
Januar 2015 unbegründet im Sinne des §
349 Abs.
2 [X.].
Sost-Scheible
Cierniak
Franke

Mutzbauer
Bender
17

Meta

4 StR 603/14

23.04.2015

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.04.2015, Az. 4 StR 603/14 (REWIS RS 2015, 12185)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 12185

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