Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.11.2013, Az. 4 StR 340/13

4. Strafsenat | REWIS RS 2013, 1330

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 340/13

vom
7. November
2013
in der Strafsache
gegen

1.

2.

wegen erpresserischen [X.] u.a.

-
2
-
Der 4.
Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und der
Beschwerdeführer am 7.
November
2013
gemäß §
349 Abs.
2 und 4 StPO beschlossen:

1.
Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 27.
Februar 2013
a)
im Schuldspruch dahin geändert und neu gefasst, dass der Angeklagte

K.

des erpresserischen
[X.] in Tateinheit mit räuberischer Erpres-sung und gefährlicher Körperverletzung, des Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung sowie des vorsätzlichen gefährlichen Eingriffs in den Straßenver-kehr und die Angeklagte

B.

des erpresseri-
schen [X.] in Tateinheit mit räuberischer Erpressung und gefährlicher Körperverletzung sowie des Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung schuldig sind,
b)
in den Aussprüchen über die Einzelstrafen in den Fäl-len
II.
3 und II.
4 und die Gesamtstrafen mit den zugehö-rigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer [X.] und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landge-richts zurückverwiesen.
2.
Die weiter gehenden Revisionen werden verworfen.
-
3
-
Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten

K.

wegen erpresseri-
schen [X.] in zwei Fällen, jeweils in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, in einem Fall darüber hinaus in Tateinheit mit räuberischer Erpressung, im anderen Fall darüber hinaus in Tateinheit mit versuchter [X.] Erpressung sowie wegen Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körper-verletzung und wegen vorsätzlichen gefährlichen Eingriffs in den Straßenver-kehr zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und zehn Monaten ver-urteilt. Die Angeklagte

B.

hat es wegen erpresserischen Menschen-
raubes in zwei Fällen, jeweils in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, in einem Fall darüber hinaus in Tateinheit mit räuberischer Erpressung, im ande-ren Fall darüber hinaus in Tateinheit mit versuchter räuberischer Erpressung sowie wegen Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung
schuldig gesprochen und
eine Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und neun Mona-ten
festgesetzt. Mit ihren Revisionen rügen die Angeklagten jeweils die Verlet-zung sachlichen Rechts; die Angeklagte B.

beanstandet darüber hinaus
das Verfahren.
Die Rechtsmittel haben den aus der [X.] ersicht-lichen Teilerfolg; im Übrigen sind sie unbegründet im Sinne des §
349 Abs.
2 StPO.
I.
Die von der Angeklagten B.

erhobenen verfahrensrechtlichen Bean-
standungen bleiben aus den zutreffenden Gründen der Antragsschrift des [X.] vom 5.
August 2013 erfolglos.
1
2
-
4
-
II.
Die von den Angeklagten jeweils erhobene Sachrüge führt zu der aus der [X.] ersichtlichen Schuldspruchberichtigung sowie zur Aufhebung der Aussprüche über die Einzelstrafen in den Fällen
II.
3 und 4 der [X.] und der [X.]. Im Übrigen weist das angefochtene Urteil keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten auf.
1.
Das [X.] hat in den Fällen
II.
3 und II.
4 der [X.] festgestellt:
Die Angeklagten, die von einem Dritten beauftragt worden waren, beim Geschädigten eine angebliche Forderung in Höhe von 750
Euro einzutreiben, fassten den Entschluss, den Geschädigten in ihre Gewalt zu bringen, in ihrer Wohnung über Nacht festzuhalten und unter Einsatz von Gewalt die Zahlung eines höheren Geldbetrages von

zunächst

1.500
Euro zu fordern, wobei sie zumindest den überschießenden Betrag für sich behalten wollten. Nachdem es der Angeklagten B.

gelungen war, den Geschädigten dazu zu bewegen,
mit in ihre Wohnung zu kommen, hielten beide Angeklagte ihn dort entspre-chend ihrem Plan über Nacht fest, konfrontierten ihn unter Schlägen, Drohun-gen und Fesselung an Händen und Füßen mit der Geldforderung und schlos-sen ihn über mehrere Stunden in einem Schrank im [X.] ein, um ihrer Forde-rung weiteren Nachdruck zu verleihen. Da der Geschädigte den Geldbetrag nicht mit sich führte, was die Angeklagten wussten, beabsichtigten sie, ihn unter dem Eindruck des Geschehens zu veranlassen, das geforderte Geld von seinen Eltern zu erlangen und dann an sie, die Angeklagten,
auszuhändigen. Zu die-sem Zweck begleitete die Angeklagte B.

den Geschädigten am Morgen
des darauffolgenden Tages bis vor das Haus seiner Eltern. Um sich dem weite-3
4
5
-
5
-
ren Zugriff der
Angeklagten zu entziehen, ging dieser kurz allein in die Woh-nung seiner Eltern und kehrte etwa fünfzehn Minuten später ohne das Geld mit dem Bemerken zu ihr zurück, es sei nicht genügend Geld in der Wohnung. [X.] verlangte die vor dem Haus wartende Angeklagte B.

von dem Ge-
schädigten, noch am selben Tage
mit ihr zu seinem Arbeitgeber zu fahren, um von diesem einen Gehaltsvorschuss in entsprechender Höhe zu verlangen. Da der Arbeitgeber den erbetenen Vorschuss verweigerte, wurde der Geschädigte von den Angeklagten angewiesen, sich noch am Abend desselben Tages in ihrer Wohnung einzufinden, um weitere Möglichkeiten zur Beschaffung des Geldes zu erörtern, worauf der Geschädigte indes nicht einging. Daher brach-ten die Angeklagten den Geschädigten entsprechend einem zuvor gefassten Entschluss erneut in ihre Gewalt, misshandelten ihn in ihrer Wohnung und for-r-zögerung die Zahlung von 2.700
Euro. Letztlich stellten die Eltern dem Geschä-digten, der bis zur Übergabe des Geldes an die Angeklagten unter deren [X.] Bewachung stand, die geforderten 2.700
Euro aus ihren Mitteln zur Verfügung.
2.
Danach leiden die Schuldsprüche in den Fällen
II.
3 und II.
4 der Ur-teilsgründe in
zweifacher Hinsicht an durchgreifenden Rechtsfehlern.
a)
Zum einen hält die tateinheitliche Verurteilung der Angeklagten wegen erpresserischen [X.] im Fall
II.
3 der Urteilsgründe rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Zwar haben sich die Angeklagten des Geschädigten im Sinne von §
239a Abs.
1 Fall
2 StGB bemächtigt, nachdem es der Angeklag-ten B.

gelungen war, ihn dazu zu bewegen, mit in ihre Wohnung zu kom-
men. Denn sie hielten ihn in ihrer Wohnung über Nacht fest, schlossen ihn für mehrere Stunden in dem zu der Wohnung gehörenden [X.]abteil in einem 6
7
-
6
-
Holzschrank ein und forderten ihn während dieser [X.] unter Schlägen, Fesselung an Händen und Füßen sowie Drohungen zur Zahlung von 1.500
Euro auf. Es fehlt aber an dem erforderlichen funktionalen und zeitlichen Zusammenhang zwischen der [X.] und der beabsichtigten Er-s-

239a Abs.
1 StGB (vgl. dazu [X.], Beschluss vom 8.
April 2005

2
StR
111/05, [X.], 508 sowie Senatsbeschluss vom 28.
November 1995

4
StR
641/95, [X.]R StGB §
239a Abs.
1 Sichbemächti-gen
5).
Im vorliegenden Fall sollte die Geldzahlung

auch nach der Vorstellung der Angeklagten

erst nach Beendigung der [X.]
erfolgen, nachdem der Geschädigte frei gelassen wurde, um die Wohnung seiner Eltern aufzusuchen und das Geld dort zu beschaffen.
b)
Zum anderen begegnet die Beurteilung des [X.] zwischen den Taten in den Fällen
II.
3 und II.
4 der Urteilsgründe, die das [X.] als zwei rechtlich selbständige Taten gewertet hat, durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
aa)
Mehrere natürliche Handlungen können als eine Tat im Rechtssinne anzusehen sein (sog. rechtliche Bewertungseinheit), wenn sie sich als Teilakte einer sukzessiven Tatausführung darstellen (Senatsbeschluss vom 22.
Novem-ber 2011

4
StR
480/11, [X.], 79; [X.], Beschluss vom 1.
Februar 2007

5
StR
467/06, [X.]R StGB §
264 Abs.
1 Konkurrenzen
3; [X.]/
[X.], §
52 Rn.
36). Eine solche sukzessive Tatausführung kann auch dann vorliegen, wenn der Täter zunächst davon ausgeht, den angestrebten [X.] durch eine Handlung erreichen zu können, sich dann aber umgehend zu weiteren Tathandlungen entschließt, die auf die vorhergehende Handlung aufsetzen, nachdem die ins Auge gefasste Handlung keinen oder nur einen 8
9
-
7
-
Teilerfolg erbracht hat (Senatsbeschluss vom 22.
November 2011 aaO; vgl. auch [X.], Urteil vom 24.
Mai 2000

3
StR
551/99, [X.]R StGB §
253 Abs.
1 Konkurrenzen
5). Für den Straftatbestand der Erpressung ist insoweit aner-kannt, dass mehrere Angriffe auf die Willensentschließung des Opfers als eine Tat im Rechtssinne zu werten sind, wenn dabei die anfängliche Drohung ledig-lich den Umständen angepasst und aktualisiert wird, im Übrigen aber nach wie vor dieselbe Leistung gefordert wird (Senatsbeschluss vom 22.
November 2011 aaO mwN).
bb)
So verhält es sich hier, weshalb die Angeklagten in den Fällen
II.
3 und II.
4 der Urteilsgründe lediglich als Mittäter wegen eines erpresserischen [X.] in Tateinheit mit einer (vollendeten) räuberischen Erpressung sowie mit gefährlicher Körperverletzung schuldig sind.
Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen haben die beiden Angeklagten ihre ursprüngliche Geldforderung über das mehraktige [X.] hinweg unter Bekräftigung der ursprünglichen Drohungen und durch An-wendung weiterer Gewalt im Sinne eines sukzessiven Geschehens lediglich weiter verfolgt. Beide Einwirkungen auf die Willensfreiheit des Geschädigten in der Wohnung der Angeklagten dienten ersichtlich der Erzeugung und weiteren Aufrechterhaltung des Drucks zur Erlangung des geforderten Geldbetrages. Die zweite [X.] stellte sich dabei gerade nicht als vollständig neuer Anlauf zur Erreichung des ursprünglich angestrebten Erfolges dar, son-dern als eine aus Sicht der Angeklagten den konkreten Umständen geschuldete Anpassung und Aktualisierung der anfänglichen Drohung, was insbesondere durch die Erhöhung der geforderten Summe wegen angeblichen [X.] zum Ausdruck kommt.
10
11
-
8
-
Auch die zeitlichen Intervalle stellen die Annahme einer rechtlichen Be-wertungseinheit nicht in Frage. Dass die Angeklagten während der Tatausfüh-rung zu dem Schluss gekommen sein könnten, ihr Vorhaben sei endgültig ge-scheitert, ist nach den Feststellungen fern liegend. Beendet waren das [X.] und damit die rechtliche Bewertungseinheit daher erst mit dem Eintritt des vollständigen, von Anfang an erstrebten [X.]s (vgl. dazu Senatsbe-schluss vom 22.
November 2011 aaO; [X.], Urteil vom 24.
Mai 2000 aaO; [X.] aaO, Rn.
37).
c)
Der Senat kann die Schuldsprüche für beide Angeklagte vor dem [X.] der zum Tatgeschehen umfassend getroffenen Feststellungen selbst abändern; weitere entscheidungserhebliche Feststellungen in einer neuen [X.] sind nicht zu erwarten. §
265 StPO steht nicht entgegen, da [X.] ist, dass sich die Angeklagten gegen den geänderten Schuldvorwurf anders als geschehen verteidigt hätten.
3.
Die Schuldspruchänderung hat bei beiden Angeklagten die Aufhebung der in den Fällen
II.
3 und II.
4 jeweils verhängten Einzelstrafen zur Folge. [X.] ist auch den Aussprüchen über die Gesamtstrafen die Grundlage entzogen.
Ergänzend bemerkt der Senat, dass im Hinblick auf das Verschlechte-rungsverbot des §
358 Abs.
2 Satz
1 StPO bei der Festsetzung einer neuen, schuldangemessenen Einzelstrafe die Summe der weggefallenen Einzelstrafen
12
13
14
15
-
9
-
nicht überschritten werden darf (vgl. [X.], Beschluss vom 4.
März 2008

5
StR
594/07, [X.]R StGB §
27 Abs.
1 Konkurrenzen
2).
Sost-Scheible
Roggenbuck
Franke

Mutzbauer
Bender

Meta

4 StR 340/13

07.11.2013

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.11.2013, Az. 4 StR 340/13 (REWIS RS 2013, 1330)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 1330

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