Bundesgerichtshof, Beschluss vom 31.08.2021, Az. 5 StR 223/21

5. Strafsenat | REWIS RS 2021, 2961

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Gegenstand

Beweiswürdigung im Strafurteil wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln: Verwertung eines Teils der Aussage des einzigen Belastungszeugen; Verwertung der früheren Aussage eines von seinem Auskunftsverweigerungsrecht Gebrauch machenden Belastungszeugen


Tenor

Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 8. März 2021 in den [X.] und 2 mit den zugehörigen Feststellungen sowie im [X.] aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat die Angeklagte - unter Freisprechung im Übrigen - wegen zweier Fälle des Handeltreibens (Fälle 1 und 2) mit und Besitzes (Fall 3) von Betäubungsmitteln in jeweils nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die mit der Sachrüge geführte Revision hat in dem aus der [X.] ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

2

1. Die Verurteilung in den Fällen 1 und 2 hat keinen Bestand, weil die zugrundeliegenden Feststellungen nicht auf einer tragfähigen Beweiswürdigung beruhen.

3

Das [X.] hat sich insoweit ausschließlich auf frühere Angaben des gesondert Verfolgten D.        gestützt, der in der Hauptverhandlung gegen die schweigende Angeklagte von dem Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 Abs. 1 StPO Gebrauch gemacht hat. Den erhöhten Anforderungen, die bei dieser besonderen Beweiskonstellation an die Beweiswürdigung und ihre Darstellung in den Urteilsgründen bestehen (vgl. hierzu [X.], Beschluss vom 25. Oktober 2010 - 1 StR 369/10 mwN), ist das [X.] indes nicht gerecht geworden. Insbesondere hat es bei der Bewertung der die Angeklagte belastenden Angaben die tatsächlichen Gründe für den Teilfreispruch nicht erörtert.

4

Insoweit war der Angeklagten ein weiteres, mit den abgeurteilten Taten vergleichbares Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge vorgeworfen worden. Ausweislich der vom [X.] wegen zur Kenntnis zu nehmenden Anklageschrift (vgl. hierzu [X.], Beschluss vom 10. März 2020 - 6 StR 4/20, [X.], 370) hatte die Staatsanwaltschaft hierfür als einziges Beweismittel gleichfalls den gesondert Verfolgten D.        benannt. Das [X.] hat die Angeklagte aus tatsächlichen Gründen freigesprochen, ohne diese allerdings näher zu erläutern. Dies wäre jedoch bei der Würdigung der Angaben des gesondert Verfolgten hinsichtlich der zur Verurteilung gelangten Taten angezeigt gewesen, weil es angesichts der aus der Anklage ersichtlichen Beweislage jedenfalls nicht fernliegt, dass das [X.] die Angeklagte freigesprochen hat, weil es den - über die [X.] eingeführten - Angaben des gesondert Verfolgten D.       im Ermittlungsverfahren und in der gegen ihn geführten Hauptverhandlung insoweit nicht gefolgt ist. [X.] das Tatgericht aber einem Teil der Aussage des einzigen Belastungszeugen, obwohl es ihm im Hinblick auf andere wesentliche Teile nicht folgt, bedarf dies regelmäßig einer besonderen Begründung (vgl. [X.], Beschluss vom 28. Juli 2015 - 4 [X.] mwN). Da sich das [X.] insofern jeglicher Begründung enthalten hat, hält die Beweiswürdigung - auch unter Berücksichtigung des eingeschränkten revisionsrechtlichen [X.] (vgl. [X.], Urteil vom 26. August 2020 - 6 StR 100/20, NStZ-RR 2020, 355, 356) - der rechtlichen Prüfung nicht stand (vgl. [X.], Beschluss vom 22. September 2011 - 2 [X.], [X.]R StPO § 261 Beweiswürdigung 37).

5

2. Die Aufhebung der Verurteilung in den Fällen 1 und 2 entzieht dem [X.] die Grundlage.

6

3. Der Senat weist auf Folgendes hin:

7

Bei besonderen Beweiskonstellationen wie hier (wechselnde Angaben des einzigen Belastungszeugen, Strafmilderung nach § 31 BtMG) ist es angeraten, Inhalt, Entstehung und Entwicklung der Angaben des Zeugen in ihren wesentlichen Zügen im Urteil darzustellen (vgl. [X.], Beschluss vom 12. Mai 2020 - 1 StR 596/19, [X.], 183).

8

Macht der einzige Belastungszeuge von dem Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 StPO Gebrauch, kann eine Feststellung zulasten des Angeklagten regelmäßig nur dann auf eine frühere Aussage gestützt werden, wenn sie durch andere wichtige und im unmittelbaren [X.] stehende Gesichtspunkte bestätigt wird (vgl. [X.], Urteil vom 19. Februar 2015 - 3 StR 597/14).

Cirener     

        

Gericke     

        

Köhler

        

Resch     

        

von Häfen     

        

Meta

5 StR 223/21

31.08.2021

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Dresden, 8. März 2021, Az: 16 KLs 422 Js 59727/19

§ 55 StPO, § 261 StPO, § 267 StPO, § 29 BtMG, §§ 29ff BtMG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 31.08.2021, Az. 5 StR 223/21 (REWIS RS 2021, 2961)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 2961

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