Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.09.2017, Az. 1 StR 391/16

1. Strafsenat | REWIS RS 2017, 5067

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:200917B1STR391.16.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1
StR 391/16

vom
20. September
2017
in der Strafsache
gegen

1.

2.

wegen
zu 1.: Steuerhinterziehung u.a.

zu 2.: Untreue u.a.

-
2
-
Der 1.
Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des [X.] und der Beschwerdeführer am 20.
September 2017 gemäß §
349 Abs.
2 und
4 [X.] beschlossen:

1.
Auf die Revision des Angeklagten E.

wird das Urteil
des [X.] vom 2.
März 2016, soweit es ihn betrifft, mit den zugehörigen Feststellungen
aufgehoben
a)
im Schuldspruch mit Ausnahme der Verurteilung wegen Betrugs und
b)
im gesamten Strafausspruch.
Seine weitergehende Revision wird als unbegründet verwor-fen.
2.
Auf die Revision des Angeklagten P.

wird das ge-
nannte Urteil, soweit der
Angeklagte verurteilt wurde, mit den Feststellungen aufgehoben.
3.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten der [X.], an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe:
1.
Das [X.] hat den Angeklagten E.

wegen Untreue in
fünf Fällen, Vorteilsannahme in zehn Fällen, Steuerhinterziehung in vier Fällen 1
-
3
-
sowie wegen Betrugs zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren mit Straf-aussetzung zur Bewährung sowie zu einer Gesamtgeldstrafe von 180
Tages-sätzen zu je 100
Euro verurteilt. Im Hinblick auf eine rechtsstaatswidrige Ver-fahrensverzögerung hat es zwei Wochen der Gesamtfreiheitsstrafe sowie 20
Tagessätze der Gesamtgeldstrafe für vollstreckt erklärt. Den Angeklagten P.

hat das [X.] wegen Untreue in Tateinheit mit Beihilfe zur Vor-
teilsannahme in sechs tateinheitlichen Fällen zu einer Geldstrafe von 150
Ta-gessätzen zu je 170
Euro verurteilt, von denen es im Hinblick auf eine rechts-staatswidrige Verfahrensverzögerung 30
Tagessätze für vollstreckt erklärt hat. Im Übrigen hat es den Angeklagten P.

freigesprochen. Den Mitange-
klagten Er.

, der seine Verurteilung nicht beanstandet, hat das [X.]

unter Freisprechung
im Übrigen

wegen Vorteilsgewährung in zehn Fällen sowie Beihilfe zur Untreue in fünf tateinheitlichen Fällen zu einer zur Bewährung ausgesetzten Gesamtfreiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt.
Die Angeklagten beanstanden ihre Verurteilung mit Revisionen, mit de-nen sie die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügen. Mit einer Ver-fahrensrüge hat das Rechtsmittel des Angeklagten P.

insgesamt und
dasjenige des Angeklagten E.

weitgehend Erfolg.
2.
Die von beiden Angeklagten jeweils zulässig erhobene Verfahrensrüge eines Verstoßes gegen §
258 Abs.
2 und 3 [X.] ist begründet. Dies nötigt

außer hinsichtlich des allein den Angeklagten E.

betreffenden
Schuldspruchs wegen Betrugs

zur vollständigen Aufhebung des Urteils.
a)
Den Verfahrensrügen liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:
Nachdem die Beweisaufnahme geschlossen worden war und die Schlussvorträge gehalten worden waren, erhielten die Angeklagten das letzte 2
3
4
5
-
4
-
Wort, woraufhin sie sich auch äußerten. Im [X.] daran stellte der [X.] die Frage, wie die Ausführungen des Angeklagten E.

in seinem
letzten Wort in Bezug auf eine Vernehmung von [X.] auszulegen seien. Dessen Verteidiger bat daraufhin um eine Unterbrechung der [X.], um diese Frage mit seinem Mandanten erörtern zu können. Nach einer kurzen Unterbrechung wurde die Hauptverhandlung fortgesetzt. Zu der vom Vorsitzenden aufgeworfenen Frage erklärte der Verteidiger des Angeklag-ten E.

dann mit dessen ausdrücklichem
Einverständnis, dass sich sein
Mandant sämtlichen

im Einzelnen näher bezeichneten

Eventualbeweisan-trägen des Verteidigers des Angeklagten P.

anschließe. Dies gelte ins-
besondere im Hinblick auf die darin enthaltene Bedingung, d.h. ein unbedingter Antrag werde ausdrücklich nicht gestellt. Sodann wurde die Hauptverhandlung bis zur Urteilsverkündung unterbrochen, ohne dass den Angeklagten erneut eine Gelegenheit zum letzten Wort gegeben wurde.
b)
Nach §
258 Abs.
2 Halbsatz
2 [X.] gebührt dem Angeklagten nach dem Schluss der Beweisaufnahme und nach den [X.] das letzte Wort. Tritt das Gericht darauf erneut in die Beweisaufnahme ein, ist der Ange-klagte, sofern er nicht von sich aus das letzte Wort in Anspruch nimmt, auf die-ses
Recht hinzuweisen und gemäß §
258 Abs.
3 [X.] zu befragen, ob er noch etwas zu seiner Verteidigung anzuführen habe. Denn mit dem Wiedereintritt in die Verhandlung haben die früheren Ausführungen des Angeklagten ihre Be-deutung als abschließende Äußerungen im Sinne des §
258 Abs.
2 Halbsatz
2 [X.] verloren (vgl.
[X.], Urteil vom 13.
Mai 1993

4
StR
169/93, [X.], 551
mwN). Ein Wiedereintritt liegt nicht nur in jeder Prozesshandlung, die ihrer Natur nach in den Bereich der Beweisaufnahme fällt, sondern bereits in jeder Handlung, in der sich der Wille des Gerichts zum [X.] in der [X.] zeigt ([X.], Beschluss vom 9.
Juni 2015

1
StR
198/15, [X.]R [X.] 6
-
5
-
§
258 Abs.
3 Wiedereintritt
19; vgl. auch [X.] in [X.]/
[X.], [X.], 60.
Aufl.,
§
258 Rn.
28). Insbesondere ist ein Wiedereintritt ge-geben, wenn der Wille des Gerichts zum Ausdruck kommt, im Zusammenwir-ken mit den Prozessbeteiligten in der Beweisaufnahme fortzufahren oder wenn Anträge erörtert werden (vgl. [X.], Urteil vom 27.
Februar
2004

2
StR
146/03, [X.]R [X.] §
258 Abs.
3 Wiedereintritt
14 mwN; vgl. auch [X.], Beschluss vom 31.
März 1987

1
StR 94/87, [X.]R [X.] §
258 Abs.
3 Wiedereintritt
2).
Werden nach dem letzten Wort ausschließlich Vorgänge erörtert, die auf die gerichtliche Entscheidung keinen Einfluss haben können, besteht keine Verpflichtung nach §
258 Abs.
2 [X.] (vgl. [X.], Beschlüsse vom 9.
Juni 2015

1
StR
198/15, [X.]R [X.] §
258 Abs.
3 Wiedereintritt
19 und vom 18.
Sep-tember 2013

1
StR
380/13, [X.]R [X.] §
258 Abs.
3 Letztes Wort
7; Urteil vom 13.
Oktober 1992

5
StR
476/92, [X.], 94; jeweils mwN). Dies ist etwa bei der bloßen Entgegennahme von [X.] der Fall, bei de-nen der Antragsteller auf die Bescheidung vor Urteilsverkündung verzichtet und zu
denen auch andere Verfahrensbeteiligte keine Erklärungen abgegeben ha-ben (vgl. [X.], Beschluss vom 9.
Juni 2015

1
StR
198/15, [X.]R [X.] §
258 Abs.
3 Wiedereintritt
19 mwN).
c)
Ausgehend von diesen Grundsätzen liegt hier ein Verstoß gegen §
258 Abs.
2 und 3 [X.] vor.
Nachdem den Angeklagten das letzte Wort gewährt worden war, wurden Vorgänge erörtert, die auf die gerichtliche Entscheidung Einfluss haben konn-ten. Die Erörterung der Frage, wie die auf eine Beweiserhebung gerichteten Anträge des Angeklagten E.

zu verstehen sind, stellte eine inhaltliche
Befassung mit Beweisanträgen dar, die über die bloße Entgegennahme der dabei vom Verteidiger nach Rücksprache mit seinem Mandanten neu formulier-7
8
9
-
6
-
ten [X.] hinausging (vgl. [X.], Beschluss vom 13.
Oktober 1998

5
StR
392/98, [X.], 27). Dem steht nicht entgegen, dass die übrigen Verfahrensbeteiligten sich an der Erörterung nicht beteiligten und auch inhaltlich zu den Anträgen keine Stellungnahme abgaben. Denn bereits die Erörterung des Inhalts eines von einem Angeklagten zuvor gestellten und auf eine [X.] gerichteten Antrags mit einzelnen Verfahrensbeteiligten stellte eine inhaltliche Befassung mit Fragen der Beweisaufnahme und Beweiswürdigung dar. Damit waren die Ausführungen der Angeklagten im letzten Wort nicht mehr der letzte Eindruck des Gerichts von der Hauptverhandlung, bevor es mit der Urteilsberatung begann. Der Zweck des höchstpersönlichen Rechts auf Gewäh-rung des letzten Wortes liegt aber darin, dem Angeklagten zu ermöglichen, sei-nen Standpunkt unmittelbar vor der Urteilsberatung verdeutlichen zu können (vgl. [X.], Urteil vom 13.
März 1993

4
StR
169/93, [X.], 551).
d)
Die mit Beschluss vom 29.
März 2016 (SA Bd.
X Bl.
227
ff.) [X.] entzog dem [X.] nicht die [X.] (vgl. dazu [X.], Beschluss vom 23.
April 2007

GSSt
1/06, [X.]St 51, 298). Zwar wurde mit ihr die im [X.] nach der Feststellung, dass die Angeklagten das letzte Wort hatten, aufgenommene -
und Rechtslage E.

und seinem Verteidiger die Frage erörterte, wie die Ausführungen
dieses Angeklagten auf eine Vernehmung von [X.] auszulegen seien. Dies lässt den [X.] eines Wiedereintritts in die Verhand-lung, ohne den Angeklagten danach erneut Gelegenheit zum letzten Wort zu
geben, jedoch nicht entfallen.
10
-
7
-
e)
Ein Verstoß gegen §
258 Abs.
2 und 3 [X.] begründet die Revision nicht unbedingt, sondern nur dann, wenn und soweit das Urteil auf dem Fehler beruht. Es genügt allerdings die bloße Möglichkeit des Beruhens (vgl. [X.], Urteil vom 13.
März
1993

4
StR
169/93, [X.], 551). Mit Ausnahme hin-sichtlich
des Schuldspruchs wegen Betrugs beim Angeklagten E.

ist
hier, soweit die Angeklagten verurteilt worden sind, ein Beruhen der Schuld-sprüche und der Strafaussprüche nicht auszuschließen.
aa)
Die Verurteilung beider Angeklagter beruht auf dem [X.], da die Angeklagten nahezu alle Tatvorwürfe bestritten haben (vgl. [X.], Beschluss vom 27.
Januar 2009

5
StR
590/08, [X.]R [X.] §
258
Abs.
3 Letztes Wort
6 mwN). Der [X.] kann nicht ausschließen, dass die Angeklag-ten bei Gewährung des letzten Wortes nach Wiedereintritt in die Hauptverhand-lung noch Ausführungen gemacht hätten, die zu einem anderen
Beweisergeb-nis hätten führen können. Dies gilt zumal vor dem Hintergrund, dass der [X.] des Angeklagten E.

nach Wiedereintritt in die Hauptverhandlung
die Eventualbeweisanträge des Verteidigers des Angeklagten P.

an-
sprach, was beide Angeklagte in einem letzten Wort zu ergänzenden Ausfüh-rungen hätte veranlassen können.
bb)
Der [X.] schließt allerdings aus, dass der den Angeklagten E.

betreffende Schuldspruch wegen Betrugs zu Lasten der Kommunalver-
sicherung auf dem [X.] beruht. Diese Verurteilung des Angeklag-ten E.

hat das [X.] auf dessen vollumfängliches Geständnis
gestützt, das durch die rechtsfehlerfreie Beweiswürdigung bestätigt wurde (UA
S.
137). Vor diesem Hintergrund ist nicht davon auszugehen, dass der zu diesem Tatvorwurf geständige Angeklagte E.

nach der Erörterung von
Anträgen zu einem damit nicht in Zusammenhang stehenden Tatkomplex in 11
12
13
-
8
-
einem erneut eingeräumten letzten Wort noch Ausführungen gemacht hätte, die das Gericht zu einem Freispruch vom Vorwurf des Betrugs hätten veranlassen können. Die übrigen Verfahrensrügen beziehen sich nicht auf diesen Schuld-spruch. Nicht auszuschließen ist demgegenüber auch hinsichtlich des vom [X.] eingeräumten Betrugs, dass sich Ausführungen von ihm in einem erneut gewährten letzten Wort zu seinen Gunsten auf die Strafhöhe ausgewirkt hätten. Die für den Betrug verhängte [X.] hat daher keinen [X.].
Raum
Jäger
Bellay
Radtke
Rin[X.] Dr.
Fischer befindet sich im Urlaub und ist an der [X.] gehindert.
Raum

Meta

1 StR 391/16

20.09.2017

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.09.2017, Az. 1 StR 391/16 (REWIS RS 2017, 5067)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 5067

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