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Anordnung der Sicherungsverwahrung: Begriff der verwirkten Freiheitsstrafe
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] ([X.]) vom 11. Februar 2020 aufgehoben, soweit gegen den Angeklagten die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist.
2. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Schwurgericht tätige Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.
Das [X.] hat den Angeklagten wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von zehn Jahren verurteilt sowie die Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Die hiergegen gerichtete, auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat in dem aus der [X.] ersichtlichen Umfang Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO) und ist im Übrigen unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung gemäß § 66 Abs. 3 Satz 2 StGB im vorliegenden Verfahren hält einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.
1. Bereits vor dem verfahrensgegenständlichen Urteil hat das [X.] den Angeklagten am 23. Dezember 2019 ([X.]. 1 Ks ) wegen Mordes in zwei Fällen und wegen Computerbetrugs in zwölf Fällen zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe verurteilt sowie die besondere Schwere der Schuld festgestellt. Auch in jenem Verfahren hat das [X.] die Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Über die dagegen gerichtete Revision des Angeklagten war zum Urteilszeitpunkt im vorliegenden Verfahren noch nicht entschieden.
2. Die Voraussetzungen für die Anordnung der Sicherungsverwahrung nach § 66 Abs. 3 Satz 2 StGB liegen nicht vor.
Bei einem - wie hier - unbestraften Angeklagten kommt die Anordnung der Sicherungsverwahrung nach dieser [X.] nur dann in Betracht, wenn der Täter mindestens zwei rechtlich selbständige Taten der in § 66 Abs. 3 Satz 1 StGB bezeichneten Art begangen hat, durch die er jeweils eine Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verwirkt hat und wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt wird (vgl. [X.], Urteil vom 22. Juli 2010 - 3 [X.] Rn. 18 f., [X.]R StGB § 66 Abs. 2 Straftaten 1). Eine Strafe im Sinne des § 66 Abs. 3 Satz 2 StGB ist nur dann verwirkt, wenn wegen der Tat eine Verurteilung bereits ergangen ist oder im Zusammenhang mit dem Verfahren, in dem die Frage der Sicherungsverwahrung zu entscheiden ist, ausgesprochen wird ([X.], Urteil vom 10. Oktober 2006 - 1 [X.] Rn. 3 mwN; Beschluss vom 24. November 2011 - 4 StR 331/11 Rn. 8). Es reicht nicht aus, dass für die Begründung der formellen Voraussetzungen der Sicherungsverwahrung nach § 66 Abs. 3 Satz 2 StGB noch nicht rechtskräftig geahndete Taten aus einem anderen Verfahren herangezogen werden (vgl. insoweit [X.], Urteil vom 8. November 1972 - 3 [X.], [X.]St 25, 44, 45 ff.). „[X.]“ im Sinne des § 66 Abs. 3 Satz 2 StGB ist eine Strafe dann, wenn sie im anhängigen Verfahren verhängt wird oder es sich um eine rechtskräftige Einzelstrafe aus einem anderen Verfahren in der vom Gesetz geforderten Höhe handelt. Bei rechtskräftigen [X.]n ist dabei erforderlich, dass die frühere Entscheidung erkennen lässt, dass eine dort geahndete einschlägige Katalogtat in der gesetzlich geforderten Höhe Eingang in die [X.] gefunden hat (vgl. dazu [X.], Beschluss vom 24. November 2011 - 4 StR 331/11 Rn. 8). Von § 66 Abs. 3 Satz 2 StGB sind nach alledem im Falle einer getrennten Verurteilung insbesondere auch diejenigen Fälle erfasst, in denen mit einer rechtskräftigen Einzelstrafe nach § 55 StGB eine neue Gesamtstrafe zu bilden ist.
3. Die Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung kann daher keinen Bestand haben und muss aufgehoben werden. Der [X.] kann in der Sache nicht selbst entscheiden, weil das [X.] die - statt der Anordnung der Sicherungsverwahrung nach § 66 Abs. 3 Satz 2 StGB - in Betracht kommende Möglichkeit eines Vorbehalts der Unterbringung in einer Sicherungsverwahrung als Ermessensentscheidung nach § 66a StGB noch nicht in den Blick genommen hat. Die Feststellungen sind von dem Rechtsfehler nicht betroffen und bleiben aufrechterhalten (§ 353 Abs. 2 StPO). Das nunmehr zur Entscheidung berufene Tatgericht darf ergänzende Feststellungen treffen, soweit sie den bisherigen nicht widersprechen.
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Meta
17.09.2020
Bundesgerichtshof 1. Strafsenat
Beschluss
Sachgebiet: StR
vorgehend LG Ellwangen, 11. Februar 2020, Az: 41 Js 39/20 - 1 Ks
§ 55 StGB, § 66 Abs 3 S 2 StGB
Zitiervorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 17.09.2020, Az. 1 StR 229/20 (REWIS RS 2020, 2038)
Papierfundstellen: REWIS RS 2020, 2038
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
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3 StR 31/19 (Bundesgerichtshof)
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4 StR 114/08 (Bundesgerichtshof)